Können Gläubige verlorengehen? (4)
Schwierige Stellen in den Petrusbriefen u.a.

Jacob Gerrit Fijnvandraat

© CSV, online seit: 15.04.2007, aktualisiert: 11.09.2018

Der Gebieter, der sie erkauft hat

Auch aus den Briefen des Petrus führt man einige Einwände an. So schreibt Petrus über Menschen, die

2Pet 2,1: … den Gebieter verleugnen, der sie erkauft hat, und sich selbst schnelles Verderben zuziehen.

Wie ist das zu erklären?

Der Apostel bezeichnet diese Menschen als falsche Lehrer und vergleicht sie mit den falschen Propheten in Israel. Waren die falschen Propheten wirklich Diener Gottes? Nein! Dann sind die Obengenannten ebenso wenig wirkliche Jünger des Herrn. Aber sie sind doch durch Ihn als den Gebieter erkauft worden? Das ist wahr; aber was heißt das? Das hier gebrauchte griechische Wort bedeutet „Herr eines Sklaven“. Ein Sklave ist natürlich gekauft worden, und schließlich hat Jesus Christus den Preis für alle bezahlt. Der Mann in dem Gleichnis von Matthäus 13,44 kauft nicht allein den Schatz im Acker, sondern den ganzen Acker. Dieser Mann ist Jesus Christus, und der Acker ist die Welt. Wenn jemand sich zum christlichen Glauben bekennt, dann hat er damit anerkannt, dass Jesus Christus sein Gebieter ist. Er ist also auch verpflichtet, Ihm zu dienen. Wenn dieser Mensch sich später aber als falscher Lehrer entpuppt, der die Herde hinter sich her wegführen will, dann verleugnet er damit den Gebieter, der ihn erkauft hat.

Zurückkehren zum Wälzen im Kot

Im gleichen Abschnitt schreibt der Apostel Petrus von Menschen, die sich zu einem unsittlichen Lebenswandel zurückwenden und dabei Herrlichkeiten lästern:

2Pet 2,21: Denn es wäre ihnen besser, den Weg der Gerechtigkeit nicht erkannt zu haben, als, nachdem sie ihn erkannt haben, umzukehren von dem ihnen überlieferten heiligen Gebot.

Diese Menschen vergleicht Petrus mit einem Hund, der zu seinem eigenen Gespei zurückkehrt, und einer gewaschenen Sau, die sich im Kot wälzt (2Pet 2,9-22). Auch hier wird nichts über ein mögliches Abfallen von Kindern Gottes gesagt. Es steht hier nicht: „Das Schaf kehrt zurück zu seinem Gespei“, sondern „der Hund“. Ein Hund kann seinen eigenen Dreck für eine Zeit aufgeben, aber er kann später wieder dazu zurückkehren. Eine Sau kann schön gewaschen sein und wird doch wieder in den Dreck zurückkehren. Ein netter Hund und eine gewaschene Sau sind dadurch jedoch nicht in ihrer Natur verändert – sie sind keine Schafe geworden. Sie sind nur für eine gewisse Zeit gereinigt. Es gibt eine ganze Reihe solcher christlichen „Hunde und Schweine“, die durch die Erkenntnis Jesu Christi der Befleckung der Welt eine Zeitlang entflohen sind (2Pet 2,20), sich dann aber doch wieder zu ihr zurückwenden. Für diese Menschen wäre es besser, sie hätten den Weg der Gerechtigkeit nicht erkannt; denn nun sind sie schuldiger als ein Trunkenbold oder Sittenstrolch, der dem Evangelium nie sein Ohr geliehen hat. Diese Menschen haben sich einer zeitlichen äußerlichen Reinigung ihres Lebens unterzogen, aber es kam nie zu einer schriftgemäßen inneren Reinigung. Der Apostel bezeichnet sie daher auch als „Ungerechte“ (V. 9). Sie waren zu keiner Zeit durch Glauben gerechtfertigte Sünder gewesen.

Hütet euch, dass ihr nicht aus eurer eigenen Festigkeit fallt

Der zweite Brief des Petrus enthält noch ein scheinbares Gegenargument. Man beruft sich auf 2. Petrus 3,17:

2Pet 3,17: Hütet euch, dass ihr nicht, durch den Irrwahn der Ruchlosen mit fortgerissen, aus eurer eigenen Festigkeit fallt.

Ein Wiedergeborener kann fallen. Darum müssen wir immer wieder gewarnt und ermahnt werden. Wie viele Menschen gibt es, die einmal ein hervorragendes Zeugnis besaßen, aber dann wieder in ein sittenloses Leben zurückgefallen sind. Sie wachten nicht und verharrten nicht im Gebet, sondern fielen. Bedeutet das, dass sie verloren sind? Wenn sie wirklich wiedergeboren waren, dann ist das unmöglich. Dann ist Jesus Christus ihr Fürsprecher bei dem Vater (1Joh 2,1), und der Geist Gottes beginnt mit seinem Werk der Wiederherstellung. David tat einen schrecklichen Fall, aber er sagt von Gott: „Er erquickt meine Seele“ (er stellt meine Seele wieder her; Ps 23,3). Mit einem zerbrochenen Herzen bekannte er Gott seine Schuld und bat: „Lass mir wiederkehren die Freude deines Heils“ (Ps 51,12). Wenn Gott seine Kinder zurechtbringen will, lässt Er sie manchmal bittere Erfahrungen machen. Aber Er hat sie zu lieb, um sie verlorengehen zu lassen.

Auslöschen aus dem Buch des Lebens

Off 3,5: Wer überwindet, der wird mit weißen Kleidern bekleidet werden, und ich werde seinen Namen nicht auslöschen aus dem Buche des Lebens und werde seinen Namen bekennen vor meinem Vater und vor seinen Engeln.

Von dem Überwinder wird in Offenbarung 3,5 gesagt, dass Jesus Christus seinen Namen nicht aus dem Buch des Lebens auslöschen wird. Damit wird doch gleichzeitig ausgesagt, dass die Namen anderer wohl ausgelöscht werden können.

Dass Namen aus dem Buch des Lebens ausgelöscht werden, ist sicher; aber nicht aufgrund dieser Schriftstelle – eine solche Umkehrung dürfen wir nicht so ohne Weiteres vornehmen –, sondern aufgrund von Psalm 69,28, wo prophetisch durch den Herrn gesagt wird: „Lass sie ausgelöscht werden aus dem Buche des Lebens, und nicht eingeschrieben mit den Gerechten!“ Hier handelt es sich um einen messianischen Psalm, der von den Leiden Jesu am Kreuz spricht (Ps 69,21). Vers 28 bezieht sich deswegen auf die Widersacher Jesu Christi. Von ihnen wird gesagt: „Füge Ungerechtigkeit zu ihrer Ungerechtigkeit, und lass sie nicht kommen zu deiner Gerechtigkeit.“

An dieser Stelle wird also deutlich, dass ein Mensch nicht unbedingt dadurch gerechtfertigt ist, dass sein Name ins Buch des Lebens eingeschrieben worden ist. Es bedeutet nicht, dass er damit auch ewiges Leben hat, das er verlieren würde, wenn sein Name aus dem Buch des Lebens ausgelöscht würde. Das Buch des Lebens ist in erster Linie das Buch aller Lebenden. So sieht sich der Psalmist als Geschöpf in „seinem Buch“ aufgezeichnet (Ps 139,16). Mose bittet, dass er um Israels willen aus dem Buch des Lebens ausgelöscht werden möge: „Und nun, wenn du ihre Sünden vergeben wolltest! … Wenn aber nicht, so lösche mich doch aus deinem Buche, das du geschrieben hast“ (2Mo 32,32).

Jeder Mensch ist prinzipiell ein „Lebenskandidat“. Gott hat nicht im Voraus ein Buch der Verdammten. Wenn jemand geboren wird, wird er in das Buch der Lebenden eingetragen und ist damit ein Kandidat für das Leben. Wenn aber jemand das Heil abweist, das Gott ihm in Jesus Christus anbietet, dann ist der Lohn der Sünde nicht nur der leibliche Tod, sondern auch das Auslöschen aus dem Buch des Lebens. Dieser Mensch hat sich des ewigen Lebens nicht würdig erachtet (vgl. Apg 13,46).

Wenn die Toten einmal vor dem großen weißen Thron stehen werden, wird das Buch des Lebens dort als ein stiller Zeuge liegen. Dann stehen dort nur noch die Namen der Gerechten. Diese Gerechten sind von Gott natürlich schon vorher gekannt. Darum spricht Offenbarung 13,8; 17,8 von Gerechten, deren Namen von Grundlegung der Welt an im Buch des Lebens geschrieben sind. Es trägt daher auch den Namen: „Buch des Lebens des geschlachteten Lammes“. Die Namen derer, die dort eingetragen sind, werden nicht ausgelöscht. Das Buch des Lebens wird daher unter zwei Aspekten gesehen:

  1. als ein Buch der Lebenden, aus dem Ungläubige ausgelöscht werden,
  2. als ein Buch des Lebens des Lammes.

Dann enthält es nur die Namen derer, die das ewige Leben erben.

Kann der Bruder umkommen – konnte Paulus verwerflich werden?

1Kor 8,11: Und durch deine Erkenntnis kommt der Schwache um, der Bruder, um dessentwillen Christus gestorben ist.

In 1. Korinther 8,11 ist die Rede davon, dass der Bruder, um dessentwillen Christus gestorben ist, umkommt. Der Apostel hat in diesem Kapitel über die Verantwortung der „Starken im Glauben“ gegenüber den „Schwachen“ gesprochen. Nehmen wir an, da ist jemand stark im Glauben und geht in einen Götzentempel, um dort Fleisch zu essen. Er nimmt an dem götzendienerischen Ritual nicht teil; denn es geht ihm dort nur darum, Fleisch zu essen. Dazu boten die Tempel ausgezeichnete Gelegenheiten! In einem Götzen sieht dieser „Starke im Glauben“ nichts – das Fleisch ist für ihn nichts anderes als gewöhnliches Fleisch.

Ein anderer Christ sieht ihn dort hingehen. Aber sein Gewissen gibt ihm nicht die Freiheit, ebenso zu handeln. Weil er aber die anderen so handeln sieht und er selbst auch gern Fleisch isst, geht er doch in den Tempel und handelt dadurch gegen sein Gewissen. Für ihn persönlich bedeutet das ein Sichverbinden mit den Götzen, und eine Rückkehr in die Klauen des Heidentums ist die Folge. Kann der starke Gläubige nun sagen: „Dann ist dieser Schwache im Glauben kein echter Christ gewesen, und ich brauche mir darüber keine Gedanken zu machen“? Nein, es ist ein Bruder, den er als solchen kennt. Durch sein liebloses Auftreten ist dieser „im Glauben schwache Bruder“ in die Klauen des Heidentums geraten und daher umgekommen. (Dass Gott ihn zurückbringt, wenn er ein Wiedergeborener ist, wird hier nicht behandelt, da das unsere Verantwortung abschwächen würde.)

Dieses Argument gebraucht der Apostel nun, um die „Starken im Glauben“ darauf hinzuweisen, dass sie auf das Gewissen des „schwachen Bruders“ achten und nicht in einem Geist leben sollten, der sagt: „Soll ich meines Bruders Hüter sein?“

Im folgenden Kapitel schreibt Paulus im Blick auf sich selbst: „… damit ich nicht, nachdem ich anderen gepredigt habe, selbst verwerflich werde“ (1Kor 9,27). Und in 2. Korinther 13,5 lesen wir: „Oder erkennt ihr euch selbst nicht, dass Jesus Christus in euch ist? Es sei denn, dass ihr etwa unbewährt seid.“ (Nach einer holländischen Übersetzung: „Oder seid ihr euch dessen nicht so sicher, dass Jesus Christus in euch ist? Sonst seid ihr nämlich verwerflich.“) Paulus vergleicht sich mit einem Leichtathleten. Er spricht von seiner Teilnahme an dem Wettlauf und von dem Kampf, in dem er steht. Mit diesen Bildern vergleicht er seine Laufbahn als Diener Gottes. Einmal unterstellt, Paulus hätte seinen Dienst, den Kampf, völlig aufgegeben. Dann wäre er kein „Teilhaber des Evangeliums“ mehr gewesen (V. 23). Dann hätte sein Leben bewiesen, dass er nur für eine Zeit ein Mitläufer war, der nun das Bekenntnis aufgegeben hatte. Die unausweichliche Folge davon wäre dann seine Verwerfung gewesen. Aber gerade die Treue, mit der Paulus seinen Dienst ausübte, beweist, dass er kein bloßer Bekenner, sondern ein wiedergeborener Arbeiter des Herrn war.

Sollte vielleicht jemand annehmen, die Schrift würde sagen: „Paulus, ruhe dich ruhig auf deinen Lorbeeren aus. Du wirst das Ziel doch erreichen“? Nein, ein Leben aus Gott beweist sich im Wandel. Ein Aufgeben des Bekenntnisses dagegen beweist, dass kein Leben aus Gott vorhanden war. Dasselbe gilt für die Korinther. Sie suchten einen Beweis dafür, dass Paulus wirklich ein Apostel Jesu Christi war. „Nun“, sagt der Apostel, „fragt euch doch einmal, ob ihr glaubt. Wenn ihr darauf mit Ja antworten könnt, dann habt ihr damit zugleich den Beweis für mein Apostelamt. Denn durch mich habt ihr das Evangelium von Jesus Christus gehört. Oder“, so fährt er ironisch fort, „seid ihr euch nicht sicher, dass Christus in euch ist? Seid ihr nicht wiedergeboren? Nun, dann seid ihr verwerflich!“ Damit ist aber nichts über ein Abfallen von Kindern Gottes ausgesagt. Diese Korinther hätten ja gerade feststellen müssen, dass sie nie Kinder Gottes gewesen waren.

Wenn der Gerechte …

Schließlich gibt es noch zwei Stellen über den „Gerechten“. Die erste finden wir in Hesekiel 18,24. Dort steht, dass ein Gerechter sterben wird, wenn er von seiner Gerechtigkeit umkehrt und Unrecht tut.

Hes 18,24: Wenn aber ein Gerechter von seiner Gerechtigkeit umkehrt und unrecht tut, nach all den Gräueln tut, die der Gesetzlose verübt hat, sollte er leben? Aller seiner gerechten Taten, die er getan hat, soll nicht gedacht werden; wegen seiner Treulosigkeit, die er begangen, und wegen seiner Sünde, die er getan hat, wegen dieser soll er sterben.

Es ist eigenartig, dass man diese Stelle anführt, um das Evangelium der Gnade Gottes, das im jetzigen Zeitalter geoffenbart wird, in seiner Kraft einzuschränken. Lesen Sie bitte einmal das ganze Kapitel. Gott sagt darin, dass ein sündiger Mensch leben wird, wenn er sich vom Bösen abwendet, die Armen gut behandelt, keinen Wucher treibt usw. Müssen wir das etwa den Menschen unserer Zeit als Evangelium vorstellen? Das ist eindeutig Gesetz. Nehmen wir an, ich würde als Evangelist einem Betrunkenen sagen: „Lass das Trinken sein und werde ein guter Familienvater, dann wirst du leben.“ Wäre ich dann wirklich ein Diener des Evangeliums? Sicher nicht. Dann würde ich diesen Mann mit leeren Versprechungen abspeisen. Aber ich darf auch nicht umgekehrt sagen: „Gerechter, wenn du in Sünde fällst, dann stirbst du aufgrund von Hesekiel 18.“ Ich gebe dann den Ausdrücken „Gerechter“, „leben“ und „sterben“ einen neutestamentlichen Sinn, den sie in Hesekiel 18 nicht haben. Dort wird weder von dem Gerechtfertigtsein in Jesus Christus gesprochen noch vom ewigen Leben und ewigen Tod.

Die zweite Stelle ist noch weniger als Argument geeignet. Man verweist auf 1. Petrus 4,18:

1Pet 4,18: Und wenn der Gerechte mit Not errettet wird, wo will der Gottlose und Sünder erscheinen?

Hier steht nämlich nicht, dass es Gerechte gibt, die doch verlorengehen werden. Diese Stelle bietet nicht den geringsten Anhalt für ein Gegenargument. Gott macht deutlich, dass der Gerechte errettet wird. Doch der Weg des Gerechten geht durch allerlei Übungen, wie Vers 12ff. zeigen. Gott gebraucht diese Übungen zur Läuterung seines Hauses, denn Gott kann bei seinen Kindern nichts Verkehrtes dulden. Hier gilt dasselbe, was Gott in Israel sagt: „Nur euch habe ich von allen Geschlechtern der Erde erkannt, darum werde ich alle eure Missetaten an euch heimsuchen“ (Amos 3,2).

Wenn alle Christen bereits hier auf der Erde praktische Vollkommenheit erreichen würden, dann müsste keine Läuterung mehr stattfinden; weil das aber nicht so ist, kann Gott nicht darauf verzichten. Wenn nun Menschen, die durch das Blut Jesu Christi gerechtfertigt worden sind, mit Not errettet werden, wo will dann der Sünder erscheinen, dessen Sünden nicht durch das Blut Jesu Christi abgewaschen sind? Auf ihn wartet das ewige Gericht. Aber der Gerechte wird errettet werden, wenn auch mit Not und großer von Gott angewandter Mühe.

Zwei Fäden

Aus diesen Ausführungen können wir die Schlussfolgerung ziehen, dass es zwei Arten von Schriftstellen gibt. Eine Reihe Stellen sprechen bedingungslos von der Errettung der Kinder Gottes, weil das Werk in ihrer Seele das Werk Gottes ist. Andere zeigen, dass jemand, der Christ zu sein bekennt, dem christlichen Glauben und Wandel abschwören kann.

Wie sollen wir beide praktisch auf uns anwenden? Wir sollten das Wort Gottes so sprechen lassen, wie es der jeweiligen Situation angemessen ist. Anders ausgedrückt: Eine bestimmte Botschaft richtet sich auch an einen bestimmten Adressaten! So ist das Wort „Ihr Männer, liebet eure Frauen“ an die Männer gerichtet und nicht an ihre Ehefrauen. Und die Ermahnung „Ihr Frauen, seid euren Männern untertan“ ist an die Frauen gerichtet und nicht an ihre Ehepartner. Nun kann es jedoch vorkommen, dass der Mann seiner Frau „ihre Stelle“ um die Ohren schlägt und umgekehrt. Dasselbe kann auch mit diesen beiden Gruppen von Schriftstellen passieren. Um mit einem Missionar aus Thailand zu sprechen:

An diesen beiden Gruppen von Schriftstellen hängen sozusagen zwei Fäden. Ein Gläubiger, der keiner verkehrten Lehre anhängt und keinen schlechten Wandel führt, aber an seiner Errettung zweifelt, weil er auf sich selbst sieht, muss an dem Faden der ersten Gruppe von Schriftstellen ziehen. Jemand, der Christ zu sein bekennt, dessen Leben aber nicht mit seinem Bekenntnis übereinstimmt, muss an dem Faden der zweiten Gruppe ziehen. Leider versteht es Satan sehr geschickt, die Fäden zu verwirren. Der zweifelnde Christ bezieht dann die Ermahnungen der zweiten Gruppe auf sich und verzweifelt. Der Christ, der einen schlechten Lebenswandel führt, stützt sich auf die erste Gruppe und versucht so, sein Gewissen zu beruhigen.

Der eine Faden ist die Linie der Gnade, der andere die Linie der Verantwortung. Beide müssen wir biblisch anwenden.

Zurechtbringen

Wir sind als Christen nicht auf uns selbst gestellt. Wir sind füreinander verantwortlich (1Kor 12,25.26). Wie sollen wir nun im Blick auf die beiden erwähnten Beispiele einander dienen? Im ersten Fall ist das nicht so schwierig. Einem zweifelnden Gläubigen sollten wir die Ergebnisse des Werkes Jesu Christi deutlich zu machen versuchen. Meistens entsteht Zweifel dadurch, dass man von sich selbst enttäuscht ist. Das Entdecken der sündigen Natur und Versagen im praktischen Leben sind die häufigsten Ursachen des Zweifelns. Diese Gläubigen haben Unterweisung nötig. Sie müssen lernen, dass Jesus Christus nicht nur für sie gestorben ist, sondern dass sie auch mit Ihm gestorben sind; dass Gott sie nicht mehr in ihrem sündigen Zustand vor der Bekehrung sieht, sondern sie in Jesus Christus als eine neue Schöpfung betrachtet. Ihr Blick muss auf Jesus Christus, den Hohenpriester, gerichtet werden, der Mitleid zu haben vermag mit unseren Schwachheiten, weil Er in allen Dingen versucht wurde wie wir (Heb 2,18; 4,15.16). Er kommt uns zu Hilfe.

Im zweiten Fall ist die Sache etwas schwieriger. Wir sollten versuchen, diese Christen so zurechtzubringen, wie Paulus die Galater ermahnt: „Brüder! Wenn auch ein Mensch von einem Fehltritt übereilt würde, so bringt ihr, die Geistlichen, einen solchen wieder zurecht im Geist der Sanftmut, indem du auf dich selbst siehst, dass nicht auch du versucht werdest“ (Gal 6,1).

Aber wie? Hier sind zwei Fälle möglich:

  1. Es kann sein, dass ein Wiedergeborener in Sünde gefallen ist und in Reue seine Schuld vor Gott bekannt hat. Dann dürfen wir ihn auf Jesus Christus, den Fürsprecher bei dem Vater, hinweisen (1Joh 2,1) und ihm sagen: „Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt.“ Dieser Gläubige hat Ermutigung und Ermahnung nötig, um nicht wieder in Sünde zu fallen.

  2. Es kann auch sein, dass jemand weiter in Sünde lebt und eiskalt sagt: „Aber ich bin doch errettet, denn ich bin ein Kind Gottes.“ Sollten wir ihn dann darin bestärken, indem wir auf die Gnade Gottes hinweisen, die das Werk seiner Hände nicht umkommen lässt? Auf keinen Fall! Denn wer sagt uns, dass dieser Mensch wirklich wiedergeboren ist? Wir können nicht in sein Herz sehen. Das Bekenntnis seines Glaubens steht im Widerspruch zu dem Bekenntnis seines Wandels. Diesen Mann dürfen wir nicht auf die Gnade Gottes hinweisen, sondern vielmehr auf die Verantwortung des Christen. Für ihn gilt: „Wenn ihr nach dem Fleische lebt, so werdet ihr sterben“ (Röm 8,13). Er lebt als ein Feind des Kreuzes Christi, dessen Ende Verderben ist. Dieser Mensch befindet sich auf dem Weg zum Verderben. Und das sollten wir ihm vorhalten.

Wenn er aber wirklich ein Kind Gottes ist? Gott weiß es und wird es von diesem Weg retten. Angenommen, ich gehe mit meinem Kind an einen Kanal. Das Kind will die Böschung hinunterlaufen und sich ins Wasser stürzen. Sage ich dann: „Lauf ruhig, ich werde dich schon noch früh genug retten“? Nein, ich sage: „Wenn du das tust, ertrinkst du.“ Dass ich es aber als Vater nicht so weit kommen lassen werde, ist eine andere Sache. Diese Christen sollten wir strafen. Wenn wir sie dadurch von einem Irrweg abgebracht haben, können wir sagen, dass wir – ähnlich wie in dem gerade erwähnten Beispiel – eine Seele vom Tod errettet haben (Jak 5,19.20).

Gottes Gnade ist groß. Aber unsere Verantwortung ist ebenfalls groß. Es ist mein herzlicher Wunsch, dass durch dieses Büchlein beides ins rechte Licht gerückt worden ist.

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Mit freundlicher Genehmigung aus Können Gläubige verlorengehen?
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Hinweis der Redaktion:

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