Dispensationalistische oder bundestheologische Sicht? (7)
Hosea 2; 3; 6

Willem Johannes Ouweneel

© SoundWords, online seit: 28.09.2005, aktualisiert: 11.12.2020

Anmerkung der Redaktion
Innerhalb dieses Artikels werden für die theologischen Denkrichtungen Abkürzungen benutzt. So bedeutet:
(E bzw. G) D: Anhänger des Dispensationalismus
(E bzw. G) B: Anhänger der Bundestheologie
Um innerhalb dieser beiden Gruppen noch zwischen extremen und gemäßigten zu unterscheiden wird manchmal noch ein E für extrem, oder ein G für gemäßigt davorgestellt.

Leitverse: Hosea 2; 3 ;6

Hosea 2

Unter dem Bild einer untreuen Ehefrau, die durch ihren Mann wieder in Gnade angenommen wird, beschreibt der Prophet hier das Thema, das uns mittlerweile vertraut ist: Das Volk, das dem Herrn untreu geworden ist und von ihm abgewichen ist, dieses Volk wird einmal durch ihn wieder in Gnade angenommen. Was auch immer die gegenwärtige Kirche sein mag, was auch ihre Position in der Heilsgeschichte sein mag, es ändert doch nichts daran, dass Gott dasselbe untreue Volk von früher einmal wieder annimmt.

Vergleiche hierzu besonders Jesaja 54,4:

  • Jes 54,4-8: Fürchte dich nicht, denn du wirst nicht beschämt werden, und schäme dich nicht, denn du wirst nicht zuschanden werden; sondern du wirst der Schmach deiner Jugend vergessen und der Schande deiner Witwenschaft nicht mehr gedenken. Denn der dich gemacht hat, ist dein Mann, der HERR der Heerscharen ist sein Name, und der Heilige Israels ist dein Erlöser: Er wird der Gott der ganzen Erde genannt werden. Denn wie eine verlassene und im Geiste betrübte Frau ruft dich der HERR, und wie eine Frau der Jugend, wenn sie verstoßen ist, spricht dein Gott. Einen kleinen Augenblick habe ich dich verlassen, aber mit großem Erbarmen will ich dich sammeln; im Zorneserguss habe ich einen Augenblick mein Angesicht vor dir verborgen, aber mit ewiger Güte werde ich mich deiner erbarmen, spricht der HERR, dein Erlöser.

Auch hier genauso wie in Hosea 2 macht es der eschatologische Rahmen, worin die Prophezeiung steht, unmöglich, sie auf die Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft zu beschränken.

Ich möchte hier gerne ein typologisches Bild benutzen, das keine Beweiskraft hat, aber doch wohl eine schöne Illustration bietet. Für D ist es kein Problem, in den zwei Frauen von Jakob, Rahel und Lea, Vorbilder zu sehen von den zwei Völkern Gottes: Rahel ist dann ein Bild von dem Überrest Israels, der einmal wieder angenommen wird, und Lea ist ein Bild von der Gemeinde aus (hauptsächlich) den Nationen. Der Herr Jesus kam, um sich Israel als Braut zu erwerben (vergleiche Mt 9,15; 15,24; Röm 15,8), aber er bekam die Gemeinde, so wie Jakob Rahel suchte und Lea bekam. Aber schließlich wird auch Israel die Braut des Messias, so wie Jakob letztendlich auch Rahel bekam. Ob du das nun für eine akzeptable Typologie hältst, darauf kommt es jetzt nicht an. Ich verweise hier allein darauf als Illustration, um deutlich zu machen, was meines Erachtens EB hier macht: Man lässt die Verheißungen, die Gott an Rahel gegeben hat, in Erfüllung gehen an Lea und meint dann, dass dies der Sinn der Prophezeiung ist. Die eine ist die untreue Frau, die durch ihren Mann verstoßen wird; aber nach einer Zeit will der Mann ihr Vergebung schenken und sie wieder annehmen, und … bringt dieses Vorhaben zur Ausführung, dadurch dass er sich eine andere Frau nimmt! Was EB hier tut, ist meines Erachtens vergleichbar mit dem, was Laban tat: Er verwechselte Rahel und Lea. Was Rahel hätte bekommen sollen, wird Lea zugerechnet. Wenn wir auch meinen, dass die Prophezeiung auf Israel Bezug hat, dann lass nur EB anfangen, und … „siehe, es war Lea“ (1Mo 29,25).

Nun weiß ich natürlich ganz genau, was EB hierauf antworten wird: „Es ist überhaupt keine Rede von zwei Frauen, sondern vielmehr nur von einer Frau. Wenn die Prophezeiungen in der Kirche erfüllt werden, dann werden sie an ,Israel‘, an Gottes Volk erfüllt, denn es gibt nur ein Volk Gottes.“ Genau hier scheint wieder der Kern des Problems zu liegen: Ist in der Bibel die Rede von einem Volk oder von zwei Völkern Gottes? Wenn es nun bloß ein Volk Gottes in der Bibel gibt und die neutestamentliche Kirche von heute das Volk Gottes ist, was bleibt dann übrig für die Masse des jüdischen Volkes? Wird die verstoßene Frau dann nicht mehr angenommen werden? Wird das vertriebene Volk dann nicht mehr zurückkehren in sein Land? Welche Juden, die nun jahrhundertelang mit ihren Vätern geschmachtet haben nach dem Ehemann, der einmal die verlassene Frau wieder in seine Arme schließen wird – und dann nirgendwo sonst als in der altbekannten „ehelichen Wohnung“: das verheißene Land und der Tempel in Jerusalem! –, werden begreifen können, dass dieses schon alles „geistlicherweise“ erfüllt ist an „Lea“?

Hosea 3 und 6

Auch hier wieder dasselbe Thema: das Volk, das nun schon so viele Jahrhunderte keinen König oder Fürsten mehr hatte und keinen Opferdienst, dasselbe Volk wird sich einmal „bekehren und den Herrn ihren Gott suchen, und David ihren König, und zitternd werden sie zu dem Herrn kommen und zu seiner Rettung – in den Tagen der Zukunft“ (Hos 3,4.5). Dann wird das Volk sagen: „Kommt und lasst uns zu Jahwe umkehren; denn er hat zerrissen und wird uns heilen, er hat geschlagen und wird uns verbinden. Er wird uns nach zwei Tagen wieder beleben, am dritten Tage uns aufrichten; und so werden wir vor seinem Angesicht leben“ (Hos 6,1.2). Vielleicht können wir hier daran denken, dass Israel nach zwei „Tagen“, das ist nach zweitausendjähriger Gefangenschaft, einen dritten „Tag“, das ist das Tausendjährige Friedensreich von Segen und Wiederherstellung erleben wird. Aber darauf lege ich nicht besonderen Wert. Worum es geht, ist, dass das alte, verwundete und geschlagene Volk Israel einmal zu dem Herrn zurückkehren, geheilt und verbunden und neues Leben empfangen wird. Das ist eine Wiederherstellung des ganzen Volkes, nicht einer Handvoll Juden, die der Kirche beigetreten sind. Es geht um die Wiederherstellung des Volkes in der Endzeit, nicht bloß um die Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft. Das wird noch ganz besonders deutlich in Hosea 14,2-9, wo die endgültige Wiederherstellung Israels gezeichnet wird.

Siehe Graphik [Klick aufs Bild]

Vorheriger Teil


Übersetzt aus Israël en de Kerk, oftewel: Eén of twee volken van God? Confrontatie van de verbondsleer en de bedelingenleer, Vaassen (Medema) 1991

Weitere Artikel des Autors Willem Johannes Ouweneel (65)


Hinweis der Redaktion:

Die SoundWords-Redaktion ist für die Veröffentlichung des obenstehenden Artikels verantwortlich. Sie ist dadurch nicht notwendigerweise mit allen geäußerten Gedanken des Autors einverstanden (ausgenommen natürlich Artikel der Redaktion) noch möchte sie auf alle Gedanken und Praktiken verweisen, die der Autor an anderer Stelle vertritt. „Prüft aber alles, das Gute haltet fest“ (1Thes 5,21). – Siehe auch „In eigener Sache ...

Bibeltexte im Artikel anzeigen