Das Johannesevangelium (15)
Kapitel 15

William Kelly

© SoundWords, online seit: 27.10.2002, aktualisiert: 10.12.2020

Leitverse: Johannes 15

Nachdem Er so den Wandel im Thema deutlich gemacht hatte, fährt der Herr fort, seine Absicht den Jüngern darzulegen in einem der Gleichnisse, die für unser Evangelium besonders kennzeichnend sind.

Verse 1-4

Joh 15,1-4: Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater ist der Weingärtner. Jede Rebe an mir, die nicht Frucht bringt, die nimmt er weg; und jede, die Frucht bringt, die reinigt er, auf dass sie mehr Frucht bringe. Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe. Bleibet in mir, und ich in euch. Gleichwie die Rebe nicht von sich selbst Frucht bringen kann, sie bleibe denn am Weinstock, also auch ihr nicht, ihr bleibet denn in mir.

So stellt der Herr Israel als irgendeine Quelle des Fruchtbringens für Gott beiseite. Schon lange vorher hatten die Propheten verkündigt, dass die Nation wilde Reben trage wie ein nutzloser Weinstock oder einer, der es nur wert war, verbrannt zu werden. Aber der Herr stellt sich selbst als den wahren und einzig für Gott annehmbaren Weinstock ins Licht. Dies war eine ungeheure Wahrheit, die die Juden lernen mussten. In Israel war alles, worauf sie vertrauten, die Religion. Da gab es den Tempel, da gab es die Priesterschaft, da waren die Opfer, da waren die Feste; da war jede Verordnung, öffentlich oder privat, groß oder klein, von Gott eingesetzt. Außerhalb von Israel waren die Heiden, die Gott nicht kannten. Jetzt reißt der Herr nicht allein den Schleier von dem hohlen Zustand des auserwählten Volkes hinweg, sondern Er macht auch das Geheimnis bekannt. Er ist der Weinstock, der wahre Weinstock. Er ist nicht bloß ein fruchtbares Gewächs, wo alle anderen unfruchtbar waren; Er ist selbst der wahre Weinstock. So haben wir das positive Objekt vor uns, die eine Quelle des Fruchtbringens.

„Und mein Vater“, fügt Er hinzu, „ist der Weingärtner.“ Aber da ist noch eine andere Wahrheit nötig: die Offenbarung seines Vaters (Er war noch nicht voll als ihr Vater offenbart, wenn dies auch bald in seiner Auferstehung der Fall werden sollte), nicht mehr die Offenbarung Jahwes wie einst in dem Weinberg der Nation und auch nicht als der Allmächtige, wie Er den Vätern bekannt war. Als Vater geht Er mit den Reben des Weinstocks um, der Christus selbst auf Erden ist, das Ziel jedes aktiven und wachsamen Interesses an seinem Vater, der auf Frucht wartet. Aber es ist nicht Er allein; da sind Reben an Ihm. Hier kommt die Verantwortung ins Blickfeld: Denn da sind die Jünger des Herrn, einst bloß Juden in ihrer natürlichen Verfassung, aber sie waren fortan berufen, für Gott Frucht zu bringen. 

Und welche Bedingungen werden aufgestellt? „Jede Rebe an mir, die nicht Frucht bringt, die nimmt er weg; und jede, die Frucht bringt, die reinigt er, auf dass sie mehr Frucht bringe.“ Das ist klarerweise die Herrschaft des Vaters bei denen, die den Namen des Herrn tragen. Den unfruchtbaren Lippenbekenner entfernt Er; den fruchtbaren reinigt Er, auf dass er mehr Frucht trage. Der Vater richtet entsprechend dem Werk jedes Menschen. In erster Linie ging es um die Jünger; aber der Grundsatz geht natürlich auch uns an, jetzt, wo Israel noch deutlicher beiseitegerückt ist. Wie der Apostel uns in Hebräer 12 lehrt, züchtigt Er uns zu unserem Nutzen, damit wir seiner Heiligkeit teilhaftig werden. Hier werden wir, wenn wir nicht weggenommen werden, gereinigt, um mehr Frucht zu bringen. Es ist ein ganz anderer Zustand der Dinge, als wenn der Messias in Macht herrscht und sein Volk in Wohlstand lebt, wenn Satan ausgeschlossen ist und die Wüste frohlockt und blüht wie eine Rose. Ohne Zweifel ist es nicht die Vereinigung mit Christus im Himmel und auch nicht allgemein die Vorrechte der Gnade in Ihm, sondern der Aufruf, Ihn alles sein zu lassen auf Erden in unserem täglichen Leben, wenn wir in der Tat Frucht bringen möchten. Er, nicht das Gesetz, ist die Lebensregel und die Quelle der Fruchtbarkeit; auch gibt es keine andere Möglichkeit für den Christen, nicht einmal der Geist, der das Wort gebraucht, um Christus zu verherrlichen, sondern nur Er.

Die Jünger hatten schon die reinigende Kraft des Wortes erfahren. „Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe.“ Sie hatten es aufgenommen und wussten, dass Er von Gott kam, wenn sie auch den Vater bestenfalls nur unvollkommen kannten. Doch Christi Wort hatte in ihren Seelen gewirkt. Es hatte ihre Wege gereinigt. Es hatte ihre weltlichen Gedanken gerichtet, es hatte ihre fleischlichen Wünsche bloßgelegt. Die Wirkung war in ihren Gewissen Wirklichkeit. Judas war jetzt fort, so dass der Herr nicht sagen muss: „Ihr seid rein, aber nicht alle“; sondern im Gegenteil: „Ihr seid schon rein“, sogar bevor der Heilige Geist als Kraft aus der Höhe gegeben war. Die reinigende Wirkung des Wortes ist eine grundlegende Wahrheit der Schrift, die leicht vergessen wird, nicht nur von dem Katholiken, der auf Verordnungen vertraut, sondern auch von dem Protestanten, der ausschließlich vom Blut des Erlösers spricht, „das reinigt von aller Sünde“. Gott bewahre, dass ein Wort gesagt werde, um jenes Blut zu überschatten oder eine Seele von seinem rechtfertigenden Wert abzukehren! Aber aus der Seite des Herrn floss Wasser und Blut heraus; und wir brauchen beides. Das Blut versöhnt, das Wasser reinigt; und so wie das Blut ausgegossen bleibt und ein für alle  Mal wirksam bleibt im Gegensatz zu den wirkungslosen und mannigfaltigen Opfern der Juden, so wird das Waschen mit Wasser durch das Wort nicht nur am Anfang angewandt, sondern es wird gebraucht, um ständig zu reinigen. Wo man dies nicht sieht, gibt es Verwirrung, und die grundlegende Wahrheit wird abgeschwächt, wenn nicht sogar zerstört.

Aber hier besteht der Herr noch auf mehr: auf der Notwendigkeit und der Wichtigkeit der Abhängigkeit von Ihm, der innigen Gemeinschaft mit Ihm. Das bedeutet, in Christus zu bleiben. Und sein Wort lautet: „Bleibet in mir und ich in euch.“ Es ist nicht souveräne Gnade dem Sünder gegenüber, sondern seine Aufforderung an den Jünger. Und deshalb hängt sein Bleiben in uns als eine Tatsache täglicher Gemeinschaft von unserem Bleiben in Ihm ab. „Gleichwie die Rebe nicht von sich selbst Frucht bringen kann, sie bleibe denn am Weinstock, also auch ihr nicht, ihr bleibet denn in mir.“ Nichts ist einfacher als die äußere Tatsache, nichts ist unserer Erfahrung nach sicherer, als dass es so innerlich ist. Er, und Er allein, ist der Wohnplatz für die Seele in dieser Welt der Versuchung und Gefahr, in dieser Wüste, wo es kein Wasser gibt. Lasst Ihn zur Hilfsquelle werden, lasst Ihn den Zielpunkt sein, und der Saft strömt sozusagen ohne Hindernis, und Frucht wird gebracht. Ohne Ihn hilft keine Lehre, und jede religiöse Anstrengung versagt. Wenn man Ihn einlässt, wenn man auf Ihn vertraut, dann – gleichgültig, wie groß die Schwierigkeiten oder der Schmerz oder die Schmach sind, wie groß die Opposition oder die Ablenkung ist – stützt Er das Herz, und Fruchtbringen folgt. Ohne Ihn können wir nichts tun; mit Ihm können wir alles tun. So sagte einer, der es gut gelernt hatte: „Alles vermag ich in dem, der mich kräftigt“ (Phil 4,13).

Es scheint kaum nötig zu sein, zu bemerken, dass das Verhältnis von Haupt und Leib in der Schrift einem ganz anderen Zweck dient und ganz getrennt gehalten werden muss. Die himmlische Gnade bildet jenen einen Leib durch den einen Geist, der verbunden ist mit dem verherrlichten Haupt; und dabei hören wir nichts von Zerreißen, Zertrennen oder Abschneiden. Da wird die Kirche als der Gegenstand Christi unwandelbarer Liebe gezeigt, bis Er sie sich selbst verherrlicht darstellt. Die Verantwortung auf Erden unter göttlicher Herrschaft ist etwas anderes; und diese, nicht die nie versagende himmlische Beziehung der Versammlung, wird durch den Weinstock und seine Reben erläutert. Deshalb sind die calvinistischen Schlüsse ebenso unangebracht wie die arminianischen Angriffe, die sie abwenden wollen. Keiner zweifelt daran, dass das Bekenntnis versagen kann. Das Leben ist für alle ewig; und in Christus mangelt nichts an ewigem Leben; aber das ist nicht die Lehre des Weinstocks und auch nicht die Einheit des Leibes. Es ist schade, dass Gelehrte nicht mit Glauben und Sorgfalt an die Schriften herangehen, die sie versuchen zu erläutern.

Die einleitenden Worte hatten den Grundsatz Christi als die Quelle der Frucht im Gegensatz zu Israel und unter der lebendigen beobachtenden Fürsorge des Vaters dargelegt. Das war etwas ganz anderes als die Herrschaft des Fleisches durch das Gesetz vor Jahwe, wie in dem auserwählten Volk, zu dem alle Reben gehörten. Christus lässt hier die alten Verbindungen. Er hatte gezeigt, dass die Frucht in des Vaters Augen so unentbehrlich ist, dass ein Nichtfruchtbringen die Entfernung der Rebe nach sich zieht, während die Rebe, die Frucht bringt, gereinigt wird, damit sie noch mehr Frucht bringt. Er hatte verkündigt, dass die Jünger schon aufgrund seines Wortes rein seien, und hatte sie dringend gebeten, in Ihm zu bleiben wie Er in ihnen; und das deshalb, weil sie keine Frucht bringen konnten, wenn sie nicht in Christus blieben, ebenso wenig wie die Rebe Frucht bringen kann, sie bleibe denn am Weinstock.

Als Nächstes fasst Er diese wichtige Wahrheit der Gemeinschaft mit Ihm in ihren großen positiven Elementen zusammen und bringt sie zum Ausdruck, indem Er sie dem Verlassen von Ihm krass gegenüberstellt:

Vers 5

Joh 15,5: Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, dieser bringt viel Frucht, denn außer mir könnt ihr nichts tun.

Es gibt nichts Deutlicheres. Der Herr lässt keine Unklarheit in einer Angelegenheit, die so nahe sowohl Ihn als auch sie betrifft. Ebenso sicher wie Er der Weinstock war, sind sie die Reben. Es kann und konnte auf seiner Seite kein Versagen geben. Es ist für uns leicht, in der Abhängigkeit zu versagen und zu wenig Vertrauen zu Ihm zu haben. In Ihm zu bleiben, setzt voraus, dass wir nicht bloß uns selbst misstrauen, sondern auch an Ihm hangen und mit Ihm rechnen. Jeder Einfluss um uns herum steht diesem entgegen; ebenso auch jedes natürliche Empfinden. Nur der Glaube, der durch Liebe wirkt, sichert dieses, denn dann ist das Ich und die Welt gleicherweise im Licht Gottes gerichtet. Es ist nicht nur so, dass wir Ihn brauchen und nichts ohne Ihn tun, sei es das Kleinste oder auch das Größte, sondern Er zieht uns auch durch seine positive Auserlesenheit an. Wenn Er die eine Quelle der Frucht ist, die für den Vater angenehm ist, so kann man Ihn ohne Schuld nicht verlassen, am wenigsten können das die, die Ihn bekennen. Der Herr spricht nicht von der Gnade, die ewiges Leben in Ihm gibt, sondern in diesen ganzen Versen spricht Er von der Verantwortung der Jünger. Deshalb, wie wir jetzt sehen werden, besteht die Gefahr des Verderbens und der Unfruchtbarkeit, wo man nicht in Ihm bleibt.

Das ist dann das Geheimnis des Fruchttragens. Es liegt nicht bei den Heiligen oder bei dem eigenen Ich, sondern daran, dass man in Christus bleibt und Christus in uns. Dann gibt es mehr als verheißungsvolle Blüte: Die Frucht folgt. Wo Er unserem Blick entschwindet oder wir anderswo hinschauen, gibt es keine solche Kraft: Wir zeigen unsere Natur, nicht Christus. Auch beeinflusst der Charakter der Umstände nicht das Ergebnis: Er ist allem überlegen trotz unserer Schwachheit. Wenn wir in Christus bleiben, können wir sicher auch dem Allerfeindlichsten ins Auge schauen; und wenn Fallen gelegt sind und wir provoziert werden – was macht das, wenn wir entsprechend seinem Wort als solche gefunden werden, die in Christus bleiben, und wenn Christus in uns bleibt, wie Er es dann tun wird? Denn Er garantiert, dass diese beiden Dinge sich entsprechen, und wir wissen das. Weiter – folgt die Frucht deswegen, weil wir mit teuren Kindern Gottes zusammen sind? Ach, wie oft zeigt sich genau das Umgekehrte. Der Leichtsinn, wenn nicht sogar die Bitterkeit, kommt in unseren Herzen umso mehr zum Vorschein, weil wir Heilige sind, die nicht in Christus bleiben. Denn Klatsch über Heilige zu Heiligen ist sogar noch erbärmlicher als unter den Söhnen dieses Zeitalters, von denen nicht wenige über diesem zu stehen scheinen, wenn auch aus der Kraft ihrer eigenen Natur heraus – und natürlich nicht durch Christus. Auch wiederum können Versuchungen nicht geistliche Frucht abschütteln, und beschmutzende Einflüsse können nicht eindringen, wenn wir in Christus bleiben und Christus in uns. Aber je größer der Druck, umso größer ist die Frucht, wenn wir so in Christus bleiben. Und das Herz fühlt, dass es so sein sollte, wie es ist. Denn da Verordnungen versagen und das Gesetz die Kraft der Sünde ist (nicht der Heiligkeit, da das Fleisch das ist, was es ist), so hat Christus hier wie überall die Herrlichkeit durch den Glauben und für den Glauben. „Denn außer mir könnt ihr nichts tun.“

Auf der anderen Seite ist die Gefahr verhältnismäßig größer:

Vers 6

Joh 15,6: Wenn jemand nicht in mir bleibt, so wird er hinausgeworfen wie die Rebe und verdorrt; und man sammelt sie und wirft sie ins Feuer, und sie verbrennen.

Christus ist die einzige Quelle zur Frucht, und Ihn zu verlassen, ist verhängnisvoll und das umso mehr, wenn es so am Ende geschieht, wo Er umso kostbarer sein sollte, da die Wertlosigkeit von allem anderen praktisch erfahren wird und seine Hervorragendheit dem Glauben noch deutlicher wird. So war es bei Judas, und so ist es im Allgemeinen bei denen, die nicht von Gott geboren sind und die versuchen, Jesus nachzufolgen. Nicht nur ihre Gelüste, sondern auch seine Worte mögen die Gelegenheit geben, wie wir in Johannes 6 sehen. Es ist vergeblich und unheilvoll, zwischen der Person und dem Werk zu unterscheiden, wie die Theologen und andere es tun, die von beiden Seiten her über die Gleichsetzung der Wahrheit nachdenken. Der Calvinist fürchtet, seine Lehre von der Gnade bloßzustellen; der Arminianer ist ängstlich darauf bedacht, angesichts des Abfalls sein Heil zu sichern. Deshalb neigt die erste Richtung dazu, der ernsten Warnung vor dem persönlichen Verderben und dem endgültigen Gericht, die hier ausgesprochen wird, keine Beachtung zu schenken, so wie die letztere Gruppe darauf besteht, dass der Abschnitt einschließe, dass eine gerettete Seele am Ende doch verlorengehen kann. Sie beide vermischen das Bild von dem Weinstock mit dem Leib in Epheser 2–4, und deshalb irren sie gleichermaßen. Und natürlich sind sie nicht in der Lage, diese Schriftstellen befriedigend auszulegen, so dass sie die ganze Wahrheit in Händen haben, ohne die eine Seite zugunsten der anderen Seite aufzugeben.

Der Irrtum kommt in dem anglikanischen Taufritus klar zum Ausdruck: „in Anbetracht dessen, dass dieses Kind jetzt wiedergeboren ist und in den Leib der Kirche Christi eingepfropft ist“. In den Ölbaum von Römer 11 eingepfropft zu werden, ist ihrer Lehre nach gleichbedeutend mit der Tatsache, ein Glied des Leibes Christi zu werden; und die Ergebnisse solcher Verwirrung sind immer für die Gegner der Wahrheit von Vorteil. Die Antwort ist die, dass der Leib der Ausdruck der Einheit durch den Heiligen Geist ist und dass der Weinstock auf der Gemeinschaft beruht als der Bedingung für die Fruchtbarkeit. In keinem Fall schließen solche Bäume notwendigerweise Leben ein, sondern den Besitz des Vorrechtes bei dem Ölbaum und die Verantwortung dafür, Frucht zu tragen, bei dem Weinstock. Christus zu verlassen, bedeutet deshalb größtes Verderben. Es heißt nicht nur, unfruchtbar zu sein, sondern auch, verbrannt zu werden. Es ist nicht bloßes Schadenerleiden, wie in 1. Korinther 3,15, sondern offen verworfen zu sein, wie in 1. Korinther 9,27. So gibt jede Schriftstelle ihr eigenes Zeugnis ab und hat ihren eigenen Wert, wobei keine Stelle herausgerissen werden kann, wenn auch die Menschen über das Wort stolpern mögen, da sie ungehorsam sind, wie ein anderer Apostel sagt.

Aber jetzt kehrt der Herr von dem traurigen Fall des Menschen, der Ihn verlässt, zu den Jüngern zurück, und Er zeigt ihnen mit göttlicher Einfachheit und Fülle den Weg des Segens und der reichen Frucht:

Verse 7.8

Joh 15,7.8: Wenn ihr in mir bleibet und meine Worte in euch bleiben, so werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch geschehen. Hierin wird mein Vater verherrlicht, dass ihr viel Frucht bringet, und ihr werdet meine Jünger werden.

So wird alles an seinen richtigen Ort gerückt. Die erste Notwendigkeit für den Christen ist die, in Christus zu bleiben; die nächste, dass Christi Worte in ihm bleiben; dann wird er ermutigt, mit der Zusicherung, dass die Quellen der göttlichen Kraft entsprechend wirken, zu beten. Denn so hat Christus selbst den ersten Platz, und der Heilige wird in Abhängigkeit und in Zuversicht bewahrt. Dann leiten und korrigieren seine Worte, und wir brauchen und haben beides, wenn auch ohne Zweifel bei diesem Bleiben das Leiten hier das Charakteristische wäre, eher als jene heilige Verbesserung, die wir tief in unserem Wandel durch diese unreine und schlüpfrige Welt nötig haben. Wenn wir so geleitet werden, wird das Gebet ermutigt, die sicherste Antwort zu erwarten, denn das Herz ist in Gemeinschaft mit Ihm, der den Wunsch eingibt, um ihn in seiner Liebe und Treue zu erfüllen. Weiterhin wird hierin der Vater verherrlicht, dass wir viel Frucht bringen und dass wir seine Jünger werden. Welch eine Beruhigung für das Herz, dass es so sein soll inmitten dessen, was ohne Ihn nur Betrübnis und Angst, wenn nicht sogar Schlimmeres dem Heiligen bereiten würde! Mit Christus ist alles verändert, und sogar die am meisten niederziehenden Bemühungen wenden sich zu Frucht, so dass das Im-Fleisch-Leben, anstatt bei Ihm in der Herrlichkeit zu sein, sich lohnt, aber nur dann, wenn Christus unser Leben ist. So wurde sein Vater sogar jetzt verherrlicht, und wir wurden in der Tat und in Wahrheit Christi Jünger.

Ein anderes Element unschätzbaren Wertes auf dem Pfad des Jüngers ist das Bewusstsein von der Liebe des Heilands. Dieses wird ihnen als Nächstes vor Augen gestellt.

Verse 9-11

Joh 15,9-11: Gleichwie der Vater mich geliebt hat, habe auch ich euch geliebt; bleibet in meiner Liebe. Wenn ihr meine Gebote haltet, so werdet ihr in meiner Liebe bleiben, gleichwie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe. Dies habe ich zu euch geredet, auf dass meine Freude in euch sei und eure Freude völlig werde.

Wir müssen im Gedächtnis behalten, dass das Thema das Fruchtbringen des Jüngers während seines Wandels durch diese Welt ist. Es ist nicht ein ewiges Ziel, und auch ist es nicht jene Liebe in der Gemeinschaft, die unwandelbar von Anfang bis Ende sichert, sondern Christi Liebe gegenüber jedem auf seinem Pfad des täglichen Wandels und der täglichen Versuchungen. Wir wissen, wie jene Liebe auf der Seite seines Vaters ihnen gegenüber als Mensch war, wenn Er hier unten auch niemals aufhörte, der Sohn zu sein. So war seine eigene Liebe gegenüber den Jüngern; und jetzt fordert Er sie auf, in ihr zu bleiben, nicht in Ihm allein, sondern, was noch mehr ist, in seiner Liebe: eine unendliche und nie versiegende Quelle des Trostes in dem notwendigerweise schmerzlichen und anderswie enttäuschenden Strom der irdischen Umstände, die ihnen um seinetwillen so stark entgegenstehen. Das Buch der Sprüche sagt: „Gebet Wein denen, die betrübter Seele sind.“ Aber seine Liebe ist besser als Wein, sie erfreut und stärkt ohne fleischliche Erregung. Da ist also nicht nur Abhängigkeit von Ihm, sondern auch jenes Vertrauen zu Ihm, das seine Liebe einflößen soll.

Aber es folgt noch mehr, ja es folgt der Gehorsam. „Wenn ihr meine Gebote haltet, so werdet ihr in meiner Liebe bleiben, gleichwie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe.“ Es ist deutlich, dass wir hier nichts mit der souveränen Gnade Gottes zu tun haben, die zu den Verlorenen ausgeht und Feinde durch den Tod seines Sohnes versöhnt. Denn gleichwie durch den einen Menschen (Adam) Ungehorsam die vielen in die Stellung von Sündern gesetzt worden sind, so werden auch durch den Gehorsam des einen (Christus) die vielen in die Stellung von Gerechten gesetzt werden. Die Gnade in Christus übersteigt jedes Hindernis, und sie herrscht gerecht über alles Böse, ob bei dem Einzelnen oder bei dem Volk. Hier geht es nicht um das Verderben oder die Befreiung des Sünders, sondern um den Pfad des Jüngers; und sein Gehorsam ist die Bedingung, um in der Liebe seines Meisters zu bleiben. Der, der in allen Dingen den Vorrang hat und haben muss, ging denselben Pfad und nahm dieselbe Bedingung als Mensch hier unten an; wenn Er es auch nicht für einen Raub achtete, Gott gleich zu sein, so wurde Er doch gehorsam, und zwar bis zum äußersten Punkt zur Ehre Gottes des Vaters. Er tat in unerschütterlicher Vollkommenheit den Willen dessen, der Ihn gesandt hatte, und genoss in gleicher Vollkommenheit die Frucht. Wir folgen Ihm, wenn auch mit ungleichen Schritten; und sicherlich sollte der, der sagt, dass er in Ihm bleibt, selbst auch so wandeln, wie Er wandelte. Und der Gehorsam ist der Weg. Kein anderer ziemt uns moralisch, wie dieser nur unsere Liebe und unser Gefühl der Verbindung zu Gott prüft. Nichts ist so demütig, nichts ist so stark wie der Gehorsam. Er befreit von der Selbstbehauptung auf der einen Seite und auf der anderen Seite von der Unterwerfung unter menschliche Meinungen und Traditionen. Er konfrontiert uns mit dem Wort Gottes und prüft unseren Wunsch, Ihm zu gefallen inmitten des gegenwärtigen Wohlergehens, der Ehre, der Lust oder der Leidenschaft. Auch hier geht es darum, Christi Gebote zu halten als das, was seine Liebe sichert, wie wir in Kapitel 14 sahen, dass es ihre Liebe zu Ihm bewies.

Das letzte Motiv, das der Herr den Jüngern in diesem Zusammenhang vor Augen stellt, ist in dem nächsten Vers enthalten: „Dies habe ich zu euch geredet, auf dass meine Freude in euch sei und eure Freude völlig werde.“ Es gibt auch kein besseres Kennzeichen unseres Zustandes und folglich unseres Versagens oder Erfolges beim Eindringen in seine Gedanken. Denn wenn wir die Worte dieses Kapitels gesetzmäßig auffassen, so gibt es kaum andere Worte in der Bibel, die leichter eine aufrichtige Seele in Angst und Depression tauchen können. Aber wenn wir sie so verstehen, wie sie beabsichtigt sind, so sind sie ausdrücklich dazu gegeben, um seine Freude uns mitzuteilen und unsere Freude völlig zu machen. Seine Freude, als Er hier war, bestand darin, seinem Vater zu gefallen; seinen Geboten zu gehorchen, war Ihm nicht beschwerlich. Diese Freude von Ihm, wie sie während seines Wandels nie getrübt wurde, sollen wir zu unserer machen.

Was für ein Gegensatz zu dem unfruchtbaren Stöhnen einer Seele unter dem Gesetz, auch wenn sie erweckt ist, wie am Ende von Römer 7! Welch eine Gnade, wenn wir solche Bitterkeit geschmeckt haben, dass wir jetzt wissen, dass unsere Freude im Gehorsam völlig ist! Der letztere Teil von Römer 7 ist für uns ein heilsamer Prozess, um ihn durchzumachen, aber es ist elender Stand: Denn als solchen hat Gott das niemals beabsichtigt. Denn Kapitel 8 zeigt uns den befreiten Christen, wie er heilig ist und gute Frucht trägt. Können wir zugleich auf beiden Grundlagen stehen? Nur der könnte das bejahen, der noch nicht frei ist. Seht euch das an, Theologen; und ihr, die ihr ihnen glaubt und Christi Freude nicht schmeckt!

Das ist ganz gewiss sein Wunsch in unserer Hinsicht. Diejenigen, die ihn ignorieren oder verleugnen, berauben uns dieser Freude, die sie auch ohne Zweifel selbst nicht haben. Auch brauchen wir uns selbst nicht zu wundern; denn wie die Philosophie niemals göttliche Liebe erfassen kann, so geht auch die Theologie, da sie menschlicher Wissenschaft Vorschub leistet, immer an der Freude des Heilands vorbei, und sie sucht Vergnügen und Applaus bei den Schulen der Welt, die den Vater jetzt nicht mehr kennen als zu alter Zeit. „Gerechter Vater“, sagte Er ein wenig später, „die Welt hat dich nicht erkannt; ich aber habe dich erkannt, und diese (die Jünger) haben erkannt, dass du mich gesandt hast; und ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, auf dass die Liebe, womit du mich geliebt hast, in ihnen sei und ich in ihnen.“ Was für eine unaussprechliche Güte! Zeigt nicht jeder Gedanke und jedes Gefühl und jedes Wort seinen göttlichen Ursprung? Der hergestellte Friede ist etwas Großartiges als die Grundlage der Seele, er soll nie entfernt werden, und Gott möchte, dass wir ihn einfach und unveränderlich erkennen; aber wir dürfen nicht die Freude des Gehorsams und die Gunst des Herrn als etwas Gegenwärtiges in unseren alltäglichen Wegen vergessen. Das ist von den Kindern Gottes zu viel übersehen worden, und zwar kaum mehr durch die nachlässige Laxheit der evangelischen Lehre als durch die mürrische Härte der Vertreter des Gesetzes, die alle gleichermaßen den vollen Grund der Gnade und den wahren Charakter der Herrschaft Gottes, die damit als etwas Gegenwärtiges verbunden sind, nicht kennt.

Der Herr stellt hier einen besonderen Charakter der Frucht, die immer kostbar ist, heraus, und zwar in der Beziehung der Jünger untereinander, wie wir vorher die Beziehung Christi und des Vaters zu ihnen hatten:

Verse 12-17

Joh 15,12-17: Dies ist mein Gebot, dass ihr einander liebet, gleichwie ich euch geliebt habe. Größere Liebe hat niemand, als diese, dass jemand sein Leben lässt für seine Freunde. Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was irgend ich euch gebiete. Ich nenne euch nicht mehr Knechte, denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut; aber ich habe euch Freunde genannt, weil ich alles, was ich von meinem Vater gehört, euch kundgetan habe. Ihr habt nicht mich auserwählt, sondern ich habe euch auserwählt und euch gesetzt, auf dass ihr hingehet und Frucht bringet, und eure Frucht bleibe, auf dass, was irgend ihr den Vater bitten werdet in meinem Namen, er euch gebe. Dies gebiete ich euch, dass ihr einander liebet.

Die Liebe ist ganz betont das Gebot des Herrn an seine Jünger, die Liebe untereinander. Es ist nicht die allgemeine moralische Pflicht, den eigenen Nachbarn zu lieben, sondern die gegenseitige Liebe von Christen, und der Maßstab derselben ist seine eigene Liebe zu ihnen. Die Natur des Falles schließt die Liebe Gottes aus, die zu ihnen in ihrer Schuld, in ihrer Feindschaft und Schwachheit ausging, als sie Zielpunkte der souveränen Gnade waren. Sie waren jetzt von Gott geboren, und deshalb die Liebe; denn die Liebe, wie sie bei Gott ist, der die Liebe ist, ist die Kraft der neuen Natur. Deshalb ist dies, was auch immer sonst der Herr ihnen auferlegen mag, sein Gebot: Er liebte sie und wollte, dass sie einander dementsprechend liebten. So sagt Paulus den Thessalonichern, dass er es nicht nötig habe, ihnen darüber zu schreiben, denn so jung sie auch in göttlichen Dingen waren, so waren sie doch von Gott gelehrt, einander zu lieben. Dies war auch der vortrefflichere Weg, den er den korinthischen Heiligen zeigen wollte, die zu ihrem eigenen Verderben mehr mit der Macht beschäftigt waren als mit der Liebe und mehr mit der Offenbarung des Sieges des Herrn in seiner Schöpfung über Satan als mit der inneren Kraft, die seine Gnade gegenüber ihren eigenen Seelen oder anderen zur Ehre Gottes erfreut. Auch die römischen Heiligen werden wiederholt zur Liebe ermahnt. Die Liebe sollte ungeheuchelt sein, und es wurde auch gesagt, dass, wo immer sie war, das Gesetz praktisch erfüllt habe, ohne daran zu denken. Es ist nicht nötig, alle Briefe durchzugehen, wo der Heilige Geist den unendlichen Platz und die unendliche Macht der Liebe offenbart.

Aber jeder Gläubige, der mit dem Neuen Testament vertraut ist, wird sich erinnern, was für einen großen Teil die Liebe in dem ersten Brief unseres Evangelisten einnimmt. Nicht dass Liebe Gott ist, sondern Gott ist Liebe, so wie Er Licht ist; und der, der liebt, ist von Ihm geboren und erkennt Ihn. Denn die Menschen machten damals die Erkenntnis zum höchsten Gut wie vorher die Macht; doch es ist eine Frage des Lebens in dem Sohn Gottes, und der Heilige Geist wirkt in jenem Leben aufgrund der Erlösung, und die, die Leben haben, wandeln ebenso, wie sie in dem Licht wandeln, auch in der Liebe. Und was die Erkenntnis angeht, so ist auch keine wahrhaftig außer in Ihm, in seinem Sohn Jesus Christus. Er ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben: Jedes Ziel außerhalb von Ihm ist ein Idol, von dem wir uns fernhalten müssen, sei es Erkenntnis, Macht, Stellung, Liebe, Wahrheit oder irgendetwas sonst. Denn wer immer den Sohn leugnet, hat nicht den Vater; wer den Sohn bekennt, hat auch den Vater. Und so wie der Vater uns Liebe über alle Maßen geschenkt hat, indem Er uns sogar zu Kindern Gottes macht, so kennzeichnet das Lieben der Brüder die, die vom Tod zum Leben übergegangen sind. Das alte Gebot ist das Wort Christi, dass wir einander lieben sollen. Aber es ist auch ein neues Gebot, da es wahr ist in Ihm und in uns. Wenn Christus in mir lebt, lebe ich durch den Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat; und dieses Leben wird nicht nur durch Gehorsam gekennzeichnet, sondern auch durch Liebe entsprechend ihrem Ursprung.

Und so ist es hier. Der Herr hatte das als ein neues und selbständiges Gebot dargelegt, das Er ihnen in Kapitel 13 gab. Hier wiederholt Er die Liebe zueinander entsprechend dem Beispiel seiner Liebe zu ihnen. Wie rein und schrankenlos war diese! Glauben wir daran als seinen Willen uns gegenüber? Lieben wir, als wenn wir an Ihn glaubten und seine Liebe schätzten? Kann irgend etwas hohler oder gefährlicher oder ekelhafter sein als die höchsten Worte bei niedrigen und damit nicht übereinstimmenden Wegen? Der Gnostizismus lebte aus der frühen Christenheit heraus, wo er nicht in Aberglaube und Formsache verfiel und immer dunkler und kälter wurde; und derselbe ist heute noch zerstörender, weil er noch viel mehr Angriffspunkte hat und sich im Unglauben sogar zum Agnostizismus verhärtet. Einander zu lieben, nicht bloß die, die gleiche Gedanken haben, am wenigsten von allen die, die bei einigen verhältnismäßig kleinen und äußerlichen Punkten dasselbe denken, sondern die zu lieben, trotz zehntausend Dinge, die versuchend auf ihre Natur einstürmen, ist bei der Wahrheit von größter Bedeutung und wird geschätzt, es ist einander lieben, wie Er uns liebte. Er freut sich an der Liebe bis zum Tod.

Größere Liebe hat niemand, als diese, dass jemand sein Leben lässt für seine Freunde. Die Liebe Gottes in Jesus ging unendlich weiter. Aber dann steht sie notwendigerweise alleine, und es ist passend, dass sie alleine steht. Wir sollten unser Leben für die Brüder lassen, wie wir anderswo gelehrt werden. Aber wo ist der Wert solcher Theorien, wenn wir im täglichen Aufschließen unseres Herzens für die gemeinsamen Bedürfnisse und Leiden der Kinder Gottes versagen (1Joh 3,17.18). Der Herr verbindet sofort die Liebe mit dem Gehorsam, ohne den sie bloß Selbstgefälligkeit ist und Ihn nicht in oder vor der Seele hat. „Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was irgend ich euch gebiete.“ Er spricht nicht davon, Feinde zu versöhnen, sondern davon, warum Er uns seine Freunde nennt. Der Gehorsam ist der Charakter und die Bedingung. Auch sagt Er hier nicht, dass Er als unser Freund da stand, als wir Feinde waren, sondern Er nennt uns seine Freunde, wenn wir tun, was Er seinen Jüngern aufträgt.

Ist das alles? Weit gefehlt. Er behandelt uns als Freunde entsprechend seiner vollkommenen Liebe, denn Er führt uns in seine Geheimnisse ein, anstatt uns bloß unsere Pflicht einzuprägen. „Ich nenne euch nicht mehr Knechte, denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut; aber ich habe euch Freunde genannt, weil ich alles, was ich von meinem Vater gehört, euch kundgetan habe.“ Der Mann, der zu alter Zeit „der Freund Gottes“ genannt wurde, erfreute sich dieser innigen Gemeinschaft mit seinem allmächtigen Beschützer inmitten der düsteren Völker, unter denen er wohnen musste; er war ein abgesonderter und beschnittener Pilger. Und so ist es mit den Seinen heute, die der Herr in noch reicherer Gnade behandelt; denn was hielt Er zurück? In einem anderen Sinn ist es unser Stolz, seine Knechte zu sein, wie einer sagte, der im besonderen Maß für das Evangelium Gottes abgesondert war. Aber nichtsdestoweniger – in Wirklichkeit noch viel mehr – dringen wir in die freie Vereinigung seiner Liebe ein und achten sie und wirken mit ihr, wenn wir der Gewohnheit nach gehorsam sind, wie wir es zu alten Zeiten bei Joseph sehen oder später bei Daniel. Es sollte das gehegte Vorrecht der Kirche sein – und es ist es grundsätzlich auch –, so seine Absicht zu erkennen und damit die verwirrten Fäden des menschlichen Lebens oder sogar das wandelnde Schicksal der Welt zu deuten; aber wir müssen praktisch geübt werden und müssen im Gehorsam ständig stehen, wenn das Vorrecht eine lebendige Wirklichkeit sein soll und nicht ein bloßer Name. Die Christenheit hat es aufgegeben. Sie hält es für nichts als Anmaßung und ist damit zufrieden, nach dem Schauen zu wandeln und nicht nach dem Glauben, in Ableugnung ihres Vorrechtes.

Aber Gott ist, treu, und da sind die, die im Gehorsam seinem Wort gegenüber wandeln und die in das eindringen, was Er kundgetan hat und den Segen finden. Ohne Zweifel ist die Verantwortung nicht weniger groß als das Vorrecht; und deshalb haben es die Seinen nötig, von der Gnade ermutigt zu werden, die allem zugrunde liegt. Deshalb fügt Er hinzu: „Ihr habt nicht mich auserwählt, sondern ich habe euch auserwählt und euch gesetzt, auf dass ihr hingehet und Frucht bringet, und eure Frucht bleibe, auf dass, was irgend ihr den Vater bitten werdet in meinem Namen, er euch gebe.“

Segen kommt immer von dem Herrn Jesus und von der Gnade, die in Ihm ist. Der Gehorsam folgt solcher unverdienten Gunst und sollte ihr folgen, so wie im Gehorsam sicherlich auch neuer Segen liegt. Aber das Herz muss sich von unserem Gehorsam oder seinem Segen abwenden zu dem Segnenden hin, wenn es neuen Gefahren und wirklichem Übel entgehen will; die Quelle der Kraft wird nirgendwo erkannt außer in Ihm, und die Gnade, die suchte und fand, rettet und segnet. Deshalb war es, als Er sich um die göttliche Leitung der Heiligen bemühte, von größter Bedeutung, dass sie sich immer an Ihn und an seinen souveränen Willen als die Quelle alles dessen, was sie auszeichnete, erinnern sollten. Nicht sie haben Christus auserwählt, sondern Er hat sie auserwählt. Auch ging es nicht nur darum, ihren Meister zu erkennen und Ihm zu folgen. Er ernannte sie oder setzte sie ein, um auszugehen und Frucht zu bringen, und ihre Frucht sollte bleiben. Wenn sie auch Apostel waren, so waren sie doch seine Freunde, um Ihm noch umso mehr zu gehorchen.

Während so die Verantwortung aufrechterhalten wird, wird gezeigt, dass die Gnade die Quelle von allem ist, auf das gewartet wird und das erfüllt wird; und weiterhin wird die Verbindung von beidem mit der Abhängigkeit von dem Vater gezeigt, der allein zu einem erfolgreichen Ausgang führt, was immer sie im Namen Jesu gebeten haben mögen. Je tiefer und höher der Segen ist, umso notwendiger ist das Gebet; aber dann sollte sich der Charakter und die Zuversicht des Gebetes erheben mit dem Bewusstsein von der Gnade in Christus und von dem unwandelbaren Ratschluss des Vaters, seinen Namen zu ehren, in dem sie sich mit ihren Bitten nahten. Sein Name mit dem Glauben daran kann den Schwächsten stark machen, und der Vater wird so in dem Sohn verherrlicht, der Ihn verherrlicht. Misstrauen oder Nachlässigkeit wird gleichermaßen ausgeschlossen.

Es ist kaum nötig, viel zu sagen, um Calvins Auslegung zu widerlegen und ebenso die anderer, die dies zu einer Frage des Erwählens und Einsetzens zum Apostelamt machen und folglich annehmen, dass die bleibende Frucht bedeute, dass die Kirche bis zum Ende der Welt als die Frucht der apostolischen Arbeit, die in ihren Nachfolgern fortgesetzt wird, bleibt. Die gebotene Liebe wird dementsprechend auf gegenseitige Liebe unter den Geistlichen beschränkt. Ohne Zweifel ist ein freier und unargwöhnischer Strom liebenden Vertrauens für einen guten Zustand wesentlich, besonders unter denen, die arbeiten, so wie der Mangel daran hier höchst bedauerlich ist; aber der Herr begrenzt seine Worte nicht auf die Apostel oder sogar auf solche, die ihnen in ihrem öffentlichen Dienst an seinem Namen folgen.

Einander zu lieben, ist das neue und wiederholte Gebot Christi für die Seinen. Zu lieben ist die positive und eigentliche und ständige Übung der neuen Natur, wie sie durch die Hilfe des Geistes Christi gewirkt wird, und zwar nicht immer brüderliche Freundlichkeit in der Ausübung, sondern nie versagende Liebe. Aber gerade diese Liebe, die hier unten so seltsam erscheint, lässt die, in denen sie sich findet, dem direkten Gegenanschlag Satans ausgesetzt werden, der ein Mörder und Lügner von Anfang an ist. Da die Menschen wissen, dass Selbstlosigkeit in der Liebe dem Willen Gottes entsprechend für die menschliche Natur unmöglich ist, betrachten sie irgendeinen Anschein davon als bloße Heuchelei, die bei einem Christen verachtet und verschmäht werden muss. Denn wie könnte er anders sein als die anderen?

Verse 18-21

Joh 15,18-21: Wenn die Welt euch hasst, so wisset, dass sie mich vor euch gehasst hat. Wenn ihr von der Welt wäret, würde die Welt das Ihrige lieben; weil ihr aber nicht von der Welt seid, sondern ich euch aus der Welt auserwählt habe, darum hasst euch die Welt. Gedenket des Wortes, das ich euch gesagt habe: Ein Knecht ist nicht größer als sein Herr. Wenn sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen; wenn sie mein Wort gehalten haben, werden sie auch das eure halten. Aber dies alles werden sie euch tun um meines Namens willen, weil sie den nicht kennen, der mich gesandt hat.

Christus zu gehören, ist genug, um die Rache der Welt zu erregen. Es mögen Umstände nötig sein, um sie heraufzubeschwören, aber sie ist da. Die Welt hasst die, die sein sind und nicht mehr der Welt gehören. Aber der Herr möchte, dass wir wissen, dass sie uns sicherlich nicht mehr hasst, als sie Ihn selbst vor uns schon gehasst hat. Ist es nicht süß und tröstend für uns, dass es so ist, so schrecklich es auch an sich ist, dass man solche Überzeugung von der Welt hat? Denn sie hasst uns seinetwegen, nicht Ihn unseretwegen. Nicht unsere Fehler sind deshalb der wahre Grund, sondern seine Gnade und moralische Hervorragendheit, seine göttliche Natur und Herrlichkeit; es ist die Abneigung und Feindschaft der Welt gegenüber dem, was von Gott ist, und gegenüber Ihm, der Gott ist. Die Welt hasst den Vater, der in dem Sohn offenbart ist; deshalb hasst sie die Kinder, die des Vaters waren und dann dem Sohn gegeben wurden. Christus wurde zuerst gehasst, sie als Nächstes und um seinetwillen.

Nicht dass die Welt nicht in ihrer eigenen Weise die liebt, die von ihr sind, in auffälligem Gegensatz zu der Gnade, die zu den Fremden und Bösen und Verlorenen ausgeht, zu denen, die Unrecht getan haben und die uns verächtlich behandelt haben. Aber die Gnade ist von allen Dingen der Welt am meisten verdächtig, die die Natur in ihrem gefallenen Zustand lieben kann. Sogar die Gerechtigkeit mit ihrer notwendigen Verdammung des Sünders ist nicht so widerlich wie die Gnade, die sich über die Sünden, die sie verdammt, in Mitleid gegenüber dem Sünder erheben kann, um ihn durch und in Christus zu retten; und das, weil sie den Menschen als nichts behandelt und die ganze Ehre Gott gibt: eine Schmach, die dem Fleisch unerträglich ist, denn die Absicht des Fleisches ist Feindschaft gegen Gott. Von daher kommt der Hass der Welt und ihrer Verwerfung von Christus, der Gott vollkommen offenbart hatte und Ihn vollkommen verherrlichte in seiner ganzen Natur und seinen Wegen. Von daher kommt auch der Hass der Welt uns gegenüber, die wir Christus bekennen, nicht nur, weil wir nicht von der Welt sind, sondern weil wir aus ihr durch Christus herausgewählt sind, was ihre äußerste Wertlosigkeit und ihre Verdammung voraussetzt. Göttliche Liebe ist ebenso hassenswert wie göttliches Licht.

Der Herr ruft dann in ihr Gedächtnis sein Wort zurück, dass kein Knecht größer ist als sein Herr. Sie müssen vielmehr seine Stellung erwarten, der verachtet und von den Menschen verworfen wurde. Sie selbst und ihre Lehre würden gleicherweise um seinetwillen hassenswert sein. Wenn sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen; wenn sie mein Wort gehalten haben, werden sie auch das eure halten. Seine Person und sein Wort brachten ihren Seelen Gott zu nahe, was Widerwillen hervorrief, ihre Sünden anzuerkennen oder Schuldner zu sein, die nichts als Gnade zur Vergebung und Befreiung hatten. Aber diese Abneigung nimmt noch eine stärkere Form an, wo die Religion geehrt wird und Menschen einen Charakter zu verlieren haben. Und da diese Dinge im höchsten Maße bei den Juden wahr waren, kamen sie auch im höchsten Maße in Hass zum Ausdruck, der danach verlangte – als eine Pflicht Gott gegenüber –, erst den Meister zu verfolgen und dann die Jünger. Und hier warnte der Herr sie gnädig vorher, damit sie keine Sorge unversehens befalle.

Aber Er tut noch mehr. Er gibt den Seinen den Trost, dass sie in solchen Stunden, wenn diese auch, wie schon vorher, sehr bitter sein könnten, erkennen, dass alle Verachtung und alles Leiden, das ihnen von der Welt zugefügt wird, um seinetwillen geschieht, wegen der Welt Unwissenheit von dem, der Ihn gesandt hat, der Unwissenheit von dem Vater. Wie unendlich wahr ist das! Es ist unmöglich, dass eine bekennende Religion die seinen verfolgen könnte, wenn sie wirklich Ihn erkennen würde, Der Christus gesandt hat.

Es könnte entsprechend seinem Wort Zucht geben; und sie muss sein in dem, was den Namen des Herrn trägt; sonst würde die Gnade selbst, wie sie weiß, leicht bis unter den Stand der Welt sie herabziehen, wenn es nicht wachsame, ständige und heilige Zucht gäbe. Aber Zucht ist niemals heilig, sondern weltlich, wenn sie die Form von Verfolgung annimmt. Was kann man dann denken, wenn die, die für sich den sanftesten Namen anmaßen, die weltliche Macht zu Hilfe nehmen, um die Bestrafung von Menschen zum vorgegebenen Heil ihrer Seelen zu verstärken? Was, wenn sie Mittel suchen und finden, um kirchliche Tribunale einzusetzen mit Torturen bis zum bitteren Ende, in passender Heimlichkeit und mit unbeugsamer Grausamkeit, die niemals sogar in dieser dunklen Welt einen Platz hatte? Es war wirklich derselbe Geist weltlichen Hasses, der zuerst die Juden gegen den Herrn und seine Jünger aufstachelte und später in der Weltkirche wirkte, als sie ihr heidnisches Gewand gegen das päpstliche austauschte und die Taufe leichter angenommen wurde als die Beschneidung. „Aber dies alles werden sie euch tun um meines Namens willen, weil sie den nicht kennen, der mich gesandt hat.“

Nein! Formen nützen nichts: Gott will Wirklichkeit haben und niemals klarer und zwingender als seit Christus und seinem Kreuz, wo die Eitelkeit des religiösen Menschen und eines weltlichen Heiligtums bewiesen wurde. Das Christentum kam ins Sein und wurde offenbart, als es sich zeigte, dass der Mensch in seinem besten Zustand nicht nur vor Gott wertlos war, sondern auch Gott um keinen Preis haben wollte, sogar nicht in der Person und in dem Auftrag seines eigenen Sohnes, der in Gnade gekommen war. „Gerechter Vater! – Und die Welt hat dich nicht erkannt.“ Und doch gibt es für den Menschen kein ewiges Leben außer in der Erkenntnis des einzig wahren Gottes, des Vaters, und Jesu Christi, den Er gesandt hat. Die Welt ist verloren und nirgendwo offensichtlicher und schuldiger verloren als dann, wenn sie in religiösem Stolz Christus hasst und die hasst, die sein sind.

Die Gegenwart und das Zeugnis des Sohnes Gottes hatten die ernstesten Ergebnisse, die möglich waren. Es war nicht nur ein unendlicher Segen in sich selbst und zur Ehre Gottes, sondern es ließ die Menschen und besonders Israel verworfen zurück. Das Gesetz hatte die Schwachheit des Menschen und seine Sünde bewiesen, da es alle die unter Fluch setzte, die sich auf den Boden des gesetzlichen Grundsatzes stellten. Da war kein Gerechter, keiner, der Gott suchte, keiner, der Gutes tat, nicht einer. Die Heiden waren offensichtlich böse, und die Juden erwiesen sich als böse, und zwar durch das unbestreitbare Urteil des Gesetzes. So wurde jeder Mund gestopft, und die ganze Welt wurde Gottes Gericht unterworfen. Aber die Gegenwart Christi brachte nicht bloß das Versagen zum Vorschein, den Verpflichtungen wie unter dem Gesetz nachzukommen, sondern es erweckte auch den Hass gegenüber der göttlichen Güte, die in vollkommener Gnade zu den Menschen herabgekommen war. Gott war in Christus, wie der Apostel sagt, die Welt mit sich selbst versöhnend, ihnen ihre Übertretungen nicht zurechnend. Wie unendlich ist der Wandel! Wie würdig war es Gottes, als Er in seinem Sohn als Mensch unter Menschen offenbart wurde! Aber sie konnten seine Worte und seine Werke nicht ertragen, und zwar in steigendem Maß, bis das Kreuz bewies, dass es die absolute Verwerfung der Liebe Gottes ohne Grenzen war, Es ist hier nicht der richtige Ort oder Augenblick, wie bei dem Apostel Paulus, um zu zeigen, wie die göttliche Liebe sich in vollkommenem Sieg über das Böse des Menschen und seinen Hass erhob, wie es sich im Dienst der Versöhnung zeigt, die am Kreuz gefunden wird. Hier zeigt der Herr die ernste Stellung und den Zustand der Welt in ihrer Feindschaft gegenüber den Jüngern, nachdem Er sie auf die Verfolgung vorbereitet hat: aufgrund dessen, dass sie sie hasste, wie sie Ihn gehasst hatte, und dass sie den nicht kannte, der ihren Meister gesandt hatte.

Verse 22.23

Joh 15,22.23: Wenn ich nicht gekommen wäre und zu ihnen geredet hätte, so hätten sie keine Sünde; jetzt aber haben sie keinen Vorwand für ihre Sünde. Wer mich hasst, hasst auch meinen Vater.

Alle vorherige oder andere Sünde wurde von dieser überragenden Sünde in den Schatten gestellt, dass der Sohn verworfen wurde, der in Liebe kam und der nicht bloß redete, wie kein Mensch jemals redete, sondern wie Gott niemals redete; denn durch wen sollte Er reden, wie Er in dem Sohn es tun konnte? Es war passend, dass Er, der das Bild des unsichtbaren Gottes war, der Eingeborene in dem Schoß des Vaters, über alle erhaben reden sollte, wie Er auch über alle erhaben war, Gott gepriesen in Ewigkeit. Knechte waren ausgesandt worden, Propheten hatten geredet; und ihre Botschaften hatten göttliche Autorität; aber sie waren nur Teilbotschaften. Das Gesetz hatte nichts vollkommen gemacht. Jetzt hat Er, der so ehemals geredet hatte „vielfältig und auf vielerlei Weise“, zu uns geredet „im Sohn“. Er war ihr Messias, der Sohn Davids, der geboren wurde, wo und wann sie es erwarteten, der nicht nur durch Zeichen und Beweise der Weissagung bezeugt wurde, sondern auch durch die Kräfte der zukünftigen Welt; aber Er war mehr, unendlich mehr: Er war der Sohn Gottes, unnahbar in seiner eigenen Herrlichkeit und doch hier auf Erden als der am meisten Zugängliche der Menschen, der die Worte des Vaters redete, wie niemals jemand gesprochen hatte, seitdem die Welt begann. Es hatte niemals auf Erden ein so angemessenes Ziel gegeben, um solche Mitteilungen anzulocken; jetzt war in Ihm Würde der Person, Innigkeit der Gemeinschaft und moralische Vollkommenheit als Mensch. Und die Jünger ernteten den Segen; wie die Juden, die Welt, die Ihn vor ihren Augen und Ohren hatte, die Verantwortung hatte. Bei allen anderen, die für und von Gott geredet hatten (wenn auch nicht in der inspirierten Schrift), hatte es Versagen und Fehler gegeben, was die Wirkung ihres Zeugnisses abschwächte, wo Menschen an Menschen dachten und Gott vergaßen, der sie gesandt hatte.

Aber jetzt hatte der Vater den Sohn gesandt, der gekommen war und nicht im Gesetz, sondern in Liebe geredet hatte, als das wahrhaftige Licht, das in einer Welt der Finsternis leuchtete, die das Licht nicht erkannt hatte und wo die Sünde deutlich wurde, wie nie je zuvor. Was für ein Vorwand konnte jetzt angebracht werden? Es ging nicht um den Menschen oder seine Schwachheit; seine Pflicht wurde nicht gefordert, wie sie durch die Zehn Gebote gemessen wurde oder durch irgendwelche Statute oder Festsetzungen. Dem Sohn, dem fleischgewordenen Wort, das unter den Menschen weilte, voller Gnade und Wahrheit, in göttlicher Liebe, die sich über jeden Fehler und jedes Böse erhob, um für ewig zu geben, was von Gott ist, wurde nur durch steigenden Hass begegnet, bis es nicht mehr weiter ging. Ihre Unwissenheit hinsichtlich dem, der Christus sandte, war ohne Zweifel die Ursache ihres Hasses Ihm gegenüber. Aber sie war unverzeihlich. Denn Er war Gott ebenso wie der Sohn des Vaters, und so war Er vollkommen in der Lage, die Wahrheit darzustellen und den Menschen durch und durch und offensichtlich schuldig zu machen, wenn er sich nicht beugte. Was bewies ihr Nichtbeugen anderes als Sünde? Und es gab keine Entschuldigung dafür, und man hasste auch den Vater, indem man den Sohn hasste.

Und es gab diese weitere Erschwerung ihrer Sünde, nämlich die Werke, die Er gewirkt hatte. Denn einige Menschen werden machtvoll ergriffen durch passende Worte, während andere noch tiefer ergriffen werden durch Werke, die nicht allein Macht zeigen, sondern auch Güte, Heiligkeit und Liebe. Hier hatten sie in vollkommener Harmonie und gegenseitiger Bestätigung solche Worte und Werke, wie es sie niemals gab außer bei Jesus, dem Sohn Gottes. Aber was war die Wirkung?

Verse 24.25

Joh 15,24.25: Wenn ich nicht die Werke unter ihnen getan hätte, die kein anderer getan hat, so hätten sie keine Sünde; jetzt aber haben sie gesehen und gehasst sowohl mich als auch meinen Vater. Aber auf dass das Wort erfüllt würde, das in ihrem Gesetz geschrieben steht: „Sie haben mich ohne Ursache gehasst.“

So war die Undankbarkeit des Menschen in Gegenwart der göttlichen Gnade. Volle Offenbarung der Gnade kann niemals einen anderen Ausgang haben. Das Wesen des Fleisches ist Feindschaft gegen Gott. Nicht nur fehlt da die Unterwerfung gegenüber seinem Gesetz, sondern seine Liebe wird gehasst. Und dies wurde jetzt erwiesen. Das Zeugnis war vollständig; und der Eine, der die Summe und das Wesen ist, die Substanz und das Ziel jeden göttlichen Zeugnisses, war da; und sie hatten Ihn gesehen sowohl als auch den Vater in Ihm; und sie hatten beide gehasst! Sie, das Volk Gottes, von einst, hatten nichts als Sünde – sie waren verloren. So waren sie es damals, und so bleiben sie es noch, was auch immer die Gnade eines Tages bewirken kann, um das zukünftige Geschlecht zu erretten. Aber Hass gegen den Vater und gegen den Sohn ist in sich selbst nicht wiedergutzumachen, ist vollständig und endgültig.

Auch redete das Gesetz, dessen sie sich rühmten bei der Verwerfung ihres Messias, etwas anderes; im Gegenteil, es wurde in dem Wort erfüllt, das dort von Ihm geschrieben war und das lange über Ihm schwebte und das jetzt von seinen eigenen Lippen auf seine eigene Person angewandt wurde: „Sie haben mich ohne Ursache gehasst.“ Wie wahr und wie ernst! „Oh, Jerusalem, Jerusalem!“ Oh, Israel, was hast du nicht in dem verworfenen Messias verloren, du hast den Vater und den Sohn gleichermaßen gesehen und gehasst?! Und was haben wir nicht gewonnen, die wir einst arme Sünder aus den Heiden waren? Ewiges Leben in der Erkenntnis eines Gottes, der nicht mehr in undurchdringlicher Finsternis wohnt, sondern voll in Christus offenbart ist und in der äußersten Nähe zu den Gläubigen, der sein Vater und unser Vater, sein Gott und unser Gott ist. Es ist wahr, dass der Fall Israels der Welt das Heil gebracht hat, und ihr Verlust hat das wahre Wohl der Nationen bewirkt. Aber die so gesegneten Nationen rühmen sich dessen und sind hochmütig und werden nicht mehr geschont als die Juden, die nicht mehr im Unglauben verharren werden, sondern wiederum eingepfropft werden werden, und so wird ganz Israel errettet werden. In der Zwischenzeit haben sie zu ihrem eigenen Verderben ihren Messias verloren, und ihre Sünde kann nicht verborgen sein.

So hatte der Herr die Seinen auf den Hass der Welt vorbereitet, nicht nur weil Er ihn vor ihnen kennengelernt hatte, sondern weil er Ihn mit einer beispiellosen Intensität und Grundlosigkeit befallen hatte. Da sogar ihr Gesetz sie vorher davor gewarnt hatte, waren sie nicht zu entschuldigen. Aber nichts ist so blind wie Unglaube, und nichts ist so grausam wie sein Wille, der durch das Licht Gottes irritiert wird, das ihn als Sünde behandelt, und zwar als Sünde, die Gott in seiner souveränen Gnade als den Vater und den Sohn ablehnt. Denn sie, die zu Jerusalem wohnten und ihre Führer, wie Paulus anderswo sagen konnte, haben, weil sie Ihn nicht erkannten und auch nicht die Stimmen der Propheten, die sie jeden Sabbat lasen, erfassten, dieselben erfüllt, indem sie sich selbst verdammten. Deshalb kam der größte Zorn über sie.

Es könnte dann so scheinen, als müsse alles von der mörderischen Rache des Menschen und besonders des religiösen Menschen hinweggefegt werden. Aber das ist nicht der Fall. Es ist nicht so, dass der Herr nicht sterben und nicht leiden sollte; und auch sollten seine schwachen Nachfolger nicht dem Schicksal ihres Meisters entgehen, soweit es Gott gefiel, sie dasselbe schmecken zu lassen. Aber Er war im Begriff, die Welt zu verlassen, um in die Herrlichkeit droben zu gehen und den Heiligen Geist von dort herabzusenden als ein neues, göttliches und himmlisches Zeugnis hier unten.

Verse 26.27

Joh 15,26.27: Wenn aber der Sachwalter gekommen ist, den ich euch von dem Vater senden werde, der Geist der Wahrheit, der von dem Vater ausgeht, so wird er von mir zeugen. Aber auch ihr zeuget, weil ihr von Anfang an bei mir seid.

Hier wird der Heilige Geist als durch den gen Himmel aufgefahrener Christus vom Vater herabgesandt betrachtet und folglich als Zeugnis seiner himmlischen Herrlichkeit. Dies ist gegenüber dem, was wir im vorhergehenden Kapitel sahen, ein weiterer Schritt, wo Christus bittet und der Vater den Sachwalter sendet, dass Er bei ihnen sei in Ewigkeit und wo Er Ihn im Namen des Sohnes sendet. Hier sendet der Sohn selbst Ihn, wenn natürlich auch von dem Vater her. Der Geist der Wahrheit ist also der passende Zeuge Christi, während Er droben ist; und auch die Jünger zeugen als seine Begleiter und so von Anfang an Auserwählte. Zum ersten Mal wird gesagt: „Wenn aber der Sachwalter gekommen ist“, und nicht bloß, dass Er gegeben wird oder gesandt wird. Er ist eine göttliche Person im vollsten Sinne, und Er soll nicht nur bleiben, lehren und wieder ins Gedächtnis zurückrufen, sondern auch Zeugnis ablegen hinsichtlich Christus, und zwar von dem, was die auserwählten Begleiter, die Apostel des Herrn, nicht bezeugen konnten. Denn sie als solche konnten nicht über das hinausgehen, was sie gesehen und gehört hatten, und mussten sich in jedem Fall auf das beschränken, was innerhalb des Bereiches ihres Zusammenseins mit Ihm von Anfang an fiel. Der Geist der Wahrheit, der von dem Vater ausgeht, wollte nicht bloß sie stärken, damit sie diese Aufgabe vollkommen erledigen konnten, sondern Er sollte auch noch ein ganz anderes Zeugnis von bislang unbekanntem Segen hinzufügen, als der durch Christus persönlich von dem Vater Gesandte.

So ist die Stellung der Jünger, die fortan zur rechten Zeit Christen genannt werden sollten, definiert: Sie waren nicht von der Welt, sondern durch Christus aus ihr herausgewählt, mit dem Auftrag, einander zu lieben, wie sie von Christus geliebt waren, und sie waren gehasst von der Welt und hatten den Sachwalter, den Geist der Wahrheit, den Christus ihnen sandte, um von Ihm zu zeugen, von dem auch sie zeugten, da sie von Anfang an bei Ihm gewesen waren. Wer ist so kompetent dafür, Christi Herrlichkeit bei dem Vater zu verkündigen, wie der Geist, der von dem Vater ausgeht und der von dem erhöhten Christus ausgesandt ist? So wurde das volle Zeugnis für seine Herrlichkeit gesichert: Für seine Herrlichkeit moralisch auf Erden legten die Jünger Zeugnis ab (wenn auch nicht ohne die schon zugesicherte Kraft des Geistes), und für seine Herrlichkeit im Himmel als der verherrlichte Mensch zeugte der Eine, der dieses Zeugnis in jeder Weise am besten geben konnte.

Es ist offensichtlich, dass die, die persönlich dem Herrn folgten, einen besonderen Platz in dem Zeugnis von seiner Offenbarung auf Erden einnahmen; und dieses Zeugnis haben wir in den Evangelien so klar, wie Gott es für geeignet hielt, es bleibend für alle Heiligen aufzubewahren. So wurde das Zeugnis des Heiligen Geistes für seine himmlische Herrlichkeit in erster Linie in den inspirierten Briefen des Paulus zum gleichen bleibenden Gebrauch dargestellt, wenn es auch ohne Zweifel in keiner Weise auf ihn oder auf sie begrenzt blieb.

Und sicherlich bleibt im Prinzip der Platz des Zeugnisses für die, die Christus angehören, wie auch immer die Umstände wechseln mögen und auch der Zustand. So sicher wie Christus in der Höhe bleibt und der Heilige Geist herabgekommen ist, um uns nie zu verlassen, ist es nicht nur so, dass wir durch den Glauben die Verbindung des Sohnes mit dem Vater und unseretwegen aufgrund dieser Tatsache und die Gemeinschaft in Ihm erkennen, der in dem Vater ist, wie Er in uns, sondern dass wir auch das ganze Wohl aus seinem Platz als der wahre Weinstock auf Erden haben, da wir wissen, dass Er in die Höhe hinaufgefahren ist als der erhöhte Mensch, was etwas ganz Neues ist. Und so wie wir die Freude an seiner Verbindung mit dem Vater und mit uns haben, so sind wir aufgerufen, für Ihn in jeder Weise zu zeugen. Ein wunderbarer Trost in unserer Schwachheit! Er, der Geist der Wahrheit, sollte von Jesus zeugen, und besonders von Jesus, wo keiner bei Ihm sein konnte und keiner außer dem Sachwalter selbst zuständig war. Es war nicht nötig, hier oder später zu wiederholen, dass Er bleibt: Dies war am Anfang gesagt worden im Zusammenhang mit uns (Kap. 14), wo seine garantierte Gegenwart bei uns in sehr gnädiger Weise erklärt wird, damit wir uns wirklich hier nicht als Waisen fühlen. Aber wenn wir das trostvolle Pfand seines Seins bei uns in Ewigkeit haben, so soll das ohne Zweifel nicht weniger, sondern mehr dem Zeugnis von der Herrlichkeit Christi dienen als unserem Trost. Hiervon werden wir jedoch in dem Folgenden noch mehr hören, wo der Herr das Thema sehr eingehend wieder aufgreift.

Vorheriger Teil Nächster Teil

Weitere Artikel des Autors William Kelly (106)


Hinweis der Redaktion:

Die SoundWords-Redaktion ist für die Veröffentlichung des obenstehenden Artikels verantwortlich. Sie ist dadurch nicht notwendigerweise mit allen geäußerten Gedanken des Autors einverstanden (ausgenommen natürlich Artikel der Redaktion) noch möchte sie auf alle Gedanken und Praktiken verweisen, die der Autor an anderer Stelle vertritt. „Prüft aber alles, das Gute haltet fest“ (1Thes 5,21). – Siehe auch „In eigener Sache ...

Bibeltexte im Artikel anzeigen