Frage: Woran kann man Ungerechtigkeit nach 2. Timotheus 2 erkennen?
2. Timotheus 2,19

Willem Johannes Ouweneel

© SoundWords, online seit: 30.05.2001, aktualisiert: 29.05.2022

Leitverse: 2. Timotheus 2,19; 2. Thessalonicher 3,6

2Tim 2,19: Jeder, der den Namen des Herrn nennt, stehe ab von der Ungerechtigkeit.

2Thes 3,6: Wir gebieten euch aber …, dass ihr euch zurückzieht von jedem Bruder, der unordentlich wandelt.

Fragenbeantwortung zum Artikel
Gemeindebau „heute“ (1985) – 2. Timotheus 2

Frage 6

„Wie sieht praktisch der Maßstab aus, Ungerechtigkeit zu erkennen? Wie darf hierzu die Stelle aus dem Thessalonicherbrief eingeordnet werden (Abwenden von denen, die unordentlich wandeln; 2Thes 3,6)?“

Antwort

Es ist mit vielen Richtlinien in der Schrift so, dass die Grundsätze manchen Schwierigkeiten bereiten, aber gar nicht so schwierig sind, wenn man genau hinsieht. Die Schwierigkeiten tauchen immer dann auf, wenn es darauf ankommt, sie praktisch anzuwenden. Darum ist dies eine ganz gute Frage. Ich habe auf der einen Seite gesagt, wir müssen mit der Bosheit, mit den Werken des Fleisches brechen, davon abstehen. Zweitens müssen wir abstehen von solchen, die sich persönlich verweigern, von dieser Ungerechtigkeit abzustehen.

Jetzt kommt natürlich die Frage: „Was ist Ungerechtigkeit und was nicht? Wie sieht der Maßstab aus, dies zu erkennen?“

Ich glaube, die Gefahr bei solch einer Frage ist, was ich jetzt andeute als Gesetzlichkeit. Wir haben alle den Keim der Gesetzlichkeit in unseren Herzen. Wir möchten es uns allen leichtmachen, und es wäre am schönsten, wenn ich euch heute Abend an der Tür eine Liste mitgeben könnte: Das ist Ungerechtigkeit und das Gerechtigkeit. Wenn ihr das alles nicht tut und wenn ihr das alles wohl tut, ist alles in Ordnung. Das Zweite gehört oft gar nicht dazu, denn ein Gesetz ist meistens negativ, man darf das nicht und das nicht usw. Aber das ist genau die Stellung der Gesetzlichkeit. Das ist nicht, was das Neue Testament uns darstellt. Es zeigt uns die christliche Freiheit. Und Freiheit ist nicht die Freiheit als Anlass für das Fleisch, wie Petrus sagt und wie wir es auch in Galater 5 haben. Freiheit ist, wie es heißt in Jakobus, ein Gesetz der Freiheit. Hier haben wir wieder das Gesetz, aber in einem ganz anderen Zusammenhang. Es ist ein Gesetz, dass genau das von uns fordert, was wir gern tun, das unsere neue Natur gern tun möchte. Das ist genau das Gesetz der Freiheit. Die Gebote des Herrn Jesus für unser Leben sind genau das, was unser neues Leben auch gern tut. Wir müssen aufpassen, uns zu viel mit längeren Listen der Ungerechtigkeiten zu beschäftigen. Wir sollten uns besser mit dem Positiven beschäftigen. Ungerechtigkeit weicht davon fast immer ab.

Wir haben allerdings in den Briefen des Paulus auch solche Listen. Wir haben die Frucht des Geistes in Galater 5, aber auch eine ganze Liste von den bösen Werken des Fleisches. Wir haben auch andere Listen von Ungerechtigkeiten, die aufgezählt werden, von denen wir abzustehen haben. Aber die Schrift, das Neue Testament meine ich, zielt nicht darauf, dass wir uns mit solchen Listen beschäftigen, und diese Listen sind niemals erschöpfend. In 1. Korinther 5 haben wir manche, die ausgeschlossen werden müssen aus der Versammlung Gottes, aber manche fehlen dort auch. Ein Mörder wird da nicht genannt. Man kann doch sagen, ein Mörder muss ausgeschlossen werden. Diese Listen sind nie vollständig, weil Gott uns keine Gesetze gibt. Er möchte uns unterrichten, wie wir positiv nach der Gerechtigkeit streben sollen. Alles, was dem nicht entspricht, ist Ungerechtigkeit. Wir sollen also aufpassen, Maßstäbe zu setzen, so dass wir sagen können: Wenn ich so weit gehe, kann ich mir noch immer manches erlauben, solange ich diesen Punkt nicht erreiche. Aber sobald ich anfange, über Dinge zu sprechen, die ich mir erlaube, da bin ich schon nicht mehr auf dem Wege des Herrn.

Wir suchen nicht, wie weit wir gehen können, sondern wir suchen, wie wir dem Herrn gefallen können, wie wir der Gerechtigkeit nachjagen können. Das ist das positive Ziel. Darum habe ich Angst, solche Maßstäbe zu geben. Wenn wir den Herrn lieben, wenn wir vom Geist geleitet werden, dann werden wir dort, wo wir die Ungerechtigkeit finden, unmittelbar feststellen können, was Ungerechtigkeit ist.

Ich stelle oft fest, dass junge Gläubige dafür ein viel feineres Gespür haben als solche, die das Neue Testament auswendig kennen. Ein Gläubiger, der wirklich dem Herrn dienen möchte, wird in seinem Herzen genau empfinden, was vom Herrn wegführt oder uns näher zum Herrn bringt. Gerade solche Gläubige, die nahe beim Herrn leben, verstehen, dass wir mit Maßstäben nirgends zurechtkommen.

In der Frage wird ein Beispiel genannt. Wir haben diesen Ausdruck in 1. Thessalonicher 5. Die Schriftstellen werden nicht erwähnt, aber ich nehme an, der Fragesteller weiß es selbst zu finden. In Vers 14 wird gesagt: „Wir ermahnen euch aber, Brüder: Weiset die Unordentlichen zurecht.“ In 2. Thessalonicher 3,6 steht: „Wir gebieten euch aber, Brüder, im Namen unseres Herrn Jesus Christus, dass ihr euch zurückziehet von jedem Bruder, der unordentlich wandelt und nicht nach der Überlieferung, die er von uns empfangen hat. Denn ihr selbst wisset, wie ihr uns nachahmen sollt; denn wir haben nicht unordentlich unter euch gewandelt, noch haben wir von jemandem Brot umsonst gegessen, sondern wir haben mit Mühe und Beschwerde Nacht und Tag gearbeitet, um nicht jemand von euch beschwerlich zu fallen.“ Und dann Vers 10: „Denn auch als wir bei euch waren, geboten wir euch dieses: Wenn jemand nicht arbeiten will, so soll er auch nicht essen. Denn wir hören, dass etliche unter euch unordentlich wandeln, indem sie nichts arbeiten, sondern fremde Dinge treiben. Solchen aber gebieten wir und ermahnen sie in dem Herrn Jesus Christus, dass sie, in der Stille arbeitend, ihr eigenes Brot essen.“

Das griechische Wort für „unordentlich“ heißt einfach faul. Es waren solche, die mit frommen Argumenten sagten: Wir brauchen nicht zu arbeiten, der Herr kommt doch bald. Sie machten also nichts mehr, und wenn Menschen gar nichts mehr machen, dann tun sie meistens unnütze oder schlechte Dinge. Sie reden umher über Dinge, die nicht richtig sind, beschäftigen sich mit anderen Leuten, und sie verdienen nicht ihr eigenes Brot. Das ist hier ein Beispiel, und man könnte natürlich viele andere Beispiele erwähnen von solchen, die inmitten der Gläubigen unordentlich wandeln.

Ist das ein Maßstab für Ungerechtigkeit? Jedenfalls ist es eine Ursache für Gemeindezucht. Insoweit haben wir es hier tatsächlich mit Ungerechtigkeit zu tun. Zucht wenden wir so oft nur bei den schlimmsten Ausbrüchen des Bösen an, aber das ist keine Zucht. Das Wort „Zucht“ gefällt mir gar nicht. Das Wort für „Zucht“ bedeutet im Griechischen „Erziehung“. Zucht bedeutet eigentlich Erziehung, aber im Deutschen hat es eine ganz andere Bedeutung bekommen. Erziehung ist etwas Positives, Kinder zu etwas heranziehen. Erziehung oder Zucht in der Gemeinde Gottes bedeutet, dass wir einander helfen, den richtigen Weg zu gehen. Solche, die unordentlich wandeln, sind also Gegenstände der Zucht in der positiven Bedeutung. Zucht hat immer ein positives Ziel. Selbst wenn alle anderen Maßnahmen versagt haben und das Allerletzte übrigbleibt, nämlich auszuschließen, selbst das hat ein positives Ziel, so wie wir das finden in 1. Korinther 5, wo Paulus sagt, solch eine Seele dem Satan überliefern, das tun wir nicht. Er fügte hinzu, dass dadurch der Körper vielleicht verlorenging, indem der Satan ihn krank machte, „auf dass der Geist errettet werde am Tage des Herrn Jesus“. Sogar eine so harte Maßnahme wie ein Ausschluss dient dazu, die Seele dem Herrn zu übergeben. Man sagt: Wir haben versagt, wir können nichts weiter tun. Alles ist gescheitert. Wir können solch eine Person nur von der Gemeinschaft ausschließen und ihn dem Herrn übergeben. Auch das hat ein positives Ziel. Solch eine Person wird dadurch zum Nachdenken gebracht, um ihre Sache mit dem Herrn und den Geschwistern zu berichtigen.

Weitere Fragen

Frage 1a

Die erste Frage ist zu 1. Korinther 10 und Matthäus 18: „Kann es eine genau begrenzte und bekannte Zahl von Versammlungen geben, von der gesagt wird: Dort ist der Tisch des Herrn und nirgendwo sonst?“

Frage 1b

Inwieweit ist die Gegenwart des Herrn nach Matthaus 18 in der Mitte eines Zusammenkommens von Gläubigen von der Anerkennung anderer Geschwister bzw. Versammlungen abhängig?

Frage 2

Apostelgeschichte 2,46: „… und zu Hause das Brot brachen.“ Fand das Brechen des Brotes hier im Hause eines Gläubigen statt und nicht in einem eigens dafür eingerichteten Versammlungsraum? Könnte man sich auch heute noch in den Wohnungen einzelner Gläubiger zum Brechen des Brotes versammeln?

Frage 3

Goldene und silberne Gefäße sind Christen. Besteht ein Unterschied zwischen ihnen? Sind goldene Gefäße besser?

Frage 4

Wir haben gesehen, dass die Gläubigen von dem Fleischmarkt kaufen durften, ohne sich Sorgen zu machen, aber nicht am Altar an den Götzenmahlzeiten teilnehmen durften. Was ist die Bedeutung für uns?

Frage 5

Ich habe kürzlich, mit Berufung auf 2. Korinther 2,6 (Fußnote) gehört, dass für den Ausschluss aus der Gemeinschaft der Heiligen nur eine Mehrheit, nicht aber alle Gläubigen der örtlichen Gemeinschaft nötig sind. Ist diese Auffassung richtig oder nicht?

Frage 6

Wie sieht praktisch der Maßstab aus, Ungerechtigkeit zu erkennen? Wie darf hierzu die Stelle aus dem Thessalonicherbrief eingeordnet werden (Abwenden von denen, die unordentlich wandeln; 2. Thessalonicher 3,6)?

Frage 7

Noch ganz kurz eine Frage: Es gibt ja viele Kreise, die ineinander keine Abhängigkeit zeigen und deren Mitglieder sich auch nicht um andere kümmern. Wie soll man sich verhalten, wenn zwei Straßen weiter von einer Versammlung eine Baptistengemeinde ist, aber es gibt keinen Kontakt?

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