Der Brief des Paulus an Philemon
Christliche Gnade und Höflichkeit

Stanley Bruce Anstey

© SoundWords, online seit: 25.06.2022, aktualisiert: 30.09.2024

Einführung

Dies ist einer von vier „Hirtenbriefen“ (1. und 2. Timotheus, Titus und Philemon), die der Apostel Paulus geschrieben hat. Diese Briefe werden als „Hirtenbriefe“ bezeichnet, weil sie an Einzelpersonen und nicht an Versammlungen gerichtet sind – jeder hat einen Hirtencharakter und enthält Ratschläge für den Briefempfänger. Der Philemonbrief ist jedoch einzigartig unter den Hirtenbriefen, da er sich mit einer rein privaten Angelegenheit zwischen zwei Personen befasst. Daher hat er einen ganz eigenen Charakter, der die christliche Gnade und Liebe in einer realen Situation in Aktion zeigt. Der Brief enthält keine direkte Lehre und auch keine allgemeinen Ermahnungen zu einem christlichen Leben, sondern liefert uns ein inspirierendes Beispiel für christliche Gnade und Höflichkeit.

Er wurde zu der Zeit geschrieben, als Paulus den Kolosserbrief verfasste, und wurde zusammen mit diesem Brief von Tychikus und Onesimus nach Kolossä gebracht (Kol 4,7-9).

Der Anlass des Briefes

Aus dem Inhalt des Briefes lassen sich die Umstände, die Paulus dazu veranlassten, diesen Brief zu schreiben, leicht erschließen. Philemon war ein wohlhabender Hausherr in Kolossä, dem Paulus sehr geholfen hatte – vielleicht hatte er sich durch ihn bekehrt (Phlm 19). Im Laufe der Zeit war Philemons Sklave (Onesimus) weggelaufen, nachdem Onesimus ihn offenbar bestohlen hatte (Phlm 18). Durch die Vorsehung Gottes war der flüchtige Sklave nach Rom gekommen, wo er Paulus traf und sich bekehrte (Phlm 10). Das Leben von Onesimus wurde durch die Kraft der Gnade Gottes völlig verändert und er wurde dem Apostel in seiner Gefangenschaft dienstbar. Die Sache mit dem Unrecht, das Onesimus gegenüber Philemon begangen hatte, war jedoch noch offen, und so hielten es Paulus und Onesimus für richtig, die Angelegenheit mit Philemon zu klären, bevor weitere Überlegungen angestellt werden konnten. Da Paulus zu dieser Zeit seinen Brief an die Gemeinde in Kolossä schrieb und Philemon in dieser Stadt lebte (die Gemeinde traf sich sogar in seinem Haus; siehe Phlm 2), war dies der perfekte Zeitpunkt, um diesen Hirtenbrief zu schreiben und diese Angelegenheit hoffentlich auf gottgefällige Weise zu klären.

Ein Zeugnis über die Macht Gottes im Evangelium

Der Brief dient als Zeugnis dafür, dass Gott Menschen von ihren Sünden erlösen und ihr Leben verändern kann. Darauf bezog sich Paulus, als er sagte: „Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht, denn es ist Gottes Kraft zum Heil jedem Glaubenden“ (Röm 1,16). Um das zu erkennen, brauchen wir nicht weiter zu gehen als bis zu dieser Geschichte von Onesimus. Sie ist ein leuchtendes Beispiel für eine echte Bekehrung.

Onesimus war einst ein unützer entlaufener Sklave, aber seit er an das Evangelium geglaubt hatte und vom Tod zum Leben übergegangen war, veränderte sich sein Leben völlig. Einst war er ein Sünder, aber als er dem Ruf Gottes folgte, wurde er ein Heiliger – und sein Leben zeigte das. Diese radikale Veränderung zum Guten kann nur durch die souveräne Barmherzigkeit, Liebe und Gnade Gottes erklärt werden, die in ihm wirkten (Eph 2,4-9).

Auch die Gläubigen aus Thessalonich waren ein Beispiel für diese Kraft. Als sie an das Evangelium glaubten, bewirkte es eine so tiefgreifende Veränderung in ihnen, dass Paulus sagt: „Sie selbst berichten von uns, welchen Eingang wir bei euch hatten und wie ihr euch von den Götzenbildern zu Gott bekehrt habt, um dem lebendigen und wahren Gott zu dienen und seinen Sohn aus den Himmeln zu erwarten“ (1Thes 1,9.10).

Der praktische Wert des Briefes

Da Sklaverei heute in allen Ländern der Erde verboten ist, könnte man meinen, dass dieser Brief keine wirkliche Bedeutung für uns hat. Wir könnten uns sogar fragen, warum er in den Kanon der Heiligen Schrift aufgenommen wurde. Die gleichen grundlegenden Elemente des Problems, das Paulus ansprach, treten jedoch auch heute noch im Volk Gottes auf. Der Rat und die Weisheit, die er in dieser Situation anwandte, können auch auf die Situationen angewandt werden, mit denen wir konfrontiert werden könnten. Die Umstände werden anders sein, aber die Grundsätze sind praktisch dieselben.

Da die Gläubigen noch das Fleisch haben, können und werden Probleme in unseren persönlichen Beziehungen entstehen. Menschen wird Unrecht getan und es geschehen Beleidigungen und es kommt zu Brüchen in der Gemeinschaft der Gläubigen. Wie in diesem Fall gibt es bei den meisten zwischenmenschlichen Problemen einen Täter und eine beleidigte Partei; und oft gibt es jemand, der als Friedensstifter fungiert und versucht, den beiden Parteien zu helfen, das Problem auf eine Weise zu lösen, die den Herrn ehrt. In dieser Situation war Onesimus der Übeltäter; Philemon und seine Frau (Apphia) waren die beleidigte Partei, und Paulus fungierte als Friedensstifter. Aus dieser Begebenheit lernen wir, dass der Täter sein Unrecht bekennen muss (Lk 17,4) und dass diejenigen, die beleidigt wurden, dem Täter aufrichtig und von Herzen vergeben müssen (Mt 18,35). Und der Friedensstifter kann sie ermutigen, es wirklich zu tun. So wird uns in diesem kurzen Brief gezeigt, wie christliche Liebe und Gnade zwischenmenschliche Probleme, die unter den Gläubigen entstehen, zur Ehre des Herrn und zum Wohl aller Beteiligten löst.

J.N. Darby kommentiert:

[Der Brief] ist eher ein geeignetes Mittel, solche Gefühle in dem Leser wachzurufen, als der Gegenstand einer Erklärung zu sein.[1]

Wenn wir also über die Art und Weise nachdenken, wie Paulus das Problem, vor dem sie standen, zu lösen versuchte, weckt der Geist Gottes in uns denselben Geist der Liebe und der Gnade, der sich in Hinblick auf unsere Glaubensgeschwister entfalten sollte. Daher ist der Brief auch für uns heute von großer Bedeutung.

Die erste praktische Lektion, die wir aus dieser Situation lernen, ist, dass Angelegenheiten, in denen sich Geschwister persönlich verletzt haben, so schnell wie möglich geklärt werden sollten. Wenn Brüche in der Gemeinschaft ungelöst bleiben, können sie eitern und wachsen, und andere können verunreinigt werden, indem sie in diese Situation hineingezogen werden (Heb 12,15). Der Feind unserer Seelen (Satan) kann und wird dies nutzen, um eine Gemeinde zu zerstören.

Der Hauptpunkt des Briefes: persönliche Vergebung praktizieren

Auch wenn die Worte „verzeihen“ und „vergeben“ in dem Brief nicht vorkommen, so werden sie doch angedeutet. Die persönliche Vergebung ist eindeutig das Thema, mit dem sich der Apostel beschäftigt. Sie ist äußerst elementar für das christliche Leben und nicht unwichtig. Wenn sie nicht praktiziert wird, ist die Gesundheit und das Wohlergehen der Gemeinde gefährdet. Dies ist so wichtig bei Gott, dass Er diesem Thema einen ganzen Brief gewidmet hat!

Die persönliche oder brüderliche Vergebung beruht auf der ewigen Vergebung Gottes. Paulus sagte: „Seid aber zueinander gütig, mitleidig, einander vergebend, wie auch Gott in Christus euch vergeben hat“ (Eph 4,32). Wenn wir bedenken, wie viel uns vergeben wurde und was es Gott gekostet hat, uns zu vergeben, sollte es uns nicht schwerfallen, anderen zu vergeben. Wo wären wir ohne die Vergebung Gottes! Nicht bereit zu sein, jemand zu vergeben, ist für einen Christen undenkbar. Wie bereits erwähnt, ist die gegenseitige Vergebung eines der grundlegendsten Elemente des christlichen Lebens. Es ist in der Tat eines der Kennzeichen des neuen Menschen (Kol 3,13). Ein Christ, dem diese Gnade fehlt, zeigt, dass er geistlich nicht gereift ist. Als Petrus den Herrn fragte, wie oft wir unserem Bruder vergeben sollten, antwortete Er: „bis siebzig mal sieben“ (Mt 18,22). Das bedeutet, dass unsere Vergebung kein Ende kennen sollte.

Drei negative Folgen, die sich aus einer nicht vergebungsbereiten Haltung ergeben

Ein unversöhnlicher Geist kann in unserem Leben schreckliche Folgen haben, die sich kein nüchterner Mensch wünscht:

  1. Wir verletzen uns selbst.
    Wenn wir im Unrecht verharren und uns weigern, jemand zu vergeben, werden wir in der Vergangenheit gefangen gehalten. Eine solche Beschäftigung hält den Schmerz nur am Leben und macht uns unglücklich. Indem wir darüber nachgrübeln, halten wir die Wunde offen und lassen sie nicht heilen. Das nährt Ärger, Groll und Bitterkeit gegenüber der Person, die uns beleidigt hat. Der Herr warnt davor in einem Gleichnis in Matthäus 18,23-35. Er erzählt von einem Mann, dem von seinem Gläubiger viel vergeben wurde, der aber, als er von seinen Schulden befreit war, seinem Mitknecht, der ihm nur einen geringen Betrag schuldete, nicht vergab. Als sein Herr davon erfuhr, wurde er „zornig“ und „überlieferte ihn den Peinigern, bis er ihm die ganze Schuld bezahlt habe“ (Mt 18,34). Das bedeutet nicht, dass der Mensch mit einem unversöhnlichen Geist sein Heil verliert und in eine verlorene Ewigkeit geschickt wird, sondern dass er seinem bitteren Geist ausgeliefert ist und dieser ihn ständig quält. Jedes Mal, wenn er die Person, die ihn beleidigt hat, sieht oder an sie denkt, bekommt er Magengeschwüre, und seine Bitterkeit und sein Groll quälen ihn. Das geht so lange, bis er schließlich seine Hand öffnet und seinem Bruder von Herzen vergibt. Wenn wir also jemand gegenüber unversöhnlich sind, schaden wir uns selbst (Spr 8,36). George Washington Carver wusste das und sagte: „Ich werde niemals zulassen, dass ein anderer Mensch mein Leben ruiniert, indem er mich dazu bringt, ihn zu hassen.“

  2. Wir öffnen dem Satan die Tür, so dass er in unserem Leben wirken kann.
    Wir werden gewarnt, Satan keinen Raum zu geben (Eph 4,27), denn er wird sich mit Sicherheit auf jeden Gläubigen stürzen, den er finden kann, und ihn in die Irre führen (1Pet 5,8) – aber das ist genau das, was ein unversöhnlicher Geist tut. Paulus sagte zu den Korinthern: „Wem ihr aber etwas vergebt, dem vergebe auch ich; denn auch ich, was ich vergeben, wenn ich etwas vergeben habe, habe ich um euretwillen vergeben in der Person Christi, damit wir nicht vom Satan übervorteilt werden; denn seine Gedanken sind uns nicht unbekannt“ (2Kor 2,10.11). Er wusste, dass die Gläubigen in Korinth dem anstoßgebenden Mann (1Kor 5) gemeinsam vergeben mussten, denn wenn einige von ihnen ihm verziehen hätten und andere nicht, würde Satan die Situation ausnutzen und in der Versammlung Chaos anrichten und Uneinigkeit schüren. Paulus sagte, dass er es ihnen gleichtun und dem Mann vergeben würde, wenn sie ihm verziehen. Auch wenn es sich hier um eine gemeinschaftliche Angelegenheit handelte, gilt das auch für unser persönliches Leben – wenn wir nicht aufrichtig und wahrhaftig vergeben, gibt das Satan die Möglichkeit, unser christliches Leben zu zerstören.

  3. Wir ziehen das Gericht der Regierung Gottes auf uns.
    Der Herr sagte: „Wenn ihr dasteht und betet, so vergebt, wenn ihr etwas gegen jemand habt, damit auch euer Vater, der in den Himmeln ist, euch eure Vergehungen vergebe. Wenn ihr aber nicht vergebt, so wird euer Vater, der in den Himmeln ist, auch eure Vergehungen nicht vergeben“ (Mk 11,25.26). Gott will keinen unversöhnlichen Geist in seinen Kindern und wird sich bemühen, ihn durch die Weisheit seiner erzieherischen Maßnahmen zu beseitigen. Wir können sicher sein, dass alles, was Er in dieser Hinsicht in unserem Leben tut, immer in Liebe und zu unserem Besten geschieht (Heb 12,5-11). Er kann es zulassen, dass wir in eine Lage kommen, in der wir seine regierungsmäßige Vergebung brauchen, weil wir in irgendeiner Weise geirrt haben (Jak 3,2), und Er wird sie uns eine Zeitlang nicht gewähren. Auf diese Weise bekommen wir denselben Geist zu spüren, den wir gegen andere hegen, und werden durch seine Zucht gelehrt, dass das, was wir anderen gegenüber tun, falsch ist. Uns selbst in dieser Hinsicht nicht zu richten, ist eine ernste Sache; es kann unsere Gemeinschaft mit Gott behindern. Wir könnten anfangen, die Weisheit seiner Wege mit uns in Frage zu stellen, und das könnte dazu führen, dass unser Glaube und unser Vertrauen in Gott zusammenbrechen (Lk 22,32).

Sklaverei und Christentum

Das Umfeld und der Kontext, in dem der Brief geschrieben wurde, ist die Sklaverei von Menschen. Diese soziale Ungerechtigkeit hat schon immer Gottes Gedanken widersprochen, aber Paulus spricht das hier nicht an, weil das Christentum keine Kraft ist, die Welt zu verbessern. Das Christentum reformiert die Welt nicht; es ruft die Menschen (die Gläubigen) durch das Evangelium aus ihr heraus und kündigt das baldige Gericht Gottes über sie an. Das Christentum, wie es in den neutestamentlichen Briefen zu finden ist, unternimmt keinen Versuch, die sozialen Missstände in der Welt zu korrigieren. Wir sind „in der Welt“ (Joh 17,11), aber wir sind nicht „von der Welt“ (Joh 17,14.16). Als „Fremde und Pilger“ sind wir nur auf der Durchreise auf dem Weg zum Himmel, wo unser Bürgerrecht ist (1Pet 2,11; Phil 3,20). Als solche überlassen wir es den Menschen in der Welt, für ihre Angelegenheiten zu streiten, wir haben darüber nichts zu sagen (Jes 45,9). Wären wir von der Welt, dann würden wir uns in ihre Angelegenheiten einmischen (Joh 18,36).

Manche mögen fragen: „Wenn Sklaverei falsch ist, warum hat Paulus dann nicht dagegen die Stimme erhoben? Warum sollte er jemals einen Sklaven zu seinem Herrn zurückschicken, der aus dieser schrecklichen Knechtschaft geflohen war?“ Wie gesagt, die Antwort lautet, dass Christen nicht dazu berufen sind, die Welt in Ordnung zu bringen. Unsere Aufgabe ist es, der Welt Christus durch unseren Lebenswandel und unsere Lebensweise vorzustellen und jedem Menschen, den wir erreichen können, Christus zu predigen, damit er gerettet wird (Kol 1,23). Wenn das Christentum eine Sache wäre, die die Welt verändern würde, wäre dies sicherlich der richtige Zeitpunkt für Paulus gewesen, darüber zu sprechen. Aber er hat Philemon nichts über die Sklaverei zu sagen. Er gibt keine Anweisung, Onesimus aus seiner Lage zu entlassen. Die Lehre des Paulus zu diesem Thema lautet vielmehr: „Jeder bleibe in dem Stand, in dem er berufen worden ist. Bist du als Sklave berufen worden, so lass es dich nicht kümmern; wenn du aber auch frei werden kannst, so benutze es vielmehr“ (1Kor 7,20.21). Das bedeutet nicht, dass er die Sklaverei guthieß, sondern dass solche Dinge nicht im Mittelpunkt des Evangeliums stehen, das zu verkünden er gesandt wurde.

Der Gruß

Verse 1.2

Phlm 1.2: 1 Paulus, ein Gefangener Christi Jesu, und Timotheus, der Bruder, Philemon, dem Geliebten und unserem Mitarbeiter, 2 und Apphia, der Schwester, und Archippus, unserem Mitkämpfer, und der Versammlung in deinem Haus:

Paulus beginnt damit, dass er sich als „Gefangenen Christi Jesu“ bezeichnet. Er sieht sich nicht als Gefangener Neros, des römischen Kaisers, sondern als Gefangener des Herrn (Eph 3,1; 4,1). Indem er dies sagte, fügte er sich dem, was der Herr mit ihm vorhatte, als er in Gefangenschaft geriet. Er erkannte, dass der Herr ihn durch seine göttliche Vorsehung zu einem Gefangenen gemacht hatte, und er war froh, sein Gefangener zu sein, wenn es der Wille Gottes war. Die Kirche hat davon profitiert, denn während seiner Gefangenschaft wurde er inspiriert, die sogenannten „Gefängnisbriefe“ (Epheser, Philipper, Kolosser) zu schreiben, in denen die Wahrheit des Geheimnisses Christi und der Kirche offenbart wird.

Er schließt „Timotheus“ in die Anrede ein, weil der Brief zwar an eine Einzelperson gerichtet ist, aber auch die Gemeinde im Blick hat, und wenn das so ist, soll alles durch den Mund von  zwei von drei Zeugen bestätigt werden (2Kor 13,1). Von Timotheus wird nicht gesagt, dass er ein Gefangener war wie Paulus und Epaphras (Phlm 23), aber er war bei Paulus, um ihm zu dienen, und sein Name wird daher hier genannt.

Der Brief ist an „Philemon“ gerichtet, der ein „Mitarbeiter“ im Evangelium war, und an seine Frau „Apphia“. „Archippus“ wird ebenfalls erwähnt und scheint zu Philemons Haushalt gehört zu haben; daher vermuten einige Ausleger, dass er ihr Sohn war. Aber wir haben keine Möglichkeit, uns dessen sicher zu sein; die Heilige Schrift sagt nicht, dass er es war. Alles, was wir von ihm wissen, ist, dass er die Gabe hatte, das Wort zu verkünden, und dass Paulus ihn ermutigte, dies mit Eifer zu tun (Kol 4,17).

Vers 3

Phlm 3: Gnade euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus!

Wenn der Apostel an Versammlungen schreibt, grüßt er sie in der Regel mit „Gnade“ und „Friede“, aber wenn er an Einzelpersonen schreibt, fügt er noch etwas Drittes hinzu: „Barmherzigkeit“. Denn wenn ein Mensch den Strom an Gnade und Frieden, den Gott seinen Kindern gewährt, nicht in Anspruch nimmt und auf dem Weg des Glaubens versagt, gibt es Barmherzigkeit für ihn, und so kann er wiederhergestellt werden. Wenn es jedoch um die Verantwortung der Gemeinde geht und um das öffentliche Zeugnis der Versammlung, gibt es diese Barmherzigkeit nicht, wenn sie versagt. Daher wird in der Schrift nicht erwähnt, dass das öffentliche Zeugnis der Kirche wiederhergestellt wird, wenn es versagt hat; es wird im Gericht beiseitegelegt, wenn die wahren Gläubigen bei der Ankunft des Herrn in den Himmel abgerufen werden (Röm 11,17-24; Off 3,16). Da die Barmherzigkeit hier in Vers 3 nicht erwähnt wird, wie es gewöhnlich der Fall ist, wenn Einzelpersonen angesprochen werden, verstehen wir, dass in diesem Brief auch die Gemeinde im Blick ist, denn sie sollte ein Interesse daran haben, wie die zwischenmenschlichen Probleme in ihrer Mitte gelöst werden.

J.N. Darby sagt:

Der Apostel richtet sich, indem er Onesimus zurücksendet, an die ganze Versammlung; und aus diesem Grund sagt er in seinem Gruß: „Gnade“ und „Friede“, ohne hinzuzufügen: „Barmherzigkeit“, wie dies die Apostel in ihren nur an einzelne Personen gerichteten Briefe sonst tun.[2]

Philemon brauchte diesen frischen Strom an „Gnade“ und „Frieden“, um Onesimus richtig zu empfangen und mit ihm in der rechten Weise zu sprechen, damit die ganze Sache ehrenvoll gelöst würde. Paulus erwähnt diese Dinge, noch bevor er Philemon den Zweck seines Briefes erklärt.

Seine Danksagung und sein Gebet

Verse 4-7

Phlm 4-7: 4 Ich danke meinem Gott, indem ich dich allezeit erwähne in meinen Gebeten, 5 da ich höre von deiner Liebe und von dem Glauben, den du an den Herrn Jesus und die du zu allen Heiligen hast, 6 dass die Gemeinschaft deines Glaubens wirksam werde in der Anerkennung alles Guten, das in uns ist gegen Christus Jesus. 7 Denn ich hatte große Freude und großen Trost durch deine Liebe, weil die Herzen der Heiligen durch dich, Bruder, erquickt worden sind.

Paulus dankte Gott für Philemon und betete regelmäßig für ihn. Er wollte ihn wissen lassen, dass er die „Liebe und … den Glauben“, die er „an den Herrn Jesus und … zu allen Heiligen“ hatte, sehr schätzte. Dies resulierte daraus, dass die „Gemeinschaft seines Glaubens wirksam“ wurde. Das heißt, dass er als wohlhabender Mann bei der Verbreitung der Wahrheit half, indem er die Diener des Herrn finanziell unterstützte. Auf diese Weise war er einer der „Mitteilnehmer“ am Werk des Herrn (Phil 1,7). Da Liebe und Glaube in Philemons Leben „wirksam“ waren, wie Paulus feststellt, wurde er in diesen praktischen Dingen zu „allem Guten“ geführt. In diesem Sinn fügt Paulus hinzu: „Denn ich hatte große Freude und großen Trost durch deine Liebe, weil die Herzen der Heiligen durch dich, Bruder, erquickt worden sind.“ Das zeigt, dass Philemons Liebe und sein Glaube nicht nur auf die im Werk des Herrn Tätigen gerichtet waren, sondern dass er es nicht versäumte, auch den Gläubigen zu helfen, die in Not waren. Wir lernen daraus, dass er ein sehr praktischer Mann war und dass sein Wohlwollen im Volk des Herrn ein würdiges Ventil [outlet] gefunden hatte.

Wir sehen hier die große Weisheit in den einleitenden Bemerkungen von Paulus. Er erwähnt und lobt Philemons Freundlichkeit, bevor er mit seiner Bitte fortfährt, die in den Versen 8 bis 21 folgt. Seine taktvolle Überlegung ist, dass Philemon, da er gewohnt war, den Gläubigen Freundlichkeit zu erweisen, sicherlich froh sein würde, eine weitere Tat der christlichen Liebe zu zeigen, um die Paulus bitten wollte.

Seine Bitte

Verse 8.9

Erst nach einer nachdenklichen, zärtlichen und ausführlichen Einleitung fährt Paulus mit dem Zweck seines Briefes fort. Dabei zögert er seine Bitte hinaus, um Philemon daran zu erinnern, dass er nicht seine apostolische Autorität geltend macht und ihm in dieser Angelegenheit Befehle erteilt. Vielmehr bittet er ihn um der Liebe willen als alter Knecht und Gefangener des Herrn. Er hätte Philemon zwar als Apostel befehlen können, aber er möchte lieber, dass das, worum er ihn bittet, durch christliche Gnade und Liebe vollzogen wird. So sagt er:

Phlm 8.9: 8 Deshalb, obgleich ich große Freimütigkeit in Christus habe, dir das zu gebieten, was sich geziemt, 9 so bitte ich doch vielmehr um der Liebe willen, da ich nun ein solcher bin wie Paulus, der Alte, jetzt aber auch ein Gefangener Christi Jesu.

Er verließ sich darauf, dass die Bruderliebe in Philemons Herzen wirken würde, wenn er auf seine Bitte einging, denn die Liebe ist ein „vortrefflicher Weg“, um Fragen und Probleme unter den Gläubigen zu lösen (1Kor 12,31). Ein „alter“ Diener zu sein, sollte Philemon Respekt einflößen, und ein „Gefangener“ des Herrn zu sein, würde seine Mitgefühl wecken.

Verse 10-12

Schließlich kommt Paulus zu seinem Anliegen und trägt seine Bitte vor, für die der Brief verfasst wurde. Er bittet Philemon für Onesimus, der durch Paulus auf wunderbare Weise gerettet worden war. Er sagt:

Phlm 10-12: 10 Ich bitte dich für mein Kind, das ich gezeugt habe in den Fesseln, Onesimus, 11 der dir einst unnütz war, jetzt aber dir und mir nützlich ist, 12 den ich zu dir zurückgesandt habe – ihn, das ist mein Herz; …

Indem Paulus Onesimus „mein Kind“ nennt, deutet er liebevoll an, dass Onesimus durch ihn zum Glauben gekommen ist. Er spricht von Timotheus und Titus auf dieselbe Weise (1Tim 1,2; 2Tim 2,1; Tit 1,4). Petrus spricht in ähnlicher Weise von Markus (1Pet 5,13).

Der Glaube von Onesimus an Christus ging mit einer vollständigen Veränderung seines Charakters einher. Einst war er „unnütz“, aber jetzt war er „nützlich“ im Dienst des Herrn. Diese Veränderung war ein klarer Beweis dafür, dass er wirklich gerettet worden war. Aufgrund der Tatsache, dass dieser Mann sich wirklich bekehrt hatte, bittet Paulus Philemon dreimal, ihn „aufzunehmen“ (Phlm 12.15.17). Sanft drängt er Philemon dazu, dass er, da der Herr ihm vergeben und Onesimus aufgenommen hat, dasselbe tun soll. Paulus bittet nicht um seine Freiheit, sondern um seine Begnadigung. Mit den Worten: „Das ist mein Herz {Eingeweide, d.h. das Innere}“, drückt er seine tiefe Zuneigung zu diesem Neubekehrten aus.

Verse 13.14

Paulus fährt fort zu erklären, warum er Onesimus zu Philemon zurückschickt:

Phlm 13.14: … 13 den ich bei mir behalten wollte, damit er statt deiner mir diene in den Fesseln des Evangeliums. 14 Aber ohne dein Einverständnis wollte ich nichts tun, damit deine Wohltat nicht wie gezwungen, sondern freiwillig sei.

Onesimus war für Paulus in seiner Arbeit für das Evangelium nützlich geworden, aber Paulus wusste, dass Onesimus Philemon gehörte, und ihn in Rom zu behalten, wäre eine Überschreitung von Philemons Rechten gewesen. Deshalb war er der Meinung, dass diese persönliche Angelegenheit geklärt werden sollte, bevor etwas anderes in Betracht gezogen wurde. Onesimus muss damit einverstanden gewesen sein, denn er war bereit, nach Kolossä zurückzukehren und sich seinem Herrn zu stellen. Das war eine beträchtliche Entfernung auf einem anderen Kontinent! Seine Bereitschaft, zurückzugehen und die Dinge mit Philemon in Ordnung zu bringen, war ein weiteres Zeichen dafür, dass er wirklich ein bußfertiger Mann war. Daher würde Paulus in dieser Angelegenheit nichts ohne Philemons Zustimmung tun. Die Höflichkeit und Weisheit, mit der er sich an Philemon wendet, ist lehrreich; sie liefert uns ein Beispiel für die christliche Gnade im Umgang mit zwischenmenschlichen Angelegenheiten unter den Gläubigen.

Paulus geht nicht so weit, dass er verlangt, Onesimus freizulassen, damit er wieder an seiner Seite dienen kann; diese Entscheidung überlässt er ganz Philemon. Er setzte ihn in keiner Weise unter Druck. Wenn Philemon beabsichtigte, Onesimus zu Paulus zurückzuschicken, wollte er, dass diese „Wohltat“ von ihm ausging und nicht etwas war, was er „gezwungen“ tat, weil es ihm vom Apostel befohlen worden war.

Verse 15.16

Phlm 15.16: 15 Denn vielleicht ist er deswegen für eine Zeit von dir getrennt gewesen, damit du ihn für immer besitzen mögest, 16 nicht länger als einen Sklaven, sondern – mehr als einen Sklaven – als einen geliebten Bruder, besonders für mich, wie viel mehr aber für dich, sowohl im Fleisch als auch im Herrn.

Indem Paulus hinzufügt, dass Onesimus vielleicht nur „für eine Zeit von dir getrennt gewesen“ sei, deutete er an, dass die ganze Sache nach Gottes Vorsehung geordnet war und somit alles Teil von Gottes Plan gewesen sei (Spr 16,33; Jer 10,23). Das zugrundeliegende Prinzip hier ist, dass Gott sogar durch die Fehler und das Versagen der Menschen Gutes aus dem Bösen hervorbringen kann. Er kann diese Fehler und Versäumnisse nutzen, um sein Ziel zu erreichen und die Menschen zu segnen (Ps 76,10).

Deshalb plädiert er für die Aufnahme von Onesimus aus Gründen brüderlicher Vergebung, da er nun „ein geliebter Bruder“ sei. Der kurzzeitige Verlust seines Sklaven wurde durch den dauerhaften Gewinn eines Bruders wettgemacht! Philemon würde von diesem Werk der Gnade an Onesimus in zweifacher Hinsicht profitieren – erstens „leiblich“, indem er seinen Diener zurückerhielt, und zweitens „im Herrn“, indem er einen Bruder im Herrn hatte.

Die von Paulus übernommenen Verpflichtungen

Verse 17-19

Dann richtet Paulus eine dritte Bitte an Philemon, Onesimus aufzunehmen:

Phlm 17-19: 17 Wenn du mich nun für deinen Genossen hältst, so nimm ihn auf wie Mich 18 Wenn er dir aber irgendein Unrecht getan hat oder dir etwas schuldig ist, so rechne dies mir an. 19 Ich, Paulus, habe es mit meiner Hand geschrieben, ich will bezahlen; dass ich dir nicht sage, dass du auch dich selbst mir schuldig bist.

Als Freund oder Kamerad angesehen zu werden, ist eine gute Sache, aber als „Genosse“ angesehen zu werden, wie Paulus glaubte, dass er es für Philemon war, ist eine noch höhere Sache. Als solcher bittet er um die Aufnahme von Onesimus. Er bittet nicht nur darum, dass er aufgenommen wird, sondern dass er so aufgenommen wird, wie Philemon den Apostel selbst aufnehmen würde! Das war in der Tat eine kühne Bitte. Was muss Philemon gedacht haben?

Falls in seinem Herzen irgendwelche Bedenken aufgekommen waren, beeilte sich Paulus, sie zu zerstreuen, indem er versprach, alle ausstehenden Verbindlichkeiten zu übernehmen. Er sagt: „Wenn er dir aber irgendein Unrecht getan hat oder dir etwas schuldig ist, so rechne dies mir an.“ Er nennt das Vergehen nicht direkt Diebstahl, aber wenn Onesimus etwas schuldig geblieben war, versprach er mit seiner eigenen Handschrift, es zu „bezahlen“. Was für ein Geist der christlichen Gnade! Und was für ein Beispiel für Friedensstifter! Vielleicht wollen wir einen persönlichen Bruch, der sich unter den Heiligen entwickelt hat, heilen, und das ist ein guter Wunsch, aber sind wir auch bereit, für die Kosten aufzukommen, die möglicherweise entstanden sind?

In der dreifachen Bitte des Paulus, Onesimus „aufzunehmen“, sehen wir also eine Entwicklung. In Vers 12 bittet er Philemon, ihn als bußfertigen Sklaven aufzunehmen, der gerettet worden ist. Dann, in Vers 15, bittet er darum, dass er als geliebter Bruder aufgenommen wird. Aber jetzt, in Vers 17, zielt er noch höher und bittet darum, dass er wie der Apostel selbst aufgenommen wird!

Als weitere Motivation fügt Paulus hinzu: „Ich sage dir nicht, dass du auch dich selbst mir schuldig bist.“ Das heißt, was auch immer Paulus von Philemon verlangt haben mag, in Wirklichkeit war Philemon ein Schuldner von Paulus – er verdankte ihm sehr viel. Die meisten Ausleger sagen, dass dies ein Hinweis darauf ist, dass Philemon durch Paulus gerettet wurde und somit etwas erhalten hatte, was er mit Geld niemals zurückzahlen könnte.

Sein Vertrauen in Philemon

Verse 20.21

Paulus schließt seine Bitte mit dem Hinweis auf seine absolute Zuversicht, dass er von Philemon eine positive Antwort erhalten würde. Er sagt:

Phlm 20.21: 20 Ja, Bruder, ich möchte Nutzen an dir haben im Herrn; erquicke mein Herz in Christus. 21 Da ich deinem Gehorsam vertraue, so habe ich dir geschrieben, und ich weiß, dass du auch mehr tun wirst, als ich sage.

Er verwendet hier das Wort „Gehorsam“, aber nicht im Sinne von Gehorsam gegenüber einem apostolischen Befehl, sondern vielmehr als Aufforderung zu Philemons christlichen Pflicht. Wenn wir den Brief durchlesen, können wir sehen, wie unwiderstehlich dies alles für Philemon gewesen sein muss – ein Mann, der von Liebe und Glauben geprägt ist (Phlm 5). Wenn er zur Strenge neigte, muss sie in seinem Herzen geschmolzen sein. Die Wirkung von Paulus’ gnädigem und höflichem Appell muss überwältigend gewesen sein.

Vers 22

Phlm 22: Zugleich aber bereite mir auch eine Herberge, denn ich hoffe, dass ich euch durch eure Gebete werde geschenkt werden.

Paulus schließt seine demütige Bitte mit der zusätzlichen kleinen Bitte, Philemon möge ihm eine Unterkunft „bereiten“, denn er erwarte, freigelassen zu werden, und beabsichtige, nach Kolossä zu kommen, wo er offenbar noch nie zuvor gewesen war (Kol 2,1). Er teilt Philemon mit, dass er auf seine „Gebete“ zähle, damit dies geschehe.

Abschließende Grüße

Verse 23.24

Phlm 23.24: 23 Es grüßt dich Epaphras, mein Mitgefangener in Christus Jesus, 24 Markus, Aristarchus, Demas, Lukas, meine Mitarbeiter.

Der Brief schließt mit kurzen Grüßen von einigen „Mitarbeitern“ des Paulus, von denen einer ebenfalls mit Paulus in Gefangenschaft war (Epaphras).

Vers 25

Sein letztes Wort an Philemon war:

Phlm 25: Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus sei mit eurem Geist! Amen.

Das war eine wichtige Abschiedsbemerkung, denn Philemon sollte in der ganzen Angelegenheit, die Paulus von ihm verlangte, die richtige geistliche Gesinnung haben.

Die Elemente des Evangeliums der Gnade Gottes werden in der Geschichte von Onesimus veranschaulicht

F.B. Hole kommentiert:

Wir dürfen diesen Brief nicht verlassen, ohne auf die eindrückliche Art und Weise hinzuweisen, wie diese Geschichte veranschaulicht, was Mittlerschaft bedeutet und beinhaltet; sie veranschaulicht den Vers: „Denn Gott ist einer, und einer ist Mittler zwischen Gott und Menschen, der Mensch Christus Jesus“ (1Tim 2,5). Gott ist es, der durch die Sünde verunehrt wurde. Der Mensch ist der Schuldige. Der Mensch Christus Jesus ist der Mittler.

In Onesimus und seiner traurigen Geschichte erkennen wir uns selbst wieder. Auch wir waren „unnütz“. Wir haben Gott „Unrecht getan“ und waren folglich seine Schuldner, konnten aber unsere Schuld nicht bezahlen. Auch wir sind von Ihm weggelaufen, weil wir Ihn fürchteten und so weit wie möglich von Ihm entfernt sein wollten. Unsere Entfremdung war die Frucht unserer Sünde.

Die Mittlerschaft des Paulus veranschaulicht, was Christus getan hat. Können wir nicht auch unseren Heiland so reden hören, als Er auf dem Kreuz mit unseren Ungerechtigkeiten beladen wurde und das Gericht ertrug, das wir verdient hatten? Sollen wir Ihm nicht ewig dafür danken, dass Er im Blick auf alles, was wir wegen unserer Sünden schuldig waren, zu Gott sagte: „So rechne dies mir an“?

Es gibt allerdings einen Unterschied. Wo Paulus schreiben musste: „Ich will bezahlen“, benutzt unser auferstandener Heiland nicht die Zukunftsform. Als Ergebnis seines Todes und seiner Auferstehung sagt Er im Evangelium: „Ich habe es bezahlt.“ Er ist wegen unserer Übertretung hingegeben und ist wegen unserer Rechtfertigung auferweckt worden (Röm 4,25). Deshalb sind wir durch den Glauben gerechtfertigt und haben Frieden mit Gott. Deshalb bleibt das Bild in dieser Hinsicht weit hinter der Wirklichkeit zurück.

Auch in einem zweiten Punkt stimmt unser Bild nicht: Gott musste nicht dazu überredet werden, seine Gnade zu erweisen, wie es bei Philemon der Fall war. Er ist selbst die Quelle der Gnade. Er braucht aber eine gerechte Grundlage, auf der Er seine Gnade erweisen kann, so wie Paulus dem Philemon einen gerechten Grund für seine Gnade gab, indem Er alle Verpflichtungen des Onesimus auf sich nahm. Mittlerschaft muss, wenn sie richtig und wirkungsvoll sein soll, solche Verpflichtungen akzeptieren, denn nur dann kann Gnade durch Gerechtigkeit herrschen.[3]

Schlussfolgerungen

Erfüllte der Brief seinen Zweck? Reagierte Philemon auf die Bitte des Paulus positiv und begnadigte er den zurückkehrenden Sklaven? Die Schrift gibt darauf keine Antwort. Es ist jedoch schwer vorstellbar, dass Philemon eine Bitte, die mit so sanfter und zärtlicher Liebe und taktvoller Gnade vorgebracht wurde, abgelehnt hätte. Die Liebe versagt nie (1Kor 13,8). Die Ewigkeit wird uns den Rest der Geschichte erzählen.


Quelle: The Epistle of Paul to Philemon. Christian Grace and Courtesy
Hamer Bay (Christian Truth Publishing) 2019
E-Book-Version August 2019

Übersetzung: Stephan Isenberg

Anmerkungen

[1] J.N. Darby, Betrachtung über Philemon (Synopsis), Quelle: bibelkommentare.de.

[2] J.N. Darby, Betrachtung über Philemon (Synopsis), Quelle: bibelkommentare.de.

[3] F.B. Hole, Grundzüge des Neuen Testaments, Bd. 4: Galaterbrief – Philemonbrief, Hückeswagen (CSV) 1998, S. 308–309.

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