Der Brief an die Hebräer (1)
Kapitel 1

Stanley Bruce Anstey

© SoundWords, online seit: 29.08.2019, aktualisiert: 23.11.2023

Christus ist erhabener als die Propheten (Heb 1,1-3)

Christus, der Apostel unseres Bekenntnisses

Der Schreiber beginnt diesen großartigen Brief, indem Er Christus verherrlicht. Wie bereits in der Einführung erwähnt, wird uns Christus in den Kapiteln 1 bis 2 als „Apostel“ unseres Bekenntnisses vor Augen gestellt. Er wird als derjenige betrachtet, der von Gott kam, um Gottes Willen zu vollbringen und Gott zu verherrlichen. In diesen Kapiteln wird Er mit den zwei größten Arten von Botschaftern verglichen, die die Zeit des Gesetzes hatte: mit den Propheten und den Engeln. In jeglicher Hinsicht erweist Er sich als unendlich erhabener.

Die Herrlichkeiten Christi als Sohn Gottes und als Sohn des Menschen

In diesen einführenden Kapiteln werden uns die Herrlichkeiten Christi in zweierlei Weise gezeigt:

  1. als der Sohn Gottes – indem seine Gottheit betont wird (Heb 1,1–2,4)
  2. als der Sohn des Menschen – indem seine Menschheit betont wird (Heb 2,5-19)

Diese zwei Seiten der Person Christi dürfen wir in der „Bundeslade“ (zur Zeit der Stiftshütte) sehen (2Mo 25,10-16). Sie bestand aus zwei Materialien: aus „reinem Gold“, ein Bild für seine Göttlichkeit, und aus „Akazienholz“ (in der Septuaginta „unverwesliches Holz“), ein Bild für seine vollkommene Menschheit. In Hebräer 1 sehen wir das reine Gold und in Hebräer 2 das Akazienholz.

Der Zweck der Verherrlichung der Größe Christi

Der vielleicht stärkste und überzeugendste Einwand, den die Juden jemand vorstellten, der das Judentum verlassen wollte, war: Gott selbst hatte dieses System verordnet; Er hatte es dem Volk durch die Hand Moses und „durch Anordnung von Engeln“ gegeben (Apg 7,53). Ihr Argument: Weil die höchste Autorität des Universums dieses System des Gottesdienstes befohlen hat, habe kein Mensch auf Erden das Recht, es zu verändern. Die ungläubigen Juden würden denen, die in Erwägung zogen, das Judentum zu verlassen, diesen Punkt vorhalten und sie des „Abfalls von Mose“ (Apg 21,21) beschuldigen. Jene würden auf christliche Verkündiger hören, die keine Autorität hätten, Derartiges zu lehren. Ein solcher Schritt, so die ungläubigen Juden, wäre Ungehorsam, Auflehnung und letzten Endes Abfall von Gott selbst. Das würde die jüdischen Gläubigen – deren Gewissen von den Forderungen des Gesetzes geschärft waren – natürlich äußerst beunruhigen. Wenn sie jedoch verstanden hätten, dass der Gott, der Israel das Judentum gab, der Gleiche ist, der sie nun aus diesem System herausruft, wären sie seinem Ruf zuversichtlicher gefolgt. Demnach sollen die Kapitel 1 und 2 die Tatsache begründen, dass Jesus Christus Gott ist in der Person des Sohnes und dass Er es ist, der sie auffordert, das Judentum zu verlassen, um im Christentum etwas Besseres zu finden. Er ist der göttliche Sprecher in diesem Brief.

Das Reden Christi ist größer als das Reden der Propheten (V. 1.2)

Das erste Wort in diesem Brief ist „Gott“.[1] Kein anderes Buch in der Bibel wird so eingeleitet. Wir werden unverzüglich dem gegenübergestellt, der in diesem Brief redet. Er ist kein Prophet, Engel, Apostel Christi, sondern Gott selbst in Person des Sohnes. Da es keine größere Person im Universum gibt, sollte der Leser sehr aufmerksam sein auf das, was nun gesagt wird.

Während Gott ehemals zu seinem Volk Israel durch mächtige Botschafter geredet hat, hat Er nun auf eine viel größere Weise geredet. Der Schreiber des Briefes sagt:

Verse 1.2a

Heb 1,1.2a: 1 Nachdem Gott vielfältig und auf vielerlei Weise ehemals zu den Vätern geredet hat in den Propheten, 2 hat er am Ende dieser Tage zu uns geredet im Sohn [d.h. in der Person des Sohnes] …

„Propheten“ (Heb 1,1) und „Engel“ (Heb 1,4) waren die zwei großen Botschafter während der jüdischen Haushaltung, die Gott benutzte, um zu seinem Volk zu reden. Die Juden waren stolz auf diese Boten und sahen sie als Zeichen der Gunst Gottes über ihrem Volk, und das ist auch wahr. Zu keinem anderen Volk auf der Erde hatte Gott in solch einer herausragenden Art und Weise geredet (5Mo 4,7). Doch der Schreiber weist gerade auf die Tatsache hin, dass mit dem ersten Kommen Christi Gott zu seinem Volk „im Sohn“ gesprochen hat. Und das ist eine unendlich erhabenere Weise des Redens als durch Propheten und Engel. Nicht nur hat Gott einen großen Boten in Christus gesandt, sondern Er selbst kam zu der Nation, um zu ihnen in der Person des Sohnes zu reden! Wenn die Juden um ihr Vorrecht wussten, dass Gott solch erhabene Boten wie Propheten und Engel zu ihnen sandte, sollten sie sich umso mehr bevorrechtigt wissen, eine „Heimsuchung“ von Gott selbst erfahren zu haben (Lk 1,78; 19,44)!

„Ehemals“ hatte Gott zu seinem Volk „auf vielerlei Weise“ (auf verschiedene Weise) „in den Propheten“ gesprochen – durch Träume, Visionen, eine hörbare Stimme usw. –, aber jetzt „am Ende dieser Tage“ des prophetischen Redens hat Er „im Sohn“ gesprochen. Dies geschah auf zwei Weisen: erstens als der Herr hier auf der Erde war (Heb 2,3) und zweitens zu der Zeit, als dieser Brief geschrieben wurde und Er auf diese Weise vom Himmel her redete (Heb 12,25).

Ein Einschub

Um recht begreifen zu können, was in diesem Abschnitt vermittelt wird, müssen wir den Einschub beachten, der sich von Kapitel 1,2 (nach dem Wort „Sohn“) bis zum Ende des Kapitels zieht. In diesem Einschub führt der Heilige Geist den Schreiber dazu, die Herrlichkeit und Größe der Person Christi zu entfalten, bevor Er den Gedankengang in Hebräer 2,1-4 mit einer Warnung Gottes weiterführt. Dies tut der Schreiber, um zu betonen, wer Er ist, der redet, und um dadurch das Gesagte mit größerer Kraft auf Herz und Gewissen anzuwenden. Wenn wir den Einschub beiseitelassen und dem roten Faden folgen, lesen wir: „Nachdem Gott … geredet hat … im Sohn, deswegen sollen wir umso mehr auf das achten, was wir gehört haben.“ Die Wichtigkeit dessen, was gesagt wird, hängt von der Person ab, die es gesagt hat. Demnach sollten die Hebräer umso mehr auf das achten, was in diesem Brief gesagt wird, weil Gott selbst der Redende ist!

Eine siebenfältige Betrachtung der Herrlichkeit Christi (V. 2.3)

Verse 2b.3

Heb 1,2.3: 2 … den er gesetzt hat zum Erben aller Dinge, durch den er auch die Welten gemacht hat; 3 welcher, die Ausstrahlung seiner Herrlichkeit und der Abdruck seines Wesens seiend und alle Dinge durch das Wort seiner Macht tragend, nachdem er [durch sich selbst] die Reinigung von den Sünden bewirkt, sich gesetzt hat zur Rechten der Majestät in der Höhe.

Wie bereits erwähnt, besteht der Zweck dieses Einschubes darin, die Herrlichkeit und Größe Christi hervorzuheben. Deshalb beginnt der Schreiber nun, Ihm viele wunderbare göttliche Eigenschaften zuzuschreiben und Ihn als den Sohn Gottes gleichsam von allen andern abzuheben. Sieben Besonderheiten werden aufgezählt, die seine Erhabenheit aufzeigen über alle Propheten, die je gelebt und für Gott gesprochen haben.

  1. Der Erbe aller Dinge
    Als Sohn wurde Er erstens „zum Erben aller Dinge“ gesetzt (Heb 1,2). Das Erbe ist alles, was geschaffen ist. Diese einfache Aussage sagt uns, dass alles Ihm gehört! Keinem Propheten, wie bedeutend er auch gewesen sein mag, wurde jemals solches gegeben. Das unterscheidet den Sohn unmittelbar von allen Propheten. Wenn Christus sich an einem zukünftigen Tag erheben wird, um den erworbenen Besitz zu erlösen (Eph 1,14), wird Er ihn mit uns teilen, denn wir sind „Erben Gottes und Miterben Christi“, und dann werden wir zusammen über den Besitz herrschen (Röm 8,17; 1Kor 3,21.22). Aber darauf will der Schreiber gar nicht hinaus – seine Betonung liegt auf Christus, der würdig ist, das Erbe zu haben aufgrund dessen, wer Er ist.

  2. Der Schöpfer des Universums
    Zweitens ist Er der, „durch den er {Gott} auch die Welten gemacht hat“ (Heb 1,2). (Die „Welten“ ist ein jüdischer Ausdruck für das Universum; siehe die Fußnote in der engl. Darby-Übersetzung: „worlds = a Jewish expression, meaning ‘the universe’.“). Noch einmal: Ein Prophet mag in seinen Mitteilungen an das Volk auf die Schöpfungswerke Gottes hinweisen; aber er würde es nie wagen, sich als Schöpfer zu bezeichnen. Die Tatsache, dass Christus das Universum erschaffen hat (Joh 1,3; Kol 1,15.16), zeugt von seiner Gottheit, denn die Schrift sagt eindeutig, dass Gott die Himmel und die Erde geschaffen hat (1Mo 1,1).

  3. Die Ausstrahlung seiner Herrlichkeit
    Drittens ist Christus „die Ausstrahlung“ oder der Abglanz der Herrlichkeit Gottes (Heb 1,3). Somit ist Er der große Offenbarer Gottes (Joh 1,18). Eindeutig ist das mehr als das Zeugnis, das ein Prophet von Gott gibt. Hier geht es um die tatsächliche Ausstrahlung von Gott selbst; etwas, was nur einer göttlichen Person zugeschrieben werden kann. Alle moralischen und geistlichen Eigenschaften Gottes strahlen aus in Ihm. Es ist nicht nur ein bloßes Abstrahlen, wie Mose die Herrlichkeit Gottes auf seinem Angesicht widerspiegelte, sondern die Eigenschaften Gottes selbst treten in Erscheinung. Hamilton Smith sagt:

Der Sohn hat sich uns in einer Weise genaht, die es uns ermöglicht, Gott in all seinen Eigenschaften geoffenbart zu sehen.[2]

  1. Der Abdruck seines Wesens
    Viertens ist Christus, der Sohn Gottes, nicht nur der Offenbarer Gottes – Er ist Gott (Heb 1,3)! Alle göttlichen Eigenschaften sind in Ihm selbst. Er ist der „Abdruck“ von Gottes „Wesen“. Es wäre Gotteslästerung von jedem Propheten, solche Eigenschaften für sich in Anspruch zu nehmen – und keiner hat es je gewagt.

  2. Der Erhalter des Universums
    Fünftens ist Christus, der Sohn Gottes, auch der Erhalter des Universums (Heb 1,3). Das heißt, Er ist der Grund, warum die ganze Schöpfung von Tag zu Tag bestehen bleibt und funktioniert. Somit ist Er nicht nur der Erbe „aller Dinge“ und der Schöpfer „aller Dinge“, sondern Er ist auch der Erhalter „aller Dinge“. Die Schrift sagt: „Alle Dinge bestehen durch ihn“ (Kol 1,17). Dies tut Er „durch das Wort seiner Macht“ (Ps 147,15-18; 148,8).

  3. Der Reiniger von Sünden
    Sechstens bewirkt Christus „durch sich selbst die Reinigung von den Sünden“ (Heb 1,3). Das heißt, Er hat das ganze Problem der Sünde gelöst, indem Er sich selbst geopfert hat. Als Folge wurde die Sünde richterlich vor Gott „abgeschafft“ (Heb 9,26), und eines Tages wird sie völlig aus der Schöpfung „weggenommen“ werden (Joh 1,29). Selbstverständlich hatte dies kein Prophet und kein Priester des mosaischen Systems getan und hätte es auch nie tun können. Diese alttestamentlichen Opfer am Versöhnungstag (3Mo 16) bedeuteten die Sühnung der Sünden des Volkes Jahr für Jahr (2Mo 30,10; 3Mo 16,34; Heb 9,7.25; 10,3). Weder konnten sie Sünde hinwegnehmen noch das Gewissen eines Gläubigen reinigen, wie es das vollkommene Opfer Christi tut (Heb 9,14; 10,1.2).[3] Uns wird gesagt, dass Christus dies „durch sich selbst“ tat. J.N. Darby sagt:

Das griechische Zeitwort, das hier durch seine besondere Form einen rückbezüglichen Sinn erhält, lässt die geschehene Sache auf den, durch den sie geschah, sich zurück beziehen; die Herrlichkeit der geschehenen Sache strahlt also auf den zurück, der sie vollbracht hat, d.i. auf Christus.“[4]

    Somit wurde das vollbrachte Werk Christi auf dem Kreuz von Ihm und für Ihn getan. Aber die Betonung in diesem Vers liegt nicht so sehr darauf, was Er getan hat – so groß wie das ist –, sondern darauf, wer es getan hat. Weiter kommentiert J.N. Darby:

Von der Reinigung unserer Sünden wird am Rande gesprochen und dann hören wir von seiner Herrlichkeit in der Höhe.[5]

  1. Der Erhöhte zur Rechten Gottes
    Siebtens ist der Herr, nachdem Er das Werk der Reinigung vollbracht hat, in den Himmel aufgefahren und hat sich gesetzt „zur Rechten der Majestät [Größe] in der Höhe“ (Heb 1,3). Kraft dessen, wer Er ist, konnte Er in das wahrhaftige Heiligtum in den Himmel eintreten und sich auf den Thron Gottes setzen! J.N. Darby kommentiert:

Er konnte sich auf den Thron Gottes setzen, ohne ihn zu verunreinigen.[6]

    Satan als der „gesalbte Cherub“ versuchte, genau dasselbe zu tun, und wurde unmittelbar danach aus dem Himmel ausgestoßen (Jes 14,12-15; Hes 28,11-19). Aber als Christus zum Thron auffuhr, erhob sich der ganze Himmel, um Ihn mit Herrlichkeit und Ehre zu krönen (Heb 2,9). Als der, der Er war, konnte Er in die Gegenwart „der Majestät in der Höhe“ treten, vollkommen im Einklang mit der Herrlichkeit Gottes, die dort schien. Es war sein rechtmäßiger Platz, denn Er ist Gott! Kein Prophet wird jemals an einem solch erhöhten Ort sitzen. Christen sitzen in den himmlischen Örtern in Christus Jesus (Eph 2,6), aber auch sie werden niemals zur Rechten Gottes sitzen. Dieser Platz steht Christus alleine zu. Er sitzt dort, weil Er ist, der Er ist.

Ich fasse die obigen Eigenschaften des Sohnes Gottes zusammen:

  • Er ist das Ende aller Geschichte – Er ist der „Erbe aller Dinge“.
  • Er ist der Beginn aller Geschichte – durch Ihn sind „die Welten gemacht“.
  • Er ist jenseits aller Geschichte – „die Ausstrahlung seiner Herrlichkeit“ und „der Abdruck seines Wesens“.
  • Er ist durch die Geschichte hindurch – als der, der „alle Dinge durch das Wort seiner Macht trägt“.
  • Er ist das einmalige Opfer in der ganzen Geschichte – als Er „die Reinigung von den Sünden bewirkt hat“.
  • Er ist über der Geschichte – als sitzend „zur Rechten der Majestät in der Höhe“.

Christus sitzt zur Rechten Gottes in vierfacher Hinsicht

Es ist bedeutsam, dass Christus in diesem Brief viermal zur Rechten Gottes sitzend gesehen wird.

Als die Himmel für Stephanus geöffnet wurden, sah er „den Sohn des Menschen zur Rechten Gottes stehen“ (Apg 7,56). Der Herr stand zu diesem Zeitpunkt, weil den Juden immer noch Gelegenheit geboten wurde, Ihn als ihren Messias anzunehmen, obwohl sie Ihn schon abgelehnt und gekreuzigt hatten. Er stand dort, bereit, zur Erde zurückzukehren, um das Reich zu errichten, wie es in den alttestamentlichen Prophezeiungen vorhergesagt worden war, wenn sie Buße tun und sich bekehren würden (Apg 3,19.20).

Aber sie wollten Christus nicht haben und sandten Stephanus zum Himmel mit der Botschaft: „Wir wollen nicht, dass dieser über uns herrsche“ (Lk 19,14). Erst dann setzte Gott richterlich die Nation beiseite und begann eine neue Zeit in seinen Wegen mit den Nationen (Apg 15,14), um Gläubige aus ihnen herauszurufen, damit sie Teil an etwas vollkommen Neuem sind: an der Versammlung Gottes. Der Brief an die Hebräer, der einige Jahre nach der Steinigung des Stephanus geschrieben wurde, gibt uns noch einen Einblick in den Himmel, und wir sehen Christus nicht stehend, sondern sitzend zur Rechten Gottes.

Dies zeigt: Gott streckt sich nicht länger zu der Nation in Bundesverhältnissen aus, wie Er es einst tat. Die Möglichkeit, dass Christus auf die Erde zurückkehrt, um der Messias Israels zu sein und das Reich aufzurichten, wurde nun vorerst für eine unbestimmte Zeitspanne aufgeschoben.

Jesus steht immer noch, denn bis Israel das Zeugnis des Heiligen Geistes noch nicht verworfen hat, hat Er sich noch nicht endgültig gesetzt, um auf das Gericht über seine Feinde zu warten. Er blieb vielmehr in der Haltung eines Hohenpriesters, der steht […] Andererseits nimmt Christus endgültig seinen Platz im Himmel als sitzend ein, bis Er die Feinde richten wird, die nicht wollten, dass Er über sie herrsche. Denn die Juden taten das, was sie mit Jesus taten, auch in Bezug auf das Zeugnis des Heiligen Geistes, indem sie in Stephanus sozusagen einen Botschafter zu Ihm sandten und sprachen: „Wir wollen nicht, dass dieser über uns herrsche.“ […] Das scheint mir der Grund zu sein, warum Er als stehend gesehen wird. Bis das Zeugnis des Heiligen Geistes für Israel von der Erhöhung Christi nicht endgültig auf der Erde verworfen worden war, hatte Christus noch nicht endgültig seinen Platz als auf immerdar (oder „auf ewig“ = eis to dienekes (Heb 10,12) sitzend auf dem himmlischen Thron eingenommen.[7]

Vier Gründe werden erwähnt, warum Christus zur Rechten Gottes sitzt:

  1. Hebräer 1,3: Er sitzt dort aufgrund der Größe seiner Person – als Sohn Gottes.
  2. Hebräer 8,1: Er sitzt dort aufgrund seines gegenwärtigen Dienstes der Fürsprache – als unser Hoherpriester.
  3. Hebräer 10,12: Er sitzt dort, weil Er siegreich das Sühnungswerk vollbracht hat – als der große Erlöser.
  4. Hebräer 12,2: Er sitzt dort, weil Er in Vollkommenheit auf dem Pfad des Glaubens gewandelt ist – als der Gegenstand unseres Glaubens.

Aus dem, was wir bis jetzt über die Größe Christi gesehen haben im Vergleich zu den Propheten in Israel, folgern wir: Es ist tatsächlich überhaupt kein Vergleich möglich, denn Er ist Gott in der Person des Sohnes. Christus ist eine unendliche Person, der Schöpfer und Erhalter des Universums, wohingegen die Propheten nur Menschen sind! Ja, selbst der größte aller Propheten sagte: „Es kommt aber einer, der stärker ist als ich, dem den Riemen seiner Sandalen zu lösen ich nicht wert bin“ (Lk 3,16).

Christus ist erhabener als die Engel (Heb 1,4–2,18)

Der Schreiber macht nun weiter mit der zweiten Art von Boten in der alten jüdischen Haushaltung: mit den Engeln. Die Nation Israel besitzt eine reiche Geschichte von Begebenheiten, in denen Engel gewirkt hatten. Die Juden hatten eine sehr hohe Sicht von diesem Dienst von Engeln und sahen sich auch darin mit Recht von Gott bevorzugt. Sie nahmen an, dass, wenn nun jemand das Judentum verließe, er sich auch von diesem außergewöhnlichen Dienst zurückziehen würde. Der Schreiber zeigt jedoch, dass das nicht wahr ist. Er deutet an, dass Engel auch denen dienen, die an den Herrn Jesus Christus glauben (Heb 1,14). Ein kurzer Blick in die Apostelgeschichte bestätigt das (Apg 1,10.11; 5,19; 8,26; 10,3-7; 12,7-10; 12,23; etc.).

Die jüdische Neigung, Engel zu verehren (V. 4-14)

Die Juden hatten eine Neigung, Engel zu verehren und zu preisen. Deren Dienst war so hochgeschätzt, dass es sogar eine Sekte (die Essener) gab, die über die jüdische Orthodoxie hinausging und Engel anbetete. Paulus spricht diese falsche Praxis in Kolosser 2,18.19 an. Es war daher notwendig, Christi Erhabenheit über die Engel anzusprechen, um jeglichen Gedanken, Er wäre den Engeln gleichgestellt, aus dem Weg zu räumen. Sicherlich haben Engel als erschaffene Wesen eine höhere Stellung als Propheten (die nur Menschen waren). Wenn aber jemand dachte, Engel wären Christus gleichgestellt, so würden die folgenden Verse so jemand vom Gegenteil überzeugen.

Im ersten Abschnitt zählt der Schreiber sieben Dinge auf, die Christus von den Propheten unterscheidet als einer, der unendlich höher ist (Heb 1,1-3). Nun führt er sieben Zitate aus der Heiligen Schrift an, um zu zeigen, dass Christus auch unendlich höher ist als die Engel (Heb 1,4–2,18).

Verse 4.5

Als Sohn hat Er die höchste Stellung und den höchsten Namen: Das erste Zitat ist aus Psalm 2,7. Es bezieht sich auf das Kommen Christi in die Welt als Mensch. Er hatte „eine Stellung“ in Gottes Haus und „einen Namen“, der Ihn als erhabener als die Engel absonderte (Heb 1,4). Der Schreiber sagt:

Heb 1,4.5: 4 … indem er um so viel besser geworden ist [indem er eine Stellung eingenommen hat] als die Engel, als er einen vorzüglicheren Namen vor ihnen ererbt hat. 5 Denn zu welchem der Engel hat er je gesagt: „Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt“? Und wiederum: „Ich will ihm zum Vater, und er soll mir zum Sohn sein“?  

Der Punkt ist hier, dass Engel nur Knechte im Haus Gottes sind, wohingegen Christus der Sohn ist. H. Smith sagt:

Christus hat einen Platz und einen Namen weit über den Engeln. Psalm 2 wird zum Beweis zitiert, dass Christus bei seinem Kommen in die Welt einen viel besseren Platz eingenommen hat als die erhabensten geschaffenen Wesen.[8]

Niemals nannte Gott einen Engel „mein Sohn“. Dieser Titel kennzeichnet nur die besondere Beziehung Christi zum Vater als der ewige Sohn Gottes. (Beachten wir: Er sagt nicht: „Heute habe ich dich gezeugt; du bist mein Sohn“, sondern formuliert es anders herum: „Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt.“ Christus wird als der „Sohn“ erklärt vor dem „Heute“, das heißt, bevor Er Mensch wurde. Demnach ist seine Sohnschaft ewig.) Von Engeln wird im Alten Testament als von „Söhnen Gottes“ gesprochen (1Mo 6,2.4; Hiob 1,6; 2,1; 38,7; Ps 8,6), aber niemals als vom Sohn. Der Ausdruck „Söhne Gottes“ wird nicht mehr in Verbindung mit den Engeln gebraucht, nachdem Christus aus den Toten auferstanden ist. Denn in seiner Auferstehung wurde Er das Haupt eines neuen Geschlechtes von Menschen (Kol 1,18; Heb 2,10; Off 3,14), die jetzt „Söhne Gottes“ (Röm 8,14), „Brüder“ (Röm 8,29; Heb 2,11.12) und „Genossen“ des Christus (Heb 3,14) genannt werden. Somit haben Engel nicht mehr die höchste Stellung unter den geschaffenen Wesen Gottes, sondern dieses neue Menschengeschlecht – neue Schöpfungen in Christus – ist ihnen überlegen (Gal 6,15; 2Kor 5,17). Nicht, dass Engel zurückgestuft wären oder dass sie weniger Fähigkeit besäßen als davor, sondern dieses neue Menschengeschlecht (Gläubige an den Herrn Jesus Christus) wurde über sie erhoben. Engel sind auch nicht eifersüchtig deswegen.

Als Sohn hat Er eine besondere Stellung in der Zuneigung des Vaters: Eine zweite Stelle wird zitiert aus 2. Samuel 7,14, um zu betonen, dass Christus auch eine besondere Stellung in der Zuneigung des Vaters hat, die Engel nicht haben: „Ich will ihm zum Vater und er soll mir zum Sohn sein“ (Heb 1,5b). Ursprünglich wurde das von Davids Sohn Salomo gesagt. Aber die Worte, mit denen der Prophet das Königreich beschreibt, zeigen deutlich, dass sich die Stelle auf den größeren Sohn Davids bezieht, auf den Herrn Jesus Christus (Mt 1,1; 15,22; 21,9). Zu keiner Zeit sprach Gott einen Engel jemals mit solchen Worten der Beziehung und Liebe an. Die Schrift erwähnt nirgends, dass Engel lieben, noch, dass sie geliebt werden. Der Sohn hingegen ist im „Schoß des Vaters“ und erfreut sich beständig an seiner Liebe (Joh 1,18).

Vers 6

Als Erstgeborener wird Er von den Engeln angebetet: Eine dritte Schriftstelle wird angeführt:

Heb 1,6: Wenn er aber den Erstgeborenen wieder in den Erdkreis einführt, spricht er: „Und alle Engel Gottes sollen ihn anbeten.“

Das ist ein Zitat aus Psalm 97. Die Logik darin ist unangreifbar: Wenn die Engel Ihn anbeten, dann ist Er folgerichtig größer als sie. Psalm 97 bezieht sich auf die Erscheinung Christi (sein zweites Kommen), wenn Er zum Gericht kommt, um die Welt in Ordnung zu bringen. Er wird dann vom Himmel als verherrlichter Mensch handeln und als verherrlichter Mensch von Engeln angebetet werden!

Die Anbetung Christi sowohl von Menschen (Mt 2,11; 8,2; 9,18; 15,25; 20,20; 28,9.17; Joh 9,38; Off 5,9 etc.) als auch von Engeln (Ps 97,7; Off 5,11-14) beweist seine Gottheit, denn alle Anbetung von Gottes Geschöpfen muss an Gott allein gerichtet sein (Mt 4,10; Off 22,8.9). Die Schrift verbietet ausdrücklich die Anbetung von irgendetwas anderem, denn das wäre Götzendienst (2Mo 20,3-5).

Vers 7

Als Schöpfer machte Er die Engel zu seinen Dienern: Der Schreiber zitiert eine vierte Schriftstelle aus Psalm 104,4:

Heb 1,7: Und in Bezug auf die Engel zwar spricht er: „Der seine Engel zu Winden macht und seine Diener zu einer Feuerflamme“ …

So sind Engel also  Geschöpfe, die Christus erschaffen hat! Er ist ihr Schöpfer! Dieser Vers sagt uns, warum sie gemacht wurden: um seine „Diener“ zu sein. Somit ist Christus so viel höher als Engel, dass es unbegreiflich wäre, auch nur daran zu denken, Ihn mit Engeln zu vergleichen.

Verse 8.9

Als Gott hat Er einen Thron, ein Zepter und ein Reich: Ein fünftes Wort wird zitiert aus Psalm 45,7:

Heb 1,8.9: 8 … in Bezug auf den Sohn aber: „Dein Thron, o Gott, ist von Ewigkeit zu Ewigkeit, und das Zepter der Aufrichtigkeit ist das Zepter deines Reiches; 9 du hast Gerechtigkeit geliebt und Gesetzlosigkeit gehasst; darum hat Gott, dein Gott, dich gesalbt mit Freudenöl über deine Genossen.“

Hier wird Christus als „Gott“ angeredet. Was könnte deutlicher von seiner Gottheit reden! Wenn Er Gott ist, dann sind Engel Ihm sicherlich untergeordnet. Genauso wie Psalm 97 hat auch Psalm 45 mit der Erscheinung Christi zu tun. Wenn Er kommt, um öffentlich über die Welt zu regieren, wird Er ein Reich errichten, das „von Ewigkeit zu Ewigkeit“ bestehen bleibt, das heißt, solange diese Epoche andauert. Wiederum ist das Argument des Schreibers eindeutig: Kein Engel hatte jemals einen „Thron“, ein „Zepter“ oder ein „Reich“. Engel sind mit Freude Diener in Christi Reich, aber sie werden nie einen höheren Status als diesen erlangen.

Weiter sagt der Psalm, dass Christus „Gerechtigkeit geliebt und Gesetzlosigkeit gehasst“ hat und dass Gott Ihn darum „gesalbt hat mit Freudenöl“. Das ist eine Anspielung auf den Heiligen Geist, der auf den Herrn kam bei seiner Taufe (Mt 3,16). Das hob Ihn von seinen „Genossen“ ab, die jüdische Brüder waren, die auch zu dieser Zeit getauft wurden. Dass Er Gerechtigkeit liebt und Gesetzlosigkeit hasst, zeigt: Er ist sowohl moralisch als auch geistlich passend, um über die Welt zu herrschen, denn Er richtet in „Gerechtigkeit“ (Ps 98,9). Engel wurden nicht dazu zubereitet, weil sie nicht dazu bestimmt sind, zu herrschen.

Verse 10-12

Als HERR (Jahwe) ist Er der Unveränderliche: Eine sechste Stelle wird aus Psalm 102,26-28 zitiert. Christi Ewigkeit in Vergleich zum Erschaffenem wird hier herausgestellt:

Heb 1,10-12: „10 Du, Herr, hast im Anfang die Erde gegründet, und die Himmel sind Werke deiner Hände. 11 Sie werden untergehen, du aber bleibst; und sie alle werden veralten wie ein Gewand, 12 und wie einen Mantel wirst du sie zusammenrollen, und sie werden verwandelt werden. Du aber bist derselbe, und deine Jahre werden nicht vergehen.“

Die Dinge dieser materiellen Schöpfung „werden verwandelt werden“, aber Christus wird sich niemals verändern, denn Er ist „derselbe“ – der Unveränderliche. Die materiellen Dinge werden eines Tages aufgelöst werden (2Pet 3,10), aber Er wird „bleiben“.

Verse 13.14

Als HERR (Adonai) hat Er ein unumschränktes Recht, zu regieren: Die siebte Stelle kommt aus Psalm 110,1, um darzulegen, dass Christus ein unumschränktes Recht hat, in der kommenden Welt zu regieren, weil Er ist, wer Er ist. Der Schreiber sagt:

Heb 1,13.14: 13 Zu welchem der Engel aber hat er je gesagt: „Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde hinlege als Schemel deiner Füße“? 14 Sind sie nicht alle dienstbare Geister, ausgesandt zum Dienst um derer willen, die die Errettung erben sollen?

Christus wurde aufgerufen, sich zur „Rechten“ Gottes zu setzen bis zu dem Tag, an dem seine Feinde vernichtet würden. Dieser Platz wurde niemals einem Engel angeboten. Christus ist weit über sie gestellt.

Was die Engel betrifft, so fügt der Schreiber noch hinzu, dass sie keine höhere Aufgabe haben als die von „dienstbaren Geistern“, ausgesandt von dem Herrn als seine Knechte um „derer willen, die die Errettung erben sollen“, damit sie für sie Vorsorge tragen, das heißt für diejenigen, die durch seine Gnade gerettet werden sollten.

Fassen wir das zuvor Gesagte zusammen. Im Verlauf der Verherrlichung der Größe der Person Christi hat der Schreiber Dinge über Ihn dargelegt, die nur von Gott selbst gesagt werden konnten. All das unterstreicht seine Gottheit:

  1. Er ist der Sohn Gottes (Heb 1,4.5a).
  2. Er hat eine besondere Stellung in der Liebe und Zuneigung des Vaters (Heb 1,5b).
  3. Er wird von den Engeln angebetet (Heb 1,6).
  4. Er hat die Engel zu seinen Dienern gemacht (Heb 1,7).
  5. Er wird als Gott angesprochen, der einen Thron, ein Zepter und ein Reich hat (Heb 1,8).
  6. Er ist Jahwe, derselbe und der Unveränderliche (Heb 1,10-12).
  7. Er hat ein unumschränktes Recht, zur Rechten Gottes zu sitzen (Heb 1,13).

Übersetzt aus The Epistle to the Hebrews. The New and Living Way of Approach to God in worship in Christianity
Christian Truth Publishing 2017

Übersetzung: Jakob Reichel

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Anmerkungen

[1] Anm. d. Red.: Der Autor verwendet die King-James-Bibel: „God, who at sundry times and in divers manners spake in time past unto the fathers by the prophets …“

[2] H. Smith, Jesus Christus ist derselbe. Eine Auslegung des Hebräerbriefes, Hückeswagen (CSV) 1987, S. 14.

[3] Die King-James-Bibel sagt: Er „reinigte uns von unseren Sünden“, was keine korrekte Übersetzung ist. Es beschränkt den Umfang des Werkes der Reinigung auf die Sünden der Gläubigen, während sein Werk hier viel umfassender ist und auch jeden Aspekt der Sünde in der Schöpfung betrifft (Heb 2,9).

[4] J.N. Darby, Betrachtung über Hebräer (Synopsis), Fußnote zu Hebräer 1,3. Quelle: bibelkommentare.de.

[5] J.N. Darby, „Notes from Lectures on the Epistle to the Hebrews“, zu Hebräer 9Collected Writings of J.N. Darby, Bd. 27, S. 388.

[6] J.N. Darby, „Notes from Lectures on the Epistle to the Hebrews“, zu Hebräer 1, Collected Writings of J.N. Darby, Bd. 27, S. 339.

[7] „The Lord standing or sitting on high. Acts VII, and Hebrews X“, The Remembrancer, Jg. 18, S. 158–160.

[8] H. Smith, Jesus Christus ist derselbe. Eine Auslegung des Hebräerbriefes, Hückeswagen (CSV) 1987, S. 16.

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