Der Brief an die Hebräer (9)
Kapitel 9

Stanley Bruce Anstey

© SoundWords, online seit: 15.10.2021, aktualisiert: 29.04.2023

Das Opfer Christi ist erhabener als das Opfer am großen Versöhnungstag (Heb 9–10,18)

Wir kommen nun zum Höhepunkt der großen Gegensätze in diesem Brief – dem erhabeneren Opfer Christi. Die Opfer, die im alttestamentlichen Judentum dargebracht wurden, waren vorläufig. Sie dienten dem Zweck, auf die Zeit hinzuweisen, in der Christus kommen und sich selbst Gott als das ein für alle Mal gültige Opfer für die Sünde darbringen würde (Heb 9,26). Sein einmaliges großes Opfer ist die Erfüllung all jener Tieropfer, die auf dem jüdischen Altar dargebracht wurden (Heb 10,1.11.12). Das besondere Opfer in den jüdischen Zeremonien, um das es dem Schreiber in diesen beiden Kapiteln geht, ist das Sündopfer am großen Versöhnungstag (3Mo 16,1-34; 23,26-32). Die Opfer an diesem Tag galten als die größten aller Opfer, die im jüdischen Kalenderjahr dargebracht wurden.

Das irdische Heiligtum und seine Satzungen des Fleisches (V. 1-7)

Verse 1-7

Der Schreiber sagt:

Heb 9,1-7: 1 Es hatte nun zwar auch der erste Bund Satzungen des Dienstes und das Heiligtum, ein weltliches. 2 Denn eine Hütte wurde zugerichtet, die vordere – in der sowohl der Leuchter war als auch der Tisch und die Darstellung der Brote –, die das Heilige genannt wird; 3 hinter dem zweiten Vorhang aber eine Hütte, die das Allerheiligste genannt wird, 4 die ein goldenes Räucherfass hatte und die Lade des Bundes, überall mit Gold überzogen, in der der goldene Krug war, der das Manna enthielt, und der Stab Aarons, der gesprosst hatte, und die Tafeln des Bundes; 5 oben über ihr aber die Cherubim der Herrlichkeit, den Sühndeckel überschattend, worüber jetzt nicht im Einzelnen zu reden ist. 6 Da nun dieses so eingerichtet ist, gehen zwar in die vordere Hütte allezeit die Priester hinein und verrichten den Dienst; 7 in die zweite aber einmal im Jahr allein der Hohepriester, nicht ohne Blut, das er für sich selbst und für die Verirrungen {wörtl.: Unwissenheiten} des Volkes darbringt;

Die ersten fünf Verse von Kapitel 9 sind ein kurzer Überblick über das irdische Heiligtum. In den Verse 6 und 7 beschreibt der Schreiber dann die wichtigsten „Dienste“, die von den Priestern in diesem System verrichtet wurden – vor allem denen, die am großen Versöhnungstag stattfanden.

Das Vorbild, auf das er sich bezieht, ist die Stiftshütte in der Wüste, nicht der Tempel, den Salomo im Land Kanaan baute. Das wird durch die Tatsache deutlich, dass er erwähnt, dass „der goldene Krug mit Manna und der Stab Aarons, der gesprosst hatte“, in der Bundeslade waren, wohingegen diese beiden Dinge fehlten, als die Bundeslade in den Tempel gebracht wurde (2Chr 5,10). Um seinen Standpunkt darzulegen, benutzt er das Vorbild der Stiftshütte in der Wüste. Dies entspricht dem Zusammenhang des Briefes, denn es ist ein Wüstenbrief, in dem der Christ auf einer geistlichen Pilgerreise zum Himmel gesehen wird.

Der Schreiber erwähnt zehn Dinge, die dieses irdische System kennzeichneten: drei im „Heiligen“ (dem Heiligtum) und sieben im „Allerheiligsten“ (dem innersten Teil der Stiftshütte mit der Gegenwart Gottes). Etwas fällt dabei auf: Der Räucheraltar wird nicht erwähnt, aber dafür das „goldene Räucherfass“, das die Priester an diesem Altar benutzten! Außerdem spricht er von dem Räucherfass, das sich im Allerheiligsten befindet! Das ist interessant und lehrreich. Es zeigt: Er verstand, dass der eigentliche Ort der Anbetung (den der Räucheraltar und das goldene Räucherfass darstellen) in Gottes unmittelbarer Gegenwart ist – etwas, was im Judentum unbekannt war, aber das Vorrecht des Gläubigen im Christentum ist. Dies zeigt, dass es nicht Gottes Absicht ist, dass seine Erlösten Ihn aus der Ferne, das heißt außerhalb des Vorhangs, anbeten sollen (Heb 10,19). Der Vorhof (2Mo 27,9-21) wird hier nicht erwähnt, weil das Thema im Hebräerbrief der Zugang des Gläubigen zu Gott innerhalb des Heiligtums ist. Der Vorhof hat mit dem Zeugnis des Gläubigen vor der Welt draußen zu tun.

Der Schreiber bemerkt, dass die an diesem Tag dargebrachten Opfer nur „Sünden aus Unwissenheit[1]“ bedeckten (Heb 9,7; 3Mo 4,2; 4Mo 15,22-29) – was die King-James-Bibel errors[2] des Volkes nennt. Das System des Gesetzes bot kein Heilmittel für „Sünden mit erhobener Hand“ (4Mo 15,30-36; Ps 19,14). Diese Tatsache ist ein weiterer Beweis für die Schwäche dieses Systems. Im besten Fall konnten diese Opfer nur bestimmte Sünden bedecken – und das auch nur für jeweils ein Jahr durch die Zeremonien am großen Versöhnungstag und durch die „Nachsicht Gottes“ (Röm 3,26). Diese Opfer konnten keine Sünden vor Gott „wegnehmen“ (Heb 10,3.4), wie es das eine Opfer Christi tut (Heb 9,26; 10,12-17).

Die große Lektion, die der Aufbau der Stiftshütte lehrt (V. 8-10)

Verse 8.9

Heb 9,8.9: … 8 wodurch der Heilige Geist dieses anzeigt, dass der Weg zum Heiligtum noch nicht offenbart ist, solange die vordere Hütte noch Bestand hat, 9 was ein Gleichnis auf die gegenwärtige Zeit ist, nach dem sowohl Gaben als auch Schlachtopfer dargebracht werden, die dem Gewissen nach den nicht vollkommen machen können, der den Gottesdienst ausübt, …

In Hebräer 9,5 sagt er, dass „jetzt nicht“ die Zeit sei, „im Einzelnen zu reden“ von diesen Dingen (was ihre vorbildliche Bedeutung betrifft), denn mit der Erwähnung des Aufbaus der Stiftshütte will er zeigen, dass die große Belehrung der Stiftshütte darin besteht, dass der Zugang in die Gegenwart Gottes wegen der Sünde verschlossen ist. „Der Heilige Geist“ zeigt an, „dass der Weg zum Heiligtum [„in das Allerheiligste“, Darby-Übers.] noch nicht offenbart ist, solange die vordere Hütte noch Bestand hat“. Da die Dinge in der Stiftshütte „Abbilder der Dinge in den Himmeln“ sind (Heb 9,23), lehrt der Geist, dass es für den Menschen wegen des Hindernisses der Sünde keinen Zugang in die Gegenwart Gottes gibt. Das Vorhandensein des „Vorhangs“ (2Mo 26,31-35) deutet darauf hin. Der Schreiber nennt ihn „den zweiten Vorhang“ (Heb 9,3), der den Eingang in das Allerheiligste versperrte. Die aaronitischen Priester konnten das Heilige betreten und dort ihren Dienst verrichten, aber sie hatten keinen Zutritt in das Allerheiligste – nur der Hohepriester einmal im Jahr mit dem Blut eines Opfers. Dies lehrt uns deutlich, dass der Mensch nicht direkt zu Gott kommen kann; er muss Ihm durch einen Mittler nahen, und zwar durch das Blut eines Opfers.

Die Botschaft, die uns der Heilige Geist im Vorbild der Stiftshütte mitteilt, ist also, dass der Zugang in die unmittelbare Gegenwart Gottes noch nicht offen war, solange die Stiftshütte „noch Bestand“ hatte und von Gott anerkannt wurde. Dies war ein klarer Beweis für die Unzulänglichkeit der Opfer jenes Systems des Gesetzes. Sie konnten den Anbeter nicht in dem Sinn „vollkommen“ machen, dass sie sein Gewissen von Schuld reinigten (Heb 9,9), noch öffneten sie den Weg in die Gegenwart Gottes. (Die engl. King-James-Bibel sagt, dass es „den, der den Dienst tat“ nicht vollkommen machen konnte, was sich auf den Priester beziehen würde, aber es sollte heißen: „den, der anbetete“, was sich auf den Opfernden bezieht.) Diese Opfer wurden von Gott eingesetzt und waren kein Versuch, den Gläubigen zu vervollkommnen, sondern sie sollten vielmehr auf „die zukünftigen Güter“ hinweisen, die Christus einführen würde und die den Gläubigen vollkommen machen würden (Heb 9,11).

Solange die Stiftshütte noch Bestand hatte und von Gott anerkannt wurde, konnte es keinen direkten Zugang in seine Gegenwart geben. Dazu bedurfte es eines größeren Opfers, das die Sünde ein für alle Mal wegnehmen konnte (Heb 9,11.12.26). Solange die Sünde nicht durch ein Opfer getilgt wurde, das den Ansprüchen der göttlichen Gerechtigkeit genügte, würde es immer einen Abstand zwischen Gott und dem Menschen geben. Daher musste der Zugang zu Gott im Gottesdienst bis zu diesem Zeitpunkt durch ein System von Zeremonien und Anordnungen erfolgen, das den Menschen auf Distanz zu Gott hielt. H. Smith schreibt dazu:

Unter einem solchen System war Gott „eingeschlossen“ und der Mensch „ausgeschlossen“. Das jüdische System konnte uns weder den Himmel öffnen, noch uns dafür passend machen.“[3]

Die Stiftshütte mit dem zerrissenen Vorhang ist „ein Gleichnis [ein Vorbild] auf die gegenwärtige Zeit“, in der der Weg in das Allerheiligste offen ist (Heb 10,19-22). Die Christenheit im Allgemeinen und besonders in der Vergangenheit hat nicht verstanden, dass das alttestamentliche System der Stiftshütte ein Vorbild für das wahre Heiligtum ist, in dem Christen jetzt durch den Geist anbeten. Anstatt es als ein Vorbild zu sehen, hat die Christenheit die Stiftshütte als ein Muster für ihre Kirchen benutzt. Sie hat von dieser jüdischen Ordnung viele Dinge im wörtlichen Sinn für ihre Gotteshäuser und Gottesdienste entlehnt. Dabei hat sie völlig übersehen, dass Gott keine Vermischung dieser beiden so völlig unterschiedlichen und gegensätzlichen Ordnungen will (Heb 13,10).

Vers 10

Heb 9,10: … der allein in Speisen und Getränken und verschiedenen Waschungen besteht, in Satzungen des Fleisches, auferlegt bis auf die Zeit der Zurechtbringung.

Der Schreiber sagt deutlich, dass die äußerlichen Zeremonien des Judentums („Speisen und Getränke und verschiedene Waschungen“, „Satzungen des Fleisches“) vorübergehende Dinge waren, die Israel „bis auf die Zeit der Zurechbringung“[4] gegeben wurden. Sie waren nicht dazu bestimmt, auf unbestimmte Zeit in der Art und Weise verwendet zu werden, in der sie den Israeliten gegeben wurden. „Die Zeit der Zurechtbringung“ bezieht sich nicht nur auf das Christentum jetzt, sondern auch auf die Zeit, in der der neue Bund mit Israel geschlossen werden wird. J.N. Darby schreibt:

Bestimmte Dinge wurden ihnen bis zur Zeit der Zurechtbringung auferlegt. Christus ist gekommen, „ein Hoherpriester der zukünftigen Güter“. Worauf bezieht sich das? Manche mögen eine Schwierigkeit darin sehen, ob sich das „Zukünftige“ auf das bezieht, was für die Juden zukünftig war, solange die Stiftshütte bestand, oder auf das, was jetzt zukünftig ist. Ich glaube, beides ist wahr. Alles war neu in Christus. Es sollte auf ein neues Fundament kommen. Die Grundlage ist gelegt für die vollständige und vollkommene Versöhnung des Menschen mit Gott.[5]

Das erhabenere Opfer Christi (V. 11-28)

Der Schreiber stellt nun den Dienst, der am großen Versöhnungstag in der Stiftshütte stattfand, dem gegenüber, was Christus in seinem Tod am Kreuz vollbracht hat. So wird hier die Größe des vollbrachten Werkes Christi ausführlich dargestellt.

Wenn wir diesen Abschnitt mit einem flüchtigen Blick betrachten, sehen wir, dass die beiden wichtigsten Dinge, die am großen Versöhnungstag geschahen, ihre Erfüllung in Christus gefunden haben. Erstens wurden Opfer für die Sünden des Volkes dargebracht. Dies hat seine Erfüllung im Tod Christi am Kreuz gefunden (Heb 9,11-22). Dann ging der Hohepriester mit dem Blut des Opfers in das Allerheiligste hinein. Dies fand seine Erfüllung bei der Himmelfahrt Christi, nachdem Er von den Toten auferstanden war (Heb 9,23-28).

J.N. Darby umreißt das, was in diesem Abschnitt vor uns steht, wenn er bemerkt:

Das sind also die drei Seiten des Ergebnisses des Werkes Christi: ein unmittelbarer Zugang zu Gott, ein gereinigtes Gewissen und eine ewige Erlösung.[6]

Darby fügt einen vierten Punkt hinzu, indem er ein „ewiges Erbe“ einbezieht. Dies sind die wichtigsten Punkte in diesem Kapitel.

Das Werk Christi hat dem Gläubigen unmittelbaren Zugang zu Gott verschafft (V. 11.12)

Verse 11.12

Heb 9,11.12: Christus aber – gekommen als Hoherpriester der zukünftigen Güter, in Verbindung mit der größeren und vollkommeneren Hütte, die nicht mit Händen gemacht, das heißt nicht von dieser Schöpfung ist, 12 auch nicht mit Blut von Böcken und Kälbern, sondern mit seinem eigenen {durch sein eigenes} Blut – ist für alle Mal in das Heiligtum eingegangen …

Der Verfasser beginnt seine lange Abhandlung über die Größe des Opfers Christi und die Segnungen, die es den Gläubigen gebracht hat, mit der Feststellung, dass Christus der „Hohepriester der zukünftigen Güter“ geworden ist. In dieser Eigenschaft dient Er in „der besseren [größeren] und vollkommeneren Hütte, die nicht mit Händen gemacht ist“, die der Himmel selbst ist. In einer kurzen Einfügung am Ende von Hebräer 9,11 sagt er: „das heißt, [dass diese Hütte] nicht von diesem Gebäude [der Schöpfung] ist“. Damit macht er deutlich, dass er sich nicht auf ein buchstäbliches Heiligtum in dieser materiellen „Schöpfung“ bezieht, in dem die Priester das „Blut von Böcken und Kälbern“ opferten, sondern auf das wahre (echte) Heiligtum: „das Allerheiligste“ im Himmel. Der Schreiber sagt, dass Christus, nachdem Er von den Toten auferstanden ist, dort „ein für alle Mal“ als ein verherrlichter Mensch eingegangen ist. Das ist gewaltig; denn damit hat Er „den Weg in das Heiligtum“ für das neue Geschlecht der Menschen unter seiner Herrschaft geöffnet. (Die englische King-James-Bibel sagt, dass Er in „das Heilige“ hineinging, aber es sollte mit „das Allerheiligste“ übersetzt werden (s. Darby-Übers.), was die unmittelbare Gegenwart Gottes ist. Der Vorhang wurde beim Tod des Herrn zerrissen. Als Er in das himmlische Heiligtum einging, war Er in der unmittelbaren Gegenwart Gottes (Heb 10,20).

Der Herr ging „durch[7] sein eigenes Blut“ in das himmlische Heiligtum ein, wie uns gesagt wird. Beachten wir: Der Schreiber sagt nicht, dass der Herr dort mit seinem eigenen Blut eintrat. Einige haben sich vorgestellt, dass der Herr tatsächlich sein Blut als ein Zeichen seines vollbrachten Werkes in den Himmel mit hinaufnahm. Aber das ist eine falsche Auslegung dieses Vorbilds (3Mo 16,13.14; Heb 9,7) und geht über das hinaus, was das Neue Testament lehrt. Der Herr hat die Versöhnung am Kreuz vollbracht, nicht im Himmel. „Durch“ sein eigenes Blut bedeutet, dass Er aufgrund der Wirksamkeit seines Opfers in die Gegenwart Gottes in den Himmel ging.

Der große Punkt, den der Schreiber hier anspricht, ist folgender: „Der Weg zum Heiligtum“ – der „noch nicht offenbart ist, solange die vordere Hütte noch Bestand hat (Heb 9,8) – wurde nun durch den Eintritt Christi als Mensch in das Allerheiligste geöffnet. Das Erscheinen Christi im Himmel „vor dem Angesicht Gottes“ (Heb 9,24) ist ein ständiges Zeugnis dafür, dass der Himmel für den Gläubigen aufgetan wurde. Aufgrund des Blutes Christi hat der Gläubige Zugang zum wahren Allerheiligsten im Himmel. Der Schreiber geht hier nicht auf dieses Vorrecht ein (das in Hebräer 10,19 aufgegriffen wird), sondern stellt einfach die Tatsache fest, dass Christus den Weg in das himmlische Heiligtum geöffnet hat. Dies alles konnte das viele Blut, das vom jüdischen Altar floss, nicht tun.

Das Werk Christi hat eine ewige Erlösung erfunden (V. 12)

Vers 12

Heb 9,12: … als er eine ewige Erlösung erfunden hatte.

Die zweite große Sache, die durch das vollbrachte Werk Christi erreicht wurde, ist, dass Christus für alle, die glauben, „eine ewige Erlösung erfunden hat“. Erlösung hat damit zu tun, dass wir von der Strafe für unsere Sünden, von der Sünde, von Satan und von der Welt befreit sind. Die englische King-James-Bibel fügt die Worte „für uns“ hinzu. Aber diese Worte sind kursiv gedruckt, was bedeutet, dass sie nicht im griechischen Text stehen, sondern von den Übersetzern hinzugefügt wurden, weil sie dachten, dass sie mehr Klarheit schaffen würden. Leider schränkt es die Anwendung der ewigen Erlösung auf [gläubige] Christen ein, was an der Sache vorbeigeht. Das große Erlösungswerk Christi gilt für alle, die glauben – einschließlich Israel unter dem neuen Bund und den gläubigen Völkern aus den Nationen im Tausendjährigen Reich. Die Tatsache einer „ewigen“ Erlösung bedeutet, dass diese große Segnung für immer andauert. Das steht im Gegensatz zu dem Blut der Opfer, die im levitischen System am großen Versöhnungstag dargebracht wurden. Das Blut dieser Opfer garantierte nur eine jährliche Versöhnung, während das Blut des Opfers Christi eine ewige Erlösung erwarb. Der Wert seines Opfers ist daher unermesslich größer als die Opfer im levitischen System.

So ist nun der Himmel für den Gläubigen geöffnet worden und allem, was ihn daran hindert, dort zu sein, ist in gerechter Weise begegnet worden. Durch die ewige Erlösung, die das vollbrachte Werk Christi sichergestellt hat, ist jedes Hindernis beseitigt worden.

Das Werk Christi reinigt das Gewissen des Gläubigen (V. 13.14)

Verse 13.14

Heb 9,13.14: 13 Denn wenn das Blut von Böcken und Stieren und die Asche einer jungen Kuh, auf die Verunreinigten gesprengt, zur Reinheit des Fleisches heiligt, 14 wie viel mehr wird das Blut des Christus, der durch den ewigen Geist sich selbst ohne Flecken Gott geopfert hat, euer Gewissen reinigen von toten Werken, um dem lebendigen Gott zu dienen!

Der Schreiber konzentriert sich nun auf einen dritten Punkt, in dem sich das Opfer Christi von allen alttestamentlichen Opfern unterscheidet: Es reinigt das Gewissen des Gläubigen. Dies hat damit zu tun, dass das volle Gewicht der Sündenschuld als anklagende Last von dem Gewissen des Gläubigen genommen wird. Es ist eine Sache, die ein für alle Mal geschieht, wenn jemand im Glauben in dem vollbrachten Werk Christi ruht und daraufhin mit dem Heiligen Geist versiegelt wird (Eph 1,13). Dies ist etwas, was unter dem System des Gesetzes nicht bekannt war, und deshalb trugen die alttestamentlichen Gläubigen immer ein Gewissen von Sünden mit sich herum (1Kön 17,18; Ps 25,7.11.18 usw.). Sie kannten die ewige Vergebung der Sünden nicht (Apg 13,39; Eph 1,7 usw.), die erst nach der vollbrachten Erlösung verkündigt wurde (Lk 24,47). Das hat damit zu tun, dass der Gläubige die bewusste Erkenntnis hat, dass seine Sünden vor dem Auge Gottes richterlich beseitigt sind. Die einzige Art der Vergebung, die die alttestamentlichen Gläubigen in ihrer Zeit kannten, war die Vergebung in ihrem regierungsmäßigen Aspekt (3Mo 4 usw.).

Um den großen Segen eines gereinigten Gewissens zu betonen, weist der Schreiber auf einen auffallenden Gegensatz zwischen den Opfern im levitischen System und dem Opfer Christi hin. In dem System des Gesetzes bereitete „das Blut von Böcken und Stieren und die Asche einer Kuh und das Besprengen der Verunreinigten“ mit Wasser (3Mo 16; 4Mo 19) die Kinder Israel darauf vor, im Gottesdienst Gott zu nahen. Aber diese Dinge reinigten lediglich ihr „Fleisch“ (ihre physischen Körper) in einem zeremoniellen Sinn. Im Gegensatz dazu fragt der Schreiber: „Wie viel mehr wird das Blut des Christus, der durch den ewigen Geist sich selbst ohne Flecken Gott geopfert hat, euer Gewissen reinigen von toten Werken, um dem lebendigen Gott zu dienen [Gottesdienst darzubringen]!“ So reinigte das Blut jener Tieropfer das Fleisch der Anbeter unter dem alten Bund, aber das Blut Christi reinigt das Gewissen des Gläubigen. Diese jüdischen Rituale reinigten die Anbeter in jenem System zeremoniell, aber das vollbrachte Werk Christi reinigt die Gläubigen richterlich und für ewig. Außerdem mussten diese jüdischen Zeremonien jährlich wiederholt werden, damit Israel vor Gott verkehren konnte, während die Reinigung des Gewissens des Gläubigen eine ein für alle Mal geschehene Sache ist.

Die drei Personen der Gottheit werden in Hebräer 9,14 im Zusammenhang mit der Reinigung des Gewissens des Gläubigen erwähnt. Für jüdische Gläubige, die ehemals im jüdischen System lebten, geschah diese Reinigung ihres Gewissens „von toten Werken“. Das wurde bereits in Hebräer 6,1 erwähnt und bezieht sich auf die Praxis der Kinder Israels, die jedes Jahr am großen Versöhnungstag ihre Seelen in Buße kasteien mussten (3Mo 16,29). Solche Werke sind nun eine „tote“ Sache für den jüdischen Gläubigen, der im Glauben in dem vollbrachten Werk Christi ruht. Seine Sünden sind nicht nur für ein weiteres Jahr bedeckt – sie sind für immer weggenommen (1Joh 3,5)! Da Christus die Erlösung vollbracht hat, ist eine solche Praxis nun nicht mehr nötig.

Die englische King-James-Bibel sagt: „dem lebendigen Gott zu dienen“, aber es sollte übersetzt werden: „den lebendigen Gott anzubeten“[8] Durch eine Klasse von Priestern in einem System von Zeremonien Gott zu nahen, wurde in jener alten Haushaltung als „Dienst“ angesehen (Röm 9,4; Heb 9,6). Im Gegensatz dazu nahen die Christen dem Vater durch den Heiligen Geist auf der Grundlage des vollbrachten Werkes Christi; das wird in der Heiligen Schrift nicht als Dienst, sondern als wahre „Anbetung“ bezeichnet (Joh 4,23.24). Indem sein Gewissen befreit ist, wird der Gläubige in dieser Haushaltung zu einem Anbeter Gottes.

Ein gereinigtes Gewissen zu haben, ist etwas anderes, als „ein gutes Gewissen“ zu haben (1Tim 1,19). Wie bereits erwähnt, gibt ein gereinigtes Gewissen dem Gläubigen die Erkenntnis, dass durch das Sühnungswerk Christi das ewige Gericht über seine Sünden vollzogen ist. Dadurch ist sein Gewissen in dieser Sache für immer zur Ruhe gebracht. Andererseits hat ein gutes Gewissen damit zu tun, dass der Gläubige sich durch Selbstgericht einen guten Zustand der Seele bewahrt, während er hier auf der Erde wandelt. Ein gereinigtes Gewissen zu haben, bedeutet nicht, dass der Gläubige kein Bewusstsein davon hat, dass er sündigt, wenn er auf dem Weg versagt. „Kein Gewissen von Sünden mehr“ (Heb 10,2) bedeutet nicht: „kein Bewusstsein von Sünden mehr“. Wenn ein Christ einen ungerichteten bösen Gedanken, ein böses Wort oder eine böse Tat zulässt, wird er sein gutes Gewissen verlieren. Es ist also durchaus möglich, dass ein Mensch ein gereinigtes Gewissen hat und doch gleichzeitig kein gutes Gewissen.

Das Werk Christi hat ein ewiges Erbe gesichert (V. 15-17)

Verse 15-17

Heb 9,15-17: 15 Und darum ist er Mittler eines neuen Bundes, damit, da der Tod stattgefunden hat zur Erlösung von den Übertretungen unter dem ersten Bund, die Berufenen die Verheißung des ewigen Erbes empfingen. 16 (Denn wo ein Testament ist, da muss notwendig der Tod dessen eintreten, der das Testament gemacht hat. 17 Denn ein Testament ist gültig, wenn der Tod eingetreten ist, weil es niemals Kraft hat, solange der lebt, der das Testament gemacht hat.)

Die vierte große Sache, die durch das Opfer Christi vollbracht wurde, ist die Sicherstellung eines „ewigen Erbes“ für die Gläubigen. Christus, „der Mittler eines neuen Bundes“ (Heb 8,6; 9,15; 12,24), hat „durch den Tod“ die gerechte Anforderung erfüllt, die notwendig war, um „die Übertretungen unter dem ersten Bund“ wegzutun. Römer 3,25.26 sagt uns, dass das Gericht für diese Übertretungen durch die Nachsicht Gottes aufgeschoben wurde. Und als Christus kam, trug Er in seinem Sühnungswerk am Kreuz das gerechte Gericht für diese Sünden. Aber mehr als das sicherte der Tod Christi auch „die Verheißung des ewigen Erbes“ für „die Berufenen“ (die Gläubigen).

Das Wort „Erbe“ wird im Neuen Testament auf zweierlei Art verwendet: einmal, um die geschaffenen Dinge des Universums, über das wir mit Christus herrschen werden (Eph 1,11.14.18; Kol 3,24), zu bezeichnen. Und dann wird damit auch das Teil des Gläubigen an den geistlichen Segnungen in Christus bezeichnet (Apg 26,18; Kol 1,12; 1Pet 1,4). Da die materiellen Dinge in dieser Schöpfung nicht ewig sind (sie bestehen nicht ewig, sondern werden am Ende der Zeit verbrannt, 2Pet 3,7.10), muss es sich bei dem Aspekt des Erbes, der uns in diesem Abschnitt vor Augen steht, um unsere geistlichen Segnungen handeln, denn es wird gesagt, dass sie „ewig“ sind. Daher haben diejenigen, die glauben, jetzt nicht nur die Verheißung empfangen, sondern das, was verheißen wurde: das ewige Erbe der geistlichen Segnungen.

In einer Klammer erklärt der Schreiber in den Versen 16 und 17, dass in ähnlicher Weise unter den Menschen eine letzte Willensäußerung oder „ein Testament“ nur durch „den Tod dessen, der das Testament gemacht hat“, in „Kraft“ tritt. Das heißt, derjenige, der das Testament gemacht hat, muss sterben, bevor die Bedingungen des Testaments in Kraft treten. (Das griechische Wort wird in der englischen King-James-Bibel richtigerweise mit „Testament“ übersetzt, weil es sich um eine letzte Willensäußerung handelt. Sonst sollte es mit „Bund“ übersetzt werden, was aber eine andere Sache ist.) Der Punkt, um den es dem Schreiber hier geht, ist das ewige Erbe der geistlichen Segnungen, das durch den Tod Christi zu uns gekommen ist.

Das Werk Christi hat die Grundlage für die Reinigung der himmlischen Dinge gelegt (V. 18-23)

Verse 18-23

Heb 9,18-23: 18 Daher ist auch der erste Bund nicht ohne Blut eingeweiht worden. 19 Denn als jedes Gebot nach dem Gesetz von Mose zu dem ganzen Volk geredet worden war, nahm er das Blut der Kälber und der Böcke mit Wasser und scharlachroter Wolle und Ysop und besprengte sowohl das Buch selbst als auch das ganze Volk 20 und sprach: „Dies ist das Blut des Bundes, den Gott für euch geboten hat.“ 21 Aber auch die Hütte und alle Geräte des Dienstes besprengte er ebenso mit dem Blut; 22 und fast alle Dinge werden mit Blut gereinigt nach dem Gesetz, und ohne Blutvergießung gibt es keine Vergebung. 23 Es war nun nötig, dass die Abbilder der Dinge in den Himmeln hierdurch gereinigt wurden, die himmlischen Dinge selbst aber durch bessere Schlachtopfer als diese.

Des Weiteren wurde die Schaffung der Grundlage für die zukünftige Reinigung des Universums von den Folgen der Sünde durch das Opfer Christi sichergestellt. Johannes der Täufer weist darauf hin, wenn er sagt: „Siehe, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt wegnimmt“ (Joh 1,29). Dieses ist noch nicht geschehen. Bei der „Einweihung“ des ersten Bundes wurde alles, was mit der Stiftshütte in Verbindung stand, mit Blut besprengt. Mose besprengte „den Altar“ (2Mo 24,6), „das Buch“, das die Bedingungen des Bundes enthielt (das in 2. Mose 24 nicht erwähnt wird), und „das ganze Volk“. Er besprengte auch „die Stiftshütte und alle Geräte des Dienstes“. (Diese beiden letztgenannten Dinge existierten bei der Einweihung des ersten Bundes in 2. Mose 24 noch nicht; die Stiftshütte und ihre Gefäße waren noch nicht gemacht worden. Daher muss dies irgendwann später geschehen sein.)

Die Besprengung mit Blut reinigte die Stiftshütte in einem zeremoniellen Sinn. Der Schreiber fügt hinzu: „Und fast alle Dinge werden mit Blut gereinigt nach dem Gesetz; und ohne Blutvergießung gibt es keine Vergebung.“ Somit konnte unter dem alten Bund Vergebung (Schuldenerlass) in jeder Hinsicht nur dadurch erfolgen, dass ein Tier sein Leben einbüßte und sein Blut vergossen wurde. Der Schreiber sagt: „fast alle Dinge“, weil es eine Ausnahme gab: In 3. Mose 5,11-13 gab es die Erlaubnis für einen Armen, ein Speiseopfer (das unblutig war) anstelle eines Sündopfers zu bringen, und es würde wohlgefällig für ihn sein und ihm würde vergeben werden. Dies ist ein Beispiel dafür, dass jemand durch einfachen Glauben in den Segen [der Vergebung] gebracht wird, obwohl er kein klares Verständnis des vollbrachten Werkes Christi hat, von dem sein Blut das Zeichen ist. Das schließt Kinder und Personen wie Kornelius (bevor er mit dem Apostel Petrus zusammentraf, Apg 10) ein, die Glauben haben, denen aber nicht das Evangelium erklärt wurde.

Der Schreiber erklärt dann, dass es für diese „bildlichen Darstellungen [,Kopien‘[9], W. Kelly] der Dinge in den Himmeln“ (2Mo 25,40) notwendig war, durch das Besprengen mit Blut von Tieropfern „gereinigt“ zu werden. Genauso muss auch das ganze Universum (von dem die Stiftshütte eine Nachbildung ist) durch die „besseren Schlachtopfer“ des Todes Christi gereinigt werden (Heb 9,23). (W. MacDonald bemerkt, dass die Verwendung des Plurals bei der Beschreibung des einen Opfers Christi eine Redewendung ist, die als „Pluralis Majestatis“ bekannt ist.) Dies ist ein Hinweis auf den umfassendsten Aspekt des Todes Christi, den der Schreiber bereits in Hebräer 2,9 erwähnt hat. Christus starb nicht nur, um die Sünden aller Gläubigen wegzunehmen, sondern Er schmeckte auch für „alles“ den Tod. Der Grund dafür ist, dass die Anwesenheit der Sünde und Satans das Universum verunreinigt hat (Hiob 15,15; 25,5) und es deshalb gereinigt werden muss. Christus hat mit seinem Tod am Kreuz den Preis für die Reinigung bezahlt, und Er wird einmal jede Spur von Sünde in der Schöpfung wegwischen. Dies wird erst geschehen, wenn der ewige Zustand erreicht und der letzte Feind (der Tod) weggetan ist (1Kor 15,26). Während also das Blut von Böcken und Stieren die Abbilder des himmlischen Heiligtums reinigte, ist das Blut Christi das Mittel, durch das Er die himmlischen Örter reinigen wird.

Drei Erscheinungen (V. 24-28)

Verse 24-28

Heb 9,24-28: 24 Denn Christus ist nicht eingegangen in das mit Händen gemachte Heiligtum, ein Gegenbild des wahrhaftigen, sondern in den Himmel selbst, um jetzt vor dem Angesicht Gottes für uns zu erscheinen; 25 auch nicht, damit er sich selbst oftmals opferte, wie der Hohepriester alljährlich in das Heiligtum hineingeht mit fremdem Blut; 26 sonst hätte er oftmals leiden müssen von Grundlegung der Welt an. Jetzt aber ist er einmal in der Vollendung der Zeitalter offenbart worden zur Abschaffung der Sünde durch sein Opfer. 27 Und ebenso wie es den Menschen gesetzt ist, einmal zu sterben, danach aber das Gericht, 28 so wird auch der Christus, nachdem er einmal geopfert worden ist, um vieler Sünden zu tragen, zum zweiten Mal denen, die ihn erwarten, ohne Sünde erscheinen zur Errettung.

Der Schreiber fasst dann die vorangegangenen Punkte in drei verschiedenen Erscheinungen Christi zusammen: in der Vergangenheit, in der Gegenwart und in der Zukunft.

Erstens ist Christus „erschienen“ (sein erstes Kommen), um die ganze Frage der Sünde ein für alle Mal durch sein Opfer zu ordnen. Unser Schreiber sagt: „Jetzt aber ist er einmal in der Vollendung der Zeitalter offenbart worden [erschienen] zur Abschaffung der Sünde durch sein Opfer.“ Christus kam also in die Welt, um den vollständigen Ausbruch der Sünde in der Schöpfung zu beseitigen. Wie bereits erwähnt, hat sein Sühnungstod am Kreuz die Grundlage für die vollständige Abschaffung der Sünde gelegt (Joh 1,29). „Die Sünde wegnehmen“ ist eine umfassende Aussage. Sie schließt die Sünden der Gläubigen ein (1Joh 3,5), geht aber darüber hinaus und umfasst alle Auswirkungen und Folgen, die die Sünde in der Schöpfung angerichtet hat. J.N. Darby schreibt:

Was ist die Erklärung von Hebräer 9,26: „zur Abschaffung der Sünde durch sein [Christi] Opfer“? Ich glaube, dass es sich auf den neuen Himmel und die neue Erde erstreckt, in denen Gerechtigkeit wohnt. Wie auch: „das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt wegnimmt“. Das Werk dazu ist bereits vollbracht, aber die Kraft ist noch nicht ausgeübt.[10]

W. Kelly schreibt:

Der Tag wird kommen, an dem der neue Himmel und die neue Erde die versöhnende Kraft des Opfers Christi offenbaren werden. Denn dann wird jede Spur von Sünde aus der Welt verschwunden sein. Und das ist die volle Kraft von Johannes 1,29, wie auch von unserem Vers Hebräer 9,26.[11]

Die Sünde ist also bereits durch den Sühnungstod Christi vor Gott in einem richterlichen Sinn weggetan worden. Aber an einem zukünftigen Tag wird die Sünde aus dem Universum ausgelöscht werden, und dann werden die Himmel und die Erde „gereinigt“ werden (Heb 9,23).

„Die Vollendung der Zeitalter“ bezieht sich auf den Abschluss der vierzig Jahrhunderte (die Zahl der göttlichen Erprobungen in der Heiligen Schrift), in denen der Mensch im Fleisch von Gott erprobt wurde. Diese Zeitspanne dauerte vom Sündenfall bis zum Kreuz Christi. Die Erprobung ist beendet, weil der Mensch im Fleisch in jeder Hinsicht völlig versagt hat. Infolgedessen hat Gott dem ganzen System der gefallenen Menschheit ein Ende gemacht und die „Sünde im Fleisch“ im Tod Christi „verurteilt“ (Röm 8,3). Er hat nun durch Christus in der Auferstehung mit einem neuen Menschengeschlecht begonnen. Damit wird Er seine Absicht erfüllen, Christus in der kommenden Welt zu verherrlichen.

Zweitens erscheint Christus jetzt im Himmel vor Gott für uns, wo Er seinen hohenpriesterlichen Dienst als Fürsprecher ausübt (Heb 9,24). Der Schreiber sagt: „Christus ist nicht eingegangen in das mit Händen gemachte Heiligtum, ein Gegenbild des wahrhaftigen, sondern in den Himmel selbst, um jetzt vor dem Angesicht Gottes für uns zu erscheinen.“ Der Schreiber wiederholt, was er bereits in Vers 11 gesagt hat: dass Christus nicht in das von Menschen gemachte Heiligtum auf der Erde eingegangen ist, das nur ein Abbild „des wahrhaftigen Heiligtums“ war, sondern in das himmlische Heiligtum selbst. So vertritt Er uns vor Gott. Da Er dort für immer als Mensch bleiben wird, kann sich unsere Stellung vor Gott niemals verändern! Er übt dort sein Werk der Fürbitte für die Gläubigen aus, um sie im praktischen Sinn vor geistlichen Gefahren auf dem Weg des Glaubens zu bewahren (Röm 8,34; Heb 7,25).

Drittens wird Christus bei der Entrückung aus dem Himmel „erscheinen“, um die Gläubigen aus dem Chaos zu befreien, das die Sünde auf der Erde angerichtet hat (Gewalt, Krankheit, Leid, Kummer, Tod usw.), indem Er sie von der Erde wegnimmt und in das Haus des Vaters im Himmel holt (Heb 9,28). Gegenwärtig sind diejenigen, die an den Herrn Jesus Christus glauben, noch in einer von der Sünde verdorbenen Schöpfung, die noch nicht „gereinigt“ ist. Ihre Zuflucht ist der Herr mit seiner hohenpriesterlichen Hilfe (Heb 9,23). Ihre Hoffnung ist, von diesem verdorbenen Schauplatz vollständig weggenommen zu werden, wenn Christus wiederkommt (Jud 21), bevor Er die Erde durch Gericht reinigt. Wir suchen also nicht nach besseren und rosigeren Zuständen in der Gemeinde Gottes, noch suchen wir nach besseren und rosigeren Umständen in der Welt – wir „erwarten sein Kommen“. Das ist die typisch christliche Hoffnung. Daher wird das Kommen des Herrn „zum zweiten Mal“ als „Errettung“ angesehen. Darauf warten die Gläubigen sehnlichst, wenn ihre Seelen in einem guten Zustand sind (Röm 5,9; 8,23-25; 13,11; Phil 3,20).[12]

(Bis zu diesem Zeitpunkt hat Gott dafür gesorgt, dass wir „dem Verderben, das in der Welt ist durch die Begierde“, entfliehen können, indem wir im praktischen Sinn „Teilhaber der göttlichen Natur“ werden (2Pet 1,4). Das heißt, wir haben als Wiedergeborene die Fähigkeit, göttliche Dinge zu genießen – Dinge, die Gott selbst genießt. Wenn wir damit beschäftigt sind, haben wir Teil an dem, was seine Natur genießt, und wir haben Gemeinschaft mit ihm. Wenn wir mit diesen himmlischen Dingen erfüllt sind, verlieren die Verlockungen und Versuchungen der Sünde, die uns von allen Seiten umgeben, ihre Macht über uns, und so entkommen wir diesem Verderben).

Hebräer 9,26 bezieht sich auf die Seite der Genugtuung in dem Sühnungswerk Christi (Röm 3,25; Heb 2,17; 1Joh 2,2; 4,10). Sie hat zu tun mit der Rechtfertigung des heiligen Wesens Gottes, indem das Werk Christi den Ansprüchen der göttlichen Gerechtigkeit in Bezug auf die Sünde volle Genugtuung verschafft. Vers 28 bezieht sich auf die andere Seite des Sühnungswerkes Christi – die Stellvertretung. Diese Seite des Werkes Christi hat damit zu tun, dass Christus den Platz des Gläubigen im Gericht eingenommen und „unsere Sünden an seinem Leib auf dem Holz“ getragen hat (1Pet 2,24). J.N. Darby schreibt:

In Hebräer 9,26.28 haben wir zwei Dinge: „die Sünde abschaffen“ und „die Sünden tragen“, so wie wir das Sündopfer und den Bock des Sündopfers am großen Versöhnungstag haben.[13]

Hebräer 9,27 ist eine ernste Erinnerung daran, dass der Mensch aufgrund der Sünde zum Tod bestimmt ist (Röm 5,12). Und nach dem Tod wird es für seine persönlichen Sünden Vergeltung im göttlichen Gericht geben. Der Schreiber sagt dies deutlich: „Es ist den Menschen gesetzt, einmal zu sterben, danach aber das Gericht.“ In Vers 28 beeilt er sich hinzuzufügen, dass diese Gefahr des Gerichts für alle, die glauben, abgewendet ist. Es ist jedoch zu beachten, dass Christus nicht die Sünden aller Menschen getragen hat, sondern nur die der „vielen“, die glauben. Diejenigen, die nicht glauben wollen, werden das Gericht über ihre Sünden einmal tragen. Daher wurde „Christus einmal geopfert, um die Sünden vieler zu tragen“. Und deshalb werden die Gläubigen „nicht ins Gericht kommen“ (Joh 5,24; Röm 8,1).

Hebräer 9,28 zeigt die Beziehung zwischen dem großen Versöhnungstag und dem großen Sühnungswerk Christi. Wenn in Israel am großen Versöhnungstag der Hohepriester mit Blut in das Allerheiligste ging, stand das Volk draußen, um auf sein Wiedererscheinen zu warten. Es mag eine gewisse Beklommenheit bei dem Volk vorhanden gewesen sein, denn der Hohepriester könnte auf eine falsche Weise in das Allerheiligste hineingegangen sein, was seinen sofortigen Tod zur Folge gehabt hätte. Wenn er jedoch wieder in den Vorhof trat, konnten die Menschen aufatmen, weil sie wussten, dass alles in Ordnung war. In ähnlicher Weise ist Christus aufgrund seines eigenen Blutes in das himmlische Heiligtum eingegangen. Und die Gläubigen („die auf ihn warten“) warten nun darauf, dass Er „zum zweiten Mal ohne Sünde“ zu ihrer „Errettung“ wieder erscheint. Der Unterschied besteht darin, dass wir auf den Herrn warten ohne Bangen oder Furcht vor dem, was Ihm widerfahren sein könnte. Das Zeugnis der Schrift gibt uns die Gewissheit, dass Er in der Gegenwart Gottes „immerdar lebt, um sich für sie zu verwenden“ (Heb 7,25). Und „wie er“ in der Gegenwart Gottes angenommen ist, „so sind wir in dieser Welt“ (1Joh 4,17).

Wenn der Herr das zweite Mal (zur Entrückung) kommt, kommt Er „ohne Sünde“. Das heißt, Er wird nicht kommen, um die Frage der Sünde zu ordnen, denn dies geschah bereits bei seinem ersten Kommen zur Verherrlichung Gottes. Sein zweites Kommen ist zur endgültigen Errettung der Gläubigen – das heißt zur Heimholung in den Himmel in einen verherrlichten Zustand (Phil 3,21). Beachten wir: Die Gläubigen warten nicht auf den Tod – das gewöhnliche Teil der Menschen –, sondern sie warten auf sein Kommen, sie „erwarten ihn“. Es gibt also einige, die die allgemeine Bestimmung des Menschen zu sterben, nicht erreichen werden.


Übersetzt aus The Epistle to the Hebrews. The New and Living Way of Approach to God in Worship in Christianity 
Christian Truth Publishing 2017

 

 

Übersetzung: Burghard Kleinebenne

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Anmerkungen

[1] Anm. d. Red.: Fußnote in der Übersetzung der CSV-Elberfelder.

[2] Anm. d. Red.: Die CSV-Elberfelder übersetzt mit „Verirrungen“.

[3] H. Smith, Jesus Christus ist derselbe. Eine Auslegung des Hebräerbriefes, Hückeswagen (CSV) 1987, S. 73.

[4] Anm. d. Red.: „der rechten Ordnung“, Fußnote in der CSV-Elberfelder.

[5] J.N. Darby, „Hebrews 7“ aus „Notes from Lectures on the Epistle to the Hebrews“, Collected Writings, Bd. 27, S. 385.

[6] J.N. Darby, Betrachtung über Hebräer (Synopsis). Online auf www.bibelkommentare.de.

[7] Anm. d. Red.: Fußnote in der CSV-Elberfelder zu Hebräer 9,12.

[8] So nach der Darby-Übersetzung. Die Fußnote in der CSV-Elberfelder hat: „Gottesdienst darzubringen“.

[9] Anm. d. Red.: „Abbilder“, CSV-Elberfelder.

[10] J.N. Darby, „How are we saved? Romans 1–8“, Collected Writings, Bd. 21, S. 198.

[11] W. Kelly, „Hebrews 9“, An Exposition of the Epistle to the Hebrews: with a new version, London (Weston) 1905, S. 176.

[12] Anm. d. Red.: Wir glauben nicht, dass der Schreiber des Hebräerbriefes hier mit „Erscheinung“ die Entrückung der Gläubigen meint, sondern es geht weiter bis zur Offenbarung Christi auf der Erde zur Befreiung derer, die Ihn dann ebenfalls erwarten. Es geht also nicht nur um die Gläubigen, die zur Gemeinde gehören, sondern auch um den zukünftigen gläubigen jüdischen Überrest. Das scheint die Erklärung dafür zu sein, dass der Hohepriester am großen Versöhnungstag aus dem Heiligtum zurückkehren und die Sünden des Volkes Israel für ewig tilgen wird (s. auch Dan 9,24).

[13] J.N. Darby, „How are we Saved? Romans 1–8“, Collected Writings, Bd. 21, S. 198.

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