Der Brief an die Hebräer (11)
Kapitel 11

Stanley Bruce Anstey

© SoundWords, online seit: 20.01.2022, aktualisiert: 29.04.2023

Ein Einschub – der Weg des Glaubens

Bis jetzt hat der Schreiber in diesem Brief die hebräischen Gläubigen gelehrt, die äußeren Formen der irdischen Religion, die sie im Judentum hatten, zugunsten von etwas Besserem loszulassen: zugunsten des neuen und lebendigen Weges, Gott nahen. Dieser Weg ist von Christus eingeführt worden und wird durch den Glauben beschritten. Genau genommen muss alles im Christentum auf dem Grundsatz des Glaubens beruhen: „Wir wandeln durch Glauben, nicht durch Schauen“ (2Kor 5,7). Es erfordert daher Glauben, den Schritt zu tun weg vom Judentum, einem System von Äußerlichkeiten und Ritualen, hin zu einem neuen und lebendigen Weg im Christentum, der weitgehend geistlich ist. In diesem Kapitel zeigt der Schreiber, dass es nicht neu war, durch Glauben zu wandeln, denn die Gläubigen haben seit Anbeginn der Zeit aus Glauben gelebt. Von Anfang der Weltgeschichte an hatte Gott Wohlgefallen daran, dass die, die zu Ihm kamen, dies durch „Glauben“ taten (Heb 11,6). Daher waren diese hebräischen Gläubigen aufgerufen, in der neuen Stellung, die sie im Christentum eingenommen hatten, aus Glauben zu leben.

Dann führt der Schreiber eine lange Liste von alttestamentlichen Gläubigen an, die aus Glauben lebten und starben und damit Gottes Anerkennung fanden. Der Geist Gottes blickt hinter das Tun dieser Gläubigen und zeigt die besonderen Kennzeichen des Glaubens, die sie in ihrem Leben antrieben. Sie dienen als Beispiele für die Art des Glaubens, den die hebräischen Gläubigen haben sollten. Kapitel 11 illustriert also den großen Grundsatz, nach dem der himmlische Mensch lebt: Glauben.

Das Kapitel kann als Einschub betrachtet werden; die Ermahnungen („Lasst uns …“), die wir schon in den vorigen Kapiteln hatten, werden wieder in Hebräer 12,1 aufgenommen.

Was der Glaube bewirkt

Verse 1.2

Heb 11,1.2: 1 Der Glaube aber ist eine Verwirklichung dessen, was man hofft, eine Überzeugung von Dingen, die man nicht sieht. 2 Denn in diesem haben die Alten Zeugnis erlangt.

Die ersten drei Verse bilden die Einleitung. Der Schreiber beginnt mit den Worten: „Der Glaube aber ist eine Verwirklichung dessen, was man hofft, eine Überzeugung von Dingen, die man nicht sieht.“ Diese Aussage erklärt nicht präzise, was Glaube ist, sondern beschreibt vielmehr, was Glaube bewirkt.[1] Glaube macht das, „was man hofft“, so real, als hätten wir es jetzt in der Hand. Er schenkt uns eine „Überzeugung“ von unsichtbaren geistlichen Dingen; somit werden die Dinge Gottes für uns so real, als sähen wir sie mit unseren natürlichen Augen. Genau genommen erwerben wir alles, was wir haben und jemals haben werden, durch Glauben – alles andere wird vergehen. Die „Alten“ der vergangenen Zeitalter erlangten ein „gutes Zeugnis“, weil sie aus Glauben lebten, und auch wir werden solch ein Zeugnis erlangen, wenn wir, wie sie, aus Glauben leben.

Vers 3

Heb 11,3: Durch Glauben verstehen wir, dass die Welten durch Gottes Wort bereitet worden sind, so dass das, was man sieht, nicht aus Erscheinendem geworden ist.

Der Glaube befähigt uns, Dinge zu verstehen, die außerhalb dessen liegen, was wir mit dem natürlichen Verstand verstehen, denn der Schreiber sagt hier klar und deutlich, dass das, was wir sehen, nicht aus den Dingen entstanden ist, die für unsere natürlichen Augen sichtbar sind.

Der Schreiber erwähnt, dass „durch das Wort Gottes die Welten bereitet wurden“. Damit verweist er auf 1. Mose 1,3: „Und Gott sprach: …“ (vgl. auch Ps 33,6). Dieser Vers spielt darauf an, dass die Erde und der Himmel wiederhergestellt worden sind, diesen Prozess finden wir in 1. Mose 1,3-31 beschrieben. Das Wort „bereitet“ (im Griechischen katartizo) bedeutet „wiederhergestellt“ oder „geflickt“ (Strong’s), „wieder in Ordnung gebracht“ (Liddell und Scott) oder „berichtigt“ (Nestle). Dasselbe griechische Wort wird in der englischen King-James-Übersetzung in Matthäus 4,21 und Markus 1,19 mit „ausbessern“ übersetzt, in Galater 6,1 mit „zurechtbringen“. Hebräer 11,3 deutet also darauf hin, dass Gott das, was Er zuvor geschaffen hatte, in Ordnung gebracht oder wiederhergestellt hat. Dass die ursprüngliche Schöpfung wiederhergestellt werden musste, zeigt deutlich, dass sie in einen chaotischen Zustand geraten war (wie in 1. Mose 1,2 beschrieben), denn Gott hat die Erde nicht in diesem Zustand geschaffen (Jes 45,18).

Nach einigen einleitenden Bemerkungen zum Glauben weist der Schreiber nun auf verschiedene Aspekte des Glaubens hin, die die alttestamentlichen Gläubigen auszeichneten und die Christen, die den Weg des Glaubens beschreiten, übernehmen sollten. Der Rest des Kapitels (Heb 11,4-40) ist unterteilt in drei Gruppen alttestamentlicher Gläubiger:

  • Gläubige vor der Flut (Heb 11,4-7): Sie veranschaulichen den Glauben, der sich Gott auf der Grundlage eines annehmbaren Opfers nähert und so dem Gericht entgeht, das über diese „gegenwärtige böse Welt“ kommt (Gal 1,4; Röm 5,9). Sie zeigen einen Glauben, der rettet.
  • Gläubige Patriarchen (Heb 11,8-11): Sie veranschaulichen einen Glauben, der „den zukünftigen Erdkreis“ (Heb 2,5) ergreift und somit diese Welt loslässt, die sie als Fremde und Pilger durchziehen. Sie zeigen einen Glauben, der sieht.
  • Gläubige Israeliten (Heb 11,23-40): Sie veranschaulichen einen Glauben, der bereit ist, Ablehnung und Verfolgung durch diese gegenwärtige böse Welt zu ertragen, ihr Glaube hält größeren Dingen Ausschau, für die es sich zu leiden lohnt. Sie zeigen einen Glauben, der leidet.

So veranschaulichen diese Gläubigen des Alten Testamentes den Glauben, der rettet, den Glauben, der sieht, und den Glauben, der leidet. Dies sind drei Dinge, die wir brauchen, um als Christ in einer Welt zu leben, die sich gegen Gott und Christus stellt. Interessanterweise ist in diesem Kapitel nicht von Versagen die Rede. Es ist nicht so, dass diese Gläubigen nicht versagt hätten; wir wissen, dass ihr Leben viele Unvollkommenheiten hatte. Der Geist Gottes konzentriert sich jedoch nicht darauf, sondern vielmehr auf den Segen, für den ihr Glaube sie leben ließ: für die unsichtbaren Dinge Gottes. Viele positive Dinge über diese alttestamentlichen Gläubigen hätte der Schreiber hier anführen können, aber er wird dazu geführt, bestimmte Dinge auszuwählen, die sich in besonderer Weise auf die Situation anwenden ließ, in der sich diese hebräischen Gläubigen befanden. Er nennt die Namen von sechzehn alttestamentlichen Gläubigen (die Hälfte von ihnen stammt aus dem ersten Buch Mose) und deutet viele weitere an, ohne sie jedoch namentlich zu nennen. Jeder dieser Heiligen macht den großen Grundsatz deutlich, den der Prophet Habakuk formulierte: „Der Gerechte aber wird durch seinen Glauben leben“ (Hab 2,4; Heb 10,38).

Die Gläubigen vor der Flut (Heb 11,4-7)

Bei den ersten drei Gläubigen sehen wir einen Glauben, der den einzelnen Gläubigen in eine rechte Beziehung zu Gott bringt. Diese Beispiele veranschaulichen den Glauben, der sich Gott auf der Grundlage eines Opfers nähert, das Gott annehmen kann, und so dem Gericht entgeht. Das ist der Beginn eines Lebens mit Gott.

Abel

Vers 4

Heb 11,4: Durch Glauben brachte Abel Gott ein vorzüglicheres Opfer dar als Kain, durch das er Zeugnis erlangte, dass er gerecht war, wobei Gott Zeugnis gab zu seinen Gaben; und durch diesen redet er noch, obgleich er gestorben ist.

Abel ist ein Beispiel dafür, dass der Glaube göttliche Einsicht schenkt, und dementsprechend brachte Abel „ein vorzüglicheres Opfer“. Er wusste, dass er ein Sünder war und dass Gott ein heiliger Gott ist, der über Sünden nicht hinweggehen kann. Deshalb kam er auf der Grundlage eines Opfers zu Gott, und ein Opfer starb stellvertretend für ihn. Zweifellos hatte er aus der Erbsünde seiner Eltern im Garten Eden gelernt, was für Gott annehmbar war: Aufgrund ihrer Sünde musste ein Tier sein Leben opfern, damit sie mit seinem Fell bedeckt werden konnten (1Mo 3,21). Abels Opfer ist ein Hinweis auf den Tod Christi und auf das, was sein Tod zur Ehre Gottes bewirkt und zum Segen derer, die glauben. So veranschaulicht Abels Glaube, wie ein Sünder Gnade bei Gott finden und gerettet werden kann.

Henoch

Verse 5.6

Heb 11,5.6: 5 Durch Glauben wurde Henoch entrückt, damit er den Tod nicht sehe, und er wurde nicht gefunden, weil Gott ihn entrückt hatte; denn vor der Entrückung hat er das Zeugnis gehabt, dass er Gott wohlgefallen habe. 6 Ohne Glauben aber ist es unmöglich, ihm wohlzugefallen; denn wer Gott naht, muss glauben, dass er ist und denen, die ihn suchen, ein Belohner ist.

Henochs Glaube zeigt: Wer im Glauben zu Gott kommt, hat ein wunderbares Ende in seinem Leben: Er wird in die Gegenwart Gottes im Himmel aufgenommen! Wie wir wissen, wurde Henoch „entrückt, damit er den Tod nicht sehe“ (vgl. 1Mo 5,22-24). Nicht alle Gläubigen werden entrückt werden, denn viele sind bereits im Glauben gestorben und werden auferstehen, aber alle Gläubigen werden zum Herrn gehen. Was mit Henoch geschah, veranschaulicht die eigentliche Hoffnung der Kirche: Sie wird beim Kommen des Herrn von der Erde entrückt werden, ohne den Tod zu sehen (1Thes 4,17). Dies wird die „glückselige Hoffnung“ genannt (Tit 2,13). Darauf durften sich die hebräischen Gläubigen freuen. Der Schreiber sagt: „Vor der Entrückung hat er [Henoch] das Zeugnis gehabt, dass er Gott wohlgefallen habe.“ Daraus schließt er, dass Henoch Glauben gehabt haben muss, denn er sagt: „Ohne Glauben aber ist es unmöglich, ihm wohlzugefallen; denn wer Gott naht, muss glauben, dass er ist und denen, die ihn suchen, ein Belohner ist.“

Noah

Vers 7

Heb 11,7: Durch Glauben bereitete Noah, als er einen göttlichen Ausspruch über das, was noch nicht zu sehen war, empfangen hatte, von Furcht bewegt, eine Arche zur Rettung seines Hauses, durch die er die Welt verurteilte und Erbe der Gerechtigkeit wurde, die nach dem Glauben ist.

Noahs Glaube veranlasste ihn dazu, auf die Warnungen Gottes zu reagieren und sich auf das Gericht vorzubereiten, das über die Welt hereinbrechen sollte: Noah machte sich den Schutz, den Gott in der Arche bereitstellte, zunutze. „Das, was noch nicht zu sehen war“ – dies bezieht sich auf den Regen, der vorher noch nicht gefallen war. Noah glaubte Gott und baute die Arche, und damit „verurteilte er die Welt“, denn die Arche verkündete die Botschaft, dass Gericht kommen würde. In ähnlicher Weise mussten diese Hebräer Schutz finden, indem sie an das eine Opfer Christi glaubten; nur so konnten sie vor dem Gericht über ihre Sünden bewahrt werden. Viele hatten dies bereits getan, aber einige nicht.

Die Patriarchen (Heb 11,8-22)

Diese zweite Gruppe von Heiligen sind die „Väter“ des Volkes Israel (Apg 26,6; Röm 9,5; 11,28; 15,8; usw.). Sie werden „die Patriarchen“ genannt – angefangen bei Abraham (Heb 7,4) bis hin zu den zwölf Söhnen Jakobs (Apg 7,8). Wie bereits erwähnt, veranschaulicht diese Gruppe von Gläubigen einen Glauben, der auf die kommende Welt ausgerichtet ist und folglich in der gegenwärtigen Welt Ziele und das Streben nach Dingen loslässt. Das wiederum macht sie bereit, als Fremde und Pilger durch die Welt zu gehen.

Abraham

Vers 8

Heb 11,8: Durch Glauben war Abraham, als er gerufen wurde, gehorsam, auszuziehen an den Ort, den er zum Erbteil empfangen sollte; und er zog aus, ohne zu wissen, wohin er komme.

Abraham veranschaulicht den Glauben, der dem Ruf Gottes folgt, auch wenn es ein Ruf zu etwas war, was er mit seinen Augen nicht sehen konnte. Er wurde „gerufen, auszuziehen an den Ort“ des Segens, der ihm verheißen war. Sein Glaube veranlasste ihn, dem Ruf zu folgen, und er „zog hinaus, ohne zu wissen, wohin er komme“. Das mag töricht ausgesehen haben in den Augen derer, die seine Wege beobachteten, aber es war der Wille Gottes. Der Schreiber erwähnt diesen Punkt, weil es genau das war, was die hebräischen Gläubigen im Prinzip tun mussten. Abraham musste seine frühere Heimat in Ur in Chaldäa verlassen und an einen neuen Ort gehen, den er noch nicht gesehen hatte. In ähnlicher Weise hatten die Hebräer den Ruf Gottes im Evangelium gehört, dass sie von ihrer früheren Stellung im Judentum zu Christus hinausgehen sollten, obwohl es im Christentum äußerlich sehr wenig zu sehen gab.

Verse 9.10

Heb 11,9.10: 9 Durch Glauben hielt er sich in dem Land der Verheißung auf wie in einem fremden und wohnte in Zelten mit Isaak und Jakob, den Miterben derselben Verheißung; 10 denn er erwartete die Stadt, die Grundlagen hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist.

Abrahams Glaube führte ihn in ein Land, das ihm verheißen worden war, und er und seine Nachkommen („Isaak und Jakob“) waren zufrieden damit, dort als Fremde und Pilger zu leben. Obwohl ihm das Land Kanaan als Erbteil gegeben worden war, versuchte Abraham nicht, es in Besitz zu nehmen, indem er die Einwohner vertrieb, sondern er lebte dort in Absonderung von diesen Menschen. Was ihn trug, war sein Glaube. Er hatte ein unsichtbares Ziel vor Augen. Der Schreiber sagt uns, dass Abraham eine Stadt erwartete, „die Grundlagen hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist“. In Hebräer 12,22 heißt es, dass dies „die Stadt des lebendigen Gottes ist, das himmlische Jerusalem“. Wir erfahren nicht, was Abraham von den himmlischen und ewigen Dingen wusste, aber sie hatten sein Herz gefangen genommen und ihn veranlasst, einen anderen Weg als andere Menschen zu gehen.

Nicht nur nahmen diese unsichtbaren Dinge Abrahams Herz gefangen, es gelang ihm auch, die Überzeugungen seines Glaubens an seine Nachkommen weiterzugeben. Das zeigt sich daran, dass auch sie „in Zelten wohnten“ – ein typisches Zeichen für einen Pilger. Dies war ein deutlicher Unterschied zu Ismael und seinen Nachkommen: Sie bauten sich „Städte“ und „Gehöfte“ und ernannten einige zu „Fürsten“ (1Mo 25,12-18).[2]

 Abraham dagegen begnügte sich damit, in einem Zelt zu leben. Das zeigt uns: Weder hatte er die Absicht, sich in dieser Welt niederzulassen, noch hatte er den Wunsch, sich in der Welt zu profilieren. Ähnlich verhielt es sich mit diesen hebräischen Gläubigen, die mit ihren Bindungen zum Judentum zu kämpfen hatten; wenn sie das Ausmaß ihrer geistlichen Segnungen in Christus begriffen, würden diese Dinge sie dazu bringen, die äußeren Dinge der irdischen Religion loszulassen.

Sara

Verse 11.12

Heb 11,11.12: 11 Durch Glauben empfing auch selbst Sara Kraft, einen Samen zu gründen, und zwar über die geeignete Zeit des Alters hinaus, weil sie den für treu erachtete, der die Verheißung gegeben hatte. 12 Deshalb sind auch von einem, und zwar Erstorbenen, geboren worden wie die Sterne des Himmels an Menge und wie der Sand am Ufer des Meeres, der unzählig ist.

Sara veranschaulicht Glauben, der Gott trotz der natürlichen Unmöglichkeiten vertraut. Sie glaubte Gottes Wort. Gott hatte Abraham und Sara einen Sohn versprochen, und sie glaubten Ihm. Gott hielt sein Wort, und Sara „empfing … Kraft, einen Samen zu gründen, und zwar über die geeignete Zeit des Alters hinaus“. In ähnlicher Weise konnten diese hebräischen Gläubigen, die an den Herrn Jesus Christus glaubten, darauf vertrauen, dass Er ihnen helfen würde, unmögliche Schwierigkeiten auf dem Weg des Glaubens zu überwinden.

Verse 13.14

Heb 11,13.14: 13 Diese alle sind im Glauben gestorben und haben die Verheißungen nicht empfangen, sondern sahen sie von fern und begrüßten sie und bekannten, dass sie Fremde und ohne Bürgerrecht auf der Erde seien. 14 Denn die, die solches sagen, zeigen deutlich, dass sie ein Vaterland suchen.

Der Schreiber fasst dann zusammen, was den Glauben dieser Patriarchen kennzeichnete, und stellt ihn den hebräischen Gläubigen als Vorbild für ihren Glauben vor Augen. Dass „diese alle im Glauben gestorben sind und die Verheißungen nicht empfangen haben“, steht nicht im Widerspruch zu Hebräer 6,15, wo es heißt, dass Abraham „die Verheißungen erlangte“. Diese beiden Verse beziehen sich auf zwei verschiedene Dinge. Hebräer 6,15 bezieht sich darauf, dass Abraham einen Sohn empfing und durch ihn Nachkommen hatte; hier in Hebräer 11 geht es um Verheißungen im Zusammenhang mit dem Erbteil in Kanaan. Außerdem sind „diese alle“, auf die sich der Schreiber in Vers 13 bezieht, alle aus dieser Gruppe der patriarchalischen Gläubigen. Wenn der Schreiber sich auf alle bezöge, die er bisher in diesem Kapitel erwähnt hat, würde er dem widersprechen, was er über Henoch sagt, der nicht gestorben ist. Was der Schreiber damit sagen will: Der Glaube dieser frühen Gläubigen führte sie dazu, einen bestimmten Weg einzuschlagen; und von diesem Weg waren sie so sehr überzeugt, dass sie ihn bis zum Ende ihres Lebens beschritten – sie kehrten nicht um. Sie lebten und starben für das, was ihr Glaube sah. Auch die hebräischen Gläubigen brauchten diese Art von Glauben und mussten überzeugt sein von dem Schritt, den sie getan hatten, um zu Christus zu kommen und um darin zu verharren.

Was diese Männer und Frauen in ihrem Leben vorantrieb, war ihr Glaube. Ihr Glaube sah die Dinge, die Gott verheißen hatte, auch wenn diese Dinge zeitlich „fern“ waren. Sie waren von ihnen überzeugt und „begrüßten“ sie, und deshalb lebten sie ein Leben, das das „bekannte“, woran ihr Herz hing. Der Schreiber sagt, dass diejenigen, die sich auf solchen Wegen bewegen, „deutlich zeigen“, dass sie für ein anderes „Land“ lebten und nicht für diese Welt. Diese alttestamentlichen Gläubigen blickten über die sichtbaren Dinge hinaus und machten sich die unsichtbaren Dinge zu eigen und „begrüßten“ sie, und das hatte eine praktische Auswirkung auf ihr Leben: Sie wandelten als „Fremde und ohne Bürgerrecht“ durch diese gegenwärtige böse Welt.

Vers 15

Der Schreiber fügt hinzu:

Heb 11,15: Und wenn sie an jenes gedacht hätten, von dem sie ausgegangen waren, so hätten sie Zeit gehabt, zurückzukehren.

Das heißt: Wenn sie ihren Gedanken erlaubt hätten, in dem alten Land zu verweilen, aus dem sie gekommen waren (Mesopotamien), hätte das bewirkt, dass sie sich in ihrem Herzen dorthin zurückgezogen hätten – und wohin das Herz geht, werden die Füße folgen. Es würde dann nicht lange dauern, bis sie in dieses Land zurückkehren würden. Aber das taten sie nicht; sie hielten ihre Augen und ihr Herz auf das gerichtet, was ihnen verheißen worden war, und das motivierte sie, auf dem Weg des Glaubens voranzugehen. Dies diente als Warnung für diese hebräischen Gläubigen, die sich gedrängt fühlten, zum Judentum zurückzukehren. Wenn sie ihre Gedanken auf die früheren Tage im Tempel und auf ihre Verbindungen dorthin usw. richteten, würde sich das negativ auf sie auswirken und sie schließlich wieder dorthin zurückziehen. Deshalb war es wichtig, dass sie dem Beispiel der Patriarchen folgten und ihre Gedanken auf das richteten, was sie in Christus hatten (Kol 3,1.2).

Vers 16

Heb 11,16: Jetzt aber trachten sie nach einem besseren, das ist himmlischen. Darum schämt sich Gott ihrer nicht, ihr Gott genannt zu werden, denn er hat ihnen eine Stadt bereitet.

Der Glaube jener frühen Gläubigen wirkte wie ein geistliches Fernrohr, das sie himmlische Dinge sehen ließ. Sie glaubten Gottes Wort hinsichtlich der Verheißungen und wünschten sich „ein besseres Land“, das „himmlisch“ war, und so anerkannte Gott ihren Glauben: Er „schämt sich ihrer nicht, ihr Gott genannt zu werden“, und bekannte sich gern zu ihnen. Sie wurden nicht enttäuscht; Gott hat ihnen im Himmel „eine Stadt bereitet“, und sie werden sie am Tag ihrer Auferstehung erreichen. Bis dahin sind ihre körperlosen Seelen und Geister bei Christus im Himmel (Phil 1,23).

Verse 17-19

Heb 11,17-19: 17 Durch Glauben hat Abraham, als er geprüft wurde, Isaak geopfert, und der, der die Verheißungen empfangen hatte, brachte den Eingeborenen dar, 18 über den gesagt worden war: „In Isaak wird dir eine Nachkommenschaft genannt werden“; 19 wobei er urteilte, dass Gott auch aus den Toten aufzuerwecken vermag, von woher er ihn auch im Gleichnis empfing.

Abraham wird erneut erwähnt, um zu zeigen, dass Gott den Glauben prüft. In der Tat werden alle, die den Weg des Glaubens gehen, früher oder später geprüft. Abraham wurde von Gott aufgefordert, seinen Sohn Isaak zu opfern – ebenden Sohn, auf den er so lange gewartet hatte und durch den sich die Verheißungen erfüllen sollten. Menschlich gesehen ergab das keinen Sinn, aber Abraham ließ nicht zu, dass das, was er nicht verstand, seinen Gehorsam gegenüber Gott verhinderte. Und deshalb heißt es: „Durch Glauben hat Abraham, als er geprüft wurde, Isaak geopfert.“ Die Prüfung bestand für ihn darin, ob er bereit wäre, das, was ihm am Herzen lag, loszulassen, um Gott zu gehorchen. Wie wir wissen, bestand er diese Prüfung auf wunderbare Weise. Er hätte Isaak getötet, wenn der Herr nicht eingegriffen hätte (1Mo 22,10-12). Vielleicht gingen ihm tausend Dinge durch den Kopf, warum Gott das wollte, aber er gehorchte Gott, ohne nach seinen eigenen Gedanken und Vorstellungen zu handeln.

Der Schreiber erzählt uns weiter, wie Abraham die Prüfung seines Glaubens bestehen konnte: Abraham glaubte, „dass Gott auch aus den Toten aufzuerwecken vermag, von woher er ihn [Isaak] auch im Gleichnis empfing“. Das ist ziemlich bemerkenswert, denn bis zu diesem Zeitpunkt war in der Geschichte kein einziger Fall bekannt, dass jemand von den Toten auferstanden wäre. Obwohl Abraham Isaak nicht wirklich getötet hatte, wurde ihm angerechnet, dass er an die Auferstehung glaubte, und in gewisser Hinsicht „empfing“ er Isaak im übertragenen Sinn von den Toten. Der Schreiber wurde vom Geist geleitet, den Hebräern diese Begebenheit als ein Beispiel vor Augen zu führen, dem sie folgen sollten. Die Sache, mit der sie konfrontiert waren, nämlich das Judentum zugunsten des Christentums zu verlassen, war zweifellos eine Prüfung für ihren Glauben. Sie liebten ihr jüdisches Erbe sehr; aber waren sie auch bereit, es aufzugeben, um Gott zu gehorchen? Würden sie Gottes Willen über ihre natürlichen Wünsche stellen? Abraham tat es, und er war ihr großes Vorbild.

Isaak

Vers 20

Der Schreiber geht weiter zu Isaaks Glauben. Er sagt:

Heb 11,20: Durch Glauben segnete Isaak in Bezug auf zukünftige Dinge Jakob und Esau.

Damit ist Isaak ein Beispiel für jemand, der im Licht der Zukunft wandelt, wenn sich die Verheißungen erfüllen werden. In gleicher Weise sollten die hebräischen Gläubigen Isaaks Weitblick haben und im Ausblick auf die christliche „Hoffnung“ leben (Heb 10,23). Im Glauben in die Zukunft zu blicken, ist gesund für den Pilger, der im Glauben wandelt; es hält sein Herz und seinen Geist auf die „kommenden Dinge“ ausgerichtet und fern von den Dingen dieser Welt.

Jakob

Vers 21

Heb 11,21: Durch Glauben segnete Jakob sterbend jeden der Söhne Josephs und betete an über der Spitze seines Stabes.

In Jakobs frühem Leben gab es kaum etwas, was aus Glauben war, doch als er durch verschiedene Umstände und Gottes Erziehung ging, wuchs er geistlich mit zunehmendem Alter. Im Alter zeigte er eine Weisheit, eine Einsicht, die der Glaube einem Gläubigen verleiht. Tatsächlich wird von allen Patriarchen nur von ihm gesagt, dass er „anbetete“. Er tat dies, indem er „über der Spitze seines Stabes“ anbetete. Dann „segnete er die beiden Söhne Josephs“ mit einer Einsicht, die zeigte, dass er etwas verstand vom Ende der ersten Ordnung des Menschen im Fleisch und von der Einführung einer neuen Ordnung, die kommen würde – und zwar kreuzte er seine Hände „absichtlich“, als er sie segnete (1Mo 48,5-14). Es ist schwer, zu sagen, wie viel Jakob davon wirklich verstand, aber die hebräischen Gläubigen täten gut daran, das zu beherzigen. Die ganze Ordnung der Anbetung im Judentum, die dem ersten Menschen entsprach, war für eine neue Ordnung der Dinge nach dem neuen Menschen in Christus beiseitegelegt worden. Sie mussten diese Tatsache akzeptieren.

Joseph

Vers 22

Heb 11,22: Durch Glauben dachte Joseph sterbend an den Auszug der Söhne Israels und gab Befehl wegen seiner Gebeine.

Josef ist ein weiteres Beispiel für einen Glauben, der in die Zukunft blickt: Anstatt auf seine glorreichen Tage in Ägypten zurückzublicken, schaute er auf die Herrlichkeit Israels im Land Kanaan und zeigte, wo sein Herz war, indem er „Befehl wegen seiner Gebeine“ gab. Ihm war klar, dass er es nicht mehr erleben würde, aber er wollte, dass er an dem Ort begraben wurde, den sein Glaube ergriffen hatte.

Die israelitischen Gläubigen (Heb 11,23-40)

Die Gläubigen dieser dritten Gruppe veranschaulichen einen Glauben, der bereit ist, Ablehnung und Verfolgung durch die Welt zu ertragen, weil er nach Größerem strebt. Diese Gläubigen zeigen einen Glauben, der leidet.

Moses Eltern

Vers 23

Heb 11,23: Durch Glauben wurde Mose, als er geboren war, drei Monate von seinen Eltern verborgen, weil sie sahen, dass das Kind schön war; und sie fürchteten das Gebot des Königs nicht.

Moses Eltern Mose (Amram und Jokebed) weigerten sich, der Masse des israelitischen Volkes in Ägypten zu folgen. Das Volk hatte vom König den Befehl erhalten, seine männlichen Kinder im Fluss zu töten (2Mo 1,22). Der Glaube der Eltern veranlasste sie, sich in dieser Sache von ihren [hebräischen] Mitbrüdern abzugrenzen und ihren Sohn vor dem Pharao zu verstecken. Ihr Glaube veranlasste sie dazu, sich gegen das zu stellen, was zu jener Zeit als richtig galt. Sie wussten sehr wohl, dass sie dadurch Leiden und sogar den Tod erleiden konnten, aber „sie fürchteten das Gebot des Königs nicht“ und taten, was Gott von ihnen wollte. Auch hier mussten die hebräischen Gläubigen diesem Beispiel des Glaubens folgen und den Mut haben, den Willen Gottes zu tun, indem sie sich von der Masse ihrer jüdischen Brüder absetzten, die sich gegen Christus gestellt hatten – auch wenn sie dafür leiden mussten.

Mose

Verse 24-28

Der Glaube von Mose zeigt dieselbe Bereitschaft, Leiden auf sich zu nehmen, um den Willen Gottes zu erfüllen. Der Schreiber sagt:

Heb 11,24-28: 24 Durch Glauben weigerte sich Mose, als er groß geworden war, ein Sohn der Tochter des Pharaos zu heißen, 25 und wählte lieber, mit dem Volk Gottes Ungemach zu leiden, als den zeitlichen Genuss der Sünde zu haben, 26 indem er die Schmach des Christus für größeren Reichtum hielt als die Schätze Ägyptens; denn er schaute auf die Belohnung. 27 Durch Glauben verließ er Ägypten und fürchtete die Wut des Königs nicht; denn er hielt standhaft aus, als sähe er den Unsichtbaren. 28 Durch Glauben hat er das Passah gefeiert und die Besprengung des Blutes, damit der Verderber der Erstgeburt sie nicht antaste.

Wie bei den Patriarchen in Vers 13 gab es „Vergeltung“ (im Sinne von „Lohn“[3]) eine moralische Ordnung für die Glaubensübungen des Mose. Diese brachten ihn dazu, seine Stellung in Ägypten zu verlassen. Die Vorsehung hatte ihn an den Hof des Pharaos gebracht, aber der Glaube führte ihn hinaus.

Mose wusste, dass es eine göttliche „Belohnung“ geben würde. Daher konnte er die „Schätze Ägyptens“ richtig beurteilen: Sie waren nichts anderes als vergängliche Dinge. Dies veranlasste ihn, sein Los mit dem leidenden und bedrängten Volk Gottes zu teilen. Das ist wirklich erstaunlich: Er gab eine bedeutende Stellung in Ägypten auf sowie „den zeitlichen Genuss der Sünde“, der mit dieser Stellung verbunden war – um sich mit dem leidenden Volk Gottes zu identifizieren. Er wollte lieber mit ihnen leiden! Warum? Er „hielt“ (betrachtete) die Schmach, die mit den Kindern Israels verbunden war, für „größeren Reichtum“ als die Schätze Ägyptens! Der Schreiber betont, dass diese Schmach denselben Charakter hatte wie „die Schmach des Christus“, der die hebräischen Gläubigen ausgesetzt waren. F.B. Hole fragt:

Wenn die Herrlichkeit Ägyptens schon mit der Schmach Christi nicht zu vergleichen ist, wie viel weniger dann mit der Herrlichkeit Christi?[4]

Der Schreiber sagt uns, dass Mose in der Lage war, die Schwierigkeiten zu ertragen, die mit dieser Stellung der Schmach einhergingen, weil sein Glaube „den Unsichtbaren“ sah, und das motivierte ihn.

Die Lektion für die hebräischen Gläubigen: Auch sie sollten „den Unsichtbaren“ im Blick behalten. Der Ungläubige hält das für lächerlich. Er fragt: „Wie kann man auf etwas Unsichtbares schauen?“ Aber der Glaube sieht „das, was man nicht sieht“ (2Kor 4,18). Zwar ist Christus in den Himmel zurückgekehrt und leiblich nicht mehr zu sehen. Doch wenn wir im Glauben auf Ihn blicken und auf das, was wir in Ihm haben, so gibt uns das die Ausdauer, die wir brauchen, um dem Weg des Glaubens voranzugehen. Die hebräischen Gläubigen mussten erkennen, dass die Schmach Christi, die sie durch ihre ungläubigen Brüder zu tragen hatten, ein Vorrecht war (Apg 5,41; Phil 1,29). Der Schritt, zu dem ihr Glaube sie geführt hatte, um sich mit Christus zu identifizieren, würde an einem kommenden Tag belohnt werden.

Die Kinder Israels

Verse 29.30

Heb 11,29.30: 29 Durch Glauben gingen sie durch das Rote Meer wie durch trockenes Land, was die Ägypter versuchten und verschlungen wurden. 30 Durch Glauben fielen die Mauern Jerichos, nachdem sie sieben Tage umzogen worden waren.

Der Schreiber weist dann auf die Situation hin, in der sich die Kinder Israel befanden und die zu ihrem wundersamen Durchzug durch das Rote Meer führte. Sie wurden vom Pharao und von seinem Heer gejagt und konnten nirgendwo anders hin: Geradeaus lag das Rote Meer und auf beiden Seiten befanden sich unüberwindbare Berge! Ihre Lage schien aussichtslos, aber Gott griff ein und befreite sie, indem Er ihnen einen Weg durch das Meer öffnete, „was die Ägypter versuchten und verschlungen wurden“.

Die Ermutigung, die diese hebräischen Gläubigen daraus ziehen sollten: Auch wenn ihre Situation völlig aussichtslos erschien – Gott würde ihnen einen Weg durch die Verfolgung usw. bahnen. Sie mussten den gleichen Glauben haben wie die Kinder Israel und sich weiter von Gott leiten lassen. Aus dieser Begebenheit konnten sie die Lektion ziehen, dass Gott sich um die Verfolger seines Volkes zu kümmern weiß.

Nachdem sie in das Land Kanaan eingezogen waren, „fielen die Mauern Jerichos“ vor den Kindern Israel.[5] Der Schreiber sagt uns, dass die Mauern aufgrund ihres Glaubens fielen! Auch hier wurden scheinbar unmögliche Umstände überwunden, indem sie einfach auf Gott, der aus schwierigen Umständen herauszuhelfen vermag, vertrauten.

Rahab

Vers 31

Heb 11,31: Durch Glauben kam Rahab, die Hure, nicht mit den Ungläubigen um, da sie die Kundschafter in Frieden aufgenommen hatte.

Der Schreiber macht weiter mit Rahab, einer nichtjüdischen Gläubigen. Sie schaute voraus und sah das Gericht kommen. Im Glauben verließ sie die Stellung, in der sie sich befand, indem sie sich mit dem Neuen identifizierte, das Gott im Land mit den Kindern Israel tat. Rahab wird angeführt, weil ihre Situation im Grunde ähnlich war wie die der Hebräer. So wie über Rahab und ihr Volk das Gericht kam, so sollte es auch über die Juden kommen – und zwar auf nationaler Ebene –, weil sie Christus abgelehnt hatten (Ps 69,22-28; Mt 22,7; Lk 12,58.59; 1Thes 2,14-16). Eine buchstäbliche Zerstörung sollte durch die römischen Heere über die Nation hereinbrechen, und dieses Gericht war nicht mehr weit entfernt! Dies geschah dann tatsächlich im Jahr 70 n.Chr., also etwa sieben Jahre nach der Abfassung des Briefes. Daher blieb den jüdischen Gläubigen nicht viel Zeit, um in Jerusalem zu verweilen. Es war klug, es Rahab gleichzutun und ihre frühere Stellung, die unter Gottes Urteil stand, aufzugeben und sich mit der christlichen Gemeinschaft zu identifizieren, indem sie „außerhalb des Lagers“ gingen (Heb 13,13).

Gideon, Barak, Simson, Jephta, David, Samuel und die Propheten

Vers 32

Heb 11,32: Und was soll ich noch sagen? Denn die Zeit würde mir fehlen, wenn ich erzählen wollte von Gideon, Barak, Simson, Jephta, David und Samuel und den Propheten, …

Der Schreiber fasst dann eine Reihe anderer alttestamentlicher Gläubiger zusammen und sagt uns, dass „die Zeit“ es ihm nicht erlaube, ausführlich auf sie einzugehen. Diese Männer sind in der Bibel für ihre Schwächen und ihr Versagen ebenso bekannt wie für ihren Glauben. Das Ermutigende daran ist, dass Gott trotz ihres unvollkommenen Glaubens ihr Handeln aus Glauben anerkannte und ihnen Gelingen schenkte. Auch wenn unser Glaube schwach ist und wir auf unserem Weg versagt haben, anerkennt Gott unser Handeln, wenn wir aus Glauben handeln. Es geht also nicht darum, wie viel Glauben wir haben, sondern auf wem unser Glaube ruht. Es sollte uns alle ermutigen, dass diese alle unter den treuen Gläubigen des Alten Testamentes erwähnt werden.

Die Kraft und Ausdauer des Glaubens (Heb 11,33-40)

In den letzten Versen von Kapitel 11 zählt der Schreiber eine Reihe anderer Gläubiger auf, ohne sie namentlich zu nennen, vielleicht um „Zeit“ zu sparen. Er teilt sie in zwei Gruppen ein:

  • Die einen wurden durch die Barmherzigkeit Gottes aus ihren schwierigen Umständen befreit. Ihre Geschichten veranschaulichen die Kraft des Glaubens (Heb 11,33-35a).
  • Die andern wurden nicht von den widrigen Umständen, mit denen sie konfrontiert waren, befreit, sondern ihnen wurde Gnade gewährt, damit sie diese Umstände durchstanden. Ihre Geschichten veranschaulichen die Ausdauer des Glaubens (Heb 11,35b-38).

Die durch Barmherzigkeit befreit wurden

Verse 33-35a

Heb 11,33-35a: 33 … die durch Glauben Königreiche bezwangen, Gerechtigkeit wirkten, Verheißungen erlangten, der Löwen Rachen verschlossen, 34 des Feuers Kraft auslöschten, des Schwertes Schärfe entgingen, aus der Schwachheit Kraft gewannen, im Kampf stark wurden, der Fremden Heere zurücktrieben. 35 Frauen erhielten ihre Toten wieder durch Auferstehung

Über die erste Gruppe von Heiligen sagt der Schreiber, dass sie „durch Glauben Königreiche bezwangen“ (z.B. Josua), „Gerechtigkeit wirkten“ (z.B. Hiskia), „Verheißungen erlangten“ (Salomo und Israel, 1Kön 8,56), „der Löwen Rachen verschlossen“ (Daniel), „des Feuers Kraft auslöschten“ (Sadrach, Mesach und Abednego), „des Schwertes Schärfe entgingen“ (z.B. Jeremia), „aus der Schwachheit Kraft gewannen“ (Simson),„im Kampf stark wurden“ (die Makkabäer, Dan 11,32), „der Fremden Heere zurücktrieben“ (Gideons Heer) und dass „Frauen ihre Toten wiedererhielten durch Auferstehung“ (die arme Frau von Sarepta und die reiche Frau von Sunem). Wie bereits erwähnt, veranschaulichen diese Beispiele die Kraft des Glaubens, der die Gläubigen Gottes aus ihren Prüfungen befreit.

Die nicht befreit wurden, denen aber Gnade zuteilwurde

Verse 35b-38

Heb 11,35b-38: 35b … andere aber wurden gefoltert, da sie die Befreiung nicht annahmen, damit sie eine bessere Auferstehung erlangten. 36 Andere aber wurden durch Verhöhnung und Geißelung versucht und dazu durch Fesseln und Gefängnis. 37 Sie wurden gesteinigt, zersägt, [versucht,] starben durch den Tod des Schwertes, gingen umher in Schafpelzen, in Ziegenfellen, hatten Mangel, Drangsal, Ungemach; 38 sie, deren die Welt nicht wert war, irrten umher in Wüsten und Gebirgen und Höhlen und den Klüften der Erde.

Der Schreiber sagt dann: „andere …“. Dies bringt uns zu der zweiten Gruppe von Gläubigen, die nicht aus ihren schwierigen Umständen befreit wurden, deren Glaube sie jedoch in ihren Prüfungen triumphieren ließ – sogar noch strahlender als die erste Gruppe. Gott schenkte ihnen die Gnade, triumphierend durch ihre Prüfungen zu gehen, selbst wenn sie zum Tod führten (Jak 4,6). Die Liste dieser würdigen Gläubigen wird angeführt von denen, die „gefoltert wurden, da sie die Befreiung nicht annahmen, damit sie eine bessere Auferstehung erlangten“. Diesen Gläubigen wurde also angeboten, dass sie von ihren Verfolgern befreit würden, wenn sie Kompromisse eingingen. Hätten sie widerrufen, wären sie freigelassen worden. Aber ihr Glaube wollte eine Befreiung unter diesen Bedingungen nicht akzeptieren, und das führte zu ihrem Tod. Wie finster es für sie in diesen schwierigen Umständen gewesen sein mag, ihre Zukunft ist mit Gewissheit hell: Sie werden eine „bessere Auferstehung“ erlangen, wenn der Herr (bei der Entrückung) kommt. Der Schreiber sagt:

  • „Andere aber wurden durch Verhöhnung … versucht“ (z.B. Nehemia, Neh 4,1-3).
  • „Andere wurden durch Geißelungen versucht“ (die Vorsteher der Kinder Israel, 2Mo 5,15).
  • „Andere wurden durch Fesseln und Gefängnis versucht“ (Joseph, Micha, Jeremia usw.).
  • „Sie wurden gesteinigt“ (Sacharja, 2Chr 24,21).
  • „Sie wurden zersägt“ (Jesaja).
  • „Sie wurden versucht“ (z.B. Hiob).
  • „Sie wurden mit dem Schwert erschlagen“ (Urija, Jer 26,23).
  • „Sie gingen umher in Schafpelzen, in Ziegenfellen“ (Elia).
  • „Sie hatten Mangel, Drangsal, Ungemach“ (die Propheten zur Zeit des Elia, 1Kön 18,4; 19,10).

Der Schreiber fügt dann in einem Einschub hinzu: „deren die Welt nicht wert war“. Das ist zweifellos wahr. Diese Gruppe von Gläubigen veranschaulicht das Ausharren des Glaubens. Sie sahen aus wie Verlierer, die von ihren Feinden besiegt wurden, aber in Wirklichkeit war ihr Leben ein Triumph des Glaubens. Der Himmel hat alles aufgeschrieben, und Gott wird es am Tag Christi verkünden.

Verse 39.40

Zusammenfassend sagt der Schreiber:

Heb 11,39.40: 39 Und diese alle, die durch den Glauben Zeugnis erlangten, haben die Verheißung nicht empfangen, 40 da Gott für uns etwas Besseres vorgesehen hat, damit sie nicht ohne uns vollkommen gemacht würden.

Dieses „gute Zeugnis“ galt für alle Gläubigen in diesem Kapitel. Sie erlebten das Reich des Messias von Israel nicht mehr, aber sie lebten und starben im Glauben, und deshalb hatten sie alle Gottes Zustimmung. Sie entbehrten nichts, denn sie werden ihren Anteil an der himmlischen Seite des Tausendjährigen Reiches haben, wenn sie auferweckt werden (Dan 7,18.22.27; Mt 13,43; Heb 12,22-24).

Der Schreiber verwendet die Pronomen „wir“ (bzw. „uns“) und „sie“. Auf diese Weise unterscheidet er das Ausmaß des Segens, den die Gläubigen des Alten Testamentes hatten, von dem, was Christen haben. Er sagt: „Gott hat für uns etwas Besseres vorgesehen.“ Das zeigt: Gott hat für die verschiedenen Gruppen von Gläubigen in seiner großen Familie ein unterschiedliches Maß an Segen vorgesehen. Sie werden nicht alle auf dieselbe Weise gesegnet – einige haben einen himmlischen Teil, andere einen irdischen Teil (Eph 3,15). Entgegen der falschen Lehre reformierter (Bundes-)Theologen besteht Gottes Familie nicht nur aus der Kirche (Christen), die ihrer Meinung nach aus allen Gläubigen vom Anfang bis zum Ende der Zeit besteht. Zu Gottes Familie gehören folgende Gläubige:

  • Die Gläubigen des Alten Testamentes werden mit einem himmlischen Teil der Segnung auferstehen („die Geister der vollendeten Gerechten“, Heb 12,23b).
  • Christen dagegen („die Versammlung der Erstgeborenen“, Heb 12,23a) haben zwar ebenfalls einen himmlischen Teil der Segnung, doch dieser unterscheidet sich deutlich von dem, was die alttestamentlichen Gläubigen haben, und ist dem ihren weit überlegen. Vers 40 weist deutlich auf diesen Unterschied hin, denn er nennt unseren christlichen Teil „etwas Besseres“. Dass unser Teil „besser“ ist, liegt an unserer einzigartigen Verbindung mit Christus: Denn wir haben den Heiligen Geist innewohnend in uns, der uns zum Leib Christi und zur Braut Christi macht (Eph 5,30-32; Off 19,7).
  • Eine dritte Gruppe von Gläubigen besteht aus dem erlösten Überrest Israels (Off 7,1-8) und aus den gläubigen Heiden (Off 7,9), die beide die irdische Seite des Tausendjährigen Reiches bewohnen werden. Diese Gläubigen werden in Verbindung mit Christus, dem Messias Israels, einen irdischen Anteil am Segen haben.

In Hebräer 12,23 bezeichnet der Schreiber die Gläubigen der christlichen Gemeinde als „Erstgeborene“(was auf eine Vorrangstellung hindeutet). Das zeigt: Die Kirche nimmt in Gottes großer Familie einen Platz ein, der dem der anderen überlegen ist (Heb 12,23). Gott hat durch souveräne Gnade die Gläubigen der Kirche für eine besondere Segnung ausgewählt, nicht weil sie besser sind als die anderen in seiner Familie, sondern weil Gott sich vorgenommen hat, „die Herrlichkeit seiner Gnade“ und „den Reichtum seiner Gnade“ vor der Welt zu zeigen (Eph 1,6.7; 2,7), und sie sind einfach die Trophäen seiner Gnade.

Hebräer 11,40 weist auch darauf hin, dass die alttestamentlichen Gläubigen zur gleichen Zeit auferweckt werden wie die neutestamentlich Gläubigen, die in Christus gestorben sind. Er sagt: „damit sie nicht ohne uns vollkommen gemacht würden“. „Vollkommen gemacht“ – das bezieht sich darauf, dass unser Körper einmal verherrlicht werden wird. Die Gläubigen Gottes sind noch nicht auf diese Weise vollkommen gemacht (Phil 3,12). Das geschieht erst, wenn der Herr zur Entrückung kommt (Phil 3,20.21).


Übersetzt aus The Epistle to the Hebrews. The New and Living Way of Approach to God in Worship in Christianity 
Christian Truth Publishing 2017

 

 

Übersetzung: Stephan Isenberg

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Anmerkungen

[1] Vielleicht definiert Johannes 3,33 besser, was Glaube ist: „Wer sein Zeugnis angenommen hat, hat besiegelt, dass Gott wahrhaftig ist.“

[2] Anm. d. Red.: Nach der CSV-Elberfelder bauten sie sich keine „Städte“, wie Anstey schreibt, sondern vielmehr „Gehöfte“ und „Zeltlager“. Unter Gehöften sind hier Dörfer zu verstehen, d.h. unbefestigte Siedlungen (siehe die Fußnote der Elberfelder zu 1Mo 25,16.). Auch in anderen deutschen Bibelübersetzungen ist nicht von „Städten“ die Rede. Dagegen hat die von Anstey verwendete King-James-Bibel in 1. Mose 25,16 towns („Städten“) und castles („Festungen“).

[3] Anm. d. Red.: Vergleiche Ruth 2,12: „Der HERR vergelte dir dein Tun, und voll sei dein Lohn von dem HERRN.“

[4] F.B. Hole, Grundzüge des Neuen Testaments, Bd. 5: Hebräerbrief – Petrusbriefe, Hückeswagen (CSV) 1999, S. 90.

[5] Es ist bemerkenswert, dass Israels vierzigjährige Wüstenwanderung völlig übergangen wird.

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