Mythos Wissenschaft (3)
Die Psychologie auf dem Prüfstand

Willem Johannes Ouweneel

© CLV, online seit: 30.01.2005, aktualisiert: 03.06.2020

Psychologie

Warum war ich so an der Psychologie interessiert? Nun, ganz einfach, die Psychologie ist Mensch-Wissenschaft, ja, das ist doch genau das, was ich will, ich möchte etwas vom Menschen verstehen, ich möchte den Menschen ergründen. Und da gibt es in dieser wunderbaren Zeit in der Wissenschaft eine Mensch-Wissenschaft. Es gibt viele Mensch-Wissenschaften, aber es gibt eine ganz besondere. Wenn es eine Wissenschaft gibt, die mir etwas über den Menschen aussagen kann, dann muss es die Psychologie sein. Und da habe ich mich in diese Psychologie vertieft. Aber welch eine Enttäuschung! Erstens, die Geschichte der Psychologie ist ganz klar und übersichtlich, ich kenne keine Wissenschaft, wo man so genau sagen kann, wo sie angefangen hat und wann. 1875 in Leipzig. Eindeutig. Als Wilhelm Wund Professor der Philosophie wurde und dabei verlangte, dass man ihm ein psychologisches Labor baute. Und dann 1879 kam der erste psychologische Student. Da fing die Psychologie an.

Aber ich entdeckte etwas Erschütterndes, etwas wirklich Enttäuschendes. Wilhelm Wund war durch und durch Darwinist. Aus Amerika kam zu ihm der berühmte Philosoph William James und er ging zurück und baute die Psychologie in Amerika auf an der Harvard-University, durch und durch Darwinist. In Wien ging Sigmund Freud seine eigenen Wege, ganz anders, aber eines hatten alle gemeinsam, durch und durch waren sie Darwinisten. Und in Amerika ging John B. Watson einen ganz anderen Weg, den der Verhaltens-Psychologie, ein ganz neuer Weg. Aber eines hatten sie alle gemeinsam, sie waren durch und durch Darwinisten. Alle versuchten die psychischen Merkmale des Menschen aus seinen tierischen Ursprüngen zu erklären. Ja, wenn man von einem Mythos her anfängt, dann wird es lange dauern, bis man die Wahrheit entdeckt. Und ich muss sagen, wirklich ganz deutlich sagen, die Psychologen selbst haben eingesehen, dass es so nicht ging.

Und so ging es mit den Biologen auch. Es sind nicht die Auswärtigen gewesen, die gesagt haben, da stimmt etwas nicht, die Biologen selbst haben nach 1980 entdeckt, dass mit dem Neo-Darwinismus etwas nicht stimmte. Es waren immer die Leute selbst. Es gibt ehrliche Leute, auch der größte Feind Gottes hat noch irgendeine gewisse Ehrlichkeit gegenüber sich selbst. So wie der Herr Jesus zeigt, als Er mit diesem jungen Mann in Berührung kam, der so gerne auch das Reich Gottes kennenlernen wollte, aber der es nicht schaffte, der keine Änderung erfahren, der seine innerlichen Hindernisse nicht überwinden konnte. Da heißt es in der Schrift, dass der Herr Jesus ihn lieb gewann, weil er aufrichtig und ehrlich war. Es gibt viele ehrliche und aufrichtige Wissenschaftler, ich kenne manche, die ehrlicher sind als manche Christen, die ich kenne. Das sage ich ihnen offen. Ich habe ja nicht vor, Christen zu verherrlichen, sondern Christus.

Also sind es die Psychologen selbst, die ganz zögernd und allmählich gelernt haben, dass doch da irgendwie etwas mehr mit dem Menschen los ist, als nur das, was Freud ans Licht gebracht hat. Der sagte, dass der Mensch von ganz unbewussten Kräften und von seinen unbekannten Jugend-Konflikten beherrscht wird. John B. Watson machte es noch schöner, der Mensch als Roboter, als Maschine, die ganz aus „Stimulus respons“ zu erklären ist, also, wo man auf die Knöpfe drückt; der Mensch, der ganz von mechanischen Mustern zu erklären ist. Was bedeutet das nun, was interessiert sie das? Was hat das mit unserem Thema zu tun? Dieses: Es gibt keinen Mann im 20. Jahrhundert, der so dazu beigetragen hat, dass der moderne Mensch nichts mehr weiß von Schuld und von Verantwortung als dieser Mann: Sigmund Freud. Viele andere haben auch dazu beigetragen, aber er am meisten. Der Mensch hat doch keine Schuld, seine Eltern haben Schuld, die Gesellschaft hat Schuld, seine Jugendkonflikte sind schuld, die unbewussten Faktoren, die er nicht beherrschen kann, sind schuld, aber er nicht.

Früher, wenn man Schuld hatte, dann ging man zu einem, der Gott kannte, der die Bibel kannte, Evangelist oder Pfarrer wurde er genannt oder Seelsorger. Und diese Person konnte dann solch einer Person den Weg des Heils erklären. Heutzutage braucht man das nicht mehr, heutzutage geht man zu einem Therapeuten. Ich weiß ja von „Theramis“, der Ausdruck ist eingebürgert, ich brauche den Ausdruck nicht zu erklären, aber dahinter steckt ein gewisser Gedankengang. Therapeut bedeutet buchstäblich aus dem griechischen Wort heraus „Heiler“, er heilt. Freud sagt, du hast keine Schuld, du hast nur ein Schuldgefühl, einen Schuldkomplex. Früher brauchte man für diese Schuld Vergebung, heute hast du nur noch einen Schuldkomplex und du brauchst Heilung.

Es ist, wie wenn es klingelt. Diese Woche hatte ich es in meinem Auto. Da fing es plötzlich an zu klingeln. Ich wusste gar nicht, dass der Passat das konnte, aber es klingelte in meinem Passat, weil ich kein Öl mehr hatte. Die deutsche Gründlichkeit hatte dafür gesorgt, dass ich sofort aufmerksam wurde und das Problem rechtzeitig gelöst werden konnte, bevor der Motor kaputt ging. Es klingelte und jetzt sagen manche Leute, es ist etwas mit meinem Auto los. Ja, was ist denn mit meinem Auto los? Es macht Lärm, was soll ich nun machen, ich mache die Klingel kaputt und alles ist gelöst. So macht der moderne Mensch das, er hat Kopfschmerzen und was nimmt er? Er nimmt eine Tablette, er macht die Klingel kaputt. Die Kopfschmerzen weisen natürlich auf gewisse Probleme hin, zu wenig geschlafen oder ich weiß nicht was. Aber wir haben alle gelernt, wenn wir eine Tablette nehmen, dann geht das weg, dann ist das gelöst. Es ist aber nicht gelöst, wir haben nur den Alarm ausgemacht.

Nun, bei Tabletten ist das nicht so schlimm, ich nutze das auch, sonst kann ich manchmal keinen Vortrag halten. Aber wenn wir das auch mit Schuldgefühlen tun, dann ist das etwas anderes. Wir haben jetzt den Therapeuten, ich meine jetzt nicht den guten, gläubigen Therapeuten, sondern ich spreche von solchen, die nur den Alarm abschalten. Die sagen, du hast einen Schuldkomplex, ich heile den schon und sie reden so lange, bis du das Schuldgefühl nicht mehr hast. Doch die Schuld hast du noch. Aber für den modernen Menschen gibt es doch keine Schuld mehr. Warum gibt es keine Schuld mehr? Schuld setzt voraus, dass es jemanden gibt, der dich verantwortlich macht, der dich zur Verantwortung ruft und der dir sagt: es stimmt etwas nicht mit dir, komm hierher und lege Verantwortung ab, über das, was du bist und über das, was du getan hast. Das ist Schuld. Heute gibt es nur noch Schuldgefühl.

Nun, ich bin dankbar, dass es christliche Therapeuten gibt, denn es gibt zwei große Probleme in dieser Beziehung. Es gibt solche Therapeuten, die nach dieser modernen mythologischen Psychologie arbeiten. Das ist Mythologie, zu sagen, wir haben nur Schuldkomplexe und weiter ist nichts los, es ist Mythologie, dass wir so naiv reagieren, den Alarm abstellen und damit denken, das Problem gelöst zu haben. Das ist moderne Mythologie, psychologische Mythologie. Nun, viele Christen haben das verstanden, doch die machen den umgekehrten Fehler. Sie sagen von den Psychotherapeuten, die helfen uns nicht, es ist also Unsinn, die brauchen wir nicht und sie sehen dann nicht, dass es echte pathologische Schuldgefühle und Schuldkomplexe gibt. Das übersehen sie, sie gehen ins andere Extrem. Nein, ich freue mich, dass es christliche, dass es gläubige Psychotherapeuten gibt, die echte Schuldgefühle von pathologischen Schuldgefühlen unterscheiden können. Denn wenn wir das nicht tun, wenn wir das nicht können, dann können wir solchen Menschen gar keine Hilfe sein, weil wir das psychologische Problem bei ihnen überhaupt nicht erkennen. Und dann helfen wir ihnen nicht, dann helfen wir ihnen nur in die falsche Richtung. Nein, wir müssen da schon unterscheiden. Aber pathologische Schuldgefühle sind eine Ausnahme, die meisten Menschen, die Schuldgefühle haben, haben sie, weil sie schuldig sind.

Sehen Sie die moderne Mythologie? Es darf keinen Gott mehr geben, der uns verantwortlich stellt, es darf auch keinen Menschen mehr geben, der nach dem Bilde dieses Gottes erschaffen ist, der nach diesem Gott auf der Suche ist. Das ist der religiöse Instinkt, den er in sich hat. Es darf keinen Menschen mehr geben, der sich sehnt, den Grund seiner Existenz, seines Lebens, den Grund dieser ganzen Wirklichkeit kennenzulernen. Der Mensch darf es nicht mehr wissen, dass die Hauptursache dafür, dass er diesen Grund so schwerlich findet, seine Schuld ist. Die Bibel sagt uns in Jesaja 59,2: Es sind deine Sünden, die Trennung verursachen zwischen Gott und dir. – Das ist der Grund, warum so viele Menschen Mühe haben, Gott zu erreichen. Sie möchten Gott zwar kennenlernen, aber sie möchten sich nicht vor diesem Gott beugen und ihre Schuld nicht zugeben. Sie wollen ihre Schuld nicht kennenlernen. Sie wollen den Kaiser kennenlernen, sind aber nicht bereit, ihn zu grüßen, wie es sich geziemt, sich vor ihm zu beugen. Sie möchten ihm gern die Hand geben und so als Männer mal miteinander ein bisschen reden, aber das ist von vornherein unmöglich. Man kann nicht mit Gott reden und sagen, ich habe mal von dir gehört, es ist interessant, ich möchte mal deine Bekanntschaft machen.

Ich war vor kurzem bei einem Vortrag, da hat man auch über Gott gesprochen: Ich möchte dich mal kennenlernen, wie du bist und so, mal sehen, ob es interessant ist, diese Bekanntschaft zu vertiefen. – Aber so geht das nicht. Wir reden ja nicht über den Kaiser, wir reden über den Gott, der alles geschaffen hat, den Himmel und die Erde und alle Menschen, alle Tiere und alle Pflanzen, der Schöpfer des Himmels und der Erde, vor dem man sich nur niederwerfen kann. Aber das ist das Problem des modernen Menschen. Die meisten Menschen, die Christen werden, werden das, wenn sie ganz jung sind. Es gibt Ausnahmen, vor kurzem hörte ich von einem Mann, der war 84 Jahre alt und wurde Christ. Das ist ein Wunder, unglaublich, jede Bekehrung ist ein Wunder, aber wenn ein Mann schon 84 Jahre alt geworden ist und dann sagt, mein ganzes Leben, das war daneben, das ist ein Fehlversuch gewesen, jetzt habe ich mich endlich vor diesem Gott gebeugt, das ist ein besonderes Wunder. Denn je größer der Mensch wird, durch seine Karriere, seine Laufbahn, seinen Beruf, durch den Ruf, den er hat, alles was er aufbaut, umso schwieriger ist es, wieder herunter zu kommen. Je höher man steigt, desto schwieriger ist es herunter, wenn man einmal zwei, drei Titel hat, kann man sich dann noch vor Gott beugen?

Ich bin froh, dass Gott mich bei meinem Kragen gefasst hat, als ich noch ein ganz kleiner Junge war, sonst weiß ich, menschlicherweise gesprochen, nicht, ob Gott es noch geschafft hätte. Darf ich das mal so mit Ehrfurcht sagen? Gott schafft es immer, natürlich. Er konnte auch den Paulus, der ein gewaltiger Gelehrter war, mit einem Schlag zur Einsicht bringen. Gott machte ihn blind und dadurch gingen ihm seine Augen auf. Das finde ich so schön bei Gott, drei Tage war er blind und in diesen drei Tagen gingen seine Augen auf und er sah zum ersten Mal. Das ist wunderbar, das ist Gott. Aber die heutige Mythologie hält uns gefangen und stellt den Menschen ganz hoch, als Höhepunkt der Evolution. Zur gleichen Zeit, so wie die Mythologie den Menschen ganz, ganz hoch stellt, stellt sie ihn ganz klein, er ist nur ein Rad in der großen Weltmaschine, er ist nur ein Flocken auf dem Weltenmeer, er ist nur so ein Körnchen im Weltozean, ohne Bedeutung. Die Evolution macht dich zu einem Nichts. Lass dir nichts vormachen! In den Milliarden von Jahren bist du nur so ein kleines Körnchen in der Ewigkeit, ein Nichts.

Ich habe gesagt, das Christentum macht den Menschen klein vor Gott, ja, aber zur gleichen Zeit macht es ihn ganz groß. Freud würde natürlich sagen, darum ist er gerade ein Christ, denn dadurch kann er sich selbst aufrechterhalten. Das ist das Problem mit solchen Psychologen, die haben natürlich für alles eine Erklärung. In der Wissenschaftslehre sagen wir, eine Theorie, die alles erklärt, erklärt einfach nichts. Freudianismus ist nun typisch eine Theorie, die alles erklären kann, deshalb erklärt sie nichts. Gut, aber einmal davon abgesehen, was Freud von mir sagen würde; das Christentum, die Schrift, die glaubwürdige Bibel sagt mir dieses: Du bist schuldig und das viele Male. Du hast dich schuldig gemacht, du hast in deinem Leben nie nach Gott gefragt, du hast noch nie etwas getan einfach aus Liebe zu Ihm, du hast noch nie etwas getan aus Gehorsam zu Ihm, deshalb bist du schuldig. Ob du das nun annimmst oder nicht, du bist nur ein Geschöpf, ich habe dich gemacht, ich habe ein Anrecht auf dein Leben, du hast dich schuldig gemacht, aber du bist nicht ein Nichts.

Der größte Sünder ist nach dem Bilde Gottes geschaffen, ist kein veredeltes Tier. Gott sagt das nicht zu ihm, Gott sagt zu ihm, du bist für mich wertvoll. Der Glaube macht mich wertvoll, Gott macht mich wertvoll, der Schöpfer sagt von mir, du bist ein Sünder und das Problem müssen wir lösen, damit wirst du fertig werden müssen, aber du bist nicht ein Nichts. Und das sind nicht nur schöne Worte. Wir sagen manchmal auch aus Höflichkeit, ja, Sie sind mir ganz wichtig, aber in Wirklichkeit denken wir bei uns selbst, wie kann ich diesen Menschen loswerden. Aber Gott tut das nicht, Gott spricht nicht nur schöne Reden und schöne Sprache, Gott hat es bewiesen.

Wie kann ein Mensch, wie kann überhaupt jemand beweisen, dass er es ernst mit jemandem meint? Das kann man daran abmessen, was er für den anderen übrighat, das ist ganz einfach. Wie viel Zeit habe ich für den anderen übrig, wie viel Aufmerksamkeit, wie viel Energie, aber auch wie viel Geld, welche Opfer bin ich bereit, für einen anderen Menschen zu bezahlen? Opfer, haben Sie jemals ein Opfer gebracht, darf ich das mal fragen? Vielleicht haben Sie mal irgendwo 100 DM gegeben, 1000 DM vielleicht, aber das fragte ich nicht. Haben Sie mal ein Opfer gebracht? Ein Opfer bedeutet, dass es weh getan hat und den meisten Deutschen tut es nicht weh, wenn sie mal 1000 DM verschenken. Haben Sie mal ein Opfer gebracht, etwas das weh tut, das so weh tut, dass Sie nicht wissen, wie Sie jetzt weiterkommen nach diesem gewaltigen Opfer, das Sie gebracht haben? Opfer? Wer würde denn bereit sein, ein Kind zu opfern für einen Mitmenschen, ein eigenes Kind in den Tod zu geben für einen Mitmenschen?

Das ist ein Opfer, da rede ich nicht mehr über Zeit, über Geld, da rede ich über ein echtes Opfer. Das ist das, was Gott getan hat, das ist jedenfalls das, was die Bibel mir sagt. Gott sagt uns durch die Bibel, dass Er für verlorene Menschen Seinen Sohn in den Tod gegeben hat, damit sie leben würden. Das sagt mir die Bibel, so wertvoll ist der Mensch für Gott. Und jetzt komme ich zu der vierten Wissenschaft, das ist die Theologie.

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Aus dem vergriffenen Buch Mythos Wissenschaft
mit freundlicher Genehmigung des CLV-Verlages www.clv.de

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