Fremdlinge und Beisassen (5)
Himmelsbürger auf der Erde

Henk Pieter Medema

© SoundWords, online seit: 20.12.2025

Auf der Erde nicht zu Hause

„Wir sind nicht lang auf Erden, das Leben geht vorbei.“[1] Kann man das in der heutigen Zeit, in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts,[2] noch sagen? Passt das noch in unsere Zeit, in der die Welt uns so sehr in Anspruch nimmt, dass man als Christ fast in den Strudel der Dinge dieser Welt hineingezogen wird? Heute können wir nicht mehr mit Scheuklappen herumlaufen: Die Massenmedien bringen die Nachrichten brandaktuell in unsere Wohnzimmer. Streiks, Fußball, Theater, Politik, Geiselnahmen, Terror, Hungersnöte, Entwicklungshilfe, Lohnzurückhaltung, Radrennen, Wissenschaftsberichterstattung und noch viele andere Dinge kommen wie eine riesige Lawine auf uns zu. Die Welt hört nicht mehr an unserer Haustür auf. Ist es dann nicht eine fromme Illusion, wenn wir als Christen sagen, dass wir Pilger auf dieser Welt sind, Fremdlinge, die eigentlich nicht hierhergehören, sondern auf dem Weg in eine himmlische Heimat sind? Dürfen wir das noch sagen?

Wir dürfen das sagen. Wir müssen das sogar sagen. Was uns die Bibel über unsere Stellung auf der Erde sagt – nämlich dass wir Fremdlinge und Gäste sind –, können wir nicht einfach beiseiteschieben. Bevor wir jedoch näher untersuchen, was die Schrift über unser Pilgersein zu sagen hat, tun wir gut daran, zunächst den Zusammenhang mit dem vorherigen Thema zu erkennen: dem Reich Gottes. Denn die Verbindung zwischen diesen beiden Themen [Pilgersein und Reich Gottes] ist sehr eng.

Der König wurde verworfen

Als der angekündigte König kam der Herr Jesus zu seinem Volk – aber sie wollten Ihn nicht annehmen. Gab es denn kein Königreich? Doch, sehr wohl! Eines Tages wird Christus wiederkommen, um das Königreich in Macht und Herrlichkeit zu errichten; und auch in der Zwischenzeit gibt es das Königreich, aber es ist in dieser Zeit noch ein mehr oder weniger verborgenes, geistliches Königreich. Es ist das Herrschaftsgebiet des Herrn Jesus: Alle, die Ihn als Herrn bekennen wollen, gehören dazu.

Aber leider gibt es in dieser Welt nur wenige Jünger des Herrn Jesus. Sie leben inmitten von Tausenden, die nichts von Gott wissen und die Herrschaft Christi nicht anerkennen wollen. Diese Gläubigen sind eigentlich schon Teil der zukünftigen, neuen Welt – aber sie stehen noch in dieser Welt. Sie leben auf dieser Erde, aber sie sind hier nicht zu Hause. Sie sind Fremdlinge und Beisassen, Gäste, Pilger auf dem Weg zu einer himmlischen Heimat.

Das ist keine leichte Stellung. Sie bringt Leiden mit sich, wenn wir so in der Welt stehen. Barnabas und Paulus sprachen aus Erfahrung, als sie den Jüngern in Lystra, Ikonium und Antiochien das Reich Gottes verkündeten und ihnen sagten, dass wir zwar in Zukunft in das herrliche Reich Gottes eingehen werden, aber dass wir dafür in dieser Zeit „viele Trübsale“ erleben müssen (Apg 14,19-22 (19) Es kamen aber aus Antiochien und Ikonium Juden an, und nachdem sie die Volksmengen überredet und Paulus gesteinigt hatten, schleiften sie ihn zur Stadt hinaus, da sie meinten, er sei gestorben. (20) Als aber die Jünger ihn umringten, stand er auf und ging in die Stadt hinein; und am folgenden Tag zog er mit Barnabas aus nach Derbe. (21) Und als sie jener Stadt das Evangelium verkündigt und viele zu Jüngern gemacht hatten, kehrten sie nach Lystra und nach Ikonium und nach Antiochien zurück (22) und befestigten die Seelen der Jünger und ermahnten sie, im Glauben zu verharren, und dass wir durch viele Trübsale in das Reich Gottes eingehen müssen.“).

Sicherlich werden wir einmal mit Christus herrschen – aber wir müssen noch mit Ihm leiden (Röm 8,17 „Wenn aber Kinder, so auch Erben – Erben Gottes und Miterben Christi, wenn wir nämlich mitleiden, damit wir auch mitverherrlicht werden.“; 2Tim 2,12 „wenn wir ausharren, so werden wir auch mitherrschen; wenn wir verleugnen werden, so wird auch er uns verleugnen;“). So wie Joseph damals einen langen Leidensweg durchstehen musste, bevor er zum Oberhaupt über ganz Ägypten eingesetzt wurde, so musste auch der Herr Jesus zuerst von seinen Brüdern (Israel) verworfen werden, und so wartet Er noch, „bis seine Feinde hingelegt sind als Schemel seiner Füße“ (Heb 10,13). Wenn Er von der Welt verworfen wurde, können wir dann von der Welt angenommen werden? Wenn Er leiden musste, können seine Nachfolger dem dann entgehen? Vielleicht ist das Leiden an dem einen Ort schlimmer als an einem anderen – im kommunistischen Russland schlimmer als in unserem freien Westen –, aber als Christen müssen wir alle in dieser Welt auf die eine oder andere Weise Leiden erfahren.

Neben diesem negativen Aspekt gibt es auch eine positive Seite. Dazu müssen wir die beiden Briefe des Apostels Petrus aufschlagen.

Die Briefe des Petrus

Die beiden Briefe, die uns der Apostel Petrus hinterlassen hat, behandeln genau dieses Thema, und es ist nützlich, die Lehren, die wir daraus ziehen können, im Überblick zu betrachten.[3]

Vom Heiligen Geist inspiriert, erklärt uns Petrus, dass wir eine heilige Priesterschaft (1Pet 2,5 „werdet auch ihr selbst als lebendige Steine aufgebaut, ein geistliches Haus, zu einer heiligen Priesterschaft, um darzubringen geistliche Schlachtopfer, Gott wohlangenehm durch Jesus Christus.“) und eine königliche Priesterschaft sind (1Pet 2,9 „Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, eine heilige Nation, ein Volk zum Besitztum, damit ihr die Tugenden dessen verkündigt, der euch berufen hat aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht;“). Ein heilige Priesterschaft, um Gott geistliche Opfer darzubringen; eine königliche Priesterschaft, um die Tugenden dessen zu verkünden, der uns aus der Finsternis in sein wunderbares Licht berufen hat. Letzteres bedeutet im Prinzip, dass wir Könige sind und dass die Zeit kommt, in der wir mit Christus herrschen werden. Petrus spricht daher in seinem zweiten Brief besonders vom „Eingang in das ewige Reich unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus“ (2Pet 1,11) und von der „Macht und Ankunft unseres Herrn Jesus Christus“ (2Pet 1,16). Doch diese Zeit ist noch nicht gekommen. Das Erbe liegt noch in der Zukunft (1Pet 1,4-5 (4) zu einem unverweslichen und unbefleckten und unverwelklichen Erbteil, das in den Himmeln aufbewahrt ist für euch, (5) die ihr durch Gottes Macht durch Glauben bewahrt werdet zur Errettung, die bereit ist, in der letzten Zeit offenbart zu werden;“). Was ist dann unsere Stellung in dieser Zeit? Der Apostel lässt uns darüber nicht im Unklaren:

  • Einerseits müssen wir Leiden ertragen „um des Gewissens willen“ (1Pet 2,19), „Gutes tun“ und leiden (1Pet 3,17 „Denn es ist besser, wenn der Wille Gottes es will, für Gutes tun zu leiden als für Böses tun.“), kurz gesagt: an den Leiden Christi teilhaben, indem wir die Offenbarung seiner Herrlichkeit erwarten (1Pet 4,13 „sondern insoweit ihr der Leiden des Christus teilhaftig seid, freut euch, damit ihr auch in der Offenbarung seiner Herrlichkeit mit Frohlocken euch freut.“).

  • Andererseits wird von uns erwartet, dass wir in unserem täglichen Leben Gottes Namen verherrlichen. Wir leben als Fremdlinge und Beisassen inmitten der „Völker“, der Menschen um uns herum, und wir müssen uns von den fleischlichen Begierden fernhalten, die unsere Seele bedrohen, und uns stattdessen guten Werken widmen, damit wir ein gutes Zeugnis gegenüber den Menschen um uns herum ablegen. Das wird sich in unserer Haltung gegenüber den Behörden zeigen (1Pet 2,13-17 (13) Unterwerft euch jeder menschlichen Einrichtung um des Herrn willen: es sei dem König als Oberherrn (14) oder den Statthaltern als denen, die von ihm gesandt werden zur Bestrafung der Übeltäter, aber zum Lob derer, die Gutes tun. (15) Denn so ist es der Wille Gottes, dass ihr dadurch, dass ihr Gutes tut, die Unwissenheit der unverständigen Menschen zum Schweigen bringt: (16) als Freie und nicht als solche, die die Freiheit zum Deckmantel der Bosheit haben, sondern als Knechte Gottes. (17) Erweist allen Ehre; liebt die Brüderschaft; fürchtet Gott; ehrt den König.“), in unserem Arbeitsumfeld gegenüber unserem Arbeitgeber (1Pet 2,18-25), in unserer Familie (1Pet 3,1-7) und im Kreis der Gläubigen (1Pet 4,7-11; 5,1-7).

Zusammenfassend sagt der Apostel:

  • 1Pet 3,8-12: Endlich aber seid alle gleich gesinnt, mitleidig, voll brüderlicher Liebe, barmherzig, demütig, und vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort, sondern im Gegenteil segnet, weil ihr dazu berufen worden seid, dass ihr Segen erbt. „Denn wer das Leben lieben und gute Tage sehen will, der halte seine Zunge vom Bösen zurück und seine Lippen, dass sie nicht Trug reden; er wende sich aber ab vom Bösen und tue Gutes; er suche Frieden und jage ihm nach; denn die Augen des Herrn sind gerichtet auf die Gerechten, und seine Ohren auf ihr Flehen; das Angesicht des Herrn aber ist gegen die, die Böses tun.“

Ausblick auf die zukünftige Herrlichkeit

Im zweiten Brief wird uns ein starker Beweggrund gegeben, durchzuhalten, auch wenn wir es in dieser feindseligen Welt nicht leicht haben: In 2. Petrus 1 wird uns der Ausblick auf die „prachtvolle Herrlichkeit“ (2Pet 1,17) eröffnet. Petrus verweist auf die Verklärung Jesu auf dem Berg (Mt 17,1-13; Mk 9,2-13; Lk 9,28-36).

Glaubt nicht, dass wir euch Fabeln erzählen, sagt Petrus, wenn wir euch das zukünftige Reich verkünden, denn wir waren Augenzeugen der Herrlichkeit Christi (2Pet 1,16 „Denn wir haben euch die Macht und Ankunft unseres Herrn Jesus Christus nicht kundgetan, indem wir ausgeklügelten Fabeln folgten, sondern als solche, die Augenzeugen seiner herrlichen Größe geworden sind.“). Wie lebendig er sich noch daran erinnerte! Zusammen mit Jakobus und Johannes hatte der Herr Jesus ihn auf einen hohen Berg mitgenommen, und dort hatten sie ihren Meister gesehen, wie sie Ihn noch nie gesehen hatten: „Er wurde vor ihnen verwandelt; und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, seine Kleider aber wurden weiß wie das Licht“ (Mt 17,2).

Sie hatten die Stimme des Vaters gehört, der aus der glänzenden Herrlichkeit sprach: „Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe; ihn hört“ (Mt 17,5). Die drei Apostel hatten dieses Ereignis wie ein kostbares Geheimnis in ihren Herzen bewahrt. Vor der Auferstehung Christi durften sie nicht darüber sprechen, nun jedoch konnte Petrus seinen Lesern davon erzählen und sie dadurch daran erinnern, dass das prophetische Wort beständig und gewiss war (2Pet 1,19 „Und so besitzen wir das prophetische Wort umso fester, auf das zu achten ihr wohltut, als auf eine Lampe, die an einem dunklen Ort leuchtet, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in euren Herzen;“). Was für eine Ermutigung! Unser Kampf ist nicht vergeblich, unser Leiden ist nicht umsonst, und im Licht dieser Erwartung dürfen wir Mut fassen, um weiterzumachen.

Hatte nicht der Herr Jesus dies auch so beabsichtigt? Hatte Er nicht gerade deshalb seinen Jüngern diesen Vorgeschmack auf die kommende Herrlichkeit gegeben? In Matthäus 16 musste Er die Seinen darauf vorbereiten, „dass er nach Jerusalem hingehen müsse und von den Ältesten und Hohenpriestern und Schriftgelehrten vieles leiden und getötet und am dritten Tag auferweckt werden müsse“ (Mt 16,21). Die gutgemeinte Reaktion des Petrus nötigte Ihn zu einer scharfen Antwort – es gab keinen anderen Weg als den des Kreuzes. Der Menschensohn war verworfen und vor Ihm lag ein Weg voller Leiden.

Und wenn jemand Ihm nachfolgen will? Dann gibt es auch für ihn keinen anderen Weg als den Weg des Leidens, der Selbstverleugnung, des Kreuzes:

  • Mt 16,24-26: Wenn jemand mir nachkommen will, so verleugne er sich selbst und nehme sein Kreuz auf und folge mir nach. Denn wer irgend sein Leben erretten will, wird es verlieren; wer aber irgend sein Leben verliert um meinetwillen, wird es finden. Denn was wird es einem Menschen nützen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber seine Seele einbüßt? Oder was wird ein Mensch als Lösegeld geben für seine Seele?

Aber der Herr wusste, dass es kein leichter Weg sein würde. Und wie Er um der Freude willen, die Ihm bevorstand, „das Kreuz erduldete“ und „die Schande nicht achtete“ (Heb 12,2 „hinschauend auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens, der, die Schande nicht achtend, für die vor ihm liegende Freude das Kreuz erduldete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes.“), so wollte Er auch seinen Jüngern einen Vorgeschmack auf die Herrlichkeit des kommenden Reiches geben. Deshalb führte Er sie auf einen hohen, einsamen Berg und zeigte ihnen dort seine Herrlichkeit (Mt 17,1-8). Er wollte sie ermutigen und ihnen sozusagen den Rücken stärken.

Der zweite Brief des Petrus zeigt uns jedoch auch, auf welche Weise dieses Reich letztendlich errichtet werden wird. Nicht durch unsere Bemühungen, nicht durch eine fortschreitende Christianisierung der Welt, nicht durch irgendeine menschliche Aktivität wird das Reich kommen, sondern durch Gericht. Das Gericht hängt wie ein Damoklesschwert über dieser Welt (1Pet 4,5-7 (5) die dem Rechenschaft geben werden, der bereit ist, Lebende und Tote zu richten. (6) Denn dazu ist auch den Toten gute Botschaft verkündigt worden, damit sie zwar gerichtet werden dem Menschen gemäß nach dem Fleisch, aber leben möchten Gott gemäß nach dem Geist. (7) Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge. Seid nun besonnen und seid nüchtern zum Gebet.“). Aber auch die Christenheit (1Pet 4,17 „Denn die Zeit ist gekommen, dass das Gericht anfange bei dem Haus Gottes; wenn aber zuerst bei uns, was wird das Ende derer sein, die dem Evangelium Gottes nicht gehorchen!“) und insbesondere die „falschen Lehrer“, die inmitten der Christenheit auftreten (2Pet 2,1-3 (1) Es waren aber auch falsche Propheten unter dem Volk, wie auch unter euch falsche Lehrer sein werden, die Verderben bringende Sekten nebeneinführen werden und den Gebieter verleugnen, der sie erkauft hat, und sich selbst schnelles Verderben zuziehen. (2) Und viele werden ihren Ausschweifungen nachfolgen, derentwegen der Weg der Wahrheit verlästert werden wird. (3) Und durch Habsucht werden sie euch ausbeuten mit erdichteten Worten; denen das Gericht von alters her nicht zögert, und ihr Verderben schlummert nicht.“), erwartet das Gericht Gottes. Durch das Gericht wird die Erde vorbereitet, damit Gott sein Reich errichten kann.

Fremde und Mitbewohner

Als die Leser des ersten Briefes zu 1. Petrus 2,11 „Geliebte, ich ermahne euch als Fremdlinge und als solche, die ohne Bürgerrecht sind, euch der fleischlichen Begierden zu enthalten, die gegen die Seele streiten,“ kamen, werden sie wahrscheinlich keinen Moment lang die Stirn gerunzelt haben, weil sie nicht verstanden hätten, was der Apostel meinte. Was „Fremdlinge und solche, die ohne Bürgerrecht sind“, waren, wussten sie nur zu gut. Sie waren Teil des alten Bundesvolkes; sie kannten das Alte Testament und wussten daher, worauf Petrus anspielte. Der Apostel führte keinen neuen Begriff ein. Er wandte lediglich einen Ausdruck, den sie sehr gut kannten, auf ihre Situation an. Wir tun daher gut daran, einmal klar zu definieren, in welchem Sinn die Bibel von „Fremdlingen und Beisassen“ spricht:

  1. Im wörtlichen Sinn ist ein Fremdling natürlich einfach jemand, der sich an einem Ort aufhält, an dem er nicht zu Hause ist. Die Ephraimiten, die in den Tagen Asas in Juda lebten, hielten sich dort als „Fremde“ auf; so sagt es das Hebräische wörtlich in 2. Chronika 15,9 „Und er versammelte ganz Juda und Benjamin und die Fremden, die aus Ephraim und Manasse und aus Simeon bei ihnen lebten; denn in Menge liefen sie aus Israel zu ihm über, als sie sahen, dass der HERR, sein Gott, mit ihm war.“. Das gleiche hebräische Wort gur kommt in Jesaja 23,7 „Ist das eure frohlockende Stadt, deren Ursprung von den Tagen der Vorzeit ist, die ihre Füße tragen, um in der Ferne zu weilen?“ vor, wo es um die Kaufleute aus Tyrus geht, die ferne Länder besuchten und „in der Ferne weilten“. Die Sunamitin sollte sich aufmachen und sich aufhalten, wo sie bleiben konnte; sie hielt sich gleichsam in der Fremde auf, als sie mit ihrer Familie vorübergehend im Land der Philister wohnte (2Kön 8,1-2 (1) Und Elisa hatte zu der Frau, deren Sohn er lebendig gemacht hatte, geredet und gesagt: Mach dich auf und geh hin, du und dein Haus, und halte dich auf, wo du bleiben kannst; denn der HERR hat eine Hungersnot herbeigerufen, und sie kommt auch ins Land sieben Jahre lang. (2) Und die Frau machte sich auf und tat nach dem Wort des Mannes Gottes: Sie ging hin, sie und ihr Haus, und hielt sich im Land der Philister sieben Jahre auf.“).[4]

    Deshalb wird im hebräischen Alten Testament auch ein anderes Wort verwendet. Neben dem Wort ger („Fremder“) finden wir auch das Wort toschab („Beisasse“), zum Beispiel in 1. Mose 23,4 „Ich bin ein Fremder und Beisasse bei euch; gebt mir ein Erbbegräbnis bei euch, dass ich meine Tote begrabe vor meinem Angesicht weg.“. Toschab ist in etwa das hebräische Äquivalent zum griechischen paroikos, das in 1. Petrus 2,11 „Geliebte, ich ermahne euch als Fremdlinge und als solche, die ohne Bürgerrecht sind, euch der fleischlichen Begierden zu enthalten, die gegen die Seele streiten,“ mit „Fremdling / Beisasse“ übersetzt wird (der Ausdruck „ohne Bürgerrecht“ im selben Text ist wiederum ein anderes Wort: nicht das übliche Wort xenos, sondern parepidemos, das sich in seiner Bedeutung nicht wesentlich von paroikos unterscheidet).

    So lebten immer viele „Fremde“ in Israel (siehe z.B. 3Mo 25,47 „Und wenn die Hand eines Fremden oder eines Beisassen bei dir etwas erwirbt, und dein Bruder bei ihm verarmt und sich dem Fremden, dem Beisassen bei dir, oder einem Abkömmling aus der Familie des Fremden verkauft,“; 4Mo 35,15 „Den Kindern Israel und dem Fremden und dem Beisassen in ihrer Mitte sollen diese sechs Städte zur Zuflucht sein, dass jeder dahin fliehe, der einen Menschen aus Versehen erschlagen hat.“; Hes 14,7 „Denn jedermann aus dem Haus Israel und von den Fremden, die in Israel weilen, der sich von mir trennt und seine Götzen in seinem Herzen aufkommen lässt und den Anstoß zu seiner Ungerechtigkeit vor sein Angesicht stellt und zum Propheten kommt, um mich für sich zu befragen – ich, der HERR, werde ihm in meiner Weise antworten.“): Ausländer, die selbst nicht zum Bundesvolk gehörten.[5] 

    Menschen sind Teil von mindestens drei Gesellschaftsbeziehungen: ihrer Familie, ihrem Volk und der ganzen Welt. Man kann also gegenüber einem Volk (siehe oben) ein Fremder sein, aber auch gegenüber einer Familie. Wer nicht zur Priesterfamilie gehörte, war ein „Fremder“ (NBG: „Unbefugter“) und durfte sich dem Altar nicht nähern (siehe z.B. 4Mo 1,51; 3,10.38; 18,7 (1:51) Und wenn die Wohnung aufbricht, sollen die Leviten sie abnehmen; und wenn die Wohnung sich lagert, sollen die Leviten sie aufrichten. Der Unbefugte aber, der herzunaht, soll getötet werden.“ „(3:10) Und Aaron und seine Söhne sollst du bestellen, dass sie ihr Priesteramt versehen. Der Unbefugte aber, der herzunaht, soll getötet werden.“ „(3:38) Und die vor der Wohnung nach Osten, vor dem Zelt der Zusammenkunft nach Sonnenaufgang Lagernden waren Mose und Aaron und seine Söhne, die den Dienst des Heiligtums versahen, bezüglich dessen, was den Kindern Israel oblag. – Der Unbefugte aber, der herzunaht, soll getötet werden.“ „(18:7) Du aber und deine Söhne mit dir, ihr sollt euer Priestertum versehen in allem, was den Altar betrifft, und innerhalb des Vorhangs, und so den Dienst tun; als einen geschenkten Dienst gebe ich euch das Priestertum. Der Unbefugte aber, der herzunaht, soll getötet werden.“). So lebte Jakob jahrelang als „Fremder“ bei Laban (1Mo 32,5 „Und er gebot ihnen und sprach: So sollt ihr zu meinem Herrn, zu Esau, sprechen: So spricht dein Knecht Jakob: Bei Laban habe ich mich aufgehalten und bin geblieben bis jetzt;“).[6] 

    Schließlich kann man auch gegenüber der Welt ein Fremder sein; dazu siehe weiter unten.

  1. Nach dem Sündenfall wurde der Mensch aus dem Paradies vertrieben und verlor damit seinen eigenen Ruheort. Die Erde, die einst so wunderschön aus Gottes Hand hervorgegangen war, war zum Schauplatz von Sünde und Tod geworden. Die Nachkommen Kains durften sich dort zu Hause fühlen, eine Stadt bauen, Viehzucht betreiben, ein kulturelles Leben aufbauen und Industrie ansiedeln (1Mo 4,17-22), aber für die Gläubigen, die aus Gott lebten, war die Erde kein Ort, an dem sie Ruhe finden konnten. „Macht euch auf und zieht hin! Denn dieses Land ist der Ruheort nicht, um der Verunreinigung willen, die Verderben bringt, und zwar gewaltiges Verderben“ (Mich 2,10). Wenn Übermütige von Gottes Geboten abweichen und Gottlose das Gesetz Gottes verlassen, kann der Psalmist sich nur als Fremder auf Erden fühlen (Ps 119,19.53-54 „Ein Fremder bin ich im Land, verbirg deine Gebote nicht vor mir!“ „(53) Zornglut hat mich ergriffen wegen der Gottlosen, die dein Gesetz verlassen. (54) Deine Satzungen sind meine Gesänge gewesen im Haus meiner Fremdlingschaft.“).

    Wahrscheinlich kennt fast jeder Gläubige zumindest etwas von dieser Erfahrung, dass er sich in der Welt nicht zu Hause zu fühlt. So sagt auch Hebräer 11: „Diese alle [das bezieht sich auf Abel, Henoch, Noah, Abraham, Sara] sind im Glauben gestorben und haben die Verheißungen nicht empfangen, sondern sahen sie von fern und begrüßten sie und bekannten, dass sie Fremde und ohne Bürgerrecht auf der Erde seien. Denn die, die solches sagen, zeigen deutlich, dass sie ein Vaterland suchen. Und wenn sie an jenes gedacht hätten, von dem sie ausgegangen waren, so hätten sie Zeit gehabt, zurückzukehren. Jetzt aber trachten sie nach einem besseren, das ist himmlischen. Darum schämt sich Gott ihrer nicht, ihr Gott genannt zu werden, denn er hat ihnen eine Stadt bereitet“ (Heb 11,13-16).

  2. In dem obigen Zitat aus Hebräer 11 begegnen wir auch Abraham. Abraham war ein typischer Fremdling, der Fremdling schlechthin, aber er war ein Fremdling aufgrund einer Berufung. Gott hatte Abraham berufen, als er noch in Mesopotamien war (Apg 7,2 „Er aber sprach: Brüder und Väter, hört! Der Gott der Herrlichkeit erschien unserem Vater Abraham, als er in Mesopotamien war, ehe er in Haran wohnte,“; 1Mo 12,1 „Und der HERR hatte zu Abram gesprochen: Geh aus deinem Land und aus deiner Verwandtschaft und aus dem Haus deines Vaters in das Land, das ich dir zeigen werde.“), und ihm gesagt, er solle sein Land und seine Familie verlassen, um in ein Land zu ziehen, das Gott ihm zeigen werde. Abraham war vor seiner Berufung kein Fremdling; im Gegenteil, er fühlte sich möglicherweise bei seiner Familie, die Götzendienst trieb, sehr wohl (Jos 24,2 „Und Josua sprach zum ganzen Volk: So spricht der HERR, der Gott Israels: Eure Väter wohnten vor alters jenseits des Stromes, Tarah, der Vater Abrahams und der Vater Nahors, und sie dienten anderen Göttern.“). Aber Gottes Stimme kam zu Abraham, und indem Abraham dieser Stimme gehorchte, wurde er ein Fremdling, ein Pilger, ein Reisender in ein anderes Vaterland, von dem er während seines Lebens nie einen Fußbreit besaß. Die anderen Patriarchen, Isaak und Jakob, traten in dieser Hinsicht in seine Fußstapfen (1Mo 28,4; 37,1; 47,9 (28:4) und er gebe dir den Segen Abrahams, dir und deiner Nachkommenschaft mit dir, damit du das Land deiner Fremdlingschaft besitzest, das Gott Abraham gegeben hat!“ „(37:1) Und Jakob wohnte in dem Land, in dem sein Vater als Fremder geweilt hatte, im Land Kanaan.“ „(47:9) Und Jakob sprach zum Pharao: Die Tage der Jahre meiner Fremdlingschaft sind 130 Jahre; wenig und böse waren die Tage meiner Lebensjahre, und sie haben die Tage der Lebensjahre meiner Väter in den Tagen ihrer Fremdlingschaft nicht erreicht.“). Ein Altar und ein Zelt waren alles, was Abraham hatte, und später kam noch ein Grab hinzu. „Ich bin ein Fremder und Beisasse bei euch“, sagte Abraham zu den Hethitern, „gebt mir ein Erbbegräbnis bei euch, dass ich meine Tote begrabe“ (1Mo 23,4).

    Aus Hebräer 11 geht übrigens hervor, dass Abraham nicht nur an ein irdisches Vaterland dachte. Gott hatte ihm ausdrücklich „das Land der Verheißung“ versprochen, aber Abrahams Glaube verstand, dass es noch etwas Herrlicheres geben musste: Er erwartete „die Stadt, die Grundlagen hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist“ (Heb 11,10); er sehnte sich „nach einem besseren“, nämlich einem himmlischen Vaterland (Heb 11,16 „Jetzt aber trachten sie nach einem besseren, das ist himmlischen. Darum schämt sich Gott ihrer nicht, ihr Gott genannt zu werden, denn er hat ihnen eine Stadt bereitet.“); und er durfte durch den Heiligen Geist sogar etwas von der Herrlichkeit des Herrn Jesus sehen (Joh 8,56 „Abraham, euer Vater, frohlockte, dass er meinen Tag sehen sollte, und er sah ihn und freute sich.“).

    Was für ein wunderbares Vorbild für uns! Man könnte sagen: Abraham war der Prototyp eines Fremden auf der Erde, ein Musterpilger. Mit Blick auf die Zukunft und das Herz auf die himmlischen Dinge ausgerichtet, ging Abraham seinen Weg, und so war diese Erde für ihn nur eine Durchgangsstation, ein Gebiet, das er durchqueren musste, um sein wahres Ziel zu erreichen.

  3. Wenn es ein Volk gibt, von dem wir sagen würden, dass es keine „Fremden“ auf Erden waren, dann ist es das Volk Israel. Waren die Israeliten nicht Gottes Volk auf der Erde? Hatte Gott ihnen nicht das Land Kanaan als Erbe gegeben? Das Land, in dem ihr Vater Abraham als Fremder gelebt hatte, besaßen sie als erblichen Besitz. Ja, dass sie in Ägypten als Fremde lebten, verstehen wir (1Mo 47,4 „Und sie sprachen zum Pharao: Wir sind gekommen, um uns im Land aufzuhalten; denn es gibt keine Weide für das Kleinvieh, das deine Knechte haben, denn die Hungersnot ist schwer im Land Kanaan; und nun lass doch deine Knechte im Land Gosen wohnen.“; 3Mo 19,34 „Wie ein Einheimischer unter euch soll euch der Fremde sein, der bei euch weilt, und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn Fremde seid ihr gewesen im Land Ägypten. Ich bin der HERR, euer Gott.“; 5Mo 10,19; 23,7; 26,5 (10:19) Und ihr sollt den Fremden lieben; denn ihr seid Fremde gewesen im Land Ägypten.“ „(23:7) Du sollst ihren Frieden und ihr Wohl nicht suchen alle deine Tage auf ewig.“ „(26:5) Und du sollst vor dem HERRN, deinem Gott, anheben und sprechen: Ein umherirrender Aramäer war mein Vater; und er zog nach Ägypten hinab und hielt sich dort auf als ein geringes Häuflein; und er wurde dort zu einer großen, starken und zahlreichen Nation.“; Ps 105,23 „Und Israel kam nach Ägypten, und Jakob hielt sich auf im Land Hams.“; Jes 52,4 „Denn so spricht der Herr, HERR: Nach Ägypten zog mein Volk im Anfang hinab, um sich dort aufzuhalten; und Assyrien hat es ohne Ursache bedrückt.“; Hes 20,30 „Darum sprich zum Haus Israel: So spricht der Herr, HERR: Wie? Ihr verunreinigt euch auf dem Weg eurer Väter und hurt ihren Scheusalen nach;“), und dass sie im Exil Fremde waren, ist auch kein Wunder (Esra 1,4 „Und jeden, der übrig bleibt an irgendeinem Ort, wo er sich aufhält, den sollen die Leute seines Ortes unterstützen mit Silber und mit Gold und mit Habe und mit Vieh, außer den freiwilligen Gaben für das Haus Gottes in Jerusalem.“; Ps 120,5 „Wehe mir, dass ich weile in Mesech, dass ich wohne bei den Zelten Kedars!“). Aber im Land …? Und doch heißt es in 3. Mose 25,23: „Mein ist das Land; denn Fremde und Beisassen seid ihr bei mir.“ Dieser Ausdruck „Fremder bei Gott“ oder „Beisasse bei Gott“ ist sehr besonders, und es lohnt sich, einen Moment darüber nachzudenken. Siehe zu solchen Ausdrücken Psalm 5,5; 15,1; 39,13; 61,5 (5:5) Denn nicht ein Gott bist du, der an Gottlosigkeit Gefallen hat; bei dir wird das Böse nicht weilen.“ „(15:1) Ein Psalm von David.HERR, wer wird in deinem Zelt weilen? Wer wird auf deinem heiligen Berg wohnen?“ „(39:13) Höre mein Gebet, HERR, und nimm zu Ohren mein Schreien; schweige nicht zu meinen Tränen! Denn ein Fremder bin ich bei dir, ein Beisasse wie alle meine Väter.“ „(61:5) Ich werde ewig in deinem Zelt weilen, werde Zuflucht nehmen zum Schutz deiner Flügel. – Sela.“.[7] Was ist damit gemeint? 

    Um das zu verstehen, müssen wir die doppelte Bedeutung kennen, die dem Wort „Fremder“ in mehreren alten Sprachen gegeben wurde (das gilt sowohl für das hebräische ger als auch für das griechische xenos). Ein Fremder war in erster Linie ein Nichteinwohner, aber aufgrund der geltenden Gesetze der Gastfreundschaft ergab sich daraus, dass er auch ein Gast war (vgl. die bekannte Geschichte aus 1. Mose 18,1-15). Was Gott nun offenbar mit diesem Ausdruck den Israeliten sagen will, ist sozusagen: Ihr seid Gäste bei mir. Das Land gehört mir, aber ich werde euch gastfreundlich aufnehmen. – Daher verwendet David dieses Wort auch in Psalm 39,13 „Höre mein Gebet, HERR, und nimm zu Ohren mein Schreien; schweige nicht zu meinen Tränen! Denn ein Fremder bin ich bei dir, ein Beisasse wie alle meine Väter.“ und Psalm 61,5 „Ich werde ewig in deinem Zelt weilen, werde Zuflucht nehmen zum Schutz deiner Flügel. – Sela.“. Er will damit sozusagen zu Gott sagen: Ich bin dein Gast, du hast doch versprochen, dass ich ein Fremder bei dir sein darf, dass ich bei dir „weilen“ und deine Gastfreundschaft genießen darf. 

    Andererseits gebietet Gott seinem Volk, den Fremden, die bei ihnen sind, ebenso Gastfreundschaft zu erweisen. „Dein Fremder“ steht wörtlich in 2. Mose 20,10 „aber der siebte Tag ist Sabbat dem HERRN, deinem Gott: Du sollst keinerlei Werk tun, du und dein Sohn und deine Tochter, dein Knecht und deine Magd und dein Vieh und dein Fremder, der in deinen Toren ist.“; 5. Mose 5,14; 24,14 (5:14) aber der siebte Tag ist Sabbat dem HERRN, deinem Gott: Du sollst keinerlei Werk tun, du und dein Sohn und deine Tochter und dein Knecht und deine Magd und dein Rind und dein Esel und all dein Vieh und dein Fremder, der in deinen Toren ist; damit dein Knecht und deine Magd ruhen wie du.“ „(24:14) Du sollst nicht bedrücken den bedürftigen und armen Tagelöhner von deinen Brüdern oder von deinen Fremden, die in deinem Land, in deinen Toren sind.“ – das heißt: eure Gäste, denen ihr Gastfreundschaft gewähren sollt. Israel war also in einer ganz anderen Weise fremd als die Patriarchen. Dennoch galten auch sie als Fremde und Beisassen auf Erden.

  1. Als der Herr Jesus auf die Erde kam, konnte Er sich nicht seinem Volk anschließen. Inmitten seines abgefallenen, sündigen Volkes konnte Er nichts anderes sein als „ein Fremder im Land und wie ein Wanderer, der zum Übernachten eingekehrt ist“ (Jer 14,8). Unser Herr selbst sagt es in Matthäus 25,35.38.43: „Ich war Fremdling.“

    War es ein Wunder, dass der Herr ein Fremdling war? Inmitten seines Volkes gab es niemand, dem Er sich anvertrauen konnte (Joh 2,24 „Jesus selbst aber vertraute sich ihnen nicht an, weil er alle kannte“); auch seine eigene Familie verstand Ihn nicht, und selbst bei seinen Jüngern fand Er oft kein Verständnis. Schließlich kam der Moment, in dem die Feindseligkeit offen zum Ausdruck kam, in dem sich alles und jeder gegen Ihn wandte, in dem sogar seine vertrautesten Freunde Ihn verließen – einer verriet Ihn, ein anderer verleugnete Ihn –, und der Moment, in dem Er allein, ganz allein den einsamen Weg nach Golgatha gehen musste, wo Er schließlich sogar von Gott verlassen wurde, als Er das Urteil über die Sünden trug. Was für ein Heiland ist Er!

    Wir können nicht anders, als Ihn zu bewundern, wenn wir Ihn so als Fremdling auf dieser Erde wandeln sehen. Er wandelte nicht „im Rat der Gottlosen“. Er stand nicht „auf dem Weg der Sünder“ (Ps 1,1). Er saß nicht im Kreis der Gottlosen. Und deshalb war Er einsam, einsamer, als ein Mensch jemals war. Er konnte keine Gemeinschaft mit uns Menschen haben, so wie wir waren. „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein“ (Joh 12,24). Nur durch das Kreuz konnte der Herr als oberster Führer „viele Söhne zur Herrlichkeit bringen“, sie „heiligen“ und voller Freude ausrufen: „Siehe, ich und die Kinder, die Gott mir gegeben hat“ (Heb 2,10.13).

    Doch in seinem Leben auf der Erde war Er allein, ein Fremdling. Wir teilen diese Position. Er war ein Fremder auf Erden – wir sind jetzt Fremde auf Erden. „Wie er ist, sind auch wir in dieser Welt“ (1Joh 4,17).

  1. Schließlich sind wir, die Gläubigen dieser Zeit, Fremdlinge und Beisassen aus einem ganz besonderen Grund: weil Christus verworfen ist. Wir haben darüber bereits ausführlich gesprochen, ausgehend von dem, was uns die beiden Briefe von Petrus lehren, und wir müssen darauf jetzt nicht sofort zurückkommen.

Die Welt ist eine Wüste

Im Alten Testament finden wir eine Illustration, die uns einen außerordentlich guten Einblick in unsere Stellung als Fremdlinge auf der Erde geben kann. Das ist die Geschichte der Reise des Volkes Israel aus Ägypten durch die Wüste nach Kanaan.

Dass diese Geschichte bestimmte Beispiele für uns bereithält, ist keine Phantasie eines überdrehten Bibelauslegers. Die Schrift selbst erteilt uns in 1. Korinther 10,1-13 praktische Lehren aus der Wüstenwanderung Israels. Alles, was ihnen widerfuhr, ist für uns ein Beispiel, und es ist alles in der Bibel aufgezeichnet worden als Warnung für uns, auf die das Ende der Zeitalter gekommen ist.

Das Volk Israel war aus Ägypten befreit worden. Die Israeliten hatten sich hinter dem Blut des Lammes verborgen und so war Gottes Gericht über Ägypten an ihnen vorübergegangen – das spricht zu uns von dem Werk, das Jesus Christus vollbracht hat: „In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Vergehungen“ (Eph 1,7).

Dann waren die Israeliten durch das Rote Meer gezogen, einen Weg, den sie gehen mussten, weil der Pharao ihnen auf den Fersen war; einen Weg, der jedoch ihren Tod bedeutet hätte, wenn Gott nicht einen Weg durch die Wasser gebahnt hätte; einen Weg schließlich, auf dem Gott ihre Feinde in den Wellen des Roten Meeres umkommen ließ. Das spricht erneut vom Kreuz Christi, aber dann als Lösung für das Problem der Sünde, der Macht des Bösen, die in jedem von uns wohnt. „Also ist jetzt keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind. Denn das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesus hat mich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes. Denn das dem Gesetz Unmögliche, weil es durch das Fleisch kraftlos war, tat Gott, indem er, seinen eigenen Sohn in Gleichgestalt des Fleisches der Sünde und für die Sünde sendend, die Sünde in dem Fleisch verurteilte“ (Röm 8,1-3).

Da steht nun das Volk Israel in der Wüste. Ein erlöstes Volk! Das verheißene Land liegt vor ihnen; dorthin führt ihre Reise. Aber um dorthin zu gelangen, müssen sie durch die Wüste.

Genau so beschreibt der erste Brief des Petrus (in dem, wie wir gesehen haben, besonders unsere Stellung als Fremdlinge und Beisassen betont wird) unseren Platz auf der Erde. Wir sind erlöst; wir haben Zuflucht gefunden hinter „dem kostbaren Blut Christi als eines Lammes ohne Fehl und ohne Flecken“ (1Pet 1,19). Wir stehen in der Welt und ziehen durch diese Welt, um das Endziel zu erreichen: das „unverwesliche und unbefleckte und unverwelkliche Erbteil, das in den Himmeln aufbewahrt ist für uns“ (1Pet 1,4). Eines Tages werden wir das Endziel erreichen und das Erbe in Besitz nehmen!

Es muss übrigens darauf hingewiesen werden, dass wir in einem anderen Sinn bereits das Endziel erreicht haben und (sinnbildlich betrachtet) bereits in Kanaan sind. Der Epheserbrief schildert den Christen in diesem Aspekt: Wir sind schon da, denn wir sind in Christus in die himmlischen Örter versetzt worden. Beide Aspekte, die das Volk Israel nicht gleichzeitig, sondern nur nacheinander erfahren konnte, sind bei uns gleichzeitig gegeben: Im Prinzip sind wir von Gott bereits in Christus in den Himmel versetzt worden, damit wir alle himmlischen Segnungen genießen können; andererseits sind wir noch auf dieser Erde. Um diese letzte Seite der Sache geht es jetzt.

Das Kreuz als Trennlinie

Wir denken mit Dankbarkeit an das Kreuz unseres Herrn Jesus, wenn uns bewusst wird, was Er dort für uns getan hat. Die schwere Last unserer Sünden kam auf sein Haupt; die Strafe, die uns den Frieden brachte, lag auf Ihm, und durch seine Striemen ist uns Heilung geworden (Jes 53,5 „doch um unserer Übertretungen willen war er verwundet, um unserer Ungerechtigkeiten willen zerschlagen. Die Strafe zu unserem Frieden lag auf ihm, und durch seine Striemen ist uns Heilung geworden.“). Zweifellos können wir nicht dankbar genug sein für das, was Er für uns getan hat. Bedauerlicherweise denken wir oft zu sehr jedoch nur daran und vergessen dadurch andere Aspekte des Kreuzes Christi. Zum Beispiel, dass das Kreuz eine absolute Trennung zwischen uns und der Welt bewirkt: „Von mir aber sei es fern, mich zu rühmen als nur des Kreuzes unseres Herrn Jesus Christus, durch den mir die Welt gekreuzigt ist, und ich der Welt“, wie es der Apostel Paulus in Galater 6,14 „Von mir aber sei es fern, mich zu rühmen, als nur des Kreuzes unseres Herrn Jesus Christus, durch den mir die Welt gekreuzigt ist, und ich der Welt.“ sagt.

Das ist auch nicht so schwer zu verstehen. Für uns ist der Kreuzestod des Herrn Jesus ein Ereignis aus der fernen Vergangenheit, und dadurch droht seine Bedeutung für uns zu verblassen. Aber stell dir einmal vor, du hättest gestern inmitten dieser wütenden Menge gestanden, die „Kreuzige ihn, kreuzige ihn!“ rief. Versuch einmal, dir vorzustellen, du hättest in dieser Menge gestanden, die Christus hasste – während du Ihn liebst, weil Er dein Heiland und Herr ist! Würdest du heute genauso fröhlich mit denselben Menschen als Freunde umgehen? Das wäre dir unmöglich.

Nun, so einfach lagen die Dinge rund um das Kreuz von Golgatha. Auf der einen Seite stand die Welt, die für einen Moment alle inneren Gegensätze überwunden hatte: Herodes hatte sich mit seinem Erzrivalen Pilatus angefreundet; die Juden waren sich mit den sonst feindlichen Römern einig. Und auf der anderen Seite? Nur einer: der Gekreuzigte! Nur einer: der Sohn Gottes, der alle in einem einzigen Augenblick hätte vernichten können, der jedoch leiden wollte! Nur einer: der sanftmütige Mensch Jesus Christus! Nur einer: der Heiland der Welt.

Und nun musst du dich entscheiden. Auf welcher Seite stehst du? Für einen Christen wird das keine Frage sein. Freundschaft mit der Welt bedeutet Feindschaft mit Gott (Jak 4,4 „Ihr Ehebrecherinnen, wisst ihr nicht, dass die Freundschaft der Welt Feindschaft gegen Gott ist? Wer nun irgend ein Freund der Welt sein will, erweist sich als Feind Gottes.“). Sich gegen Christus und für diese Welt zu entscheiden – das ist doch undenkbar! Wir gehören auf die Seite Christi, des Gekreuzigten, des Verworfenen. Die moralische Geschichte der Welt ist auf Golgatha zu Ende gegangen. Sicher, danach ist noch viel geschehen, aber in Bezug auf Gut und Böse hatte sich endgültig gezeigt, wer der Mensch ist: völlig verdorben, gänzlich feindlich gegenüber Gott. Deshalb bedeutet das Kreuz Christi das endgültige Urteil über die Sünde im Fleisch (Röm 8,3 „Denn das dem Gesetz Unmögliche, weil es durch das Fleisch kraftlos war, tat Gott, indem er, seinen eigenen Sohn in Gleichgestalt des Fleisches der Sünde und für die Sünde sendend, die Sünde im Fleisch verurteilte,“) und über die Welt (Gal 6,14 „Von mir aber sei es fern, mich zu rühmen, als nur des Kreuzes unseres Herrn Jesus Christus, durch den mir die Welt gekreuzigt ist, und ich der Welt.“).

Nicht zurück in die Welt

Im alttestamentlichen Bild ist es genauso. Das Rote Meer trennte die Israeliten endgültig von der Welt. Das war auch Gottes Absicht: „Als der Pharao das Volk ziehen ließ, da führte Gott sie nicht den Weg durchs Land der Philister, obwohl er nahe war; denn Gott sprach: Damit es das Volk nicht bereue, wenn sie den Kampf sehen, und sie nicht nach Ägypten zurückkehren. Und Gott ließ das Volk auf den Weg der Wüste des Schilfmeeres abbiegen; und die Kinder Israel zogen gerüstet aus dem Land Ägypten herauf“ (2Mo 13,17-18). Gott wollte eine endgültige Trennung zwischen den Israeliten und Ägypten bewirken. Und genauso will Gott eine endgültige Trennung zwischen uns und der Welt.

Die Taufe ist Ausdruck davon; nicht umsonst wird in 1. Korinther 10,2 „und alle auf Mose getauft wurden in der Wolke und in dem Meer“ der Weg, den die Israeliten durch das Rote Meer gingen, als „Taufe“ bezeichnet. Durch die Taufe bekennen wir öffentlich, dass wir mit einem verworfenen Christus verbunden sind, und durch die Taufe gelangen wir in das Reich Gottes: Wir anerkennen die Autorität von „Jesus Christus, der, in den Himmel gegangen, zur Rechten Gottes ist, indem Engel und Gewalten und Mächte ihm unterworfen sind“ (1Pet 3,22).

Durch die Taufe (und die anschließende Unterweisung) werden wir zu Jüngern gemacht (Mt 28,19 „Geht nun hin und macht alle Nationen zu Jüngern und tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“). Die Taufe ist eine Art Begräbnis, ein endgültiger Abschied von dieser Welt (Röm 6,4 „So sind wir nun mit ihm begraben worden durch die Taufe auf den Tod, damit, so wie Christus aus den Toten auferweckt worden ist durch die Herrlichkeit des Vaters, so auch wir in Neuheit des Lebens wandeln.“; Kol 2,12 „mit ihm begraben in der Taufe, in dem ihr auch mitauferweckt worden seid durch den Glauben an die wirksame Kraft Gottes, der ihn aus [den] Toten auferweckt hat.“) und ein Versetztwerden in das Reich Gottes. Die Taufe errettet uns (1Pet 3,21 „welches Gegenbild auch euch jetzt errettet, das ist die Taufe (nicht ein Ablegen der Unreinheit des Fleisches, sondern das Begehren eines guten Gewissens vor Gott), durch die Auferstehung Jesu Christi,“) – nicht im Sinn einer ewigen Erlösung, sondern die Taufe bringt uns sozusagen an einen sicheren Ort auf der Erde; durch die Taufe werden wir „von diesem verkehrten Geschlecht gerettet“ (Apg 2,40).

Es war Gottes Absicht, dass die Israeliten niemals nach Ägypten zurückkehren sollten: „Ihr sollt fortan nicht wieder auf diesem Weg zurückkehren“ (5Mo 17,16). Leider hielten sich die Israeliten nicht daran. Blieb es nach dem Bericht der Kundschafter nur bei einem Plan, nach Ägypten zurückzukehren (4Mo 14,4 „Und sie sprachen einer zum anderen: Lasst uns ein Haupt über uns setzen und nach Ägypten zurückkehren!“), so gingen die Israeliten später tatsächlich diesen Weg zurück (Jer 2,18; 43,2 (2:18) Und nun, was hast du mit dem Weg nach Ägypten zu schaffen, um die Wasser des Sichor zu trinken? Und was hast du mit dem Weg nach Assyrien zu schaffen, um die Wasser des Stromes zu trinken?“ „(43:2) da sprachen Asarja, der Sohn Hoschajas, und Jochanan, der Sohn Kareachs, und alle frechen Männer – sie sprachen zu Jeremia: Du redest Lügen! Der HERR, unser Gott, hat dich nicht gesandt und gesagt: Ihr sollt nicht nach Ägypten ziehen, um euch dort aufzuhalten;“). Und wir? Laufen wir nicht auch Gefahr, diese Bedeutung des Kreuzes Christi zu vergessen? Wir dürfen niemals aus den Augen verlieren, dass das Kreuz Christi eine absolute Trennung zwischen uns und der Welt bewirkt hat.

Eine kahle, öde Wüste

Die ersten Erfahrungen, die die Israeliten in der Wüste machten, waren nicht sehr ermutigend. Kaum war das Lied von Mose und Mirjam verklungen, „ließ Mose Israel vom Schilfmeer aufbrechen, und sie zogen aus in die Wüste Sur; und sie wanderten drei Tage in der Wüste und fanden kein Wasser. Und sie kamen nach Mara; aber sie konnten das Wasser von Mara nicht trinken, denn es war bitter: Darum gab man ihm den Namen Mara“ (2Mo 15,22-23). Kein Wasser! Und als Gott dieses Problem gelöst hatte, tauchte sofort ein neues Problem auf: keine Nahrung (2Mo 16,2-3 (2) Und die ganze Gemeinde der Kinder Israel murrte gegen Mose und gegen Aaron in der Wüste. (3) Und die Kinder Israel sprachen zu ihnen: Wären wir doch im Land Ägypten durch die Hand des HERRN gestorben, als wir bei den Fleischtöpfen saßen, als wir Brot aßen bis zur Sättigung! Denn ihr habt uns in diese Wüste herausgeführt, um diese ganze Versammlung vor Hunger sterben zu lassen.“). Das Wichtigste an einer Wüste ist nun einmal nicht das, was es gibt, sondern das, was es nicht gibt.

Und genau dieselbe Erfahrung müssen wir als Christen in dieser Welt machen. Die Welt ist für uns eine Wüste, nicht so sehr wegen dem, was es in der Welt gibt, sondern vielmehr wegen dem, was es nicht gibt. Und was fehlt uns dann in dieser Welt? Die Israeliten hatten in der Wüste kein Wasser – und fehlt uns nicht die Quelle des lebendigen Wassers (Joh 4,10.14; 7,37-38 (4:10) Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wenn du die Gabe Gottes kenntest und wüsstest, wer es ist, der zu dir spricht: Gib mir zu trinken, so hättest du ihn gebeten, und er hätte dir lebendiges Wasser gegeben.“ „(4:14) wer irgend aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, den wird nicht dürsten in Ewigkeit; sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, wird in ihm eine Quelle Wassers werden, das ins ewige Leben quillt.“ „(7:37) An dem letzten, dem großen Tag des Festes aber stand Jesus da und rief und sprach: Wenn jemand dürstet, so komme er zu mir und trinke! (7:38) Wer an mich glaubt, wie die Schrift gesagt hat, aus dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen.“)? Die Israeliten hatten in der Wüste kein Brot – und fehlt uns nicht der, der selbst das Brot des Lebens ist (Joh 6,35 „Jesus sprach zu ihnen: Ich bin das Brot des Lebens; wer zu mir kommt, wird nicht hungern, und wer an mich glaubt, wird niemals dürsten.“)? Wir haben bei der Neugeburt aus Gott eine neue Natur erhalten, und dieses neue Leben in uns sehnt sich nur nach Ihm! Wenn wir jedoch um uns herum in diese Welt schauen, sehen wir alles Mögliche: Kultur, Unterhaltung, Wissenschaft, Luxus, Entspannung, aber Er ist nicht da! Können wir diese Erfahrung nicht ebenso machen? „Sie haben meinen Herrn weggenommen!“ (Joh 20,13).

Nichts kann unser Herz wirklich befriedigen außer Ihm allein. Das macht die Welt zu einer Wüste, in der wir uns nur nach Ihm sehnen können. Gewiss, Er hat uns seinen Heiligen Geist gegeben, und obwohl wir den Herrn jetzt nicht sehen, können wir uns durch die Kraft des Geistes „mit unaussprechlicher und verherrlichter Freude“ an Christus erfreuen (1Pet 1,8 „den ihr, obgleich ihr ihn nicht gesehen habt, liebt; an welchen glaubend, obgleich ihr ihn jetzt nicht seht, ihr mit unaussprechlicher und verherrlichter Freude frohlockt,“). Aber unsere Freude kann in dieser Welt niemals vollkommen sein. Er ist nicht da! Und deshalb ist diese Welt für uns eine Wüste.

Die Schule Gottes

Dennoch hat Gott uns ganz bewusst in diese Welt gestellt. Auf dem Weg zum verheißenen Land hat Er uns nämlich etwas zu lehren. Es würde etwas zu weit führen, hier allzu ausführlich über die Schule Gottes zu sprechen, aber es ist dennoch notwendig, darauf hinzuweisen, denn gerade diese göttliche Lehre ist ein wichtiger Grund, warum wir hier in der Welt sind. Als Mose am Ende der Wüstenwanderung mit den Israeliten noch einmal an alle Ereignisse der hinter ihnen liegenden vierzig Jahre erinnert, spricht er in 5. Mose 8,2-4 (2) Und du sollst dich an den ganzen Weg erinnern, den der HERR, dein Gott, dich hat wandern lassen diese vierzig Jahre in der Wüste, um dich zu demütigen, um dich zu prüfen, um zu erkennen, was in deinem Herzen ist, ob du seine Gebote halten würdest oder nicht. (3) Und er demütigte dich und ließ dich hungern; und er speiste dich mit dem Man, das du nicht kanntest und das deine Väter nicht kannten, um dir kundzutun, dass der Mensch nicht von Brot allein lebt, sondern dass der Mensch von allem lebt, was aus dem Mund des HERRN hervorgeht. (4) Deine Kleidung ist nicht an dir zerfallen, und dein Fuß ist nicht geschwollen diese vierzig Jahre.“ auch über den Grund, warum Gott sie diesen ganzen Weg gehen ließ. Mose erklärt, dass Gott damit eine doppelte Absicht verfolgte:

  1. Erstens hat „der HERR, dein Gott, dich wandern lassen diese vierzig Jahre in der Wüste, um dich zu demütigen, um dich zu prüfen, um zu erkennen, was in deinem Herzen ist“ (5Mo 8,2). Wir müssen durch Erfahrung lernen, was in unserem Herzen lebt! Natürlich wollen wir alle anerkennen, dass unser Herz sündig ist, aber jeder von uns neigt dazu, tief im Inneren zu denken, es sei mit ihm doch noch nicht so schlimm. Deshalb lässt Gott uns sozusagen die Schulbank drücken. In den harten Lektionen der Praxis müssen wir dann feststellen, dass in unserem Fleisch nichts Gutes wohnt, nicht einmal ein kleines bisschen (Röm 7,18 „Denn ich weiß, dass in mir, das ist in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt; denn das Wollen ist bei mir vorhanden, aber das Vollbringen dessen, was recht ist, [finde ich] nicht.“).

  2. Andererseits möchte Gott uns lehren, was in seinem Herzen lebt, damit wir wissen, „dass der Mensch nicht von Brot allein lebt, sondern dass der Mensch von allem lebt, was aus dem Mund des HERRN hervorgeht“ (5Mo 8,3). Vielleicht dachten wir, wir würden Gottes Liebe schon kennen, als wir zum ersten Mal vor Ihm knieten – aber Gott will uns in seiner Schule noch viel mehr über die unendliche Tiefe seiner Liebe lehren. Diese Erfahrungen können wir in gewisser Weise nur in dieser Welt machen. Später im Himmel sind wir keine Fremdlinge mehr, dann gibt es keine Bedrängnis, kein Leid, keine Angst, keine Not. Gerade durch all das Elend, das wir als Fremdlinge und Gäste auf der Erde zu ertragen haben, will Gott uns auf besondere Weise seine unendliche Güte zeigen. Wir dürfen tatsächlich „schmecken, dass der Herr gütig ist“ (1Pet 2,3).

Auf dem Weg zum verheißenen Land

Der Hauptgrund, warum die Israeliten in der Wüste waren, war jedoch, dass sie auf dem Weg nach Kanaan waren. Wir sind auf der Reise zum Himmel, und macht das nicht gerade diese Welt zu einer Wüste für uns? Wir sind noch nicht da. Wir müssen weiter, immer weiter, denn dort, am Horizont, liegt das Endziel. Unser großer „Vorläufer“ (Heb 6,20), unser Herr Jesus, ist bereits im Himmel. Auf Ihn richten wir unseren Blick:

  • Heb 12,2-3: Hinschauend auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens, der, die Schande nicht achtend, für die vor ihm liegende Freude das Kreuz erduldete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes. Denn betrachtet den, der so großen Widerspruch von den Sündern gegen sich erduldet hat, damit ihr nicht ermüdet, indem ihr in euren Seelen ermattet

Wenn wir um uns blicken, würde uns allerdings vielleicht die Lust genommen, noch weiterzugehen; vielleicht würden wir sogar in Versuchung geraten, nach Ägypten zurückzukehren. Aber wenn wir auf Ihn schauen, brauchen wir – bildlich gesprochen – nicht mit gesenktem Kopf durch den weichen Wüstensand zu trotten. Dann können wir mit Ausdauer den Weg fortsetzen, der noch vor uns liegt. Dort, am Endpunkt, wird das Erbe für uns „aufbewahrt“ – so sagt es 1. Petrus 1,4 „zu einem unverweslichen und unbefleckten und unverwelklichen Erbteil, das in den Himmeln aufbewahrt ist für euch,“, und der nächste Vers fügt hinzu, dass Gottes mächtige Gnade uns auf dem Weg dorthin auch „bewahrt“ (1Pet 1,5). So finden wir die Kraft, um weiterzugehen als Fremdlinge und Beisassen in dieser Welt, als Pilger in dieser Wüste.


Originaltitel: „5 – Vreemdlingen en bijwoners“
in Hemelburgers op Aarde: De levenspraktijk van christenen in deze wereld,
Vaasen: Medema, 1980, S. 74–95.

Übersetzung: Stephan Winterhoff

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Anmerkungen

[1] Anm. d. Red.: Übersetzung des niederländischen Liedes „Wij zijn niet lang op aard“. Nach dem Original „This World is not my Home“ von Jim Reeves (1923–1964).

[2] Anm. d. Red.: Das Buch wurde 1980 geschrieben.

[3] Für eine genauere Untersuchung insbesondere des ersten Briefes sei auf H.L. Heijkoop verwiesen: De eerste brief van Petrus, Winschoten: Uit het Woord der Waarheid. Im Deutschen 1966 erschienen unter dem Titel Der erste Brief des Petrus bei Ernst Paulus. Anm. d. Red.: Der Kommentar ist unter dem Titel „Der erste Petrusbrief“ auch online erschienen auf www.bibelkommentare.de

[4] Andererseits darf man nicht überall, wo dieses Wort verwendet wird, wörtlich an Fremde denken. Das Wort kann in einigen Fällen auch die ausdrückliche Bedeutung von „Fremdheit“ verloren haben. Siehe zum Beispiel Jesaja 11,6 „Und der Wolf wird sich beim Lamm aufhalten, und der Leopard beim Böckchen lagern; und das Kalb und der junge Löwe und das Mastvieh werden zusammen sein, und ein kleiner Knabe wird sie treiben.“ („weiden“; Anm. d. Red.: „sich aufhalten“ in der CSV-Elberfelder); Richter 5,17 „Gilead ruhte jenseits des Jordan; und Dan, warum weilte er auf Schiffen? Aser blieb am Gestade des Meeres, und an seinen Buchten ruhte er.“ („wohnen“; Anm. d. SW-Red.: „weilen“ in der CSV-Elberfelder); Hiob 19,15 „Meine Hausgenossen und meine Mägde achten mich für einen Fremden; ein Ausländer bin ich in ihren Augen geworden.“ („Hausgenossen“); 2. Mose 3,22 „Und jede Frau soll von ihrer Nachbarin und von ihrer Hausgenossin silberne Geräte und goldene Geräte und Kleider fordern; und ihr sollt sie auf eure Söhne und auf eure Töchter legen und die Ägypter berauben.“ („Hausgenossen“); Jesaja 33,14 „Die Sünder in Zion sind erschrocken, Beben hat die Ruchlosen ergriffen. „Wer von uns kann weilen bei verzehrendem Feuer? Wer von uns kann weilen bei ewigen Gluten?“ –“ („wohnen“; Anm. d. Red.: „weilen“ in der CSV-Elberfelder).

[5] Im Hebräischen gibt es (neben ger) noch ein anderes Wort für „fremd“, nämlich nechar, abgeleitet vom Verb nakar = „scharf betrachten“ (weil man etwas Fremdes kritisch betrachtet). Zur ursprünglichen Bedeutung siehe 1. Mose 42,7 „Und Joseph sah seine Brüder und erkannte sie; aber er stellte sich fremd gegen sie und redete hart mit ihnen und sprach zu ihnen: Woher kommt ihr? Und sie sprachen: Aus dem Land Kanaan, um Speise zu kaufen.“ und 1. Könige 14,5 „Und der HERR hatte zu Achija gesagt: Siehe, die Frau Jerobeams kommt, um etwas von dir zu erfragen wegen ihres Sohnes, denn er ist krank; so und so sollst du zu ihr reden; es wird aber geschehen, wenn sie hereinkommt, so wird sie sich fremd stellen.“. Später wurde es vor allem verwendet, um etwas zu bezeichnen, was fremd und daher falsch war, wie fremde Götter usw. (1Mo 35,2 „Da sprach Jakob zu seinem Haus und zu allen, die bei ihm waren: Tut die fremden Götter weg, die in eurer Mitte sind, und reinigt euch, und wechselt eure Kleidung;“; 5Mo 31,16 „Und der HERR sprach zu Mose: Siehe, du wirst dich zu deinen Vätern legen; und dieses Volk wird sich aufmachen und den fremden Göttern des Landes nachhuren, in dessen Mitte es kommt; und es wird mich verlassen und meinen Bund brechen, den ich mit ihnen geschlossen habe.“; 2Chr 14,2 „Und er tat die fremden Altäre und die Höhen weg und zerschlug die Bildsäulen und hieb die Ascherim um;“; Neh 13,30 „Und so reinigte ich sie von allem Fremden, und ich stellte die Dienste der Priester und der Leviten fest, für jeden in seinem Werk,“). In Hiob 31,3 „Ist nicht Verderben für den Ungerechten und Missgeschick für die, die Frevel tun?“ wird diese negative Bedeutung deutlich: neker wird mit „Missgeschick“ übersetzt (vgl. unser Wort „Elend“ = „ausländisch“). Siehe auch Psalm 18,45-46 (45) Sobald ihr Ohr hörte, gehorchten sie mir; die Söhne der Fremde unterwarfen sich mir mit Schmeichelei. (46) Die Söhne der Fremde sanken hin und zitterten hervor aus ihren Schlössern.“ und den Ausdruck „Sohn eines Fremden“ (ben-nekar) in 1. Mose 17,12.27 „Und acht Tage alt, soll alles Männliche bei euch beschnitten werden nach euren Generationen, der Hausgeborene und der für Geld Erkaufte, von allen Fremden, die nicht von deinen Nachkommen sind.“ „und alle Männer seines Hauses, der Hausgeborene und der für Geld Erkaufte, von den Fremden, wurden mit ihm beschnitten.“; 2. Mose 12,43 „Und der HERR redete zu Mose und Aaron: Dies ist die Satzung des Passahs: Kein Fremder soll davon essen;“. Siehe auch 2. Mose 21,8 „Wenn sie ihrem Herrn missfällt, der sie für sich bestimmt hatte, so lasse er sie loskaufen; er soll nicht Macht haben, sie an ein fremdes Volk zu verkaufen, weil er treulos an ihr gehandelt hat.“; 5. Mose 17,15 „so sollst du nur den König über dich setzen, den der HERR, dein Gott, erwählen wird; aus der Mitte deiner Brüder sollst du einen König über dich setzen; du sollst nicht einen fremden Mann über dich setzen, der nicht dein Bruder ist.“; Richter 19,2 „Und seine Nebenfrau hurte neben ihm; und sie ging von ihm weg in das Haus ihres Vaters nach Bethlehem-Juda und war dort eine Zeit lang, vier Monate.“; Sprüche 5,20; 6,24; 7,5; 23,27 (5:20) Und warum solltest du, mein Sohn, an einer Fremden taumeln und den Busen einer Unbekannten umarmen?“ „(6:24) um dich zu bewahren vor der bösen Frau, vor der Glätte der Zunge einer Fremden.“ „(7:5) damit sie dich vor der fremden Frau bewahre, vor der Fremden, die ihre Worte glättet.“ „(23:27) Denn die Hure ist eine tiefe Grube, und die Fremde ein enger Brunnen;“; Jesaja 28,21 „Denn der HERR wird sich aufmachen wie beim Berg Perazim, wie im Tal bei Gibeon wird er zürnen: um sein Werk zu tun – befremdend ist sein Werk! – und um seine Arbeit zu verrichten – außergewöhnlich ist seine Arbeit!“.

[6] Anm. d. Red.: „Bei Laban habe ich mich aufgehalten“ – wörtlich übersetzt heißt es: „als Fremder aufgehalten“ oder „in der Fremde aufgehalten“.

[7] Anm. d. Red.: Das Wort „weilen“ in diesen Stellen bedeutet „als Fremder weilen“.


Hinweis der Redaktion:

Die SoundWords-Redaktion ist für die Veröffentlichung des obenstehenden Artikels verantwortlich. Sie ist dadurch nicht notwendigerweise mit allen geäußerten Gedanken des Autors einverstanden (ausgenommen natürlich Artikel der Redaktion) noch möchte sie auf alle Gedanken und Praktiken verweisen, die der Autor an anderer Stelle vertritt. „Prüft aber alles, das Gute haltet fest“ (1Thes 5,21). – Siehe auch „In eigener Sache ...

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