Leitverse: Offenbarung 3,7-13
Off 3,7-13: 7 Und dem Engel der Versammlung in Philadelphia schreibe: Ich bin der Wahrhaftige, der den Schlüssel [des] David hat, der öffnet, und niemand wird schließen, und schließt, und niemand öffnet: 8 Ich kenne deine Werke. Siehe, ich habe eine geöffnete Tür vor dir gegeben, die niemand zu schließen vermag; denn du hast eine kleine Kraft, und du hast mein Wort bewahrt und meinen Namen nicht verleugnet. 9 Siehe, ich gebe aus der Synagoge des Satans von denen, die sagen, sie seien Juden, und sind es nicht, sondern lügen; siehe, ich werde sie zwingen, dass sie kommen und sich niederwerfen werden vor deinen Füßen und erkennen, dass ich dich geliebt habe. 10 Weil du das Wort meines Ausharrens bewahrt hast, werde auch ich dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis kommen wird, um die zu versuchen, die auf der Erde wohnen. 11 Ich komme bald; halte fest, was du hast, damit niemand deine Krone nehme! 12 Wer überwindet, den werde ich zu einer Säule machen in dem Tempel meines Gottes, und er wird nie mehr hinausgehen; und ich werde auf ihn schreiben den Namen meines Gottes und den Namen der Stadt meines Gottes, des neuen Jerusalem, das aus dem Himmel herabkommt von meinem Gott, und meinen neuen Namen. 13 Wer ein Ohr hat, höre, was der Geist den Versammlungen sagt!
Christi Wort und sein Name
Wir haben viel vor uns heute Abend, dem ich in der kurzen Zeit, die ich habe, nur ungenügend gerecht werden kann. Doch gibt es einige herausragende Merkmale zum Stand der Dinge, auf die dieses Sendschreiben Bezug nimmt, das ich vortragen möchte. Ich beabsichtige nicht, in viele Einzelheiten zu gehen, sondern ich werde nur gewisse wichtige Punkte in diesem Vortrag herausstellen.
Dieses Sendschreiben hat einen anderen Charakter als alle vorhergehenden. Der Herr spricht von sich in einer Weise, die sich deutlich von jener unterscheidet, in der Er bisher von sich sprach. Es ist nichts Äußerliches, sondern was Er selbst ist, der Heilige, der Wahrhaftige. Die Art, wie sich der Herr in diesen Sendschreiben vorstellt, stimmt immer überein mit dem Zustand derer, zu denen Er spricht. Es dient der Warnung oder der Ermutigung oder, wie im Fall von Smyrna, beiden: „Der starb und wieder lebendig wurde“, verstärkt durch die Worte: „Sei getreu bis zum Tode, und ich werde dir die Krone des Lebens geben.“ Hier: „Der Heilige und der Wahrhaftige“, das ist eine ernste Mahnung, und doch steckt gewiss auch gesegneter Trost darin.
Dieser persönliche Titel in Verbindung mit dem ganzen Sendschreiben scheint den endgültigen Bruch des Kirchentums anzuzeigen, und ein individueller Wandel wird zur Hauptsache. Heiligkeit und Wahrheit waren selten die Eigenschaften von Körperschaften der Menschen, auch wenn es sich um bekennende Christen handelte. Es dauerte nicht einmal zu Zeiten der Apostel lange, bis einer von ihnen sagen konnte: „Sie suchen alle das Ihre und nicht, was Jesu Christi ist.“ Pfingsten hat sich nie wiederholt. Nachdem wir nun die Entwicklung des Christentums in großen Zügen von Ephesus bis Thyatira verfolgt und gesehen haben, wie Gott die Wahrheit neu gibt, die in den nationalen Systemen des Protestantismus (in Sardes) ausstirbt, finden wir in Philadelphia ein streng auf „den Rest“ konzentriertes Zeugnis; der Heilige und Wahrhaftige spricht von dem, was immer nur Einzelne gekennzeichnet hat und was darum uns als Einzelne zur Reaktion aufruft.
Es ist vergleichsweise einfach, Smyrna, Pergamus, Thyatira oder Sardes nachzuweisen, aber wer ist mit Philadelphia gemeint? Können wir es zu unseren Gunsten damit entscheiden, dass wir zu dieser oder jener Gemeinschaft von Leuten gehören – zu dieser oder jener kirchlichen Gruppierung? Wird nichts weiter als dies gefordert, wenn wir Christi Wort halten und seinen Namen nicht verleugnen sollen? Ich leugne keineswegs, dass die Frage unserer Zugehörigkeiten von ernstester Wichtigkeit ist und ihren berechtigten Platz in Verbindung mit diesen Dingen hat. Sie muss ihren Platz haben und ernst genommen werden, denn wer ein Gefäß der Ehre sein will, muss sich läutern aus den Gefäßen der Unehre; und Christi Wort bestimmt unseren Kirchenplatz ebenso wie alles andere. Aber einen Teil für das Ganze nehmen, wäre ein schwerer Fehler, und sogar, wenn man einem solchen Teil einen Platz gäbe, der ihm nicht zukommt. Es ist daher mehr als zweifelhaft, dass irgendeine Gemeinschaft von Christen insgesamt Philadelphia überhaupt repräsentieren kann. Wollte man dies tun, so müsste ganz sicherlich eine solche Kirche in einem weit besseren Zustand sein, als es die Kirche bereits war, als die Apostel noch auf Erden waren. Nein, je mehr Philadelphia einen Zustand kennzeichnet, der in bemerkenswerter Weise die besondere Zustimmung des Herrn hat, desto mehr gehört es sich für uns, zu prüfen, ob wohl dieser Zustand der unsere sei oder nicht.
Betrachten wir hier ein wenig, was wir in den Hauptzügen vor uns haben. Sie haben nur eine kleine Kraft: Keine sehr großen Werke kennzeichnen sie. Drei Dinge aber zeichnen sie aus, auf die der Herr offensichtlich größten Wert legt. Erstens: „Du hast mein Wort bewahrt.“ Zweitens: „Du hast meinen Namen nicht verleugnet.“ Drittens: „Du hast das Wort meines Ausharrens bewahrt.“ Erstens einmal ist es „mein Wort“ im Gegensatz zu allen anderen. Überall in diesem ganzen Sendschreiben wird, wie nicht zu übersehen, dies „mein“ beachtlich betont, und die Person des Herrn ist überaus wichtig. Es mag uns daran erinnern, wie Er in diesen jüngsten Tagen die Wahrheit über sich selbst hervorgebracht hat. Nicht nur die Wirkung seines Werken, die Kraft seines Blutes, zu reinigen und zu versöhnen, sondern was Er persönlich ist und für uns getan hat. Besonders hat Er uns gelehrt, in das Innere des Allerheiligsten zu schauen, in das Er eingegangen ist, und ihn einfacher und wirklicher als das zu erkennen, was Er ist: wahrer Mensch, ein so wahrer Mensch, wie es keinen besseren gibt, und zugleich Gott über alles, segensreich in Ewigkeit. Ich glaube, niemand kann bezweifeln, der weiß, was Gott schon seit einiger Zeit für uns tut, dadurch dass der Herr Jesus die Augen der Seinen intensiver auf sich gerichtet hat und uns zu mehr vertrautem Umgang ermuntert. Für wie viele unter uns wurde der Gedanke an Christus dort, wo Er jetzt ist, getrübt gerade von der Herrlichkeit der Gottheit, in die Er nach der Vorstellung zurückgekehrt war: dass man kaum mehr an Ihn als einen Menschen überhaupt denken konnte! Und für wie viele hat der Gedanke an einen Menschen – den wahren Menschen direkt in der Herrlichkeit Gottes und dort in Vertretung für sein Volk – Christus fassbar und vertraut werden lassen, dass daraus jetzt all ihre Freude lebt.
Diese sehr lebendig persönliche Art der Ansprache ist ebenso erstaunlich passend für unsre Zeit wie sie zugleich wertvoll und anregend ist. Und ist sich nicht ein weiteres Kennzeichen für die Zeit des Restes? Er, den die Menschen aus der Synagoge warfen, weil er nicht anders konnte als bekennen, dass göttliche Kraft ihm die Augen geöffnet hatte, und weil er den nicht entehren wollte – so wenig er ihn kannte –, in dem sich ihm diese Kraft gezeigt hatte, war kaum ausgestoßen, als er in Jesu Gegenwart die Herrlichkeit des Gottessohnes kennenlernte und seinen Platz unter den Schafen des wahren Hirten fand. Und finden wir nicht in dem Maße, wie wir den Zusammenbruch aller Dinge nachweisen – den Verfall nicht nur der Welt als solcher, sondern auch den religiösen Verfall –, (wenn das wirklich so ist) die Gegenwart des Herrn immer wirklicher, der sich unserer Nöte annimmt? Und dann, da wir dies nachweisen, hat „sein Wort“ seinen entsprechenden Platz bei uns. Sein Wort, weil es seines ist – zweifellos von ihm eigener Süße, doch nicht nur darum: sein Wort im Widerspruch zu allem anderen.
Und, liebe Freunde, wenn wir uns in der heutigen Zeit umsehen, wer von uns kann übersehen, dass es das Wort Gottes ist, das überall besonders gefragt wird. Die beiden großen Parteien heute, die Partei des Aberglaubens einerseits und der Untreue andererseits, wie sehr sie auch gegeneinander in Opposition zu stehen scheinen, vereinen sich doch in dem Bemühen, die Autorität seines Wortes herabzusetzen und wegzunehmen. Gestattet die katholische Kirche etwa den Gewissen, einfach vor Gott zu stehen und in Unterwerfung unter die Schrift? Weit davon entfernt hat man ihre unfehlbare Deutung der Schrift anzunehmen und von sich allein aus überhaupt nicht auf sie zu hören. Und jeder Ritualismus, wie verwässert er auch sein mag, geht in die gleiche Richtung. Die Stimme der Kirche ersetzt Christi Stimme, und die Kirche selbst drängt sich zwischen uns und Ihn: Es muss Abstand gewahrt werden statt der Verbundenheit. Andererseits erlaubt Unglauben (den man dort viel weiter verbreitet findet, wo man ihn am wenigsten erwartet hätte) Gottes Stimme nicht, in ganz realer Weise überhaupt zu uns zu sprechen. Die Religion ist erdgeboren – nicht vom Himmel gezeugt; vielleicht eine Aspiration, aber niemals eine Inspiration –, ein Suchen nach Gott, nicht ein Suchen Gottes nach uns, und ein Suchen, über das jetzt entschieden wurde, dass es eine vergebliche Liebhaberei ist, denn Gott ist der Unfassbare, und schon die Konzeption eines Theismus ist „unvorstellbar“.
Andererseits hat Gott uns in der wundervollsten Weise die Fülle seines Wortes aufgetan. Ich spreche keinesfalls von äußeren Anzeichen, obwohl Gott den Menschen auf jedem selbstgewählten Pfad, auf dem der Mensch Gott zu entfliehen versucht hat, mit diesen konfrontiert hat. Steine schrien in Ägypten und Ziegel in Assyrien. Die exhumierten Grabmäler einer längst vergangenen Vergangenheit verkündigen Ihn als damals lebendig, der noch immer und für immer lebt. Aber ich spreche von dem, worin sein Wort für sich selbst gezeugt hat als dem innersten Heiligtum seiner Gegenwart, in welchem jede Stimme seine Herrlichkeit verkündet. Das Wort, das für den Unglauben so arm und gewöhnlich klingt und ihn nicht anspricht, ist für den Glauben nie so enthüllend gewesen, seit Apostel und Propheten es zuerst sprachen. Christus, der stumm blieb im Gerichtssaal und vor seinen Anklägern, hat sich nie zuvor so den Seinen geoffenbart wie jetzt. So hat ein treuer und wahrer Gott für die Not seines Volkes gesorgt für die kommenden Tage, die nun gekommen sind, da uns nichts anderes mehr bleibt, wenn keine andere Ruhe mehr möglich bleibt, wo wir nicht sein Wort annehmen und darin Ruhe finden können. Ihr versteht damit wohl, welch eine gewaltige Sache es ist, einer zu sein, der sich an Christi Wort hält.
Sagen wir aber hier auch, dass es nicht nur seine Worte sind, sondern sein Wort, sein Wort als ein Ganzes. Es ist allgemein üblich geworden, zu sagen, dass die Bibel Gottes Wort enthält, nicht dass sie es ist. So bleibt es uns überlassen, so gut wir können, uns herauszusuchen, was denn wohl wirklich sein ist aus dem, was vielleicht nur ein Irrtum des Schreibers ist. Damit hört das Wort auf, Vollmacht über uns zu haben; statt dass es uns richtet, werden wir seine Richter. Wir gehorchen ihm, wenn unser Gehorsam mit unseren eigenen Neigungen zusammenfällt, und wenn wir es nicht so sehen, haben wir eine Entschuldigung zur Hand.
Wir erkennen leicht, wie unsinnig und sündhaft dies ist; aber wir müssen bedenken, liebe Freunde, wie wir wirklich insgeheim in dieser Weise handeln könnten, ohne irgendeine wirkliche formale Theorie dafür zu haben. Praktisch machen wir vielleicht unsere Bibel zu einer bloßen Sammlung von Lieblingstexten, und wir beachten jene, die uns nicht zusagen, gar nicht, als wären sie nicht von der gleichen Autorität eingegeben. Gibt es nicht die, die für sehr praktische, hausbackene Vorschriften keine Neigung haben, die ausgezeichnet mit den erhabensten Lehren zurechtkommen? Verstehen wir also ganz klar, dass Christi Wort halten fraglos bedeutet, wenn überhaupt, dann ehrliche Unterordnung unter das ganze Wort: auch unter das, von dem wir nicht abschätzen können, wie wichtig es ist, ebenso wie dort, wo wir es können? Wir nennen nichts gering, was Er anmerkt – gegenüber dem, das gleich wichtig ist, um anderes zu betonen.
Wir müssen auch bedenken, dass unser eigener, entgegengerichteter Wille oft das wirksamste Hindernis für uns ist, Christi Wort wirklich aufzufassen. Wie traurig ist der Gedanke, dass bei den sehr vielen Dingen, in denen wir uns von anderen Christen unterscheiden, diese Widersprüche notwendigerweise für einen sehr großen Teil des Trennenden verantwortlich sind. Des Herrn Worte sind deutlich genug und allgemein anwendbar, dass „wer seinen Willen tun will, der wird von der Lehre wissen, ob sie aus Gott ist“. Wir tun gut daran, vor Ihm zuzugeben, dass unsere Zerwürfnisse von uns selbst zu verantworten sind und nicht von Ihm. Wenn sich aber so viele Abweichungen sogar bei Menschen finden, die wir als wirklich gläubig verehren, sind sie uns zugleich eine bedeutsame Warnung dafür, wie viel Ungöttliches sogar in dem Frömmsten von uns steckt. Können wir denn bezweifeln, dass Er uns recht geführt hätte, wo wir uns wirklich haben führen lassen? Aber wie wenig wirklich vorbehaltloses Sich-führen-Lassen muss vorhanden sein!
Und es lässt sich leicht feststellen, dass es wirklich so ist: dass eine Mehrzahl der Seinen (unwissentlich vielleicht, doch durch eigene Verblendung) in Wirklichkeit mehr seinen „Worten“ folgen als seinem ganzen „Wort“. Ja, viele sind absichtlich bis zu einem Punkt gelangt, wo es sie (wie sie meinen) zu viel kosten würde, weiter zu gehen. Sie erkennen nicht, dass es sie tatsächlich mehr kostet, Ihm einen Kompromiss anzubieten, den Er nicht annehmen kann; dass es sie die Klarheit und Frische ihres Lebens kostet und alles Kommenden, das nur Er kennt. Wie viele versuchen durch Begeisterung für sein Werk dies weit zu machen, und fast überreden sie sich selbst , dass „Gehorsam“ nicht „besser ist als Opfer und Aufmerken als das Fett von Widdern“.
Ich sage noch einmal, dies kann nicht von einer kirchlichen Position aus entschieden werden; wir dürfen da nirgendwo die Linie ziehen; wir dürfen nicht meinen, wir seien diesseits irgendeiner Grenze. Ist unser Blick immer weiter Ihm nach gerichtet, der nicht ruht, bis Er uns dort hat, wo sein Herz bei uns ruhig sein kann? Wie deutlich erkennbar ist es, wenn eine Seele so haltmacht! Obwohl die Arbeit weiter gehen mag und sich das ganze Äußere nicht verändert hat, ist etwas verschwunden, so dass jemand, der in Gemeinschaft mit Gott lebt, sogleich spürt, dass die Gemeinschaft mit diesem Menschen nicht recht möglich ist. Liebe Brüder, wie betrüblich ist es, auf diese Weise die Gemeinschaft untereinander zu verlieren! Aber wenn wir die Gemeinschaft mit Christus verlieren, was soll an diese Stelle treten? Und auch hier geben sich viele, wenn sie sich beurteilen, mit dem zufrieden, was weit unter dem christlichen Maß bleibt. Ihr Maßstab ist nur, was an sich richtig oder falsch ist – ein gesetzliches Maß. Sie beschäftigen sich mit dem, was gut ist, vielleicht dem Evangelium, und halten das für Hingabe, wenn es vielleicht lauter selbstgewählte Beschäftigung und Anbetung des eigenen Willens ist, nicht in Gottes Plan für sie und tatsächlich darauf angelegt (so betrügerisch ist unser Herz), sie vom wahren Gehorsam loszukaufen.
Doch ich muss zum nächsten Punkt hier im Lob des Herrn für die Menschen von Philadelphia kommen. Das Erste ist: „Du hast mein Wort gehalten“; sie sind beispielhaft für den Geist des wahren Gehorsams; und nun folgt: „Du hast meinen Namen nicht verleugnet.“ Die Namen in der Bibel sind von großer Bedeutung. Sie stehen dort nicht, wie heutzutage, weil sie gut klingen oder sich in der Familie vererbt haben. Gott hielt es oft nicht für unwichtig, selbst einzugreifen und einen Namen zu ändern oder zu geben, wie wir uns alle erinnern, und so machte es auch der Herr mit den Jüngern. Es gab einen Grund für den Namen. Er war Ausdruck dessen, was der betreffende Mensch war hauptsächlich oder werden würde wie bei Abraham, Israel, Petrus und ähnlichen; und so war es ganz besonders mit den Namen Gottes oder Christi.
Wenn Gott für Israel den besonderen Namen Jehova annahm, bedeutete das, Er wollte sich ihnen in dieser Eigenschaft erweisen als der unüberwindliche Gott, der „Ich bin“, auf den sie sich verlassen konnten, dass Er seinen Bund halten werde. So ist Christus Immanuel, „Gott mit uns“, und damit diese Prophezeiung sein und als erfüllt bewiesen werden kann, wird Er „Jesus“ genannt, der Erlöser seines Volkes von ihren Sünden. Gott konnte uns nicht nahe sein, wenn nicht unseren Sünden begegnet wurde, und nur eine göttliche Persönlichkeit konnte ihnen begegnen. Erlösung muss von Gott sein, und all das ist ausgesagt in dem Namen „Jesus“. Wiederum ist der Name „Christus“, den jeder kennt, nur die griechische Form des hebräischen „Messias“ und spricht von dem Gesalbten Gottes, der in dreifach notwendiger Weise der Erlöser sein soll: ein Prophet, der aus dem Irrtum führt; ein Priester, der den Weg zu Gott öffnet; ein König, der für Gott regiert.
So ist Christi Name eine bemerkenswert deutliche Deklaration seiner selbst. Und dieser Name mit den Fakten, den er beinhaltet, ist das, was seinen Menschen anvertraut ist, damit sie ihn bewahren und als den seinen festhalten inmitten einer Welt, die Ihn abgelehnt hat. Seinen Namen bekennen heißt damit, seine absolute Göttlichkeit bekennen; seine wahre Menschlichkeit; seine Erlösung seines Volkes; die Tatsache, dass Er ihr einziger und ausreichender Lehrer, Fürsprecher und Herr ist. Das sollen wir von Ihm nicht „bekunden“, sondern „bekennen“, denn die Welt will nicht zugeben, dass Er dies wirklich ist. Ich vergesse nicht, dass die Welt für uns auch jetzt noch das ist, was sich christliche Welt nennt, aber das ändert eigentlich nichts. Sobald sie sieht, dass uns diese Worte etwas bedeuten, dass sie wahrhaft ausdrücken, was Christus uns bedeutet, dann will sie das nicht dulden. Ihr Protest mag mehr oder weniger raubeinig erfolgen je nach Bildung und Alter; es mag der Protest des Liberalismus selbst sein gegen unsere Engstirnigkeit. Nichtsdestoweniger haben wir zu leiden. Christus verlangt immer Bekenntnis. Sein Volk muss nicht befürchten, dass es den altbekannten Leidensweg aufgeben muss, den die Gebete und die Tränen früherer Generationen einer langen Folge seiner Zeugen geweiht hat. Die Welt ändert sich nie wirklich: Unser Weg hindurch, unser Kampf gegen sie kann sich nicht ändern.
Der Namen Christi drückt also aus, was Er ist: Die Wahrheit dessen, was Er ist, wurde uns anvertraut, sie haben wir vor der Welt zu bekennen. Hier ist die große Kontroverse zwischen Gott und dem Menschen in unseren Tagen. Wie es in Israel die Auseinandersetzung zwischen Jehova, dem einen wahren Gott, und den Göttern der Heiden war, und wie Satans Bemühen damals (leider nur zu erfolgreich) war, das Volk Jehovas zu dem sie umgebenden Götzendienst zu verleiten, so stellt sich jetzt die Frage nach dem einen Christus – denn Satans Macht hat viele „Antichristen“ aufstehen lassen.
Die Leute wissen kaum, wie Satan hauptsächlich durch falsche Lehre wirkt. Christus ist die „Wahrheit“; der Geist Christi „der Geist der Wahrheit“; Satan ist der „Lügner von Anfang an“. Durch eine seiner Lügen wurde der Mensch zuerst verführt und fiel in Sünde. Durch die Wahrheit ist er zu Gott zurückgebracht und geheiligt worden. Satan bemüht sich daher, mit Lügen die Kraft der Wahrheit zu zerstören, und seine erfolgreichste Methode ist nicht so sehr das direkte Leugnen als die Pervertierung der Wahrheit. Da er das Menschenherz aus Erfahrung nur allzu lange kennt, weiß er Wahrheit und Irrtum geschickt zu mischen, wobei der Irrtum im Gewand der Wahrheit die Lüste und Leidenschaften reizt und sie auf seine Seite zieht. So verführt Satan als ein Engel des Lichts, und das Christentum, das die Herrschaft Christi bekundet, kann unter diesem Bekenntnis viele Herren anbeten. Seinen Namen nicht verleugnen mag in dieser Weise ein Signal setzen der Zustimmung inmitten des Christentums und noch mehr inmitten des Heidentums.
Wenn wir weiter in die Bibel schauen, in welcher Verbindung wir dort den Namen Christi finden, werden wir bald sehen, dass er verbunden ist mit der ganzen Haltung und dem Wandel des einzelnen Gläubigen sowie mit dem praktischen Zusammenkommen seines Volkes: Dinge, die, immer von besonderer Wichtigkeit und daher verbunden, heutzutage besonders in den Blick gerückt worden sind. Wir sind „gerechtfertigt in dem Namen des Herrn Jesus“; unsere Gebete sollen in seinem Namen gesprochen werden; jeder unserer Werke und Worte soll in seinem Namen geschehen; unsere Zusammenkünfte als Christen sollen „in seinem Namen“ sein. Und diese Dinge können sonst erklärt werden als unsere Einsmachung mit Christus vor Gott, als seine Einsmachung mit uns vor der Welt und die objektive Kraft dessen, was Er für uns ist als Einzelne und kollektiv. Wenn wir kluge Beobachter sind, müssen wir wohl erkennen, dass dies Dinge sind, die in unseren Tagen sehr zur Debatte stehen.
Unsere Rechtfertigung in seinem Namen erfordert die erste dieser Wahrheiten. Es ist unsere Einsmachung mit Ihm vor Gott, die allein unsere Rechtsprechung erlaubt und ermöglicht. Wir sind gerechtfertigt, wie uns die Schrift versichert, „durch sein Blut“, nachdem Er für uns auf dem Kreuz bestanden hat und unter dem gerechten Urteilsspruch über uns gestorben ist. Demnach aber gehört uns nicht nur sein Tod, sondern auch seine Auferstehung von den Toten; wenn „er überantwortet wurde um unserer Verfehlungen willen“, gilt auch, dass Er „auferweckt wurde zu unserer Rechtfertigung“. Sein Tod war der unsere als Sünder vor Gott; wir starben in der Gestalt vollständig, „unser alter Mensch“, alles, was wir als Kinder des gefallenen Adam waren, wurde „mit Christus gekreuzigt“. Seine Auferstehung verkündet die Annahme seines Opfers an unserer statt, verkündet damit unsere Annahme. Unser Platz ist von nun an in Christus vor Gott, gleichgestellt mit dem Einen, der als Mensch einging in die Himmel und sich für sein Volk in der Gegenwart Gottes niederließ.
So konnte der Herr im Hinblick auf das, was mit seinem Werk vollbracht wurde und auf seine bevorstehende Rückkehr zum Vater von dem Gebet in seinem Namen sprechen als etwas Neuem, das nun zum ersten Mal ihr Vorrecht sein sollte, wenn der Geist der Wahrheit gekommen war, um sie in die ganze gesegnete Wirklichkeit ihrer neuen Stellung einzuführen, und sie sollten wissen, dass Er im Vater war und Er in ihnen und sie in Ihm (Joh 14,20). Im Bewusstsein ihrer gnadenreichen Einsmachung mit Ihm in der Höhe sollten sie sich nun erstmals als die so Gleichgestellten dem Vater nähern; und die Erhörung ihrer Gebete, so schwach diese Gebete auch sein mochten, sollte das Zeugnis der göttlichen Zufriedenheit mit Christus und seinem Werk sein. Aber wenn sein Volk so in Christus in der Höhe ist, ist andererseits auch Er in ihnen hier unten; und während die Einsmachung hierin nicht der einzige Gedanke ist (denn Er ist auch in uns als Leben und durch seinen Geist, und das macht uns mächtig für eine solche Stellung), so ist doch auch die Einsmachung klar und gewiss. Wenn Er uns im Himmel vertritt, vertreten wir Ihn auf Erden, und das ist ebenso ein wundervolles Vorrecht wie eine gewaltige Verantwortung. Wir vertreten Ihn vor der Welt: Wir leben sein Leben, gehen seinen Weg, erfahren seine Betrübnis und schmecken auch seine Freuden. Was wir auch tun in Wort und Tat, wir sollen „alles tun in dem Namen des Herrn Jesus“ (Kol 5,17).
Und sind dies nicht Wahrheiten, die Gott in seiner Gnade uns wieder geschenkt hat in diesen Tagen (obwohl von Anfang an in der Schrift und welche großenteils die geistliche Bewegung jener Zeit kennzeichnen)? Geben sie dem Bekenntnis seines Namens nicht neue Bedeutung? Zweifellos ist die Wiederbelebung der „Rechtfertigung durch den Glauben“ so alt wie die Reformation, und sie wurde damals schlicht und kraftvoll herausgestellt. Wir haben Ursache, Gott reichlich dafür zu danken. Doch auch das war sehr verdeckt worden dadurch, dass man sich statt auf Christus auf Erfahrungen und Früchte des Geistes verlassen wollte. Und das hatte der Lehre selbst viel von ihrer Kraft und ihrem Segen genommen. Doch war da etwas, was die Reformation nicht erreichte und was bei der sogenannten gewöhnlichen evangelischen Lehre völlig zu kurz kommt: Es ist diese Einsmachung des Glaubenden mit Christus, der auferstanden und als ein Mensch zu Gott gegangen ist. Sogar die vollständige Menschlichkeit des Herrn als etwas Gegenwärtiges im Himmel ist verschwommen und unklar geworden, und der Auferstehungsaspekt des Evangeliums fehlt in den evangelischen Systemen fast völlig. Sie bleiben bei Christi Tod für uns stehen und gebrauchen dies, um uns als Menschen auf Erden, die noch im Fleisch sind, zu ersetzen. Sie nennen es Mystik, wenn davon gesprochen wird, man sei nicht mehr im Fleisch, gestorben mit Christus, auferstanden und sitzend in Ihm in himmlischen Örtern. Die Gerechtigkeit, die sie unterstellen, ist nur Gesetzesgehorsam, über den nach ihrer Aussage nichts geht und den nach diesem System Adam hätte erfüllen müssen.
Die Folge ist: Wir bleiben in der Welt zurück und sind von ihr, obwohl wir Vergebung erlangt haben und gerechtfertigt sind; wir sollen unseren Platz in der Welt einnehmen und sie verbessern und nicht aus ihr herausgehen. Pilgrime und Fremdlinge sind wir nicht, außer so gezwungenermaßen wie alle Welt – die Zeit treibt uns alle einhellig dem Tod und der Ewigkeit danach entgegen. Besiegelt als Beweis wird die nur mit der überall üblichen Lehre, dass das Gesetz die Richtschnur des christlichen Lebens sei. Dieser Lehre wird äußerstes Gewicht beigemessen. Sie meinen, wer es ablehnt, öffnet der Schuld Tür und Tor und predigt Ausschweifung der wildesten Art. Denn sie haben es gegen die klare und deutliche Erklärung des Apostels festgestellt, dass das Gesetz die Stärke der Heiligkeit ausmacht, statt, wie er feststellt, „die Kraft der Sünde“ zu sein (1Kor 5,56). Das Gesetz, sagen sie, ist „die Niederschrift der Gedanken Gottes“ und darum dem Evangelium gleichzusetzen, nur noch viel wichtiger. Sie halten es für Gotteslästerung, wenn man sagt, man sei „ihm gestorben“ und „von ihm erlöst“, und wenn nicht das, da sich diese Ausdrücke in der Schrift finden, hatten sie entschieden, dass sie sich nur auf das zeremonielle Gesetz bezögen. Aber das „zeremonielle Gesetz“ ist eine theologische Spitzfindigkeit und keine biblische Tatsache. Es findet sich nirgends in der Schrift, sondern ist eine abwegige Erfindung, um seiner klaren Bedeutung zu entgehen. Gerade in dem Kapitel, dem die eben zitierten Ausdrücke entnommen sind, und im direkten Zusammenhang mit diesen wird gesagt, das Gesetz laute: „Lass dich nicht gelüsten“ (Röm 7,7). War dies das zeremonielle Gesetz? War das zeremonielle Gesetz „die Kraft der Sünde“? Meine Behauptung ist jetzt einfach, wenn sie das Gesetz als Regel für das Christenleben beanspruchen, streichen sie damit aus dem christlichen Maßstab alles, was sich nicht im jüdischen findet. Der höhere Rang des Christlichen wird nicht zugegeben, als der irgendeine praktische Wirkung habe. Langes Leben auf Erden wird ihm als Ziel und Zweck vorgestellt. Die himmlische Position wird nicht betrachtet; und Pilgerschaft und Fremdheit werden herausgelassen aus der „Regel“; denn in den Zehn Geboten finden sich diese offenbar nicht.
Wie anders stellt uns der Apostel die Dinge im letzten Kapitel seines Briefes an die Galater vor: „Von mir aber sei es ferne, mich zu rühmen, als nur des Kreuzes unseres Herrn Jesus Christus, durch welchen mit die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt. Denn weder Beschneidung noch Vorhaut ist etwas, sondern eine neue Schöpfung. Und so viele nach dieser Richtschnur wandeln werden Friede über sie und Barmherzigkeit, und über den Israel Gottes.“ Die christliche Richtschnur ist, dass wir wandeln wie Gekreuzigte für die Welt, als neue Kreaturen in Christus – keine Reparatur des Alten.
So lässt, wie ich gesagt habe, der evangelische Glaube den Auferstehungsaspekt am Evangelium fallen und die charakteristischen himmlischen Züge des Christenlebens. Gott ist jedoch eingeschritten, um unsere Aufmerksamkeit wieder auf diese zu lenken. Er richtet unsere Blicke empor zum Himmel, wohin Er uns heimzurufen bereit ist; ach, dass doch unsere Herzen dem Ruf antworten möchten! Bedenkt, dies darf nicht nur eine Theorie für uns bleiben. Es genügt nicht, diesen Platz einzunehmen und das Fleisch zu schonen und dann doch Weltlichkeit zu entwickeln. Es genügt nicht, über das Auferstehungsleben zu reden, ohne ein entsprechendes Bemühen, es zu verstehen und zu leben. Praktische Ergebnisse sind immer die Folge wirklichen Glaubens, und das gilt genau so für den Glauben an jede besondere Wahrheit als auch für den Glauben insgesamt. Der Heilige und Wahrhaftige forscht nach Heiligkeit und Wahrheit.
Da ist noch etwas in Verbindung mit dem Namen Christi, wie wir bereits gesehen haben, und es sei mir gestattet, darüber zu sprechen. Es war der Name Christi, der einmal sein ganzes Volk verband. Kein anderer Namen war unter ihnen bekannt, und als andere Namen aufzutauchen begannen, tadelte die Stimme des Apostel die Unehre, die dem Einen angetan wurde, in den allein sie getauft waren, und der allein ihr Meister war. Jetzt ist leider der Name Christi kein ausreichendes Band der Einheit mehr für sein Volk. Zweifellos sind sie bereit, einer wie der andere, die Verheißung seiner persönlichen Gegenwart, wo zwei oder drei versammelt sind in seinem Namen, für sich zu beanspruchen; doch wenn sie dies nicht nur so hinnehmen würden, sondern einmal versuchten, ihren Anspruch auch durchzusetzen, fänden sie das vielleicht schwieriger als sie denken. Würde sein Name weniger als all die Seinen zusammenführen? Könnte man behaupten, in seinem Namen versammelt zu sein, und (unabhängig von der biblischen Ordnung) sein Volk ausschließen? Wenn sein Name die Wahrheit darüber verkündet, was Er ist, wie wir gesehen haben, dann ist damit alle Falschheit über Christus ausgeschlossen.
Aber aus genau dem gleichen Grunde vereint er alle wahren Bekenner mit ihm. Wenn das, was Er ist, uns vereint, müssen wir alle trennenden und getrennten Bekenntnisse und Glaubensartikel beiseiteschieben und zur einfachen Mitgliedschaft im Leib Christi zurückkehren. Ach, scheint das nun zu große Kühnheit, seine Kirche für Ihn zu beanspruchen? Nun, wir können kaum hoffen, dass sie auf diesen Anspruch eingehen wird, aber Christus hat von Anfang an in seiner Gnade vorgesorgt für den Glauben von zwei oder dreien, falls nicht mehr da wären, die alle Bindungen außer seinem Namen ablehnen. Wenn ihnen nichts anderes bleibt, haben sie die Gewissheit, dass ihr Glaube nicht vergeblich ist – dass wenigstens Er mit ihnen sein wird, dessen Gegenwart die einzig notwendige Sanktionierung und alle Freude ist.
Hier mag man vielleicht einwenden und mich fragen: Will ich damit leugnen, dass Christus mit all seinem Volk ist oder dass der Geist Gottes in allen Denominationen des Christentums wirkt? Und viele werden beharren, wie sie immer wieder beharrlich behauptet hat, dass die Art, wie der Geist Gottes unter diesen wirkt, doch der Beweis für seine Sanktionierung der Gruppierungen ist. Aber das ist eine zu weitgehende Folgerung. Sie liefe darauf hinaus, uns zu überzeugen, dass auch der Katholizismus von Ihm sanktioniert werde. Wer kann leugnen, dass Gott durch jemanden wie Martin Boos wirkte? Er wirkte mit großen Erfolg; und wir können das voll und ganz zugeben und Christi Namen dafür preisen, ohne auch nur daran zu denken, dass seine Liebe und sein Erbarmen, die Er Menschen im päpstlichen Amt erwies, damit das ganze Papsttum sanktioniert! Gott ist souverän in seiner Gnade, und keine Einschränkungen binden oder begrenzen Ihn. Wir freuen uns zu wissen, dass Er sich in einer Welt der Sünder das Recht vorbehält, irgendwo einzuschreiten und zu retten. Die Sünde ist kein Hindernis, wo das Lamm Gottes dafür gelitten hat. Hätte Er alles richtig haben wollen, bevor Er einschritt, wer hätte gerettet werden können? Wenn gesagt wird, die Gnade neige dazu, die Dinge richtigzustellen, wo sie eindringt, antworte ich: Natürlich, jede Seele, die Gott kennt, stimmt dem zu. Doch kommt hier ein Geheimnis dazu (es ist ein Geheimnis, den Gläubigen ebenso wie den Ungläubigen), das Geheimnis des menschlichen Willens – der sogar in den Menschen Gottes es wagt, dem Gehorsam gegen sein Wort Grenzen zu setzen, und der sie dann unter Blumen versteckt als notwendige Schranken und Sicherungen für die Heiligung.
Ich gestehe restlos zu, dass Gottes Geist überall wirkt, und zwar zum Guten; aber leider wirkt auch überall der menschliche Wille. Wir dürfen beide nicht verwechseln. Niemand kann „Gottes Mund“ sein, der nicht mit Jeremia lernt, „das Köstliche vom Gemeinen“ zu trennen. Solche Dinge zu vermengen, ist nicht von Gott; aber vieles, was von Gott ist, ist noch so vermengt. Ja, das Wirken des Geistes Gottes ist so, wie der Herr es vergleicht: wie „der Wind“, der „weht, wo er will, und du hörst sein Sausen, aber du weißt nicht woher er kommt und wohin er geht“. Und Gottes Gnade ist für den größten der Sünder grenzenlose Gnade. Wir dürfen daraus nicht schließen, dass damit auch die Umstände sanktioniert sind, unter denen Er wirkt. Nach Letzteren dürfen wir nicht urteilen, sondern nach dem Wort, das Gott uns zur vollkommenen Führung gegeben hat. Und wir dürfen nicht versuchen, sein Wirken durchschauen zu wollen, denn es übersteigt unsere Möglichkeiten, so zu handeln, wie Er handelt; und wie andere mit Recht gesagt haben: „Er ist der Souverän und wir sind die Knechte“, und der Knecht darf nur tun, was er geheißen wird.
Demnach können wir rückhaltlos einräumen, dass Gott in den Denominationen wirkt, ohne dass wir im Mindesten einräumen, dass Denominationen von Ihm sind oder dass Er mit ihnen als solchen einverstanden ist. Ich habe bereits erklärt, dass ich überzeugt bin, dass Er am Anfang vieler dieser Bekenntnisse mit diesen war – voll und ganz –, und zwar mit jenen, die ihr Gewissen in die Trennung von irgendeinem Bösen zwang, das Gott ihnen als Böses gezeigt hatte. Doch das beweist nichts hinsichtlich der Denomination selbst. Wer könnte auch die ersten Einwände des Apostels dagegen lesen beim ersten Auftauchen dieser Sache in Korinth und noch ehrlich behaupten, Gott sei damit einverstanden? Oder dass Er ihnen nur verboten habe, sich darüber zu streiten, sobald aber aus dem Streit eine Teilung geworden war, wäre alles in Ordnung gewesen? Das hieße einem Baum die Blüten verwehren, obwohl seine Früchte höchst genießbar sind.
Demnach können wir voll und ganz mit Gottes allumfassender Gnade rechnen. Wir können an das ungehinderte Wirken seines gesegneten Geistes glauben und uns dessen freuen. Wir körnen mehr als das tun: Wir können einräumen, dass Christus mit jedem einzelnen Christen ist nach seiner Verheißung, einer Verheißung, die tatsächlich verwirklicht wird entsprechend der Schlichtheit ihres Glaubens an Ihn, eines Glaubens, dessen Frucht sich in den Werken findet, die gewiss aus Ihm hervorgehen. Die Verheißung unseres Herrn ist klar, doch tun wir gut daran, uns die genaue Formulierung ins Gedächtnis zu rufen, da wir gerade daran denken: „Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt; wer aber mich liebt, wird von meinem Vater geliebt werden; und ich werde ihn lieben und mich selbst ihm offenbar machen.“ Und weiter: „Wenn jemand mich liebt, so wird er mein Wort halten, und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen“ (Joh 14,21-25).
Gott bewahre uns davor, diese gesegneten Worte zu leugnen oder sie auf irgendwelche abwegige Weise zu begrenzen oder sie überhaupt zu begrenzen. Die Worte richten sich an den Einzelnen und nur an den Einzelnen, das ist klar. Und es sollte klar sein, dass die Verheißung des Herrn für die zwei oder drei, die sich in seinem Namen versammeln, hierzu eine Ergänzung sind und unabhängig hiervon. Es ist die Weihe nicht für den Einzelstand wie bei Johannes, sondern für die Versammlung, die sich zu Ihm findet; eine Weihe nicht nur in Verbindung mit dem Erhören von Gebet, sondern auch mit dem Binden und Lösen durch die Versammlung – mit gemeinschaftlichem Tun, wie es kein Individuum allein oder eine bloße Gruppierung von Individuen zu tun die Macht hat. Denn auch wenn in einer Versammlung praktisch nur zwei oder drei der Versammelten in seinem Namen zusammengekommen sind, wird sie dadurch doch gehindert, nur eine Clique oder private Partei zu sein, die sich zu persönlichen Zwecken versammelt hat. Ihre Tür muss offen sein für alle, die Christus angehören und sich wahrhaftig zu seinem geheiligten Namen bekennen; und dann kann Er gegenwärtig sein, um Erbauung und Vollmacht zu geben für das, was nicht das Ziel einer Gruppe oder sich absondernden Partei ist, sondern der Seinen, die sich als die Seinen versammeln – soweit ihr Wille und Ziel dies erreichen kann in Einheit mit all den Seinen, die in praktischer Gemeinschaft mit Ihm leben.
Wir dürfen nun den Grund für diese Verheißung sehen und dass sie nicht abwegig ist. Und damit Er auf diese Weise mit uns sein kann, hat Er die Bedingungen dafür, wann eine Versammlung eine Versammlung ist, so niedrig wie nur irgendmöglich angesetzt: „zwei oder drei“ – gelobt sei sein Name! Wir müssen zugeben, das ist wirklich große Gnade in einer Zeit der Schwäche und Uneinigkeit wie der unseren trotz des Anscheins, den sie sich gibt. Und jene brauchen sich auch nicht den geringsten Anschein zu geben, die in dieser Weise in seinem Namen versammelt sind. Sie vor allen anderen sind gerufen, das Verderben zu erkennen, an dem sie verhängnisvollen Anteil gehabt haben, und zuzugehen (was eine beständige Warnung gegen jeden Anschein ist), dass nur ihr beständiges demütiges Festklammern an der Kraft Christi sie auf einem Wege halten kann, von dem man von allem Anfang an immer wieder abgewichen ist.
So viel über das Bekennen des Namens Christi. Merken wir hier, ehe wir zur Betrachtung des dritten Gedankens übergehen, die Bedeutung des Namens Philadelphia, eine Bedeutung, die sich gut anschließt an das, was wir gerade hatten sowohl als Warnung als auch als Ermutigung. Philadelphia bedeutet „brüderliche Liebe“. Nicht nur Zusammengehörigkeit auch nicht von Brüdern, sondern brüderliche Liebe. So soll es bei uns sein: Liebe, wo immer es „Brüder“ gibt, Liebe zu allen Kindern des Vaters als zu seinen Kindern, aber eine Liebe, die darin und nur darin besteht, dass sie sorgsam bewahrt, was dem Vater zukommt. Ich wiederhole nur die Worte des Apostels: „Dies Gebot haben wir von ihm, dass wer Gott liebe, dass der auch seinen Bruder liebe.“ Dann wird die Reichweite und die Begründung dafür uns angegeben: „Jeder, der da glaubt, dass Jesus der Christus ist, ist aus Gott geboren; und jeder, der den liebt, welcher geboren hat, liebt auch den, der aus ihm geboren ist.“ Und dann die Warnung: „Hieran wissen wir, dass wir die Kinder Gottes lieben, wenn wir Gott lieben und seine Gebote halten. Denn dies ist die Liebe Gottes, dass wir seine Gebote halten und seine Gebote sind nicht schwer“ (1Joh 4,21; 5,1.2).
Viele machen den Fehler, dass sie meinen, Liebe sei die Spur, in der wir laufen müssten; stattdessen ist sie die motivierende Kraft, durch welche wir in der Spur laufen. Das Wort Gottes legt den Schienenstrang fest; und dieser ist notwendigerweise fest und schmal im wahrsten Sinn des Wortes. Das Wort selbst sagt uns, dass der Weg ein „schmaler Weg“ ist. Aber Liebe wählt nur diesen Weg und niemals einen anderen. Der Apostel will nicht erlauben, dass wir denken, Liebe sei irgendetwas anderes. Er will nicht erlauben, dass Gefühl ein Beweis dafür ist. Natürlich werden wir sie fühlen – das ist richtig –, aber das ist nicht der Beweis; das Menschenherz ist zu trügerisch, um ihm dies zu erlauben, ob es um Liebe zu unserem Bruder oder zu Gott, unserem Vater, geht. Der Mensch ist emotional fähig, sich beeinflussen zu lassen und auch sich selbst zu beeinflussen bis zu fast jedem Grad. Und er ist fähig zu gefährlicher Selbstüberschätzung gerade in dieser Hinsicht. Ich spreche keineswegs von Heuchelei (obwohl ich nicht sagen will, diese Gefahr bestünde nicht auch), sondern davon, wie Dinge uns machtvoll zu beeinflussen scheinen und doch nur oberflächlich beeinflussen. Diese emotionale Empfindung ist keine Garantie über unseren wahren Zustand, so wenig die Wogen, die der Wind vor sich her gegen eine Meeresströmung treibt, ein Zeichen für den wirklichen Wechsel in der Strömung sind.
Aber Liebe – die am gottähnlichsten ist, wenn sie echt ist – enthält gerade die meisten Imitationen, die nicht von Gott sind. Wenn man all seine Habe den Armen gibt, wenn man seinen Leib hingibt, um Ruhm zu gewinnen, kann das nach Ansicht des Apostel alles ohne Liebe geschehen und darum als Prüfzeichen nicht ausreichend sein. Ich kann ein Kind Gottes lieben, und zwar sehr herzlich, und doch kann ich es aus vielen anderen Gründen lieben und nicht weil es ein Gotteskind ist. Meine Liebe kann rein gesellig sein; was an ihm Christus am ähnlichsten ist, liebe ich vielleicht am wenigsten. Wie wenig finden wir tatsächlich oft, wenn wir die Merkmale nehmen, die der Apostel in 1. Korinther 13 angibt, was der Prüfung standhält: „Liebe sucht nicht das Ihre, sie trägt alles, glaubt alles, hofft alles, erduldet alles“! Wenn wir in 2. Petrus 1 nachlesen, finden wir, dass beim göttlichen Wachstum „brüderliche Liebe“ in der Reihenfolge an ganz anderer Stelle steht, als wir das erwartet hätten. Nach „Glauben“, dem Anfang für alles in uns, steht brüderliche Liebe an sechster Stelle der Stufen zur Vollkommenheit und nur kurz vor der vollen Reife der „Liebe“ selbst. Als Erstes sollen wir unserem Glauben „Tugend“ im römischen Sinne hinzufügen – geistlich angewandten Mut. Denn da der Glaubenswandel gegen die Natur und durch eine feindliche Welt geht, ist sein allererstes Erfordernis nach dem Glauben selbst der „Mut“.
Zu Beginn müssen wir uns entscheiden. Es darf keine Unentschlossenheit geben, keine Halbherzigkeit. Der Gehorsam, den der Apostel Johannes uns als Test für die Liebe nennt, steht ganz am Anfang. Haben wir alle überhaupt diesen ersten Punkt erreicht, von dem allein aus die Position von Philadelphia erreicht werden kann? Sind wir alle durch Gottes Gnade vorbehaltlos in der Selbstunterwerfung unter Ihn, der wirklich unser Meister und Herr ist? Erst danach, nicht davor, kommt „Erkenntnis“, wahre Erkenntnis, die sich nur praktisch erwerben lässt auf dem Wege und im Feld, im Angesicht des Feindes, und Erkenntnis, die sogleich Praxis wird als „Fähigkeit“, Selbstbeherrschung; und „Geduld“ angesichts widriger Umstände; „Beharren“, Festhalten an dem, womit wir begonnen haben: Nicht nur habe ich alles für Schaden geachtet, sondern ich tue es noch.
Dann folgt „Gottseligkeit“. Es zeigen sich die positiveren Früchte. Die Wahrheit wirkt sich auf den aus, der sich darangibt, ihr zu folgen gegen sich selbst, gegen die Welt, gegen Gott und nun als Letztes auch gegen die Brüder. Bedenken wir, wie viel dazugehört, ein Mensch aus Philadelphia zu sein, und wir sehen sofort, dass keine bloße richtige Kirchenzugehörigkeit uns dahin bringen kann. Wir müssen hingebend sein; wir müssen selbstbeherrscht sein; wir müssen beharrlich sein; wir müssen Gott nahe sein: Und dann, wenn diese Punkte erreicht sind, wird die Liebe zu unseren Brüdern in der richtigen Entwicklung begriffen sein und so geartet, dass wir ihr vertrauen können.
Wir brauchen uns nicht zu wundern, wie sehr wir das auch beklagen mögen, dass sich nur sehr wenig von diesem Geist wirklich findet. Aber bloße Erwartung oder Klage hilft da nicht und noch weniger gegenseitige Anklage über diesen Missstand. Wer das tut, verrät sich damit. Das zeigt nur, dass es unserer Liebe noch immer an dem „sie sucht nicht das Ihre“ fehlt. Wenn wir richtig darüber trauerten, müssten wir deswegen mehr mit Gott sein – als Beter, nicht als Ankläger. Und wenn wir dann noch bedenken, dass wir nur haben, was wir empfangen, sollten wir danach trachten, dass Gott seine Liebe den Herzen schenken und offenbaren kann, die Ihn brauchen und sich nach Ihm sehen, weil die Kälte der Herzen untereinander sie Ihm fernhält. Andererseits sollten wir zu unserer Ermutigung feststellen, dass sich aus dem Glauben als Wurzel all diese Früchte entwickeln. In seinen Worten unterstellt dies der Apostel. Da heißt es: „in eurem Glauben die Tugend, in der Tugend die Erkenntnis“, und so weiter. So wachsen Pflanzen, jede neue Knospe entwickelt sich aus dem vorherigen Austrieb. Denn der Glaube, die Wurzel all dieser Dinge, hält fest an Ihm, in dem alle geistlichen Segnungen unser sind, und das geistliche Wachstum entsteht nur durch das, was wir von Ihm erfahren. Und so fügt der Apostel hinzu: „Denn wenn diese Dinge bei euch sind und reichlich vorhanden, so stellen sie euch nicht träge noch fruchtleer hin bezüglich der Erkenntnis unseres Herrn Jesus Christus.“ Das Heilmittel ist nicht trübsinnige Beschäftigung mit sich selbst und nicht das Bemühen, aus uns selbst hervorzuholen, was dort nicht zu finden ist, sondern der festere Rückgriff auf das, was unser ist in Ihm, der für uns vollständiges Genüge und allgenügende Kraft ist. Es ist eine große Sache, zu denen von Philadelphia zu gehören, und es nimmt kaum wunder, dass der Herr unter diesem Namen Menschen beschreibt, die bei all ihrer Schwachheit doch seine besondere Zustimmung finden.
Aber wenn wir uns ein wenig umsehen, entdecken wir hier einerseits eine göttliche Bewegung, welche die Herzen des Volkes Gottes zu einer wirklichen, praktischen „brüderlichen Liebe“ anregt, die aus der „Gottseligkeit“ entspringt. Auf der anderen Seite erkennt man leicht die Nachahmung dieses Ganzen, die darauf abzielt, Christen zusammenzubringen, und sei es auch, dass dabei geopfert wird, was von Gott ist. Auch in der Welt ist Verbündetsein die Tagesparole. „Einigkeit“, heißt es, „macht stark.“ Und überall finden sich Gesellschaften, Vereinigungen, Verbindungen, Verflechtungen jeglicher Art für alle nur möglichen Zwecke. Sie sind natürlich großenteils kommerziell und für all die selbstsüchtigen Zwecke, deren die Welt, die Christus nicht kennt, voll ist. Es sind Bündnisse von Einzelnen, die in ihren Interessen Einzelne bleiben, die nicht das Wohl des anderen, sondern das eigene suchen. Sie sind kein Ausdruck der Liebe und fördern diese auch nicht. Ganz im Gegenteil weiß jede, dass sie umso herzloser sind, je größer sie werden. Sie verstärken nur die Selbstsucht, der sie dienen und für die sie ein weites Betätigungsfeld bereiten.
Hier ist die Bindung keineswegs Brüderlichkeit; doch wer kann leugnen, dass auch das verfasste Christentum großenteils von diesem Geist durchdrungen ist und für vorgeblich christliche Ziele weltliche Mittel in weltlichem Geist angenommen hat? Irren wir uns nicht; verlaufen wir uns nicht in den Gedanken, da die Ziele würdig seien, rechtfertigten sie die Mittel, die zu ihrer Erlangung eingesetzt werden. Steckt nicht schon eine Verstrickung in dem bloßen Gedanken solch großer Kombinationen, um große Ergebnisse zu zeitigen? Werden nicht Mittel allzu leicht mit den Zwecken verwechselt? Fördert Vereinigung nicht ein Bewusstsein der Stärke, und ist sie nicht darauf angelegt, gerade das Gegenteil jener Schwäche zu fördern, die abhängig ist und Gott einbezieht? Stellt nicht das Wirken vor der Öffentlichkeit jene, die sich damit befassen, den Menschen deutlicher vor Augen als Gott, und macht es sie nicht unzufrieden mit den Worten, die der Herr hier an Philadelphia richtet: „Ich weiß deine Werke“? Schließlich, verführt nicht die offenbare Größe des angestrebten Ergebnisses Nachlässigkeit gegenüber dem, was als kleinere Details an Mitteln und Wegen zur Erlangung der Ziele betrachtet wird?
Niemand kann leugnen, dass, während die Sekten offenbar unvermindert zunehmen, gleichzeitig eine deutliche und entschiedene Neigung zur Vereinigung zu allen möglichen den Christen teuren Zwecken vorhanden ist. Missionsgesellschaften, Bibelgesellschaften, Traktatgesellschaften, Sonntagsschulvereinigungen, Christliche Vereine junger Männer und ähnliche übersehen einerseits, was sie andererseits erkennen, und suchen Christen als solche zu vereinen, um Ergebnisse zu erzielen, welche die Trennungen im Protestantismus verhindern. Und in solchen Augenblicken findet sich sehr vieles, worüber man sich herzlich freuen kann. Wer könnte bezweifeln, dass da ein wirkliches Verlangen nach christlicher Gemeinschaft am Werk ist, ein Sehnen nach Freiheit über die künstlichen kirchlich verordneten Grenzen hinaus und ein Verlangen nach größerer und besserer Fruchtbarkeit, als es das Streben der Sekten erlaubt? Wer kann bezweifeln, dass auf diesem Wege der Eifer so manches ernsten Mitarbeiters entfacht wurde und dass viel erreicht wurde und erreicht wird? Intoleranz ist gemildert worden; sektiererische Erbitterung besänftigt; und große Aktivität im evangelistischen Bereich ist besonders angeregt worden, durch welche der Herr zahllose Seelen segnet. Es müsste uns erbärmlich an Einsicht fehlen, wenn wir nicht sähen, und an christlicher Gesinnung, wenn wir uns nicht freuten über derartige Dinge. Und es darf auch nicht als Widerspruch angesehen werden, andererseits die Ergebnisse aufzuzeigen, die zu missbilligen sind, und Tendenzen, die sich rasch entwickeln, wenn die Jahre vergehen, die jedem eine Quelle der Schwierigkeiten, wo nicht der Überraschung, sein müssen, für den „Anwartschaft ist nicht der Himmel, und Predigen ist nicht Christus“; für den die Qualität einer Sache, wie sie der „Heilige und Wahrhaftige“ sieht, wichtiger ist als die Quantität.
Urteilen wir aufrichtig und ernsthaft über das, was mindestens der nahende Tag in seinem wahren Wesen offenbaren wird. Wer wagt es, mit diesem Tag vor Augen, Dinge hastig zu tadeln oder gleichgültig zu übergehen, die der Herrlichkeit und dem Herzen unseres Herrn und Heilandes wichtig sind, jenem Herzen, auf dem (wie die gravierten Edelsteine im Brustschild des Hohenpriesters) die Namen seines geliebten Volkes ruhen, und nicht einer dieser Namen ist vergessen? Wer vor sich sieht, was wir hier haben, den Menschensohn unter den sieben Leuchtern, wird erlöst sein von der Verstrickung, vor anderen Augen als den seinen wirken zu müssen, und sein einziges wahres und von Liebe erfülltes Motiv wird sein, dass er anwendet, „was der Geist den Gemeinden sagt.“
Wir haben einen Blick auf die Kirchen der Reformation geworfen und brauchen kaum zu wiederholen, dass der Nationalismus „den Namen dass du lebest“, überall gibt, wo kein wirkliches Leben ist. Die Disziplin ist hier von der lockersten Art. Nihilismus, Universalismus, Swedenborgianismus, Rationalismus der extremsten Art dürfen sich in einigen dieser Systeme öffentlich manifestieren. „Unkraut und Weizen“, wird gesagt, „sollen gemeinsam wachsen bis zur Ernte.“ – „Judas saß mit am Tisch des Herrn.“ Und so haben sie, wie sie meinen, eine biblische Basis dafür, dass sie nicht „von sich hinaustun die Bösen“ oder „sich reinigen von Gefäßen zur Unehre“.
Was ist, was muss die Folge und Wirkung solcher Laschheit sein? Und wie wirkt es sich aus, wenn man eine große Zahl solcher Leute zusammenbringt, wo auch die schwächsten Bindungen solcher Disziplin gelockert sind und Mitglieder mit dem losesten Zusammenhalt so weit angenommen werden von jenen, die in ihren eigenen Gemeinschaften von strengeren und mehr biblisch fundierten Regeln gelenkt werden? Was kann die Folge anderes sein als das Verderben des Ganzen, ein Durchsetzen mit Sauerteig weltlicher Prinzipien und eindeutig falscher Lehre? Sind die geistlich Gesinnten üblicherweise in diesen großen Körperschaften in der Mehrzahl oder in der Minderheit? Leiten sie die anderen, oder finden sie sich gezwungen, der Führung anderer zu folgen und sich mit dem zu vermengen, was ihrer Meinung und deutlichen Erklärung nach nicht so ist, wie sie es gern hätten, was sie aber doch dulden um der Zugehörigkeit zu einer so großen Maschinerie willen, von der sie meinen, sie sei zum Guten?
Im Allgemeinen muss hinsichtlich der Wahrheit ein Kompromiss geschlossen werden, der jedem in diesen Gruppierungen zu tun verbietet, was Paulus unter den Ephesern für sie getan zu haben behauptet: „Ich habe nicht zurückgehalten, euch den ganzen Ratschluss Gottes zu verkündigen.“ Sie müssen (so weit wie diese Verbindungen gehen) Knechte sein, die durch Verschweigen die Botschaft ihres Meisters bestätigen und gezwungen sind, nicht zu verkündigen, was Er ihnen in den Mund gelegt hat. Ach, dass die lieben Brüder im Herrn sich doch für sich selbst überlegen wollten, wie weit das gehen kann ohne Unehre für den Herrn, der sie zu seinem Eigentum erkauft hat, oder ohne Verlust der wirklichen Kraft dadurch, dass der Geist der Kraft betrübt wird! Und werden nicht unsinnig Mittel an Stelle des Zweckes gesetzt: die Statistik über die Zahl der gemachten Besuche, der verteilten Traktate, der aufgewendeten Arbeit sollen oft Beweis sein für jene Dinge, deren Diener sie nur sein dürfen, wenn sie überhaupt etwas sind? Und wenn Bekehrungen gezählt werden, ist die Sache oft noch trauriger: Bekehrungen werden erwartet als das Ergebnis einer so großen Maschinerie, und sie werden berichtet – ach, wie leichtfertig und gedankenlos – als erfolgreiches Bemühen von Menschen und nicht zur Ehre Gottes!
Bei all dem will ich mich nicht länger aufhalten. Beispiele belegen die Wahrheit alles dessen, und sie fehlen denen nicht, die prüfen wollen, was sie tun, an dem einen vollkommenen Maßstab, auf den wir uns alle berufen, und an dem alles genau gemessen werden wird an jenem kommenden Tag. Bei all dem gebe ich mit Freuden zu, dass unter denen, die des Herrn sind, ein größeres Suchen ist. Doch betone ich, dass Zusammenarbeit ohne die Wahrheit nicht nach Gottes Sinn ist und dass auch menschliche und freiwillige Vereinigungen nicht seine Methode sind. Gottes Kirche – nicht die Vereinigung von Kirchen, sondern die Einheit von Gliedern mit dem lebendigen Haupt – ist seine Vereinigung, und in dieser hat Er ebenso für die Bewahrung seiner Wahrheit als auch für die wahre Freiheit seines Volkes gesorgt. Wenn wir das nicht annehmen, wie können wir Ihn, weil Er gnädig ist, um Segen bitten für die Zwischenlösungen, die wir an die Stelle gesetzt haben? Ist es „Liebe in der Wahrheit“ und „um der Wahrheit willen“, wo die Wahrheit beiseitegeschoben oder Kompromisse geschlossen werden, damit man zusammen sein kann?
Doch wenn wir der Wahrheit folgen, statt uns praktisch zwingen zu lassen zur Vereinigung mit vielen, werden wir dadurch getrennt, isoliert, reduziert zu fast nichts mehr von all dem, was uns jetzt groß erscheinen mag und wertvoll – und wir werden auf einen schmalen Pfad gedrängt, vor dem wir natürlicherweise zurückschrecken. Verheißt uns die Bibel je etwas anderes als den schmalen Pfad? Sind Schwachheit und Nichtigkeit Hindernisse oder Hilfen für unser Vertrauen zu Gott? Schadet es dem Glauben, wenn er geübt wird? Und ist nicht Gottes Macht ebenso fähig durch kleine Mittel und Einzelne zu wirken wie durch Massen und durch gewaltigste Machtinstrumente? Wenn wir nicht der Meinung sind, zeigt es nicht nur an, wie betrüblich wir unser Vertrauen in Mittel und Instrumentarium setzen, statt auf den lebendigen Gott?
Gehen wir nun weiter und betrachten wir noch eine andere Sache an der Haltung dieser Heiligen von Philadelphia, die der Herr mit besonderem Lob hervorhebt: „Weil du das Wort meines Ausharrens bewahrt hast, werde auch ich dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis kommen wir, um die zu versuchen, welche auf der Erde wohnen.“ Und was steht im Zusammenhang damit? „Ich komme bald; halte fest, was du hast, auf dass niemand deine Krone nehme!“ Das haben wir bisher noch nicht gehört. Es ist hier ein Zeichen dafür, wie die Zeit seiner Geduld zu Ende geht. Beachten wir, zum ersten Mal sagt Er hier: „bald“. Jetzt ist es, wie der Apostel im ersten Kapitel sagt: „Das Reich und die Geduld des Herrn Jesus Christus.“ Allmählich wird es „sein Reich und seine Herrlichkeit“ werden! Jetzt ist die Zeit, da Er, obwohl Er schon „alle Gewalt im Himmel und auf Erden“ hat, wartet, um mit seiner Macht das Böse zu unterwerfen, und noch Geduld übt, die der Erlösung dient, für die jeder hier, der durch die Gnade gerettet wurde, ein Beispiel und ein Beweis ist.
Kann es demnach ungewöhnlich sein, wenn wir das Wort seines Ausharrens bewahren sollen? Wenn wir bedenken sollen, was das Räderwerk des Gerichts noch aufhält und die Erfüllung unserer Hoffnung in Christus verzögert? Geduld oder Ausharren ist keine Gleichgültigkeit im Hinblick auf diese Hoffnung, sondern gerade das Gegenteil. Wären wir gleichgültig, könnten wir nicht von Ausharren sprechen oder Geduld erkennen: „Wenn wir aber das hoffen, was wir nicht sehen, so warten wir mit Ausharren.“ Welch ein Glück, wenn wir ermahnt werden müssen, so geduldig zu sein – weil unser Verlangen die unvergleichlich großen und kostbaren Verheißungen ergreift und unsere Seelen mitgerissen werden in dem Strom gen Himmel, den der Glaube nahe vor sich sieht! Brauchen wir uns über eine Ermahnung zur „Geduld“ wundern? Sollten wir uns nicht wundern, wenn unsere Seelen jene kommende Gnade umfangen könnten und die Ermahnung dann nicht nötig hätten? Aber das Wort seines Ausharrens bewahren ist sehr viel mehr als nur unser Geduldigbleiben. Es trennt den Gedanken von der Unterdrückung rein selbstsüchtiger Sehnsüchte und erhebt sie in die Gemeinschaft mit Ihm, dessen Warten und dessen Kommen gleicherweise notwendige Folge sind und die Erscheinung dessen, was Er ist: der göttliche Liebhaber und Heiland der Menschenseelen. Ob Er komme oder warte, es ist Gerechtigkeit, Liebe und Weisheit bei Ihm, die sich vereinigen und offenbaren.
Zwei Dinge werden jetzt denen verheißen, die das Wort seiner Geduld bewahren: erstens, dass Er sie aus der Stunde heraushalten wird – nicht nur aus der Versuchung, sondern aus der Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis kommen wird, um zu versuchen, welche auf der Erde wohnen –, aus dem Gericht über die Welt, das die leblosen Bekenner des Christentums erfassen wird, deren Herzen trotz ihrer Bekenntnisse an irdische Dinge gebunden bleiben; auch aus der Bedrängnis und Sichtung, die dem Gericht des Herrn vorausgehen wird, wenn Er erscheinen wird.
Aber wie sollen sie aus einer Zeit allgemeiner Prüfung herausgehalten werden? Das wird im der zweiten Verheißung verraten: „Ich komme bald.“ Sein Kommen wird seine Heiligen in seine Sicherheit sammeln, weit weg vom Atem des Sturmes, der mit Ihm kommt. Sie werden mit Ihm sein, auferweckt oder verwandelt, aufgenommen in seine gesegnete Gegenwart, ehe die Versuchung kommt; und wenn Ihn die Welt wiederkommen sieht in den Wolken des Himmels, wird es keinen Heiligen der Gegenwart geben, der nicht dort bei Ihm sein wird. „Wenn er kommen wird, um an jenem Tage verherrlicht zu werden in seinen Heiligen und bewundert in allen denen, die geglaubt haben“ (2Thes 1,10).
Und nun lasst mich fragen: Wenn diese Verlautbarung über das baldige Kommen des Herrn die Zeit von Philadelphia kennzeichnet, wer kann für einen Augenblick auch nur bezweifeln, dass da ein Zusammenwirken besteht mit dem Ruf, der seit einem halben Jahrhundert die Herzen der Christen überall bewegt? Nichts ist gewisser, ob zu Recht oder zu Unrecht, als dass weit und breit die Hoffnung auf das Kommen des Herrn wiederbelebt worden ist, zusammen mit dem Eindruck, dass sie bald bevorsteht. Selbst die Daten, die immer wieder zuversichtlich dafür festgelegt wurden, zeigen zwar auf der einen Seite die Fehlerhaftigkeit prophetischer Deutung, andererseits aber nicht weniger deutlich die allgemeine Erwartung. Während es immer eine große Gruppe gegeben hat, die wenig von diesen Vorausberechnungen gehalten hat, sind doch auch diese zutiefst davon überzeugt gewesen, dass die Zeit nahe herbeigekommen ist. Und ist dies etwas anderes als in sich schon ein Zeichen für die tatsächliche Nähe übereinstimmend mit der Verheißung im Sendschreiben an Philadelphia? Hat nicht der Herr zu ihnen gesagt: „Ich komme bald“? Es ist zweifellos nicht schwer, sich an Fehlern festzubeißen, die heiße Herzen oder begeisterte Gemüter machen, und so die Wahrheit in Misskredit zu bringen; aber die Bibel, die uns sagt, wir können weder Zeit noch Stunde wissen, bestärkt den Glauben derer, die „einander ermuntern, und das umso mehr, je mehr ihr den Tag herannahen seht“. Halten wir es fest und halten wir es rein: frei von den Irrtümern, mit denen Satan es zu belasten und damit abzuwerten sucht, frei von den Fehlern der Unwissenheit und des Fanatismus, aber auch von der Kälte und Gleichgültigkeit von Herzen, die kaum auf die Worte unseres Herrn hier reagieren.
Ich muss hier schließen, obwohl noch sehr viel mehr in diesem Sendschreiben steckt. Ich muss eurer eigenen Meditation die süßen Ermutigungen und Verheißungen für den Überwinder anheimstellen, die, wie oft bemerkt wird, den Glaubenden mit dem, der ihn anspricht, verbinden. Mögen wir fähig sein, sie zu erfassen. Sie sind unser, dass wir sie glauben und uns ihrer freuen: für den Glauben, der nicht nur „die Welt überwindet“, sondern jetzt schon in der bekennenden Kirche überwunden hat. „Wer überwindet, den werde ich zu einer Säule machen in dem Tempel meines Gottes, und er wird nie mehr hinausgehen; und ich werde auf ihn schreiben den Namen meines Gottes und den Namen der Stadt meines Gottes, des neuen Jerusalem, das aus dem Himmel herniederkommt von meinem Gott, und meinen neuen Namen.“
„Wer ein Ohr hat, höre was der Geist den Versammlungen sagt!“ (Off 3,13).
Originaltitel: „Lecture 7. Christ’s Word and His Name“
aus The Prophetic History of the Church or, „Some evils which afflict Christendom and their remedy, as depicted by the Lord’s own words to the seven churches“