Der erste Brief des Paulus an die Korinther (13)
Kapitel 13

Stanley Bruce Anstey

© SoundWords, online seit: 15.04.2023

UNKENNTNIS ÜBER DIE NATUR UND DEN GEBRAUCH VON GABEN IN DER GEMEINDE
(1Kor 12–14)

Das Motiv für den Gebrauch der Gaben – die Liebe

In Kapitel 13 beschreibt Paulus den „vorzüglicheren Weg“, indem er eine schöne Abhandlung über die Liebe verfasst. Viele Menschen neigen dazu, dieses Kapitel aus dem Zusammenhang zu reißen und es auf alle möglichen Lebenssituationen anzuwenden – zum Beispiel auf die Beziehungen in der Ehe und auf das Familienleben. Wir wollen nichts von diesen Anwendungen wegnehmen, denn sie haben durchaus ihren Platz, aber bei der Ausübung unserer Gabe, das Wort in der Gemeinde zu verkünden, ist der Kontext die Liebe. Die Gaben sollen in Liebe ausgeübt werden; das ist der wahre Geist des Dienstes. Wie bereits erwähnt, gibt uns dieses Kapitel das „Öl“, das die Maschinerie in Kapitel 12 (die Gaben) dazu bringt, in der Versammlung reibungslos zu funktionieren [vgl. Kapitel 14].

Die Vorrangstellung der Liebe (V. 1-3)

Verse 1-3

1Kor 13,1-3: 1 Wenn ich mit den Sprachen der Menschen und der Engel rede, aber nicht Liebe habe, so bin ich ein tönendes Erz geworden oder eine schallende Zimbel. 2 Und wenn ich Weissagung habe und alle Geheimnisse und alle Erkenntnis weiß, und wenn ich allen Glauben habe, so dass ich Berge versetze, aber nicht Liebe habe, so bin ich nichts. 3 Und wenn ich alle meine Habe zur Speisung der Armen austeile, und wenn ich meinen Leib hingebe, damit ich verbrannt werde, aber nicht Liebe habe, so nützt es mir nichts.

Der Apostel beginnt mit der Feststellung, dass alles, was wir natürlicherweise für notwendig halten, damit eine örtliche Versammlung gut funktionieren kann, nicht so wichtig ist wie die Liebe. Selbst wenn es große Beredsamkeit (1Kor 13,1), große Gaben (1Kor 13,2a), große Erkenntnis und Verständnis der Wahrheit (1Kor 13,2b), heldenhaften Glauben (1Kor 13,2c) und enorme Selbstaufopferung für andere (1Kor 13,3a) gäbe – sogar Überzeugungen, die zum Märtyrertod führen würden (1Kor 13,3b) –, würde uns all das nichts nützen, wenn es nicht in der Liebe geschähe. Der Apostel führt dies hier an, weil die Korinther sich dieser Dinge rühmten. Aber selbst mit allem, was sie an Gaben und Wissen besaßen, waren sie immer noch keine geistlich gesunde Gemeinde. Es zeigt, dass nach außen gerichtete  Wirkungen von Kraft und Erkenntnis nicht das sind, was eine gesunde Gemeinde ausmacht.

Paulus zeigt weiter auf, dass es etwas gibt, das größer ist als all diese Dinge: die Liebe. Die Korinther benutzten ihre Gaben zur Selbstdarstellung, was in Wirklichkeit bedeutet, das Fleisch mit den Dingen Gottes zu vermischen. Wenn all das getan wird, um die Aufmerksamkeit auf sich selbst zu lenken, dann ist diese eitle Zurschaustellung wertlos. Die Liebe würde das nicht tun.

Die Eigenschaften der Liebe (V. 4-8a)

In den Versen 4 bis 8a spricht Paulus von sechzehn Eigenschaften der Liebe. Die ersten sieben Eigenschaften weisen auf die Notwendigkeit der völligen Selbstverleugnung hin: das Zurückhalten des eigenen Ichs im Dienst am Wort. Die letzten neun Eigenschaften beziehen sich darauf, wie wir uns in der Anwesenheit des Fleisches verhalten sollen, das sich im Dienst bemerkbar macht.

Verse 4-8a

1Kor 13,4-8a: 4 Die Liebe ist langmütig, ist gütig; die Liebe neidet nicht, die Liebe tut nicht groß, sie bläht sich nicht auf, 5 sie gebärdet sich nicht unanständig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, 6 sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sondern sie freut sich mit der Wahrheit, 7 sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie erduldet alles. 8 Die Liebe vergeht niemals

  1. „Die Liebe ist langmütig“
    Damit wird ein ungeduldiger Geist im Dienst des Wortes zurechtgewiesen. Das Fleisch kann nicht auf den richtigen Augenblick warten, um ein Wort zu sagen. Die Liebe ist jedoch „langmütig“ und wird auf die Führung des Geistes warten, um ein Wort „zur rechten Zeit“ hervorzubringen (Mt 24,45). Jemand, dem diese Eigenschaft der Liebe fehlt, wird einen Mangel an Selbstbeherrschung in Bezug auf das „Untertansein“ des Geistes an den Tag legen (1Kor 14,32). Wir werden an den Priester im Alten Testament erinnert, der ein „Jucken [Krätze]“ hatte (3Mo 21,20); er durfte nicht im Heiligtum dienen. Ein Mensch mit Juckreiz kann, wie wir alle wissen, nicht stillsitzen. Ein weiteres Beispiel für die mangelnde Beherrschung des eigenen Geistes im Dienst ist der junge Mann „Achimaaz“, der unbedingt eine Botschaft verkünden wollte und darauf bestand, dies zu tun. Aber als er vor seine Zuhörer trat, hatte er nichts zu sagen (vgl. 2Sam 18,19-32). König Salomo sagte: „Siehst du einen Mann, der hastig ist in seinen Worten – für einen Toren ist mehr Hoffnung als für ihn“ (Spr 29,20). Wahre Liebe kann und wird auf Gottes Zeitpunkt warten, um zu sprechen, und wenn dieser Zeitpunkt gekommen ist, wird die Person, die von einer solchen Liebe geleitet wird, etwas hervorbringen, das für die Gemeinde von Nutzen sein wird.

  2. „Die Liebe ist gütig [mild, freundlich]“
    Dies tadelt die Neigung, zu dienen, ohne die Situation der Gläubigen gebührend zu berücksichtigen. Die göttliche Liebe wird berücksichtigen, wo die Gläubigen stehen, was sie durchmachen (ihre Sorgen, ihren Kummer, ihre Gefühle usw.), und sie wird ihre Bemerkungen im Dienst mit der gebotenen Rücksicht anbringen. Eine solche Freundlichkeit wird ihre Herzen berühren und sie werden den Dienst annehmen. Es mag nötig sein, die Gläubigen zurechtzuweisen, aber niemals zu beschimpfen; dadurch könnten sie ihr Gehör verlieren. Hesekiel saß, „wo sie saßen“, bevor er seinen Mund öffnete, um zu seinen Zuhörern zu sprechen (Hes 3,15). Wenn diejenigen, denen wir dienen, sehen, dass das, was wir sagen, aus echter Liebe und Sorge um sie hervorgeht, werden wir ihr Ohr gewinnen, und sie werden annehmen, was wir zu sagen haben. Wenn es aus unserem Herzen kommt, wird es zu ihrem Herzen gehen (Ruth 2,13; siehe auch: 2Sam 19,15). Der Herr Jesus ist unser großes Vorbild. Er diente in der Synagoge mit „Worten der Gnade“ (Lk 4,22).

  3. „Die Liebe neidet nicht“
    Dies weist den Wunsch zurück, jemand im Dienst gleichzukommen oder ihn zu übertreffen. Das Fleisch möchte andere in einem öffentlichen Dienst übertrumpfen; die Versammlung ist jedoch kein Ort des Wettbewerbs. Die Liebe tut das nicht. Die Gaben sollen sich in ihrer Ausübung zur Auferbauung der Gläubigen gegenseitig ergänzen; sie sollen nicht miteinander konkurrieren. Jegliche Art von Konkurrenzkampf beweist, dass die Liebe zu den Gläubigen nicht wirksam ist (Phil 1,15.16).

  4. „Die Liebe tut nicht groß [o. unbesonnen, unverschämt]“
    Dies weist die Neigung zurück, im Dienst beleidigende Bemerkungen zu machen. Unverschämtheit bedeutet, unhöflich und beleidigend zu sein. Das hat im Dienst keinen Platz. „Unbesonnen“ zu sein bedeutet, schnell etwas auf streitbare Weise zu sagen. Wir müssen vielleicht das Gewissen ansprechen, aber wir dürfen nicht beleidigend sein. Wenn der Geist Gottes uns im Dienst bewegt, wird er das Gewissen der Zuhörer berühren und es zu überzeugen suchen. Manche tun so, als ob es ihre Aufgabe wäre, die Menschen zu überführen, und werden dadurch aggressiv. Aber es ist nicht unser Werk, Seelen zu überführen. Manchmal denken wir, dass wir, weil das Gewissen erreicht werden muss, die Freiheit haben, in unseren Äußerungen beleidigend zu sein und sich dann noch als gewissenhaft zu rühmen. Das ist nicht von Gott. Es gibt keinen Platz für das [verbale] Auspeitschen der Gläubigen. Wir werden an den „Ochsen“ erinnert, der einen Mann oder eine Frau „stößt [aufspießt]“; nach dem alttestamentlichen Gesetz musste er zu Tode „gesteinigt“ werden (2Mo 21,28-32). Der „Ochse“ ist ein Bild für den Knecht des Herrn, der das Korn für seinen Herrn mahlt (1Kor 9,9). Die Steinigung ist ein Bild für das (kollektive) Urteil der Gemeinde. Wir sind gegenüber unserer örtlichen Versammlung für unser Handeln im Dienst verantwortlich. Wenn wir uns im öffentlichen Dienst anstößig verhalten, könnten wir unter das Urteil der Versammlung kommen.

  5. „Die Liebe bläht sich nicht auf“
    Das ist eine Zurechtweisung der Selbstherrlichkeit im Dienst, die nichts anderes als Stolz ist. Diotrephes liebte es, unter seinen Brüdern „der Erste sein“ zu wollen (3Joh 9). Wir mögen viel von unserem Dienst halten, aber sich selbst in den Vordergrund zu stellen, ist keine Liebe. In Römer 12,3 warnt der Apostel, dass wir von uns selbst und unserer Gabe nicht höher denken sollen, als es sich gebührt. Der Wunsch, gesehen und gehört zu werden, ist fleischlich. Die Liebe hingegen begnügt sich mit dem niedrigen Platz.

  6. „Die Liebe gebärdet sich nicht unanständig“
    Dadurch wird das unanständige Verhalten in den Versammlungen getadelt. Jemand mag es gut meinen, aber wenn sein Verhalten nicht zu dem passt, was er eigentlich ist, wird es in den Augen der Gläubigen kein gutes Licht auf ihn werfen. Sie werden ihn wahrscheinlich nicht ernst nehmen. Ein Beispiel für unangemessenes Verhalten wäre vielleicht ein jüngerer Bruder, der versucht, in der Rolle eines älteren Bruders aufzutreten (und zu dienen). In dem, was er sagt, hat er vielleicht mit allem recht, aber es hat etwas Ungebührliches an sich. Oder es könnte ein Evangelist sein, der versucht, in der Rolle eines Propheten oder Lehrers zu dienen, obwohl er nicht die Gabe dazu hat. Wir sagen nicht, dass ein Evangelist nicht in der Versammlung das Wort Gottes verkünden sollte, aber er sollte nicht die Rolle eines Lehrers oder Propheten übernehmen. Ein solches Verhalten ist unschicklich.

  7. „Die Liebe sucht nicht das Ihre“
    Damit wird der Egoismus getadelt. Das Fleisch denkt zuerst an sich selbst und strebt nach seinen eigenen Interessen. Das zeigt sich darin, dass jemand in den Versammlungen im Dienst übermäßig viel Zeit in Anspruch nimmt und dadurch anderen wenig oder gar keinen Raum zum Reden lässt. Im Dienst am Wort kein Ende zu finden oder eine persönliche Agenda zu verfolgen, ist selbstsüchtig. Die Liebe tut das nicht. Die Liebe, sich selbst sprechen zu hören, ist keine wahre Liebe zu den Gläubigen.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Diese moralischen Merkmale der Liebe beschreiben eigentlich das Leben und den Dienst des Herrn Jesus.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Wie bereits erwähnt, scheinen die nächsten neun Eigenschaften eher damit zu tun zu haben, wie wir uns in der Anwesenheit des Fleisches verhalten sollen, das sich im Dienst entfaltet. Diese Eigenschaften haben eine besondere Bedeutung für diejenigen in der Gemeinde, die unter dem Schall des Wortes sitzen. Wenn bestimmte Personen ungeduldig, unfreundlich, eifersüchtig und wetteifernd, beleidigend und streitsüchtig, stolz, unanständig und egoistisch sind (was eigentlich das Gegenteil der ersten sieben Eigenschaften ist), wird die Liebe einen Weg finden, damit umzugehen. Das ist notwendig, damit wir in den Versammlungen Gott entehrende Auseinandersetzungen vermeiden. In ähnlicher Weise wird uns in Epheser 4,2 gesagt, dass wir demütig und sanftmütig sein sollen, aber wenn wir auf solche stoßen, die es nicht sind, heißt es weiter, dass wir in der Gegenwart solcher Menschen langmütig und nachsichtig sein sollen.

  1. „Die Liebe lässt sich nicht erbittern“
    Wenn böswillige Angriffe von einer streitsüchtigen Person in ihrem Dienst kommen, wird die Liebe nicht versuchen, Vergeltung zu üben. Salomo sagt: „Die Einsicht eines Menschen macht ihn langmütig, und sein Ruhm ist es, Vergehung zu übersehen“ (Spr 19,11). In der Gegenwart eines streitsüchtigen Menschen wird die Liebe nicht zulassen, dass sie in einer Versammlung (oder nach einer Versammlungsstunde) in ein Wortgefecht hineingezogen wird, denn all das ist ein Werk des Fleisches.

  2. „Die Liebe rechnet das Böse nicht zu“
    Wenn im Dienst Bemerkungen gemacht werden, die fragwürdig sind, wird die Liebe nicht vorschnell zu dem Schluss kommen, dass die Person böse Absichten hat. Das Fleisch kann nur sehr wenig ertragen, ohne Groll zu hegen. Es ist schnell dabei, sich böse Absichten vorzustellen, aber die Liebe wird nicht über die Motive anderer in ihrem Dienst urteilen.

  3. „Die Liebe freut sich nicht über die Ungerechtigkeit“
    Das Fleisch liebt es, sich mit dem Bösen zu beschäftigen. Es steckt in jedem von uns, offen dafür zu sein, die Fehler bei den anderen zu suchen. Aber dafür ist in der Versammlung kein Platz; es wird nie zu einer glücklichen Gemeinschaft führen.

  4. „Die Liebe freut sich mit der Wahrheit“
    Die Liebe findet ihre Freude daran, die Wahrheit zu hören – und sie ist nicht beleidigt, wenn der Herr jemand anderen benutzt, um sie zu verkünden.

  5. „Die Liebe erträgt alles [deckt zu]“
    Das Wort „erträgt“ kann mit „deckt zu“ übersetzt werden. Einige Übersetzungen benutzen das Wort „schützen“. In diesem Sinne bedeutet „ertragen“, die Fehler anderer zu verbergen und sie nicht unnötig aufzudecken. Der Apostel Petrus bestätigt dies, indem er sagt: „Die Liebe bedeckt eine Menge von Sünden“ (1Pet 4,8). Hier geht es darum, dass der Dienst in der Gemeinde niemals die persönlichen Fehler von jemand aufdecken sollte.

  6. „Die Liebe glaubt alles“
    Das bedeutet nicht, dass die Liebe blind ist, sondern dass sie nicht misstrauisch ist. Der Apostel warnt an anderer Stelle vor der Sünde der „bösen Verdächtigungen“ (1Tim 6,4). Unter normalen Umständen wird die Liebe der Wahrheit glauben und sie annehmen, wenn sie im Dienst in der Versammlung vorgetragen wird, ohne zu streiten und zu diskutieren. Leider gibt es Menschen, die nichts annehmen können, ohne sich vorher darüber zu streiten. Die Liebe tut das nicht. Die Beröer sind ein Beispiel dafür, wie wir die Wahrheit annehmen sollten – vor allem, wenn wir denjenigen kennen, von dem sie kommt. „Sie nahmen das Wort mit aller Bereitwilligkeit auf“ und gingen dann nach Hause und schauten in der Schrift, „ob dies sich so verhielte“ (Apg 17,11).

  7. „Die Liebe hofft alles“
    Das bedeutet, dass die Liebe positiv und ermutigend ist. Wenn jemand in der Versammlung ohne viel Inhalt dient, wird die Liebe etwas Positives darin finden, das zur Erbauung genutzt werden kann.

  8. „Die Liebe erduldet alles“
    Wenn das Wort Gottes in der Kraft des Geistes auf das Gewissen trifft, wird es wahrscheinlich auf Widerstand stoßen. Das Fleisch ärgert sich über einen Dienst, der das Gewissen anspricht, und wird vielleicht denjenigen verurteilen, der es anspricht. In diesem Fall wird die Liebe die Angriffe in der Stille vor dem Herrn ertragen (1Pet 2,23).

  9. „Die Liebe vergeht niemals“
    Wenn es Widerstand oder mangelndes Interesse an der Wahrheit gibt, die wir dem Volk des Herrn im Dienst vermitteln, wird die Liebe niemals aufhören, den Segen derer zu suchen, die sich ihr widersetzen oder ihr gleichgültig gegenüberstehen. Das Fleisch wird es persönlich nehmen und darüber verbittert sein, aber die Liebe wird nie aufhören, das Wohl derer zu suchen, mit denen man in der Versammlung nur schwer auskommt.

So zeigt der Apostel, dass die Liebe allen Gaben und jeder Erkenntnis überlegen ist und wirklich der „vorzüglichere Weg“ für das Leben und den Dienst in der Versammlung ist.

Die Dauerhaftigkeit der Liebe (V. 8-13)

Verse 8-13

1Kor 13,8-13: 8 Die Liebe vergeht niemals; seien es aber Weissagungen, sie werden weggetan werden; seien es Sprachen, sie werden aufhören; sei es Erkenntnis, sie wird weggetan werden. 9 Denn wir erkennen stückweise, und wir weissagen stückweise; 10 wenn aber das Vollkommene gekommen sein wird, so wird das, was stückweise ist, weggetan werden. 11 Als ich ein Kind war, redete ich wie ein Kind, dachte wie ein Kind, urteilte wie ein Kind; als ich ein Mann wurde, tat ich das weg, was kindlich war. 12 Denn wir sehen jetzt mittels eines Spiegels, undeutlich, dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise, dann aber werde ich erkennen, wie auch ich erkannt worden bin. 13 Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; die größte aber von diesen ist die Liebe.

Der Apostel schließt seine Ausführungen über die Liebe ab, indem er von ihrem bleibenden Charakter spricht. Alle Gaben werden vergehen, seien es die Zeichengaben, wie das Sprechen in „Zungen“, oder die Gaben zur Erbauung, wie die „Weissagungen“ oder das Wort der „Erkenntnis“. Dies wird geschehen, wenn „das Vollkommene“ gekommen ist. Dies bezieht sich auf die Vollkommenheit der kommenden Herrlichkeit. Dann werden wir die Gaben nicht mehr brauchen, die uns dienen; denn wir werden Christus in unserem verherrlichten Zustand vor uns haben.

Auch wenn wir „stückweise erkennen“ und „stückweise weissagen“, ist die ganze Wahrheit heute im geschriebenen Wort Gottes offenbart worden. Die Offenbarungen, die dem Apostel Paulus gegeben wurden, dienten dazu, „das Wort Gottes zu vollenden“ in Bezug auf das große Geheimnis Christi und der Gemeinde (Kol 1,25.26). Andere wurden inspiriert, nach dem Tod von Paulus Briefe zu schreiben, aber sie fügten diesen Offenbarungen nichts hinzu.

Der Apostel führt weiter aus, dass es sich mit der Gemeinde genauso verhält wie mit einem Kind, das reif wird und kindliche Dinge ablegt (1Kor 13,11). Sobald das Fundament durch den Dienst der Apostel und Propheten gelegt (Eph 2,20) und die Niederschrift des Wortes Gottes vollendet war, würden die Zeichengaben weggetan. Er erwähnt dies, um die Korinther zu ermahnen. Sie rühmten sich, Gaben zu besitzen, die die Gläubigen auferbauen würden (1Kor 1,4-7), doch sie waren noch nicht gereift. Sie waren immer noch in die Gaben verliebt, die das Kindsein kennzeichnen. Warum legten sie diese Dinge nicht beiseite und konzentrierten sich auf die Ausübung der Gaben, die die Gläubigen befestigen und erbauen? Wenn sie wirklich im Glauben gefestigt und gut in der Wahrheit gelehrt wären, wie sie meinten, dann hätten sie sich nicht so sehr mit der Gabe der Zungenrede usw. beschäftigt.

Drei Gründe für das Ende der „Zeichen“-Gaben

  1. Die „Zeichen“-Gaben wurden von Gott gegeben, um Israel zu bezeugen, dass Gott im Begriff stand, das von den alttestamentlichen Propheten verheißene Reich einzuführen. In Hebräer 2,4 heißt es: „Gott zeugte außerdem mit, sowohl durch Zeichen als durch Wunder und mancherlei Wunderwerke und Austeilungen des Heiligen Geistes nach seinem Willen.“ Auch in 1. Korinther 14,21.22 heißt es: „,Ich will in anderen Sprachen und durch andere Lippen zu diesem Volk reden, und auch so werden sie nicht auf mich hören, spricht der Herr.‘ Daher sind die Sprachen zu einem Zeichen, nicht den Glaubenden, sondern den Ungläubigen“ (vgl. Apg 2,22). Heilungen, Zungenreden und Wunder waren eine Demonstration der „Wunderwerke des zukünftigen Zeitalters“ – des Tausendjährigen Reiches (Heb 6,5). Hätten die Juden den Messias (Christus) angenommen, wie Er im Evangelium vorgestellt wurde, hätte Er das Reich mit all seinen äußeren Segnungen aufgerichtet.

    Die Zeit der „Heimsuchung“ des Volkes durch den HERRN war mit dem Kommen des Herrn Jesus gekommen (Lk 1,78; 19,44), aber trotz all der Zeichen und Wunder, die seinen Dienst begleiteten (Lk 7,22), wollte das Volk dies nicht erkennen. Die Juden lehnten jedes derartige Zeugnis von Gott ab – sowohl das Wirken des Herrn Jesus, wie es in den vier Evangelien berichtet wird, als auch das Wirken der Apostel in den ersten Kapiteln der Apostelgeschichte. Daher wurden sie für eine gewisse Zeit in den Wegen Gottes beiseitegesetzt. In der Zwischenzeit würde Er die Nationen heimsuchen, „um aus ihnen ein Volk für seinen Namen zu nehmen“, wodurch die Gemeinde gebildet würde (Apg 15,14; vgl. Röm 11,11). Und weil Gott Israel das Reich [derzeit] nicht länger in Aussicht stellt, sind diese Zeichen für diesen Zweck nicht mehr erforderlich.

  2. Da Israel in den dispensationalen Wegen Gottes beiseitegestellt wurde und Er sich mit dem Evangelium an die Nationen wendet, wurden die Zeichengaben auch verwendet, um der Welt zu bezeugen, dass Gott etwas Neues auf der Erde errichtet hat: das christliche Zeugnis. Die Zeichengaben waren eine Ergänzung zum gepredigten Wort Gottes und dienten dazu, den Dienst der Apostel als von Gott gesandt zu beglaubigen. In Römer 15,18.19 heißt es: „Ich werde nicht wagen, etwas von dem zu reden, was Christus nicht durch mich gewirkt hat zum Gehorsam der Nationen durch Wort und Werk, in der Kraft von Zeichen und Wundern, in der Kraft des Geistes Gottes.“ In Markus 16,16-20 wird bestätigt, dass diese Dinge den Dienern des Herrn folgen würden, wenn sie sich den Nationen zuwenden.

    Jetzt, da das christliche Zeugnis auf der Erde etabliert und das Fundament der Kirche gelegt ist (Eph 2,20), werden diese Dinge nicht mehr benötigt. Ein flüchtiger Blick in die Kirchengeschichte bezeugt diese Tatsache. Es gibt keine Aufzeichnungen über den Gebrauch von Wundergaben nach dem ersten Jahrhundert – außer von einigen wenigen Abtrünnigen oder Betrügern (2Tim 3,8). Die Schrift verheißt nicht, dass die Wundergaben fortbestehen, aber sie sagt, dass die Gaben zur Auferbauung fortbestehen, bis die Gemeinde ihre Vollendung erreicht hat, das heißt, bis der Herr kommt (Eph 4,11-13).

  3. Ein weiterer Grund für das Aufhören der „Zeichen“-Gaben ist der Niedergang des Zeugnisses der Kirche. Am Anfang war die Kirche eine abgesonderte Gemeinschaft, die dem Herrn wie eine keusche Jungfrau geweiht war, die die Ankunft ihres Herrn erwartete. Sie befand sich damals in einem guten Zustand. Die Freude des Herrn war es, sie in jenen frühen Tagen mit vielen Zeichen seiner Macht und Herrlichkeit zu überhäufen (Apg 4,33; 1Kor 1,7). Doch im Laufe der Zeit begann die Kirche abzugleiten und es kam zu Uneinigkeit, Sünde und Versagen. Dies begann bereits im ersten Jahrhundert. Das betrübte natürlich den Herrn, und Er hielt sich zurück, der Kirche die Zeichen seiner Macht zu geben, wie Er es einst tat. Die Kirche hat sich heute weit von den ursprünglichen Absichten Gottes entfernt, mit viel Ruin, Versagen und Untreue. In der Tat gibt es heute so viel Gleichgültigkeit gegenüber den Ansprüchen Christi und eine von Menschen geschaffene Ordnung in der Kirche, dass ein Mensch nicht erkennen würde, dass es dieselbe Kirche ist, von der wir im Wort Gottes lesen (vgl. Mt 13,31.32). Deshalb können wir nicht erwarten, dass wir heute die Wundergaben aus den Pfingsttagen sehen. Damit würde der Herr den niedrigen Zustand der Kirche gutheißen. Bestenfalls kann sich die Kirche heute rühmen, „eine kleine Kraft“ zu haben (Off 3,8).

Vers 13

1Kor 13,13: Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; die größte aber von diesen ist die Liebe.

„Glaube“ und „Hoffnung“ sind gute Reisebegleiter, solange wir hier in der Wüste sind, aber wir trennen uns von ihnen an der Tür des Himmels. Nur die „Liebe“ kann den langen Weg der Ewigkeit gehen. Sie ist allen Gaben überlegen.


Übersetzt aus: First Epistle Of Paul To The Corinthians: The Maintenance Of Order In The Local Assembly, Kapitel 13
Quelle: www.bibletruthpublishers.com

Übersetzung: Stephan Isenberg

Weitere Artikel des Autors Stanley Bruce Anstey (42)


Hinweis der Redaktion:

Die SoundWords-Redaktion ist für die Veröffentlichung des obenstehenden Artikels verantwortlich. Sie ist dadurch nicht notwendigerweise mit allen geäußerten Gedanken des Autors einverstanden (ausgenommen natürlich Artikel der Redaktion) noch möchte sie auf alle Gedanken und Praktiken verweisen, die der Autor an anderer Stelle vertritt. „Prüft aber alles, das Gute haltet fest“ (1Thes 5,21). – Siehe auch „In eigener Sache ...

Bibeltexte im Artikel anzeigen