Der Brief an die Hebräer (13)
Kapitel 13

Stanley Bruce Anstey

© SoundWords, online seit: 26.01.2021, aktualisiert: 20.05.2023

Abschließende Ermahnungen (Heb 12,28–13,25)

Die praktischen Ermahnungen („Lasst uns …“) werden in Hebräer 12,28 wieder aufgenommen. Dieser letzte Teil des Briefes enthält zwei Arten von Ermahnungen: Die einen beziehen sich auf das persönliche Leben des Gläubigen und die anderen beziehen sich auf das Versammlungsleben der Gläubigen.

Ermahnungen in Bezug auf das persönliche Leben des Gläubigen (Heb 12,28–13,6)

Die Ermahnungen und Ermutigungen in diesem Abschnitt sprechen den Lebensstil an, der für „heilige Brüder“ mit einer „himmlischen Berufung“ angemessen ist und sie kennzeichnen sollte (Heb 3,1).

Verse 28.29

Heb 12,28.29: 28 Deshalb, da wir ein unerschütterliches Reich empfangen, lasst uns Gnade {Dankbarkeit} haben, durch die wir Gott wohlgefällig dienen mögen mit Frömmigkeit und Furcht. 29 „Denn auch unser Gott ist ein verzehrendes Feuer.“

Dankbarkeit: Die hebräischen Christen hatten im Christentum in dem neuen und lebendigen Weg, wie sie zu Gott hinzutreten konnten, also etwas viel Besseres (vgl. Heb 10,19-22); deshalb möchte der Schreiber, dass sie diese Tatsache erkennen und dafür „dankbar“ sind. Sie sollen darauf antworten, indem sie Gott in ebendieser bevorzugten Stellung, in die sie versetzt worden waren, „wohlgefällig dienten“. Zum Judentum zurückzukehren, würde bedeuten, dass sie Gott nicht in wohlgefälliger Weise dienten. All denen, die mit diesem Gedanken spielten, sagt er: „Unser Gott ist ein verzehrendes Feuer“, der über alles urteilt, was Ihm entgegensteht.

Vers 1

Heb 13,1: Die Bruderliebe bleibe.

Bruderliebe: Sie hatten anfangs als Christen gut begonnen und lebten in einer Atmosphäre der Liebe (vgl. Apg 2,44-47); nun sollten sie darin „bleiben“. Sie sollten „bleiben“, weil Christen, die von Gott geboren sind, ein neues Leben und eine neue Natur haben, die von Natur aus liebt (vgl. 1Joh 5,1). Alles, was wir tun müssen, ist, die göttliche Natur in uns das tun zu lassen, was sie von Natur aus tut: nämlich zu lieben (vgl. 1Joh 4,19). Diese Ermahnung ist notwendig, denn wir können unserer göttlichen Natur im Wege stehen, indem wir zulassen, dass fleischliche Gefühle der Abneigung gegen einige unserer Brüder verhindern, dass unsere Liebe ungehindert ausströmen kann.

Vers 2

Heb 13,2: Die Gastfreundschaft vergesst nicht, denn durch diese haben einige ohne ihr Wissen Engel beherbergt.

Gastfreundschaft: Liebe kann sich zum Beispiel durch „Gastfreundschaft“ ausdrücken. Unsere Häuser sollten für unsere Brüder offen stehen, damit christliche Gemeinschaft gefördert wird. Der Schreiber spricht hier von Mitbrüdern im Herrn, die aus verschiedenen Gegenden stammten und durch Philippi und Umgebung reisten. Diese Brüder waren vielleicht vor Verfolgung geflohen, waren in Not und brauchten Nahrung und Obdach. Gajus wurde von Johannes genau dafür gelobt, besonders jedoch dafür, dass er solche aufgenommen hatten, die dem Herrn dienten (vgl. 3Joh 5-7). Christliche Gemeinschaft in unseren Häusern ist eine wichtige Möglichkeit, die Gesundheit der Versammlung vor Ort zu fördern. Paulus fügt hinzu, dass einige von ihnen „ohne ihr Wissen Engel beherbergt“ haben. Dies könnte ein Hinweis auf Abraham und Sarah sein. Abraham war sich sicherlich bewusst, dass die Männer, die ihn besuchten, Engel waren, und einer von ihnen war der Herr selbst. Aber Sarah schien das nicht zu verstehen, und als sie den Herrn sagen hörte, dass sie in ihrem hohen Alter einen Sohn bekommen würden, zweifelte und lachte sie (vgl. 1Mo 18).

Vers 3

Heb 13,3: Gedenkt der Gefangenen, als Mitgefangene; derer, die Ungemach leiden, als solche, die auch selbst im Leib sind.

Mitgefühl: Dies ist eine andere Art und Weise, wie Liebe sich ausdrücken kann: indem sie Mitgefühl zeigt mit denen, die wegen ihres Glaubens inhaftiert sind und „Ungemach leiden“. Ihrer zu „gedenken“ bedeutet nicht nur, sich an sie zu erinnern und für sie zu beten, sondern sich ihnen aktiv zuzuwenden, indem man sie, wenn möglich, besucht. Genau das tat Onesiphorus, indem er Paulus besuchte, was ihn, wie er sagt, „oft erquickt“ habe (vgl. 2Tim 1,16-18). Wer wegen seines Glaubens im Gefängnis ist, ist der christlichen Gemeinschaft beraubt und weiß sie wirklich zu schätzen.

Paulus fügt hinzu: „als solche, die auch selbst im Leib sind“. Dies ist kein Hinweis darauf, dass wir in dem (geheimnisvollen) Leib Christi miteinander verbunden sind, wie das in 1. Korinther 12,26 erwähnt wird. (Der Leib Christi ist im Hebräerbrief nicht das Thema.) Es geht vielmehr um die Verbindung, die wir miteinander haben, weil wir in unserem körperlichen Leib sind. Wir können mit den Leiden anderer mitfühlen, weil auch wir im Leib sind und daher wissen, was es heißt, körperlich zu leiden. Diese hebräischen Gläubigen konnten sehr wohl wegen ihres Glaubens ins Gefängnis kommen und sich in der gleichen Situation befinden wie ihre gefangenen Mitbrüder. Deshalb sollten sie, solange sie selbst noch frei waren, ihr Mitgefühl zeigen.

Vers 4

Heb 13,4: Die Ehe sei geehrt in allem und das Ehebett unbefleckt; denn Hurer und Ehebrecher wird Gott richten.

Moralische Reinheit: Die Ehe sollte geehrt und in Reinheit bewahrt werden. Eine Verletzung der Ehe durch Ehebruch wird durch Gottes Regierungswege heimgesucht werden: „Hurer und Ehebrecher wird Gott richten.“

Vers 5

Heb 13,5: Der Wandel sei ohne Geldliebe; begnügt euch mit dem, was vorhanden ist, denn er hat gesagt: „Ich will dich nicht versäumen und dich nicht verlassen.“

Zufriedenheit: Diese Ermahnung spricht davon, dass wir in den gegenwärtigen Lebensumständen, in die Gott uns gestellt hat, zufrieden sein sollen (vgl. Phil 4,11; 1Tim 6,8). Wir haben zeitliche Bedürfnisse, aber diese sind nicht durch Habgier zu befriedigen. Die „Geldliebe“ ist zum Verderben vieler gewesen (vgl. 1Tim 6,9.10). Christen sollen mit ihren Händen arbeiten, und der Herr hat verheißen, alle ihre Bedürfnisse zu versorgen (vgl. 1Thes 4,11; Phil 4,19). Beachten wir: Er versorgt uns mit dem, was wir brauchen, nicht unbedingt mit dem, was wir wollen.

Vers 6

Heb 13,6: … so dass wir kühn sagen können: „Der Herr ist mein Helfer, und ich will mich nicht fürchten; was wird mir ein Mensch tun?“

Mut: Dies ist ein Zitat aus Psalm 118,6. Mit dem Herrn an ihrer Seite brauchten sie die Verfolgung nicht zu fürchten, die damit verbunden war, dass sie den christlichen Boden eingenommen hatten. Der letzte Teil von Vers 6 ist wirklich eine Frage und könnte auch so lauten: „Wenn {da, weil} der Herr mein Helfer ist, was kann der Mensch mir antun?“ So wird es in Psalm 118,6 ausgedrückt.

Ermahnungen in Bezug auf das Versammlungsleben der Gläubigen (Heb 13,7-25)

Wie schon erwähnt, bezieht sich die zweite Gruppe von Ermahnungen auf die kollektiven Vorrechte und Verantwortungen.

Verse 7.8

Heb 13,7.8: 7 Gedenkt eurer Führer, die das Wort Gottes zu euch geredet haben, und, den Ausgang ihres Wandels anschauend, ahmt ihren Glauben nach. 8 Jesus Christus ist derselbe gestern und heute und in Ewigkeit.

Gedenkt eurer christlichen Führer, die euch vorangegangen sind: Vielleicht dachten die hebräischen Gläubigen, dass der Schreiber sie aufforderte, ihrem langen Erbe im Judentum den Rücken zuzukehren, wenn sie sich nun von dieser Religion abwendeten. Aber das sagt er nicht. Sie sollten Abraham, Mose, David usw. weiterhin wegen ihrer Treue (siehe Hebräer 11) wertschätzen. Sie mussten erkennen, dass sie nun ebenso ein christliches Erbe von hochgeschätzten Führern hatten, an die sie sich erinnern sollten.

Diese Gesellschaft hebräischer Gläubiger hatte Führer, die sie das Wort Gottes gelehrt hatten, das sie wertschätzen und wo sie nach geistlicher Hilfe und Ermutigung Ausschau halten sollten. Die Tatsache, dass er sagt: „die zu euch geredet haben“ (Vergangenheitsform), deutet darauf hin, dass diese christlichen „Führer“ zum Herrn heimgegangen und nicht mehr auf der Erde waren. J.N. Darby sagt:

Indem der Apostel sie ermahnt, der Führer der Herde zu gedenken (Heb 13,7), spricht er von solchen, die schon heimgegangen sind, im Gegensatz zu den noch Lebenden (Heb 13,17).[1]

Obwohl sie gegangen waren, um beim Herrn zu sein, hatte ihr Glaube ein Vermächtnis christlichen Charakters und Mutes hinterlassen, das von den künftigen Generationen „nachgeahmt“ werden sollte. Stephanus (vgl. Apg 7) und Jakobus (vgl. Apg 12) waren Beispiele dafür und vielleicht auch Judas Barsabbas und Silas (vgl. Apg 15,22). Diese waren „Führer unter den Brüdern“. Vielleicht hatten einige dieser Führer in einer örtlichen Versammlung die Aufsicht gehabt, doch W. Kelly weist darauf hin, dass dies nicht die Bedeutung des hier verwendeten Wortes ist. Es handelt sich um Führer in einer allgemeinen Weise.[2]

Beachten wir: Der Schreiber sagt: „Ahmt ihren Glauben nach.“ Er sagt nicht, dass sie deren Verhalten und Eigenheiten nachahmen sollten oder die Art und Weise, wie sie sich im Dienst öffentlich äußerten. Das zu tun, bedeutet, sich selbst zu einem Klon, einem Imitat dieser hochgeschätzten Diener Gottes zu machen; doch das ist nicht Gottes Wille. So wie sich ein Stern von einem anderen an Herrlichkeit unterscheidet (vgl. 1Kor 15,41), so möchte Gott, dass wir alle auf unsere eigene individuelle Weise leuchten. Es war deren „Glaube“, den sie nachahmen sollten (vgl. 1Kor 11,1; Eph 5,1). Diese Führungspersönlichkeiten, die schon vorangegangen waren, waren ein Beweis dafür, dass der christliche Weg im Glauben siegreich beschritten werden kann.

Verse 9.10

Heb 13,9.10: 9 Lasst euch nicht fortreißen durch mancherlei und fremde Lehren; denn es ist gut, dass das Herz durch Gnade befestigt wird, nicht durch Speisen, von denen die keinen Nutzen hatten, die darin wandelten. 10 Wir haben einen Altar, von dem zu essen die kein Recht haben, die der Hütte dienen.

Nehmt euch in Acht vor fremden Lehren, die das Judentum mit dem Christentum vermischen: Die nächste Ermahnung warnt davor, dass die Gefahr besteht, sich fortreißen zu lassen von „mancherlei und fremden Lehren“, die Judentum und Christentum vermischen würden. All diese judaisierenden Lehren stehen im Widerspruch zu den Grundsätzen der christlichen Gnade und haben keinen Platz in der gegenwärtigen Haushaltung. Solche Lehren versuchen in der Regel, eine höhere Stufe der Heiligkeit in den Gläubigen durch Gesetzlichkeit hervorzubringen; doch das funktioniert nicht. Daher sagt der Schreiber: „Es ist gut, dass das Herz durch Gnade befestigt wird, nicht durch Speisen, von denen die keinen Nutzen hatten, die darin wandelten.“ Er verwendet hier das Wort „Speisen“ als ein Bild für das Äußere einer irdischer Religion (vgl. Heb 9,10). Sein Standpunkt ist geradlinig und klar: Christen, die jüdische Grundsätze übernommen haben, haben geistlich nicht davon profitiert.

Er fährt fort und sagt: „Wir haben einen Altar, von dem zu essen die kein Recht haben, die der Hütte dienen.“ Dieser „Altar“ ist nicht der bronzene Altar, auch nicht der goldene Altar der alten Haushaltung, sondern das, was im wahren Christentum den „neuen und lebendigen Weg“ des Nahens zu Gott symbolisiert (vgl. Heb 10,19-22). An diesem Altar zu „essen“ ist ein Bild für die Teilnahme an der geistlichen Anbetung, die im Christentum dargebracht wird (vgl. 1Kor 10,18). Hebräer 13,10 lehrt uns, dass diejenigen, die am Judentum festhalten wollen, nicht an der wahren christlichen Art und Weise des Nahens zu Gott teilnehmen dürfen. Dies zu tun, hieße, die beiden Haushaltungen zu vermischen, eine Sache, die Gott nicht will.

Wie in der Einleitung dieses Buches (The Epistle to the Hebrews) erwähnt, ist das heutige „Christentum“ von jüdischen Grundsätzen und Praktiken durchdrungen. Es ist wirklich eine Mischung aus Judentum und Christentum. Deshalb muss zu einigen gesagt werden, dass sie „kein Recht“ haben, am Tisch des Herrn zu essen, und zwar jene, die die sogenannten Gottesdienste in den [Groß]Kirchen des modernen Christentums besuchen und daran teilnehmen[3] und gleichzeitig in Gemeinschaft am Tisch des Herrn sein wollen, wo Christen bemüht sind, auf dem neuen und lebendigen Weg anzubeten. Und weil sie dazu kein Recht haben, dort zu essen, sollte es ihnen demzufolge nicht erlaubt sein, dies zu tun. Der Grund dafür ist einfach: Gott will keine Vermischung der beiden Dinge.

Verse 11-14

Heb 13,11-14: 11 Denn von den Tieren, deren Blut für die Sünde in das Heiligtum hineingetragen wird durch den Hohenpriester, werden die Leiber außerhalb des Lagers verbrannt. 12 Darum hat auch Jesus, damit er durch sein eigenes Blut das Volk heiligte, außerhalb des Tores gelitten. 13 Deshalb lasst uns zu ihm hinausgehen, außerhalb des Lagers, seine Schmach tragend. 14 Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.

Geht hinaus zu dem neuen Versammlungsort außerhalb des Lagers: In diesen Versen erwähnt der Schreiber ein bedeutungsvolles Ritual, das in Verbindung steht mit dem Sündopfer, das seine Erfüllung im Tod Christi gefunden hat: Die Leiber der Opfertiere wurden an einem Ort „außerhalb des Lagers verbrannt“ (3Mo 4,12). Als Erfüllung dessen litt der Herr Jesus „außerhalb des Tores“ von Jerusalem (vgl. Joh 19,20). Er war von den niederträchtigen jüdischen Führern aus dem jüdischen System ausgestoßen worden und starb dort als Verbrecher. Aber indem Er aus diesem System ausgestoßen wurde, hat Gott Christus zum neuen Versammlungsmittelpunkt für diejenigen gemacht, die Ihn als ihren Erlöser aufnehmen. Das Ergebnis des Todes Christi außerhalb des Judentums war, dass Er „durch sein eigenes Blut das Volk heiligte“ in einem relativen oder äußerlichen Sinn (Heb 10,29). Das heißt, Er legte eine neue Grundlage, auf der sich die Gläubigen in Trennung vom Judentum versammeln sollen.

Von daher mahnt der Schreiber: „Deshalb lasst uns zu ihm hinausgehen, außerhalb des Lagers, seine Schmach tragend.“ Es ist oft gefragt worden: „Was genau ist ,das Lager‘?“ Dieser Ausdruck bezeichnet das Judentum und die damit verbundenen Grundsätze und Praktiken. Folglich ist Hebräer 13,13 ein feierlicher Aufruf an alle Gläubigen in diesem jüdischen System, ihre Verbindungen damit zu lösen, indem sie zum Herrn Jesus hinausgingen, der außerhalb dieses Systems stand. Er ist der neue Sammelpunkt – der Versammlungsort der Christen (vgl. Mt 18,20). Dabei handelt es sich nicht um einen geographischen Ort, wie im Judentum (d.h. den Tempel in Jerusalem), sondern vielmehr um eine geistliche Grundlage von Grundsätzen, auf der sich die Christen nach Gottes Willen zur Anbetung und zum Dienst zusammenfinden sollen.

Da das „christliche“ Bekenntnis jüdische Grundsätze und Praktiken übernommen hat und fast überall eine Mischung der beiden Systeme existiert, hat der Aufruf, „außerhalb des Lagers“ zu Christus hinauszugehen, für uns in der Christenheit eine sehr praktische Anwendung. Der Grundsatz ist einfach: Die Gläubigen sind aufgerufen, sich vom Judentum zu trennen – unabhängig davon, wo und in welcher Form es zu finden ist. Das kann im formellen Judentum (in einer Synagoge) sein oder in quasi-jüdisch-christlichen Gotteshäusern (in den Kirchen des Christentums). Dieser Aufruf zur Trennung vom Judentum hat Christen dazu veranlasst, sich von den Kirchen in der Christenheit, in denen diese Mischung besteht, zu trennen und sich einfach im Namen des Herrn Jesus zu versammeln (vgl. Mt 18,20; 2Tim 2,19-22).

Einige Christen, die die jüdisch-christliche Mischung in den kirchlichen Systemen verteidigen, werden sagen, dass „das Lager“ sich strikt auf das formale Judentum beziehe und auf nichts anderes. Jede Abwandlung davon sei nicht das Lager. Wenn diese Argumentation tatsächlich richtig wäre, dann bräuchten jüdische Gläubige, die aufgerufen waren, sich vom Lager zu trennen, sich eigentlich nicht von der Synagoge zu trennen, denn selbst die strengste Sekte des Judentums ist heute nur eine Abwandlung des wahren biblischen Judentums, das Gott durch Mose gegeben hatte. Selbst als der Herr hier auf der Erde war, war das Judentum durch die Auslegungen und Traditionen der Ältesten maßlos verzerrt. Heute gilt das noch um so viel mehr. Dieses Argument ist daher gewiss falsch, und wird nur angeführt, um eine praktische Anwendung auf Kirchgänger zu verhindern. Es stimmt, viele der jüdische Elemente in diesen Kirchen sind etwas verändert worden, um sie einem christlichen Rahmen anzupassen, aber jene Gotteshäuser tragen im Prinzip immer noch die äußeren Zeichen des Judentums. Wenn wir sie fragen würden, wie sie viele ihrer kirchlichen Praktiken aus der Heiligen Schrift begründen, würden sie unbefangen auf das alttestamentliche Judentum als ihr Vorbild verweisen. Viele Aspekte der gegenwärtigen jüdisch-christlichen Ordnung gibt es im Christentum schon so lange, dass sie von den Massen als Gottes Ideal akzeptiert werden. Zu einem großen Teil hat sich also das Christentum dem „Lager“ der irdischen Religion angeschlossen, genau das Gegenteil dessen, wozu Hebräer 13,13 die Gläubigen aufruft.

Der Schreiber fügt nun Folgendes hinzu: Weil der Herr außerhalb des Lagers ging, um unser Gericht als das letztgültige Sündopfer zu tragen, müssen wir nun außerhalb des Lagers zu Ihm gehen, und indem wir dies tun, werden wir seine „Schmach“ tragen. Folglich hat das Versammeln um den Herrn außerhalb des Lagers mit Schmach zu tun, da dieser neue Versammlungsort ein Platz der Verwerfung ist. Deshalb müssen wir bereit sein, in Verbindung damit Leiden zu ertragen. Diese hebräischen Gläubigen wurden in erster Linie von denen im Lager getadelt. Und auch Gläubige, die sich von den jüdischen Grundsätzen in den Kirchen der Christenheit trennen, werden feststellen, dass sie in erster Linie getadelt werden von denen innerhalb der Kirchensysteme, die sich von dieser Vermischung nicht trennen wollen. Der Apostel Johannes nennt die, die diesen quasi-jüdisch-christlichen Boden vertreten, Menschen, „die sagen, sie seien Juden, und sind es nicht, sondern lügen“ (Off 2,9; 3,9).

Der Schreiber des Hebräerbriefes fügt hinzu, dass „wir {Christen} hier“ auf der Erde „keine bleibende Stadt haben“, so wie die Juden in Jerusalem eine Stadt hatten (Heb 13,14). Stattdessen suchen wir, wie er sagt, „die zukünftige {himmlische Stadt}“ Demzufolge gibt es im Christentum kein irdisches Hauptquartier. Der neue christliche Ort der Anbetung ist somit

  • innerhalb des Vorhangs mit allen geistlichen Vorrechten (Heb 10,19.20) und
  • außerhalb des Lagers, was unsere kirchliche Stellung betrifft (Heb 13,13).

Vers 15

Unsere priesterlichen Vorrechte ausüben: Nachdem der Schreiber des Hebräerbriefes gelehrt hat, dass alle Christen Priester sind und eine Freimütigkeit [vgl. Heb 4,16; 10,19] haben, die alles übertrifft, was die aaronitischen Priester im Judentum hatten (Heb 10,19-22), ermahnt er uns nun, unsere priesterlichen Vorrechte in Lobpreis und Gebet auszuüben. Er sagt:

Heb 13,15: Durch ihn nun lasst uns Gott stets ein Opfer des Lobes darbringen, das ist die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen.

Dies ist ein geistliches Opfer, das Christen in der unmittelbaren Gegenwart Gottes darbringen können. Es geschieht „durch ihn“ (siehe auch 1Pet 2,5), was darauf hinweist, dass Christus unser Hoherpriester ist, der Gott unsere Anbetung in Vollkommenheit darbringt (Heb 10,2). Beachten wir: Es wird nicht erwähnt, dass dieser Lobpreis dargebracht wird, indem Orchester und Chöre auftreten, denn wahre christliche Anbetung ist „in Geist und Wahrheit“ (Joh 4,24). Das heißt, sie ist eine geistliche Sache, die in den Herzen der Gläubigen durch den Heiligen Geist hervorgebracht wird (vgl. Phil 3,3). Wahre christliche Anbetung wird sich in der „Frucht der Lippen“ ausdrücken und wird dargebracht, indem wir „seinen Namen bekennen“, weil wir uns in keinem anderen Namen versammeln sollen als in dem Namen des Herrn Jesus (vgl. Mt 18,20).

Vers 16

Verwende die materiellen Hilfsgüter, um das christliche Zeugnis zu fördern: Der Schreiber spricht dann von einer anderen Art christlicher Opfer. Diese Opfer beziehen sich auf unsere materiellen Besitztümer und werden auf finanzielle Weise mitgeteilt. Er sagt:

Heb 13,16: Das Wohltun aber und Mitteilen vergesst nicht, denn an solchen Opfern hat Gott Wohlgefallen.

Wenn wir unsere materiellen Güter verwenden, um das christliche Zeugnis zu fördern, dann werden sie als ein Opfer für seinen Namen betrachtet. Diese Art von Opfer kann auf individueller Ebene (Gal 6,6) oder auf kollektiver Ebene von einer Versammlung (Phil 4,14-16) gebracht werden. Die Grundsätze solchen Gebens sind in 2. Korinther 8 bis 9 dargelegt. Die Tatsache, dass der Schreiber sagt: „Vergesst nicht …“, zeigt, dass wir solch ein Geben übersehen können.

Vers 17

Gehorcht euren Führern und ordnet euch ihnen unter: Der Schreiber ergänzt hier noch etwas, was ihre „Führer“ betrifft. Als der Brief geschrieben wurde, waren diese Führer noch am Leben und verrichteten ihre Arbeit unter den Heiligen – im Gegensatz zu denen in Vers 7, die gestorben und beim Herrn waren. Er sagt:

Heb 13,17: Gehorcht euren Führern und seid fügsam; denn sie wachen über eure Seelen (als solche, die Rechenschaft geben werden), damit sie dies mit Freuden tun und nicht mit Seufzen; denn dies wäre euch nicht nützlich.

Die englische King-James-Version übersetzt „Führer“ als „diejenigen, die die Herrschaft über euch haben“ (vgl. 1Thes 5,12; 1Tim 5,17). Dies ist eine unglückliche Wiedergabe und könnte den Gedanken vermitteln, dass es in der Kirche eine Art offizielle Hierarchie gibt, die über die Heiligen herrscht – das heißt den Klerus; doch der ist ein unbiblisches, von Menschen geschaffenes Amt.

Die hier genannten „Führer“ sind vom Heiligen Geist erweckt worden, damit sie für die Herde sorgen (vgl. Apg 20,28). Sie „wachen“ über die Heiligen als Aufseher. Sie haben Erfahrungen mit Gott, da sie schon einige Zeit auf dem Weg gewandelt sind, und können so den Heiligen in geistlichen Angelegenheiten eine Hilfe sein. Das zeigt: Die Schafe, die zu Christus außerhalb des Lagers gegangen sind, werden nicht ohne Hirtenfürsorge gelassen. Ohne die Grenzen des gesetzlichen Systems innerhalb des Lagers, besteht die Gefahr, dass Feinde kommen und Schafe umherirren usw., doch diese Führer würden die Herde bewachen und in praktischen Angelegenheiten anleiten. Vielleicht ärgern wir uns manchmal über ihr Eingreifen und betrachten es als Einmischung in unser Privatleben, aber wenn wir uns unterordnen und versuchen, ihren geistlichen Rat zu befolgen, wird uns das auf dem Weg weiterhelfen. Sie wiederum müssen dem Herrn „Rechenschaft“ darüber ablegen, wie sie sich um die Herde gekümmert haben. Sie möchten dies „mit Freuden tun und nicht mit Seufzen {Trauer}“.

Verse 18.19

Heb 13,18.19: 18 Betet für uns; denn wir sind überzeugt, dass wir ein gutes Gewissen haben, da wir in allem ehrbar zu wandeln begehren. 19 Ich bitte euch aber umso mehr, dies zu tun, damit ich euch desto schneller wiedergegeben werde.

Bete für die Diener des Herrn: Wir sollten beachten, dass der Schreiber die drei Bereiche des Vorrechts und der Verantwortung im Haus Gottes berührt. Die Verse 15 und 16 beziehen sich auf die Ausübung des Priestertums, Vers 17 hat mit dem Amt des Aufsehers zu tun, und in den Versen 18 und 19 haben wir nun den Bereich der geistlichen Gaben. Der Schreiber bittet die Hebräer, dass sie für die Diener beten, die ihre geistlichen Gaben ausüben: „Betet für uns; denn wir sind überzeugt, dass wir ein gutes Gewissen haben, da wir in allem ehrbar zu wandeln begehren.“

Dass der Schreiber diese hebräischen Gläubigen bittet, für ihn zu beten, seine Identität jedoch nicht bekanntgibt, erscheint vielleicht ein wenig ungewöhnlich. Nun würde man natürlich fragen: „Für wen beten?“ Doch der Schreiber geht davon aus, dass sie wissen, wer er ist – die meisten, wenn nicht sogar alle Ausleger glauben, dass Paulus der Schreiber ist. Genauer gesagt ist es sein Gebetsanliegen, das darauf hindeutet, dass es sich hier um den Apostel Paulus handelt: Er bittet sie darum, für seine Freilassung aus dem Gefängnis zu beten, damit er ihnen „wiedergegeben“ werde und so sein öffentliches Wirken unter den Heiligen fortsetzen könne (Heb 13,19).

Was charakterisiert den neuen christlichen Versammlungsort?

Der Schreiber hat verschiedene Dinge angeführt, die den neuen Ort des Zusammenkommens im Christentum charakterisieren. Wenn wir die vorstehenden Ermahnungen zusammenfassen, können wir über die Merkmale dieses Ortes sagen:

  • An diesem Ort ist der Herr Jesus Christus der Mittelpunkt der Versammlung: „zu ihm“ (Heb 13,13a).
  • Dieser Ort liegt „außerhalb des Lagers“, ist also frei von jüdischen Prinzipien und Praktiken (Heb 13,13b).
  • Dieser Ort trägt die „Schmach“ Christi (Heb 13,13c).
  • Dieser Ort hat kein irdisches Hauptquartier: „keine bleibende Stadt“ (Heb 13,14).
  • An diesem Ort haben Christen die Freimütigkeit, „in Geist und Wahrheit“ (Joh 4,24) mit „der Frucht unserer Lippen“ anzubeten, und zwar ohne äußere Hilfsmittel in Form von Orchestern und Chören usw., die eine irdische Religion kennzeichnen.
  • An diesem Ort drückt Liebe sich in der Tat aus; Gläubige werden ihre materiellen Mittel miteinander teilen (Heb 13,16).
  • An diesem Ort werden Hirtendienste ausgeübt, ohne dass die „Hirten“ zu dieser Arbeit offiziell berufen werden oder in den Schulen der Menschen ausgebildet worden wären (Heb 13,17).
  • An diesem Ort hat man die Gewohnheit, zum Gebet zusammenzukommen (Heb 13,18.19).

Sein Lobpreis

Verse 20.21

Abschließend bittet der Schreiber Gott, den hebräischen Gläubigen dabei zu helfen, geistliche Reife zu erlangen. Er sagt:

Heb 13,20.21: 20 Der Gott des Friedens aber, der aus den Toten wiederbrachte unseren Herrn Jesus, den großen Hirten der Schafe, in dem Blut des ewigen Bundes, 21 vollende euch in jedem guten Werk, damit ihr seinen Willen tut, in euch das bewirkend, was vor ihm wohlgefällig ist, durch Jesus Christus, dem die Herrlichkeit sei von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

Das Verlangen des Schreibers war es, dass Gottes große Macht, die sich in der Auferweckung des Herrn Jesus von den Toten gezeigt hatte, geistliches Wachstum in ihnen bewirkte („vollenden“ bedeutet volles Wachstum). Und dies, so wünscht er, würde sich darin zeigen, dass sie den Willen Gottes täten, was „vor ihm {Gott} wohlgefällig“ wäre. Der Textzusammenhang lässt stark vermuten, dass Paulus sich darauf bezieht, dass sie sich vollständig vom Judentum unter dem alten Bund trennen und erkennen, was sie durch „den ewigen Bund“ erworben hatten.

Abschließende Grußworte

Verse 22-25

Heb 13,22-25: 22 Ich bitte euch aber, Brüder, ertragt das Wort der Ermahnung; denn ich habe euch auch mit kurzen Worten geschrieben. 23 Wisst, dass unser Bruder Timotheus freigelassen ist, mit dem, wenn er bald kommt, ich euch sehen werde. 24 Grüßt alle eure Führer und alle Heiligen. Es grüßen euch die von Italien. 25 Die Gnade sei mit euch allen! Amen.

Der Schreiber weiß, dass die Briefleser ablehnend auf das reagieren könnten, was er in seinem Brief dargelegt hat, und fügt deshalb ein sanftes Wort der Ermahnung hinzu: „Ich bitte euch aber, Brüder, ertragt das Wort der Ermahnung; denn ich habe euch auch mit kurzen Worten geschrieben.“ Er wünscht hier, dass sie das, was er ihnen vorgelegt hat, tief in ihr Herz fassen und angemessen darauf reagieren.

Er erinnert sie daran, dass „Timotheus freigelassen ist“ (Heb 13,23) und ihnen eine Hilfe sein könnte, die Wahrheit zu verstehen, die er in diesem Brief mitgeteilt hat.

Er ermutigt sie, alle ihre „Führer“ zu „grüßen“. Das fördert den Frieden unter den Brüdern. Er schließt seinen Brief mit den Worten: „Die Gnade sei mit euch allen! Amen.“


Übersetzt aus The Epistle to the Hebrews. The New and Living Way of Approach to God in Worship in Christianity
Christian Truth Publishing 2017

 

 

Übersetzung: Nathanael Imming

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Anmerkungen

[1] J.N. Darby, Synopsis of the Books of the Bible; Betrachtung über Hebräer (Synopsis); Anm. zu Hebräer 13,7; siehe auch Collected Writings, Bd. 27, S. 321, 413.

[2] W. Kelly, The Epistle to the Hebrews, S. 261.

[3] Anm. d. Red.: Die etablierten Groß- und Landeskirchen haben sich von dem Fundament des Wortes Gottes entfernt, so dass jeder wiedergeborene Christ aufgerufen ist, sich von bösen Lehren zu trennen; vgl. 2. Timotheus 2,19-22; 2. Johannes 9-11; 2. Korinther 6,14-18; Offenbarung 18,4.

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