Der Brief an die Hebräer (2)
Kapitel 2

Stanley Bruce Anstey

© SoundWords, online seit: 03.10.2019, aktualisiert: 03.03.2024

Die erste Warnung vor dem Abfallen (Heb 2,1-4)

Die Gefahr, von dem im Sohn geredeten Wort abzugleiten

Vers 1

Nach dem langen Einschub von Kapitel 1,2b bis zum Ende des ersten Kapitels (in dem der Schreiber über die Herrlichkeiten Christi schreibt) bringt er uns nun wieder zurück zu dem im Sohn geredeten Wort. Er sagt:

Heb 2,1: Deswegen sollen wir umso mehr auf das achten, was wir gehört haben, damit wir nicht etwa abgleiten.

Die große Gefahr für einige unter den Hebräern bestand darin, den christlichen Boden zu verlassen, den sie eingenommen hatten, und sich wieder dem Judentum zuzuwenden. Das wäre Abfall. Der Schreiber benutzt hier das Wort „wir“, womit er nicht Gläubige an den Herrn Jesus Christus bezeichnet, sondern Juden, worin er sich selbst miteinschließt. (Das ist charakteristisch für die hebräischen christlichen Briefen [Heb, Jak, 1Pet, 2Pet], obwohl es dort auch einige Ausnahmen gibt.)

Verse 2-4

Heb 2,2-4: 2 Denn wenn das durch Engel geredete Wort fest war und jede Übertretung und jeder Ungehorsam gerechte Vergeltung empfing, 3 wie werden wir entfliehen, wenn wir eine so große Errettung vernachlässigen? – die den Anfang ihrer Verkündigung durch den Herrn empfangen hat und uns von denen bestätigt worden ist, die es gehört haben, 4 wobei Gott außerdem mitzeugte, sowohl durch Zeichen als durch Wunder und mancherlei Wunderwerke und Austeilungen des Heiligen Geistes nach seinem Willen.

Der Schreiber vergleicht „das durch Engel geredete Wort“, als der Bund des Gesetzes gegeben wurde (Apg 7,53), mit der „Verkündigung durch den Herrn“, die bei seinem ersten Kommen für die Juden stattfand. Wenn nun das durch Engel geredete Wort im Gesetz gegen die Übertreter „fest“ war (es konnte weder widerrufen noch gestürzt werden) und jede Übertretung und jeder Ungehorsam gerechte Vergeltung empfing, wie viel schlimmer wäre das Gericht, wenn sie die Verkündigung des Herrn vernachlässigten, der doch eine unendlich größere Person ist! Wie könnten sie dem sicheren Gericht „entfliehen“, das sie erwartete, wenn sie abfielen? Christi Wort ist also höher als das der Engel.

Der Schreiber sagt: „Wie werden wir entfliehen, wenn wir eine so große Errettung vernachlässigen?“ Die „große Errettung“, die der Herr während seines irdischen Dienstes verkündigte, ist nicht – wie oft angenommen wird – die ewige Errettung der Seele, die im Evangelium der Gnade Gottes verkündet wird (Apg 20,24), sondern eine zeitliche Befreiung des Volkes von ihren Feinden. Damals waren die Juden unter dem Joch der Römer, die über sie im eigenen Land herrschten, und sie benötigten eine derartige Errettung.

Der Herr Jesus wurde von Gott als Gottes „Horn des Heils“ gesandt, um das Volk zu befreien (Lk 1,68-71). Er kam und predigte „Gefangenen Befreiung“, die unter dem römischen Joch waren (Lk 2,18.19). Das war eine der äußerlichen Segnungen, die der Nation im Evangelium des Reiches, das der Herr ankündigte, verheißen war (Mt 4,23; Mk 1,14). Bei seinem Einzug in Jerusalem schrie das Volk „Hosanna!“ (was bedeutet „Rette jetzt!“) und es erwartete gleichsam große Dinge von Ihm (Mt 21,15). Doch die Führer veranlassten das Volk, Ihn abzulehnen, und somit wurde diese große Errettung von ihren Feinden zeitlich nach hinten verschoben. Hätten die Juden Christus angenommen, hätte Er das Volk aus ihrer Gefangenschaft befreit. Die Nation hätte ihre Zerstörung 70 n.Chr. verhindern können und wäre von Gott gesegnet worden, wie es in den Schriften der Propheten verheißen worden war.

Weiter sagt der Schreiber: Die Verheißung dieser zeitlichen Errettung von ihren Feinden ist dem Volk durch die Apostel „bestätigt worden“ (Heb 2,3; Apg 3,19-21) und zudem durch das Zeugnis Gottes selbst mittels der Wunderwerke, die die Predigt des Evangeliums begleitet hatten (Heb 2,4; Apg 3,6-10; 5,15.16, etc.). Das Volk hatte also „das gute Wort Gottes und die Wunderwerke des zukünftigen Zeitalters geschmeckt“ (Heb 6,5).

Mit dieser „großen (nationalen) Errettung“ in Hebräer 2,3 kann nicht die geistliche Errettung von Seelen gemeint sein, wie sie heute im Evangelium der Gnade Gottes verkündigt wird (1Pet 1,9; Apg 16,31, etc.), denn es heißt hier, dass diese „große Errettung“ den „Anfang ihrer Verkündigung durch den Herrn empfangen hat“, während Er hier auf Erden war. Das Evangelium, das der Herr verkündigte, war das Evangelium des Reiches (Mt 4,23; Mk 1,14). Diese Botschaft stellte Ihn als den König und Messias Israels dar, der in der Zeit der Not zu der Nation kommen, sie von ihren Feinden retten und sein Reich in Macht und Herrlichkeit errichten würde. Erst nachdem die Juden Christus nachdrücklich abgelehnt und einen Mann (Stephanus) zu Gott gesandt hatten mit der Botschaft: „Wir wollen nicht, dass dieser über uns herrsche“ (Lk 19,14; Apg 7,54-60), ging das Evangelium der Gnade Gottes hinaus in die Welt (Apg 11,19-21; 13,46-48; 20,24; 28,28). Zu diesem Punkt in Hebräer 2,3 sagt H. Smith:

In der genauen Auslegung ist die Errettung, von der der Schreiber spricht, nicht das Evangelium der Gnade Gottes, wie es heute verkündigt wird. Auch geht es nicht eigentlich um die Gleichgültigkeit eines Sünders gegenüber dem Evangelium, wenn auch eine Anwendung in diesem Sinn sicher gemacht werden kann. Denn es bleibt immer wahr, dass es für denjenigen, der das Evangelium endgültig missachtet, kein Entrinnen geben kann. Hier geht es um die Errettung, die der Herr den Juden gepredigt hat, wodurch für den gläubigen Überrest ein Weg geöffnet wurde, auf dem sie dem Gericht entrinnen konnten, das in Kürze die Nation treffen würde. Diese Errettung haben später Petrus und die anderen Apostel in den Anfangskapiteln der Apostelgeschichte gepredigt, wenn sie sagten: „Lasst euch retten von diesem verkehrten Geschlecht“ [Apg 2,40]. Gott hat außerdem mitgezeugt, sowohl durch „Zeichen“ als durch „Wunder“ und mancherlei „Wunderwerke“. Dieses Evangelium des Reiches wird wieder gepredigt werden, nachdem die Versammlung entrückt ist.[1]

Auch J.N. Darby sagt:

Es ist die Verkündigung einer großen Errettung, die der Herrn selbst vollbracht hat, als Er auf Erden war; nicht das Evangelium, das nach dem Tod Christi gepredigt wurde; ebenso wenig geht es um die vereinte Kirche nach seinem Tod. Dieses Zeugnis geht also weiter bis zum Tausendjährigen Reich, ohne die Versammlung zu erwähnen, was nicht nur in diesen Versen, sondern im ganzen Brief festzustellen ist.[2]

Die Wichtigkeit des Todes Christi (Heb 2,5-18)

Der Schreiber führt seine Ausführungen an die Hebräer fort mit dem Thema: Christi Erhabenheit über die Engel. Wie bereits erwähnt, ist der Hauptpunkt in Kapitel 1, die Herrlichkeiten Christi als Sohn Gottes zu erheben. Jetzt in Kapitel 2 hebt der Schreiber die Herrlichkeiten Christi als Sohn des Menschen hervor. Das Kapitel erhebt seinen Tod, indem er als das gesehen wird, was er wirklich ist: ein Triumph für Gott und Mensch. Es war wichtig, dass die Juden das verstanden, denn für sie bedeutete der Tod eine Niederlage. Die Hoffnung eines jeden Juden war, für immer auf der Erde im „zukünftigen Zeitalter“ zu leben: im Tausendjährigen Reich (Ps 133,3; Jes 65,22; Dan 12,2; Mk 10,17; Lk 10,28). In ihren Augen bedeutete der Tod eine Niederlage. Sie konnten sich nicht vorstellen, dass ihr Messias sterben würde, obwohl ihre eigenen Schriften das voraussagten (Ps 16,10; 22,15; Jes 53,8.9; Dan 9,26). Daher war es notwendig für sie, zu sehen, dass Christi Tod und Auferstehung wahrhaftig ein Sieg war, durch den Großes vollbracht wurde: Gott wurde verherrlicht und Menschen können gerettet und gesegnet werden.

Vier Gründe, warum Christus Mensch wurde, litt und starb

Der Schreiber fährt fort und zeigt uns vier bedeutsame Gründe, warum Christus Mensch wurde, litt und starb.[3] Um durch den Tod Großes für Gott und Menschen vollbringen zu können, musste Er notwendigerweise Mensch werden. Deswegen stellt der Schreiber uns in diesem Kapitel Christus als „des Menschen Sohn“ dar, was seine Menschheit betont. Mit diesen vier Gründen möchte der Geist Gottes uns zeigen, dass kein Engel Derartiges vollbringen konnte. Noch einmal kommt Christi Erhabenheit über Engel zum Vorschein.

1. Christus kam, um Gott zu rechtfertigen in Bezug auf den Fall des Menschen und um ein neues Menschengeschlecht einzuführen, so dass der Plan Gottes erfüllt würde.

Vers 5

Der Schreiber erklärt, dass nach Gottes Plan der „zukünftige Erdkreis“ (das Tausendjährige Reich) unter der Herrschaft des Menschen stehen sollte. Das wird an keiner Stelle von den Engeln gesagt. Gott schuf Engel, damit sie dienen, und nicht, damit sie herrschen; ja der Schreiber sagt:

Heb 2,5: Denn nicht Engeln hat er den zukünftigen Erdkreis unterworfen, von dem wir reden.

Das einzige Geschöpf, das jemals zum Herrschen geschaffen wurde, ist der Mensch. Doch der Sündenfall hat ihn als völlig unfähig zum Herrschen erwiesen (Pred 7,29). In seinem gefallenen Zustand kann er der Bestimmung, für die er geschaffen wurde, nicht nachkommen. Würde Gott den gefallenen Menschen zum Herrschen über den zukünftigen Erdkreis gebrauchen, würde er ihn nur verderben, so wie er es bereits mit der jetzigen Erde getan hat. Der Eintritt der Sünde hat also Gottes Plan für den Menschen offensichtlich durchkreuzt.

Der Schreiber des Briefes zitiert aus Psalm 8, um zu zeigen, dass Gott eine Lösung für dieses Dilemma vorgesehen hatte, nämlich dass Christus kam und Mensch wurde, um Gott zu verherrlichen. Er würde Mensch werden und die Schuld übernehmen, die der erste Mensch auf sich geladen hatte, indem Er in den Tod gehen und Sühnung für Sünde tun würde. Durch seine Auferstehung würde Christus das Haupt eines neuen Menschengeschlechts werden, das nun  befähigt sein würde, um auf dem zukünftigen Erdkreis zu herrschen, wie Gott es ursprünglich geplant hatte. Dies ist der erste bedeutende Grund, warum Christus Mensch wurde.

Vers 6

Heb 2,6: Es hat aber irgendwo jemand bezeugt und gesagt: „Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, oder des Menschen Sohn, dass du auf ihn siehst?“

Der Psalm sagt: „Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst?“ [Ps 8,5]. Der Psalmist staunt über die Gnade Gottes, die sich Menschen zuwendet. Das hier verwendete hebräische Wort für „Mensch“ ist enosh. Es weist darauf hin, dass der Mensch kraftlos und hinfällig ist, was seinen gefallenen Zustand miteinschließt. Ja, wir können wirklich sehr dankbar sein, dass Gott dieses gefallenen Menschengeschlechts gedacht hat. Wenn Gott „sein Herz nur auf sich selbst richtete, seinen Geist und seinen Odem an sich zurückzöge, so würde alles Fleisch insgesamt verscheiden und der Mensch zum Staub zurückkehren“ (Hiob 34,14.15).

Gott wäre völlig gerecht, wenn Er das getan hätte, aber wir als Menschengeschlecht wären auf immer verloren gewesen. Der Schreiber zitiert weiter aus Psalm 8 und sagt: „Was ist des Menschen Sohn, dass du auf ihn siehst?“ [Ps 8,5]. Das bezieht sich darauf, dass Gott den Menschen in Barmherzigkeit in der Person des Sohnes „besucht“ hat (Lk 1,78). Anstatt nur an sich selbst zu denken und uns in unseren Sünden sterben zu lassen, hat Gott die Welt so sehr geliebt, „dass er seinen eingeborenen Sohn gab“ (Joh 3,16), damit wir nicht verlorengehen. Hier benutzt der Psalmist ein anderes hebräisches Wort für „Mensch“, nämlich adam, das nicht das Gleiche bedeutet wie enosh. Das heißt, wenn Christus dieses Menschengeschlecht besuchen würde, indem Er selbst Mensch würde, dann würde Er das nicht in dem degenerierten enosh-Zustand tun. In seiner Menschwerdung würde Er also am Menschsein teilnehmen (mit Geist, Seele und Leib), aber nicht an dem gefallenen Zustand des Menschen. Wir sehen hier, wie vorsichtig das Wort Gottes die sündlose Menschheit Christi bewahrt. Der Herr Jesus hatte keine gefallene Sündennatur wie der Rest von Adams Nachkommen; Er hatte eine heilige menschliche Natur.

Verse 7.8a

Heb 2,7.8a: 7 Du hast ihn ein wenig unter die Engel erniedrigt; mit Herrlichkeit und Ehre hast du ihn gekrönt und ihn gesetzt über die Werke deiner Hände; 8a du hast alles seinen Füßen unterworfen.

Indem Christus Mensch wurde, ist Er „ein wenig unter die Engel erniedrigt“ worden, weil die Menschen in ihrer Stellung in der Schöpfungsordnung Gottes unter die Engel gestellt sind. In Hebräer 1,4 sagt der Schreiber, dass Christus „so viel besser geworden ist als die Engel“. Diese beiden Aussagen widersprechen einander nicht; die eine betont seine Gottheit und die andere seine Menschheit. Indem der Herr auf die Erde kam, um sich dem Menschengeschlecht zuzuwenden, ging Er vorbei an den Engeln und nahm sich der Nachkommen Abrahams an (Heb 2,16). Obwohl Er selbst nicht geschaffen wurde, unterwarf Er sich als Mensch auf dieser Erde den Einschränkungen, die geschaffene Wesen haben, und wandelte durch diese Welt in demütiger Abhängigkeit von und im Gehorsam zu seinem Vater. Der Psalm spricht nicht über seinen Tod, sondern übergeht ihn, um uns sogleich von seiner gegenwärtigen Stellung in der Höhe zu berichten: „Mit Herrlichkeit und Pracht hast du ihn gekrönt“ [Ps 8,6]. Weiter sagt der Psalm: „Du hast ihn gesetzt über die Werke deiner Hände; du hast alles seinen Füßen unterworfen.“ Weil dieser Psalm vom Tausendjährigen Reich spricht, ist dies noch nicht geschehen. Es bezieht sich auf Gottes Absicht, dass der Mensch in der Person Christi auf dem zukünftigen Erdkreis herrschen soll. An jenem Tag wird Er als verherrlichter Mensch öffentlich über alles herrschen.

Vers 8b

Heb 2,8b: Denn indem er ihm alles unterworfen hat, hat er nichts gelassen, was ihm nicht unterworfen wäre; jetzt aber sehen wir ihm noch nicht alles unterworfen.

Hier bricht der Schreiber ab, Psalm 8 zu zitieren, weil dieser Psalm die Herrschaft Christi zeigt, die auf „alles“ auf der Erde und im Meer beschränkt ist. Das Alte Testament geht nicht über die irdische Seite der Herrschaft des Messias hinaus. Das Neue Testament offenbart jedoch, dass die Herrschaft Christi eine viel größere Reichweite hat und die Dinge im Himmel miteinschließt (Eph 1,10; Phil 2,10). So fügt der Schreiber unter der Inspiration Gottes hinzu: „Er hat nichts gelassen, was ihm nicht unterworfen wäre.“ Das geht über den Bereich von Psalm 8 hinaus und umfasst das gesamte Universum. Da dies erst in der Zukunft stattfinden wird, sagt er, dass die öffentliche Herrschaft gegenwärtig in der Welt nicht gesehen wird: „Jetzt aber sehen wir ihm noch nicht alles unterworfen.“

Vers 9

Heb 2,9: Wir sehen aber Jesus, der ein wenig unter die Engel wegen des Leidens des Todes erniedrigt war, mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt – so dass er durch Gottes Gnade für alles den Tod schmeckte.

Während wir Christus noch nicht öffentlich über das Universum herrschen sehen, schaut das Auge des Glaubens Ihn „mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt“ zur Rechten Gottes. Dort ist Er jetzt als verherrlichter Mensch. Der Schreiber fährt fort und sagt, warum Christus ein wenig unter die Engel erniedrigt war: „wegen des Leidens des Todes“. Auch das wird im Psalm 8 nicht erwähnt. Das zeigt: Indem Christus die Stellung der Menschen einnahm und Mensch wurde, kam Er für die Schulden der Menschen auf, die damit verbunden waren. Er wurde also Mensch, um „für alles den Tod zu schmecken“. Das ist der weiteste Aspekt des Werkes Christi am Kreuz. Er kümmerte sich um den Ausbruch der Sünde und die Verwüstung, die die Sünde in der Schöpfung angerichtet hatte. Das zeigt uns, wie weitreichend die Auswirkungen der Sünde sind; nicht nur Adams Geschlecht wurde davon betroffen, sondern auch die ganze Schöpfung, die ihm unterstellt ist. Daher starb Christus nicht nur für Menschen, sondern auch für das, was die Sünde in der Schöpfung angerichtet hat.

Wenn Christus dazu bestimmt ist, als Mensch über das Erbteil zu herrschen – das heißt über alles Geschaffene im Himmel und auf der Erde –, dann musste Er das Recht dazu erwerben, indem Er auf dem Kreuz starb. Deshalb heißt es, dass Christus den Tod für „alles“ schmeckte. Er kaufte „den Acker“ (die ganze Welt – „den Kosmos“); das schließt sowohl die Menschen als auch Dinge ein (Mt 13,38.44). Daher bezahlte Er den Preis für das Recht, die ganze Welt zu besitzen und alles, was in ihr ist.

Vers 10

Heb 2,10: Denn es geziemte ihm, um dessentwillen alle Dinge und durch den alle Dinge sind, indem er viele Söhne zur Herrlichkeit brachte, den Urheber ihrer Errettung durch Leiden vollkommen zu machen.

Wenn Gott, „um dessentwillen alle Dinge und durch den alle Dinge sind“, seinen Plan erfüllen wollte, die Schöpfung in dem zukünftigen Erdkreis unter die Herrschaft des Menschen zu setzen, war ein neues Menschengeschlecht notwendig. Doch damit dieses neue Menschengeschlecht existieren kann, benötigt es zuerst ein Haupt. Kolosser 1,18 sagt, dass der Herr Jesus Christus der „Anfang“ (und folglich das „Haupt“) dieser neuen Schöpfung wurde (vgl. Off 3,14), als Er „aus den Toten“ auferstand. Darauf bezieht sich der Schreiber des Hebräerbriefes, wenn er sagt: Zuerst musste der „Urheber“ ihrer Errettung (der Herr Jesus Christus) vollkommen gemacht werden, bevor Gott „viele Söhne (ein neues Menschengeschlecht) zur Herrlichkeit brachte“. Das bezieht sich auf Christi Auferstehung und Verherrlichung (Lk 13,32; Heb 5,9). Es musste ein verherrlichtes Haupt geben, bevor ein verherrlichtes Menschengeschlecht unter Ihm existieren konnte. Alle, die dem Evangelium geglaubt haben, sind somit „in Christus“, sie sind Teil dieses „neuen Schöpfungs“-Geschlechtes (2Kor 5,17; Gal 6,15; Eph 2,10). Während Christus schon jetzt verherrlicht ist, ist das neue Menschengeschlecht unter Ihm noch nicht zur Herrlichkeit gebracht, das heißt, es ist noch nicht in einem verherrlichten Zustand. Dieser Wechsel wird bei der Entrückung stattfinden (Phil 3,21; 1Thes 4,15-17).

Das Erstaunliche ist: Als Christus aus den Toten auferstand und als Mensch in die Himmel auffuhr, ging Er nochmals an den Engeln vorüber und brachte die „Menschheit“ zu einer Position, die weit über der der Engel war! Als Er die Himmel als Mensch betrat, hat Er sich an einen Platz gesetzt „über jedes Fürstentum und jede Gewalt und Kraft und Herrschaft und jeden Namen, der genannt wird, nicht allein in diesem Zeitalter, sondern auch in dem zukünftigen“ (Eph 1,20.21).[4] So ist das Haupt dieses neuen Menschengeschlechts höhergestellt als Engel, und da die Gläubigen „in Christus“ sind (2Kor 5,17), sind sie ebenfalls in dieser Position. Das bedeutet, dass es nun ein Menschengeschlecht unter Christus gibt, das höhergestellt ist als Engel! Die erste Ordnung des Menschen war ein wenig unter den Engeln, aber dieses neue Menschengeschlecht unter Christus ist nicht ein wenig höher als Engel – es ist „über“ den Engeln! Menschen dieses neuen Geschlechts gehören nun zur höchsten Ordnung unter den Geschöpfen Gottes. Wir gehören jetzt zu diesem neuen Menschengeschlecht. Gegenwärtig scheint es zwar noch nicht so zu sein, weil wir immer noch in unserem Leib der Niedrigkeit (Phil 3,21) sind, der ein Teil des vergangenen Menschengeschlechts ist; aber „wie wir das Bild dessen von Staub getragen haben, so werden wir auch das Bild des Himmlischen tragen“ (1Kor 15,49; 1Joh 3,2). Das bedeutet: Es wird einen kommenden Tag geben, wenn wir wie Christus verherrlicht sein werden (Röm 8,17.30) und folgerichtig passend, um mit Ihm auf dem zukünftigen Erdkreis zu herrschen.

Beachten wir: Es war der Wille Gottes, Christus „durch Leiden vollkommen zu machen“. Das bezieht sich auf seinen Wandel in der Welt. Dies waren nicht die sühnenden Leiden des Herrn, sondern die Leiden, die Ihn darauf vorbereiteten, unser Hoherpriester zu werden. Jetzt vermag Er, mit seinem Volk mitzuempfinden, das durch Leiden und Prüfung auf dem Pfad des Glaubens wandelt, denn Er hat dasselbe empfunden (Heb 2,18).

Vers 11

Heb 2,11: Denn sowohl der, der heiligt, als auch die, die geheiligt werden, sind alle von einem; um welcher Ursache willen er sich nicht schämt, sie Brüder zu nennen …

Der Schreiber fährt fort und zeigt, wie solche des neuen Schöpfungsgeschlechtes vollkommen zu Christus passen. Er sagt: „Der (Christus), der heiligt, als auch die, die geheiligt werden (Christen), sind alle von einem.“ Das bedeutet: Die, die dem neuen Menschengeschlecht angehören, sind von gleicher Natur und Art wie Christus selbst. „Alle von einem“ bezieht sich weder auf die Einheit des Leibes Christi noch spricht es von der Einheit der Familie Gottes, sondern davon, dass wir mit Christus in der neuen Schöpfung eins sind. Christus und seine Brüder sind von gleicher Art.

Ein Beispiel dieser Einheit in der Art sehen wir, als Adams Frau zu ihm gebracht wurde. Zuvor hatte Adam alle verschiedenen Arten von Geschöpfen an sich vorübergehen sehen; jedes „nach seiner Art“ (1Mo 1,21.24.25). Doch keines wurde gefunden, das die Art Adams innehatte, und deswegen waren alle unpassend für ihn. Aber als Gott die Frau zu Adam brachte, sah er jemand, der seine Art hatte, und sprach: „Diese ist nun Gebein von meinen Gebeinen und Fleisch von meinem Fleisch“ (1Mo 2,23). Es wäre absurd gewesen, wenn Adam ein anderes Geschöpf zur Frau hätte nehmen müssen – das hätte ihn beschämt –, aber als Gott ihm die Frau gab, die von seiner Art war, war er hocherfreut. In gleicher Weise sind wir von „einer“ Art mit Christus in dieser neuen Menschenordnung und deswegen vollkommen passend für Ihn. Deshalb „schämt er sich nicht, sie Brüder zu nennen“.

Es ist wichtig, Folgendes anzumerken: Auch wenn Christus sich nicht schämt, uns seine „Brüder“ zu nennen, so sagt das Wort Gottes nicht, dass wir Ihn als „älteren Bruder“ oder mit ähnlichen vertraulichen Worten anreden sollten. Erinnern wir uns daran, dass Er der „Erstgeborene unter vielen Brüdern ist“ (Röm 8,29). Als solcher hat Er eine Vorrangstellung unter den anderen seiner Art, und Er hat eine besondere Herrlichkeit, die Ihm alleine gebührt – was ja auch „Erstgeborener“ andeutet. Diese „Herrlichkeit“ werden wir betrachten, aber wir werden sie nicht mit Ihm teilen (Joh 17,24). Die Worte des Herrn, die Er an Maria richtete, deuten auf diesen besonderen Ort hin, der Ihm gehört. Er sagte: „Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater und zu meinem Gott und eurem Gott“ (Joh 20,17). Er sagte nicht „unser“ Vater und „unser“ Gott, sondern erwähnt sich selbst in Beziehung zu seinem Vater und seinem Gott separat von den Gläubigen; damit zeigt Er, dass Er eine Sonderstellung in dem neuen Schöpfungsgeschlecht hat. Daher müssen wir darauf achten, dass wir mit Ihm oder über Ihn nicht in lockerer Weise reden.

Verse 12.13

Heb 2,12.13: 12 … indem er spricht: „Ich will deinen Namen meinen Brüdern kundtun; inmitten der Versammlung will ich dir lobsingen.“ Und wiederum: „Ich will mein Vertrauen auf ihn setzen.“ Und wiederum: „Siehe, ich und die Kinder, die Gott mir gegeben hat.“

Drei Zitate aus dem Alten Testament werden zitiert, um zu zeigen, dass Christus sich mit seinen Brüdern in dieser neuen Beziehung völlig gleichmacht. Während Christus als derjenige unterschieden werden muss, der den Vorrang in der neuen Schöpfung hat, zeigen diese Zitate, wie der, der heiligt, und die, die geheiligt werden, miteinander völlig verbunden sind.

Das erste alttestamentliche Zitat ist aus Psalm 22,23: „Verkündigen will ich deinen Namen meinen Brüdern; inmitten der Versammlung will ich dich loben.“ Das Wort Versammlung in diesem Vers bezieht sich hier nicht auf die Versammlung, auf die Kirche wie im Neuen Testament (vgl. Mt 16,18 etc.). Würde dieser Vers von der neutestamentlichen Versammlung sprechen, dann müsste es sie schon im Alten Testament gegeben haben; das widerspricht allerdings Römer 16,25; Epheser 3,3-5; Kolosser 1,24-26. Das Wort Versammlung in Psalm 22 bezieht sich auf die ganze himmlische Gesellschaft von Heiligen des Alten und Neuen Testamentes, die am zukünftigen Tag auferweckt und verherrlicht werden wird. J.N. Darby bemerkt:

Von der Versammlung (oder Gemeinde) ist im Hebräerbrief keine Rede, ausgenommen im 12. Kapitel in einer Anspielung auf alle diejenigen, die als zur tausendjährigen Herrlichkeit gehörend betrachtet werden.[5]

Die Fußnote in seiner Übersetzung zu Hebräer 9,11 sagt Ähnliches:

Der Brief an die Hebräer spricht nicht über die Stellung der Versammlung, auch wenn er an Christen gerichtet ist und ihnen höchst kostbare Themen vor Augen stellt. Nur einmal wird im Kapitel 12 wird Bezug auf die Versammlung im Himmel genommen.[6]

Der Zweck dieses Zitates ist nicht, zu lehren, dass die Kirche im Alten Testament zu finden sei, sondern zu zeigen, dass nach der vollbrachten Erlösung Christus das Thema der Anbetung vorgibt und dass die Erlösten eins sein werden in der Erkenntnis, was Christus durch seinen Tod vollbracht hat. J.N. Darby sagt:

Hebräer 2,12 ist ein Zitat aus Psalm 22,23, wo Jesus in Auferstehung den Platz des Führers seiner Brüder im Lob einnimmt. Unsere Lieder sollten daher immer in Übereinstimmung mit Ihm sein. Er ist für uns durch den Tod gegangen; und wenn nun unsere Anbetung Ungewissheit und Zweifel ausdrückt anstatt Freude und Sicherheit, kann keine Harmonie, sondern nur Uneinigkeit mit den himmlischen Gedanken vorherrschen.[7]

Der Herr führt die Anbetung der Erlösten in der heutigen christlichen Zeit, wenn die Heiligen versammelt sind, weil Er und die Erlösten eins sind in ihrem Gegenstand der Anbetung, sofern sie in Gemeinschaft mit Ihm sind.

Das zweite Zitat ist aus Jesaja 8,17 (der Septuaginta): „Ich will mein Vertrauen auf ihn setzen.“ In seiner Menschwerdung hat sich Christus den Begrenzungen, die Geschöpfe innehaben, unterworfen (obwohl Er selbst kein Geschöpf war) und hat somit zum Ausdruck gebracht, dass Er in Abhängigkeit von Gott lebt. Da Er auf ewig Mensch bleiben wird, wird Er, zusammen mit seinen Brüdern, für immer einen Platz der Unterwerfung gegenüber seinem Vater einnehmen.

Das dritte Zitat ist aus Jesaja 8,18: „Siehe, ich und die Kinder, die Gott mir gegeben hat.“ Dieses Zitat wird aufgeführt, um den Hauptgedanken des Abschnitts zu untermauern; es lehrt uns nicht, dass wir Christi Kinder sind. Wir sind „Kinder Gottes“ (Joh 1,12; Röm 8,16; 1Joh 3,1) und als solche „Miterben Christi“ (Röm 8,17). Dieses Zitat zeigt: Der, der heiligt, und die, die geheiligt werden, sind eins in ihrer Natur und haben dasselbe Leben. So sind wir eins mit Ihm in unserer Anbetung Gottes, in unserer Abhängigkeit von Gott und darin, dass wir dasselbe Leben und dieselbe Natur haben.

Zusammenfassend können wir sagen: Dieser Abschnitt (Heb 2,5-13) zeigt uns: Gott wurde völlig gerechtfertigt in Bezug auf den Fall des Menschen, und sein Plan, dass der Mensch auf dem zukünftigen Erdkreis herrschen solle, wird durch ein neues Menschengeschlecht unter Christus ausgeführt werden. Das ist etwas, was kein Engel vollbringen konnte, und so ist Christus in seiner Erhabenheit über sie unterschieden.

2. Christus kam, um dem Teufel die Macht des Todes zu nehmen.

Verse 14.15

Heb 2,14.15: 14 Weil nun die Kinder Blutes und Fleisches teilhaftig sind, hat auch er in gleicher Weise daran teilgenommen, damit er durch den Tod den zunichtemachte, der die Macht des Todes hat, das ist den Teufel, 15 und alle die befreite, die durch Todesfurcht das ganze Leben hindurch der Knechtschaft unterworfen waren.

Der Schreiber kommt zu einem zweiten Grund, warum Christus Mensch wurde und starb: nämlich um dem Teufel die Macht des Todes zu nehmen. Er sagt: „Weil nun die Kinder Blutes und Fleisches teilhaftig sind, hat auch er in gleicher Weise daran teilgenommen, damit er durch den Tod den zunichtemachte, der die Macht des Todes hat, das ist den Teufel.“

Vor dem Tod und der Auferstehung Christi übte Satan „die Macht des Todes“ über die Menschen aus, indem er ihnen Angst einflößte vor dem, was nach dem Tod kommen würde. Er benutzte die Todesfurcht (den „König der Schrecken“; Hiob 18,14) zu seinem Vorteil und hielt Menschen in Gefangenschaft und Furcht. Die Macht Satans über den Tod bedeutet nicht, dass er Macht hat, das Leben eines Menschen zu nehmen. Er kann nicht umhergehen und jeden töten, wie es ihm gefällt. Nur Gott hat die Macht über Leben und Tod (Dan 5,23; Hiob 2,6). Keiner stirbt, ohne dass Er es erlaubt. Die Macht des Todes, die Satan benutzt hat, ist die furchterregende Macht des Todes, die Furcht.

Die gute Nachricht ist: Nicht nur hat Christus unsere Sünden an seinem Leib auf dem Holz getragen (1Pet 2,24), sondern Er ist auch selbst in den Tod gegangen und hat dem Teufel die Macht geraubt, Kinder Gottes mit dem Tod in Furcht zu versetzen. Jetzt steht Christus siegreich auf der anderen Seite des Todes und verkündet: „Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und des Hades“ (Off 1,18). So hat Christus den Tod überwunden, indem Er die „Wehen des Todes“ (Apg 2,24) oder die Furcht des Todes aufgelöst hat für den erleuchteten Gläubigen, der dem Tod begegnen muss. Er ging hinab in den „Staub des Todes“, um ihn zu überwinden (Ps 22,16), und hat dem Kind Gottes nur das „Tal des Todesschattens“ (Ps 23,4) hinterlassen, durch das es hindurchgehen muss. Wir mögen dazu berufen sein, durch den Tod zu gehen, aber sein „Stachel“ ist hinweggenommen; wir können ihm ohne Furcht entgegensehen (1Kor 15,55).[8]

Der Hebräer 2,14 sagt uns, dass die Macht des Teufels, Gläubige mit dem Tod zu schrecken, zunichtegemacht worden ist. Satan lässt die Ungläubigen im Regelfall in Ruhe, während sie auf dem Lebensweg einer verlorenen Ewigkeit entgegengehen. Verkauft unter seiner Verführung, schauen viele dem Tod ohne Sorge entgegen, auch wenn es, unmittelbar nachdem sie durch den Tod gegangen sind, nur noch Qualen für sie gibt (vgl. Lk 16,22.23). Der Psalmist sagt dazu: „Keine Qualen haben sie bis zu ihrem Tod“ (Ps 73,4; so der Wortlaut der English Standard Version). Ähnlich hat auch der Herr gelehrt, dass Satan („der Starke“) alles tut, um seinen „Hof“ (die Menschen) „in Frieden“ zu bewachen (Lk 11,21).

Beachten wir: Wenn es darum geht, dass Christus Mensch wurde, um über den Satan zu siegen, werden in Hebräer 2,14 zwei verschiedene Wörter vewendet, um seine sündlose Menschheit zu verteidigen. Bei den „Kindern“ heißt es, dass sie Blutes und Fleisches „teilhaftig“ sind. Das griechische Wort, das mit „teilhaftig sein“ (koinoneo) übersetzt wird, bedeutet, in einer Sache ein gemeinsames, gleiches Teil zu haben. In diesem Fall haben sie alle ihre Menschheit gemeinsam. Das betrifft alle Menschen; sie alle sind durch und durch der Menschheit teilhaftig – bis dahin, dass sie die sündige Natur haben. Wenn der Vers jedoch über die Menschwerdung Christi spricht, führt der Geist Gottes den Schreiber dazu, ein anderes Wort zu gebrauchen. Es heißt, dass Er daran „teilgenommen“ hat (metecho). Das griechische Wort deutet auf ein Teilhaben in einer gewissen Sache hin, ohne festzulegen, bis zu welchem Grad das Teilhaben geht. Obwohl Christus völlig Mensch wurde (nach Geist, Seele und Leib), ging sein Teilhaben an der Menschheit doch nicht so weit, dass Er des gefallenen Zustands der Menschen teilhaftig wurde, denn Er hatte keine gefallene Sündennatur.

Vers 15

Der Schreiber fährt fort und sagt:

Heb 2,15: … und alle die befreite, die durch Todesfurcht das ganze Leben hindurch der Knechtschaft unterworfen waren.

Jene, die diese Befreiung erfuhren, konnten nicht die alttestamentlichen Gläubigen sein, wie viele angenommen haben. Sie lebten Hunderte, ja Tausende Jahre, bevor Christus den Sieg errungen hat, indem Er gestorben und aus den Toten auferstanden ist. Sie lebten in Todesfurcht und starben in einem Zustand der Knechtschaft, und niemals erfuhren sie während ihres Lebens Befreiung von dieser Furcht.

Nachdem sie durch den Tod gegangen waren, waren sie unverzüglich im „Frieden“ und in einem Zustand der Glückseligkeit (Jes 57,1.2). Sie alle freuen sich jetzt im Herrn in ihrem körperlosen Zustand. Doch die, von denen der Schreiber hier spricht, wurden durch Christi Tod und Auferstehung von dieser Furcht befreit. Sie müssten auf der Erde gelebt haben, als Er aus den Toten auferstand. Es scheint sich hier um den gläubigen Überrest der Jünger zu handeln, die erste Generation der Gläubigen der Versammlung. Sie waren jüdische Gläubige, die auf alttestamentlichem Boden standen und somit in „Todesfurcht“ lebten. Dennoch lernten sie durch das Evangelium, dass Christus den Sieg errungen hat über Satans Macht über den Tod (vgl. 2Tim 1,10), und wurden dadurch von diesen Ängsten befreit. Als sie später dazu berufen wurden, als Christen durch den Tod zu gehen, konnten sie ihm ohne Furcht entgegensehen. Und tatsächlich haben alle, die nach seinem Tod und seiner Auferstehung an Christus glauben und durch das Evangelium über diese Dinge erleuchtet worden sind, dieselbe Zuversicht.

Wieder erweist sich der Tod Christi als ein Triumph und nicht als eine Niederlage. Und das ist etwas, was kein Engel tun konnte.

3. Christus kam, um unsere Sünden zu sühnen.

Verse 16.17

Heb 2,16.17: 16 Denn er nimmt sich fürwahr nicht der Engel an, sondern der Nachkommen Abrahams nimmt er sich an. 17 Daher musste er in allem den Brüdern gleich werden, damit er in den Sachen mit Gott ein barmherziger und treuer Hohepriester werde, um die Sünden des Volkes zu sühnen;

Der dritte Grund, warum Christus Mensch wurde und starb, ist, um „die Sünden des Volkes zu sühnen“. Das bezieht sich natürlich auf sein einmaliges „Schlachtopfer für Sünden“ auf dem Kreuz, um die zu retten, die glauben würden (Heb 10,12). Um das zu vollbringen, musste Christus „den Brüdern gleich werden“, das heißt Mensch werden. (Es geht hier nicht um seine Brüder des neuen Menschengeschlechts, die in Hebräer 2,11 und 12 erwähnt werden, sondern um seine eigenen Landsleute, die Juden.) Er nahm sich „der Nachkommen Abrahams“ an und wurde Mensch in dieser Abstammungslinie mit dem Ziel, an das Kreuz zu gehen, um Sühnung zu tun. Sühnung ist die göttliche Seite des Werkes Christi auf dem Kreuz, das die Anforderungen göttlicher Gerechtigkeit hinsichtlich der Sünde und der Sünden befriedigt und folglich Gottes Heiligkeit rechtfertigt (Röm 3,25; 1Joh 2,2; 4,10).[9] Christi Sühnewerk ist wiederum ein Triumph; kein Engel hätte es vollbringen können.

Hebräer 2,17 führt uns zum ersten Mal in diesem Brief in Christi Priestertum ein. In Verbindung mit Römer 8,34 lernen wir zwei Aufgaben seines Priestertums:

  • Er hat die Sünden des Volkes gesühnt – ein einmaliges Werk.
  • Er verwendet sich für sein Volk – ein fortdauerndes Werk.

In ähnlicher Weise hatten die alttestamentlichen Priester eine zweifältige Aufgabe in ihrem Amt:

  1. Erstens zog der Hohepriester am großen Versöhnungstag seine Gewänder aus Leinen an und opferte ein Sündopfer außerhalb des Heiligtums auf dem ehernen Altar (vgl. 3Mo 16,6.9). Das ist ein Bild des Todes Christi auf dem Kreuz, um Sühnung für die Sünden des Volkes zu tun.
  2. Nachdem der Priester ein Opfer dargebracht hatte, um die Sünden des Volkes zu sühnen, ging er in das Heiligtum und zog Kleider „zur Herrlichkeit und zum Schmuck“ [2Mo 28,2.40] an, in denen er vor dem Herrn seinen Dienst ausübte. Das ist ein Bild des gegenwärtigen Dienstes Christi in der Gegenwart Gottes, indem Er sich für sein Volk verwendet, das durch diese Welt wandelt.

Die Verse Hebräer 2,17 und 18 zeigen uns Christus als den Antitypus dieser beiden Dinge.

4. Christus wurde Mensch, um ein mitfühlender Hohepriester zu werden.

Vers 18

Der vierte Grund, warum Christus Mensch wurde und starb, war, damit Er ein mitfühlender Hoherpriester sein kann. Der Schreiber sagt:

Heb 2,18: … denn worin er selbst gelitten hat, als er versucht wurde, vermag er denen zu helfen, die versucht werden.

Als Christus durch diese Welt zum Kreuz ging, litt Er, als Er versucht wurde, wie jeder andere gerechte Mensch auch versucht werden würde. So ist Er fähig, ein „barmherziger und treuer Hohepriester“ zu sein. Durch Leiden wurde Er passend gemacht für das Amt des Hohenpriestertums (vgl. Heb 2,10), indem Er sich gegenwärtig für sein Volk verwendet, das jetzt durch die gleiche böse Welt wandelt, durch die Er ging. Als Mensch ist Er völlig fähig, sich in die Sorgen und Versuchungen seines Volkes hineinzuversetzen, denn Er fühlte das Gleiche. Er hilft ihnen in seinem Mitfühlen und gibt ihnen in seiner vollkommenen Weisheit Barmherzigkeit und Gnade zu „rechtzeitiger Hilfe“ (Heb 4,16). So sind wir nun durch seine hohepriesterliche Fürsprache fähig, in Zeiten der Versuchung standhaft zu bleiben. All das bedeutete allerdings für den Sohn Gottes, Mensch zu werden und zu leiden. Und auch das wiederum konnte kein Engel tun. Engel sind keine Menschen und sind weder auf dem Pfad des Glaubens gewandelt noch durch irdische Problemen versucht worden. Sie können sich folglich nicht in unsere Sorgen hineinversetzen und uns nicht Trost und Ermutigung zusprechen, die wir in Zeiten der Versuchung brauchen.

So stellt uns Hebräer 2,5-18 vier bedeutsame Gründe vor, warum der Sohn Gottes Mensch wurde. Alles das, was der Schreiber anführt, konnte nur erfüllt werden, indem Christus Mensch wurde, litt, starb und dann auferstand. Als Wesen, das Christus ist – nämlich Gott „in der Person des Sohnes“ –, kann man Ihn wirklich nicht mit den Engeln vergleichen. Er ist eine ewige und unendliche Person, der Schöpfer und Erhalter des Universums; die Engel dagegen sind nur Geschöpfe, die Er erschaffen hat, damit sie Ihm dienen.


Übersetzt aus The Epistle to the Hebrews. The New and Living Way of Approach to God in worship in Christianity 
Christian Truth Publishing 2017

Übersetzung: Jakob Reichel

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Anmerkungen

[1] H. Smith, Jesus Christus ist derselbe. Eine Auslegung des Hebräerbriefes, Hückeswagen (CSV) 1987, S. 20.

[2] J.N. Darby, „Notes on the Epistle to the Hebrews“, zu Hebräer 2, Collected Writings of J.N. Darby, Bd. 28, S. 4.

[3] Vgl. J.N. Darby, Collected Writings of J.N. Darby, Bd. 21, S. 383–385; Bd. 23, S. 255; Bd. 28, S. 41–42; Notes and Jottings, S. 240.

[4] Fürstentümer und Gewalten etc. sind engelartige Wesen.

[5] J.N. Darby, Betrachtung über Hebräer (Synopsis); zu Hebräer 1. Quelle: bibelkommentare.de.

[6] J.N. Darby, Collected Writings of J.N. Darby, Bd. 10, S. 245.

[7] J.N. Darby, „Notes from lectures on the Epistle to the Hebrews“, zu Hebräer 2, Collected Writings of J.N. Darby, Bd. 27, S. 343.

[8] Die King-James-Bibel sagt, dass der Herr gestorben ist, um den Teufel zu „vernichten“ [„Forasmuch then as the children are partakers of flesh and blood, he also himself likewise took part of the same; that through death he might destroy him that had the power of death, that is, the devil“], aber hier sollte übersetzt werden mit „aufheben“ (vgl. 2Tim 1,10). Der Teufel wurde offensichtlich noch nicht vernichtet; immer noch führt er sein böses Werk aus, um Menschen zu verführen etc. Erst am Ende des Tausendjährigen Reiches wird er vernichtet werden, wenn er in den Feuersee geworfen wird (vgl. Off 20,10).

[9] Die King-James-Bibel verwendet in Hebräer 2,17 das Wort „Versöhnung“ („to make reconciliation for the sins of the people“), doch das ist eine falsche Übersetzung. Hier geht es um Sühnung für die Sünden des Volkes! Ein heiliger Gott, wie es unser Gott ist, wird niemals mit der Sünde versöhnt! (Diese falsche Übersetzung findet sich auch in 3. Mose 16,20: „And when he hath made an end of reconciling the holy place …“)

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