Der erste Johannesbrief (2)
Kapitel 2

Stanley Bruce Anstey

© SoundWords, online seit: 10.03.2022, aktualisiert: 13.11.2023

Fortsetzung: Licht (1Joh 1,5–2,11)

Die Fürsprache Christi

Verse 1.2

1Joh 2,1.2: 1 Meine Kinder, ich schreibe euch dies, damit ihr nicht sündigt; und wenn jemand gesündigt hat – wir haben einen Sachwalter bei dem Vater, Jesus Christus, den Gerechten. 2 Und er ist die Sühnung für unsere Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die ganze Welt.

Nachdem Johannes von Gottes gnädiger Vorsorge für seine versagenden Kinder gesprochen hat, beeilt er sich, die falsche Vorstellung zu korrigieren, man könne meinen, er würde lehren, dass es für ein Kind Gottes in Ordnung sei zu sündigen (weil es diese Vorsorge gibt). Er ruft aus: „Meine Kinder, ich schreibe euch dies, damit ihr nicht sündigt.“ Dies ist das erste Mal in diesem Brief, dass Johannes seine Zuhörer mit „meine Kinder“ anspricht. Darin sehen wir seine Leidenschaft und seine tiefe Sorge um ihre Bewahrung. Er möchte auf keinen Fall, dass die Gläubigen die Sünde auf die leichte Schulter nehmen. Es ist in der Tat eine sehr ernste Sache, wenn ein Kind Gottes beim Sündigen ertappt wird; wir sollten schon bei dem Gedanken daran zurückschrecken. Wenn wir wahrhaftig sehen könnten, was nötig war, die Sünde auf gerechtem Weg zu beseitigen – die Qualen der sühnenden Leiden Christi am Kreuz –, würden wir davor zurückschrecken!

In verschiedenen Bibelübersetzungen steht: „Meine kleinen Kinder“. Das Wort „klein“ sollte jedoch in 1. Johannes 2,1.12.28; 3,7.18; 4,4; 5,21 nicht im Text stehen. „Klein“ bezieht sich auf diejenigen, die jung im Glauben sind, aber Johannes spricht hier die ganze Familie Gottes an, nicht nur die Neubekehrten. Die Verwendung von „klein“ in diesem Vers impliziert, dass nur die Jungbekehrten in Gefahr sind, zu sündigen. Das ist nicht wahr; alle Gläubigen (sogar ein Apostel) können versagen, wenn sie sich nicht eng an den Herrn halten.

Johannes fährt fort und sagt: „Wir haben einen Sachwalter bei dem Vater, Jesus Christus, den Gerechten. Und er ist die Sühnung für unsere Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die ganze Welt.“ Das erklärt, wie es dazu kommt, dass Gläubige, die versagen, ihre Sünden bekennen; es geschieht durch das Werk Christi als „Sachwalter [Fürsprecher] bei dem Vater“. Beachte: Johannes sagt nicht: „wenn jemand sündigt“. Das würde bedeuten, dass Sündigen für einen Christen etwas Normales ist, was jedoch nicht der Fall sein sollte. Da Christus als unser Hoherpriester für uns eintritt, werden wir vor der Sünde bewahrt, wenn wir Ihn um Hilfe bitten (Heb 7,25; 2Pet 2,9; Jud 24). Daher ist das Nichtsündigen in Wirklichkeit das normale Christentum. Aber „wenn“ ein Gläubiger aus seinem eigenem Willen heraus sündigt, gibt es diese Möglichkeit der Wiederherstellung durch Gott. Das ist der Punkt, auf den Johannes hier hinauswill. Zu sagen, dass wir nicht gesündigt haben, verleugnet unseren Zustand und die Notwendigkeit des Sachwalterdienstes Christi; aber zu sagen, dass es für uns normal ist, zu sündigen, verleugnet das Hohepriestertum Christi.

Christen, die versagen, verlieren nicht ihr Heil (wie manche fälschlicherweise lehren). Wenn das wahr wäre, hätte Johannes gesagt: „Wenn jemand sündigt, muss er Christus wieder als seinen Retter annehmen.“ Aber wenn er sich auf Christus als unseren Fürsprecher bezieht, deutet das darauf hin, dass er sich mit dem Thema der Wiederherstellung und nicht der Errettung befasst.

Beachte auch: Die Fürsprache Christi ist „bei dem Vater“. Das zeigt, dass die Sünde eines Gläubigen seine Beziehung zu Gott nicht beeinträchtigt. Gott ist immer noch sein Vater, und der Gläubige, der gesündigt hat, ist immer noch sein Kind, auch wenn er versagt hat. In ähnlicher Weise hört in einer irdischen Familie das Kind, das seinem Vater nicht gehorcht, nicht auf, sein Kind zu sein. Unsere Beziehung zu Gott kann zwar nicht durch die Sünde beeinträchtigt werden, aber unsere Gemeinschaft mit Gott wird ganz sicher beeinträchtigt, und sie bleibt gestört, bis wir die Sünde bekennen, die die Gemeinschaft unterbrochen hat. Das Problem ist, dass wir in einen so schlechten Seelenzustand geraten können, dass wir uns nicht einmal bewusst sind, dass wir die Gemeinschaft mit dem Herrn verloren haben, und dass es uns wie Simson ergehen kann, der „nicht wusste, dass der HERR von ihm gewichen war“ (Ri 16,20). Wir sollten daraus nicht schließen, dass der Herr uns verlässt, wenn wir sündigen; Er hat versprochen, das nie zu tun (Heb 13,5). Aber Er entzieht uns das Gefühl, dass Er bei uns ist.

„Sachwalter“ könnte auch mit „Fürsprecher“ übersetzt werden, was bedeutet: jemand, der sich für einen anderen einsetzt. In der Heiligen Schrift wird dieses Wort auf den Herrn (1Joh 2,1) und auch auf den Heiligen Geist angewendet (Joh 14,16.26; 15,26; 16,7). Es ist wichtig, zu verstehen, dass das Wirken Christi als Fürsprecher sofort beginnt, wenn ein Gläubiger gesündigt hat, und nicht erst, wenn er sich reumütig an Gott wendet und seine Sünden bekennt. Johannes sagt nicht: „Wenn jemand seine Sünden bekennt, hat er einen Fürsprecher bei dem Vater.“ Das würde bedeuten, dass das Wirken des Fürsprechers Christi davon abhängt, dass sich der Gläubige zu Ihm wendet, und das würde das Pferd von hinten aufzäumen. Wenn das Wirken Christi als Fürsprecher davon abhinge, dass wir uns Gott zuwenden und unsere Sünden bekennen, dann würde niemand jemals wiederhergestellt werden, denn kein Gläubiger, der versagt hat, kann aus eigenem Antrieb umkehren – so groß ist die versklavende Macht der Sünde (Spr 5,22; Joh 8,34). Die Wahrheit ist, dass wir uns nicht selbst retten können, und wenn wir versagen, können wir uns auch nicht selbst wiederherstellen. Die Wiederherstellung ist allein ein Werk des Herrn. („Er erquickt meine Seele“ in Psalm 23,3 könnte auch übersetzt werden mit: „Er stellt meine Seele wieder her.“) Es ist das, was Christus als Sachwalter tut: Er bringt uns dazu, zu Gott zurückzukehren und unsere Sünden zu bekennen.

Vier Dinge, die mit dem Sachwalterdienst Christi zu tun haben

Wir können fragen: „Was genau tut Christus als Fürsprecher, das dazu führt, dass der Gläubige wiederhergestellt wird?“ Es gibt vier Dinge, die an diesem Werk beteiligt sind:

  1. In dem Moment, wenn wir sündigen, geht der Herr zum Vater und betet für unsere Wiederherstellung. Der Herr betete auf diese Weise für Petrus, bevor dieser umkehrte (Lk 22,31). Gleichzeitig vertritt der Herr unsere Sache vor Gott gegenüber den Anschuldigungen des Teufels bezüglich der Sünden, die zu unserem Versagen geführt haben (Off 12,10). Der Herr ist nicht dazu da, Gott zu überreden, unsere Sünden zu entschuldigen oder zu übersehen, sondern als „Jesus Christus, der Gerechte“, weist Er auf sein Blut hin und sagt: „Ich habe für diese Sünden bezahlt, weil ich sie gesühnt habe.“ Unsere Wiederherstellung beruht also auf der unveränderlichen Wirksamkeit des Versöhnungswerkes Christi am Kreuz.

  2. Er weist den Geist Gottes an, das Wort Gottes auf unser Gewissen einwirken zu lassen (Lk 22,61). Der Geist wird unseren Zustand und unseren sündigen Weg ansprechen und uns mit unserem Versagen konfrontieren, bis wir umkehren und unsere Sünden bekennen. Er kann uns einen Vers ins Gedächtnis rufen, entweder durch Hören, Lesen oder Erinnern, der zu uns sprechen wird. So hat Gottes Wort einen Anteil an der Wiederherstellung eines Gläubigen (Ps 19,8; 119,10).

  3. Er ergreift erzieherische Maßnahmen in unserem Leben (1Pet 3,12). Der Vater wird auch in diese Richtung auf uns einwirken (1Pet 1,16.17). Er handelt mit uns in seinen Regierungswegen, die sich auf seine Liebe zu uns gründen (Heb 12,5-11). Seine Liebe ist so groß, dass Er sogar Schwierigkeiten (Leiden, Krankheit, Kummer usw.) in unserem Leben benutzt, um unsere Aufmerksamkeit zu erregen, damit wir umkehren (Hiob 33,14-22).

  4. Er wird unsere Brüder hinter uns herschicken (Gal 6,1; Jak 5,19.20). Ein Bruder oder eine Schwester könnte zu uns kommen und mit uns über unseren falschen Weg sprechen, und das kann vom Herrn benutzt werden, damit wir umkehren.

Diese Dinge werden zusammenwirken, um den Gläubigen, der versagt hat, im Herzen zu Gott zurückzubringen. Jemand, der fälschlicherweise behauptet, ewiges Leben zu haben, hat Christus nicht als seinen Fürsprecher (und auch nicht als seinen Erlöser), und deshalb wird er nicht zugeben, dass er gesündigt hat – und wenn er es doch tut, wird es nur oberflächlich sein.

Sühnung

„Sühnung“ (Röm 3,25; Heb 2,17; 1Joh 2,2; 4,10) ist ein Wort, das die Menschen oft einschüchtert, weil es so klingt, als sei es unergründlich und kompliziert. Obwohl die Sühnung eine immens wichtige Wahrheit ist, ist ihre Bedeutung wirklich nicht schwer zu verstehen. Sie bezieht sich einfach auf Gottes Seite des Kreuzes – auf das, was Gott durch das Sühnungswerk Christi erhalten hat. Sein Tod erfüllte die Ansprüche der göttlichen Gerechtigkeit und rechtfertigte Gottes heiliges Wesen in Bezug auf die Sünde. Der Tod Christi hat Gott in die Lage versetzt, dem Menschen in seiner Gnade das Angebot zu machen, jedem Sünder, der glaubt, vollständig zu vergeben. Die Sühnung hat also mit der Erfüllung von Gottes heiligen Ansprüchen gegenüber der Sünde zu tun. Aber es gibt auch unsere Seite des Werkes Christi am Kreuz; das nennen Bibellehrer Stellvertretung. Die stellvertretende Seite seines Sühnungswerkes hat damit zu tun, dass die Bedürfnisse des Sünders erfüllt werden. Wir brauchten jemand, der unseren Platz unter dem gerechten Gericht Gottes über unsere Sünden einnimmt. Christus hat dies getan, wie der Apostel Petrus sagt: „Es hat ja Christus einmal für Sünden gelitten, der Gerechte für die Ungerechten, damit er uns zu Gott führe“ (1Pet 3,18). Die Sühnung hat also zwei Teile: Sühnung und Stellvertretung.

Wir predigen der Welt Versöhnung, nicht Stellvertretung

Johannes fügt hinzu: „nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die ganze Welt“. Das zeigt, dass die Sühnung einen sehr breiten Anwendungsbereich hat. Sie wurde für die ganze Welt geleistet, und deshalb kann jeder einzelne Mensch auf der Welt gerettet werden, wenn er im Glauben zu Christus kommt. Einige Bibelübersetzungen fügen hinzu: „für die Sünden der ganzen Welt“. Die kursiven Wörter stehen nicht im griechischen Text, sondern wurden von den Übersetzern hinzugefügt, um die vermeintliche Klarheit zu erhöhen. Doch fast immer verändern solche Zusätze die Bedeutung des Textes. So ist es auch hier geschehen. Die Wahrheit ist, dass für die ganze Welt Sühnung geleistet wurde, aber Christus hat nicht die Sünden aller Menschen auf der Welt getragen. In der Schrift heißt es, dass Er die Strafe für die Sünden „vieler“ getragen hat – was sich auf die Gläubigen bezieht (Jes 53,12; Mt 20,28; 26,28; Heb 9,28) –, gerade nicht für alle Menschen. Es stimmt, dass Christus „für alle gestorben ist“; das ist Sühnung (2Kor 5,15; 1Tim 2,6) – aber Er hat nur die Sünden der vielen getragen, die einmal an Ihn glauben würden. Was Christus am Kreuz vollbracht hat, geschah also im Hinblick auf alle, aber [was die Sühnung der Sünden betrifft] für [im Sinne von stellvertretend] alle, die glauben (Röm 3,22). Die Schwere dieses Fehlers, auch wenn er in den meisten Fällen unbeabsichtigt ist, besteht darin, dass er Gott als ungerecht darstellt. Wenn Christus die Strafe für die Sünden aller Menschen auf der Welt auf sich genommen hat, dann wäre Gott ungerecht, wenn Er zulassen würde, dass jemand in die Hölle geworfen wird. Sie würden für ihre Sünden bezahlen, die bereits von Christus bezahlt worden sind!

So predigen wir der Welt im Evangelium die Sühnung. Wir sagen den Verlorenen, dass Gottes heilige Ansprüche durch das Sühnungswerk Christi am Kreuz erfüllt worden sind und dass Gott nicht nur befriedigt, sondern dadurch verherrlicht worden ist. Und wenn sie im Glauben zu Christus kommen, können sie gerettet werden. Auf der anderen Seite lehren wir jene die Stellvertretung, die an Christus glauben. Wir sagen ihnen, dass Christus die gerechte Strafe für ihre Sünden auf sich genommen hat und dass Gott (als der gerechte Gott) sie deshalb niemals für ihre Sünden bestrafen wird. Würde Er es doch tun, würde dies bedeuten, eine doppelte Zahlung zu verlangen; das würde Gott jedoch niemals tun, weil es ungerecht wäre. Diese kostbare Wahrheit gibt dem Gläubigen Frieden und Sicherheit.

Wenn es in den Briefen um das Werk Christi am Kreuz geht und die Pronomen „wir“, „uns“ oder „unsere“ verwendet werden, geht es in der Regel um die stellvertretende Seite seines Todes (Jes 53,5.6; Röm 4,25; 5,8; 1Kor 15,3; 2Kor 5,21; Gal 1,4; Eph 1,7; 1Pet 2,24; 3,18; 1Joh 3,5; Off 1,5.6; usw.). Leider haben viele evangelikale Prediger, Missionare und Sonntagsschullehrer dies missverstanden und erzählen ihren unerlösten Zuhörern, dass Christus für ihre Sünden gestorben ist und dass Er ihre Strafe auf sich genommen hat. Dieses Missverständnis rührt größtenteils von der Annahme her, dass sich diese Pronomen in der Heiligen Schrift auf die gesamte Menschheit beziehen, was jedoch nicht der Fall ist; sie beziehen sich auf die Gläubigen: die christliche Gemeinde. Die neutestamentlichen Briefe wurden an Christen geschrieben, nicht an die verlorenen Menschen dieser Welt. Wir würden uns sehr freuen, wenn die Menschen in der Welt sie lesen würden; viele sind dadurch gerettet worden, aber sie wurden nicht an sie adressiert.

Der Test durch Gehorsam

Verse 3-5

Johannes geht weiter, um eine weitere Aussage eines Bekenntnisses zu untersuchen. Er sagt:

1Joh 2,3-5: 3 Und hieran wissen wir, dass wir ihn kennen, wenn wir seine Gebote halten. 4 Wer sagt: Ich kenne ihn, und hält seine Gebote nicht, ist ein Lügner, und in diesem ist die Wahrheit nicht. 5 Wer aber irgend sein Wort hält, in diesem ist wahrhaftig die Liebe Gottes vollendet. Hieran wissen wir, dass wir in ihm sind.

Der Test hier ist Gehorsam. Dies ist einer der besten Beweise dafür, dass das Bekenntnis eines Menschen echt ist. Johannes erwähnt in diesem Zusammenhang zwei Dinge:

  • Er hält seine „Gebote“ (1Joh 2,3).
  • Er hält sein „Wort“ (1Joh 2,5).

Die „Gebote“ des Herrn sind die besonderen Anweisungen, die Er seinen Jüngern während seines irdischen Dienstes gab. Johannes bezieht sich in seinen Schriften mehrmals auf sie (Joh 13,34; 14,15; 15,10-12; 1Joh 2,3.4.7.8; 3,22.23; 4,21; 5,2.3; 2Joh 4-6). Wie in der Einleitung erwähnt, ist das Thema in den Schriften des Johannes das ewige Leben in der Familie Gottes. Er geht davon aus, dass die glücklichen Beziehungen der Zuneigung, die in der Gemeinschaft des Vaters und des Sohnes bestehen, auch bei den Kindern Gottes herrschen und dass der kleinste Wunsch oder die kleinste Freude seines Herzens, die den Kindern mitgeteilt wird, die Macht eines Befehls über ihre Herzen hat. Es wird für sie zu etwas, was sie für den tun möchten, den sie so sehr lieben (1Joh 4,19). Daher werden diese Dinge zu Recht „Gebote“ genannt (vgl. 2Sam 23,15-17).

Diese Gebote sind nicht zu verwechseln mit den Zehn Geboten, die Gott Israel durch Mose gab (2Mo 20). Einige haben dies missverstanden und sich vorgestellt, der Herr lehre, dass Christen unter dem Gesetz stehen und deshalb seine Gebote halten müssten. 1. Korinther 14,37 zeigt, dass die Gebote des Herrn nicht die Gebote des Gesetzes sind, die am Sinai gegeben wurden. In diesem Kapitel belehrt Paulus die Gläubigen über Gottes Ordnung für den christlichen Dienst in der Gemeinde, und er schließt damit, dass er diese Dinge „Gebote des Herrn“ nennt. Das zeigt, dass wir nicht jedes Mal, wenn wir das Wort „Gebote“ in der Schrift lesen, denken dürfen, dass es sich automatisch auf die Zehn Gebote bezieht; die Anweisungen, die Paulus in 1. Korinther 14 gibt, haben nichts mit den Geboten des Gesetzes zu tun, die Gott am Sinai gab. Wenn in den Briefen von den mosaischen Gebote die Rede ist, werden sie in der Regel „das Gesetz“ genannt (Röm 3,19.20; 13,8.9; 1Tim 1,9; Jak 2,10; usw.).

Seine Gebote sind für diejenigen, die Ihn lieben, „nicht schwer“ (1Joh 5,3), denn sein „Joch ist sanft“ und seine „Last ist leicht“ (Mt 11,30). Daher sind die Dinge, die Er uns im Christentum aufträgt, nicht beschwerlich, wie es das Gesetz des Moses war (Mt 11,28; Apg 15,10).

„Sein Wort“ zu halten ist etwas Höheres als seine Gebote zu halten. Es geht darum, die Gedanken und den Willen Gottes zu kennen, auch wenn es keinen spezifischen Bibelvers gibt, der unser Anliegen anspricht. Solche Dinge erkennt man, wenn man in Ihm bleibt, das heißt, wenn man mit dem Herrn in Gemeinschaft ist (Joh 15,4.7). In solchen Situationen wird „die Liebe Gottes“ in uns „vollendet“. Die Freude an seiner Liebe durch die Gemeinschaft mit Ihm hat uns dazu gebracht, seine Gedanken zu erkennen, und in diesem Sinn hat die Liebe Gottes in uns ihr göttliches Ziel erreicht. Als Gläubige „kennen wir ihn“ nicht nur durch den Glauben (1Joh 2,3), sondern wir „wissen, dass wir in ihm sind“ durch die persönliche Erfahrung der Gemeinschaft (1Joh 2,5). Unser Gehorsam beweist die Wirklichkeit unserer Beziehung zu Ihm und zeigt, dass wir Ihn wirklich kennen.

Umgekehrt: Wenn jemand sagt, dass Er Gott kennt, aber seine Gebote nicht hält (geschweige denn sein Wort), ist es klar, dass die Liebe und der Gehorsam, von denen Johannes spricht, nicht in ihm sind. Die Person hat ihren wirklichen Zustand offenbart; sie hat keine wirkliche Kenntnis von Gott und erweist sich als „ein Lügner, und in diesem ist die Wahrheit nicht“ (1Joh 2,4).

Der Test zu wandeln, wie Christus gewandelt ist

Vers 6

Johannes spricht dann von einer weiteren Prüfung:

1Joh 2,6: Wer sagt, dass er in ihm bleibe, ist schuldig, selbst auch so zu wandeln, wie er gewandelt ist.

„Geliebte“ ist ein Wort, das in der Heiligen Schrift nicht für die Verlorenen verwendet wird. Gott liebt die Sünder (Joh 3,16), aber Er behält sich diese Bezeichnung für die Kinder in seiner Familie vor. Nachdem Johannes davon gesprochen hat, dass wir sein Wort bewahren sollen, indem wir in Ihm bleiben, nimmt er vorweg, dass es einige geben wird, die behaupten werden, in Ihm zu bleiben. Er zeigt, dass alle diese Menschen durch ihren Lebenswandel auf die Echtheit ihres Bekenntnisses geprüft werden können. Wahre Gläubige werden so wandeln, „wie er gewandelt ist“, das heißt, wie der Herr gewandelt ist, als Er hier auf der Erde war. Das Leben Christi ist also der Maßstab für den Lebenswandel des Christen. Das geht über den einfachen Gehorsam hinaus und schließt das Offenbarwerden der moralischen Eigenschaften Christi in unserem Leben ein: seine Sanftmut, seine Niedrigkeit, seine Freundlichkeit, sein Mitleid, sein Mitgefühl, seine Treue usw. Diese Gnaden werden sich in wahren Gläubigen offenbaren. Sie mögen bei uns nicht so ausgeprägt sein wie bei dem Herrn, aber nichtsdestoweniger werden sie bei jedem Gläubigen in gewissem Maß zu sehen sein.

Vers 7

1Joh 2,7: Geliebte, nicht ein neues Gebot schreibe ich euch, sondern ein altes Gebot, das ihr von Anfang an hattet. Das alte Gebot ist das Wort, das ihr gehört habt.

Mit Christus als Vorbild für unseren Wandel sagt Johannes, dass er „nicht ein neues Gebot“ für die Gläubigen hat. Das „alte Gebot“ – nämlich einander zu lieben – wurde im Leben des Herrn vollkommen zum Ausdruck gebracht. Johannes hatte keine Ergänzungen oder Zusätze vorzunehmen, weil man Vollkommenheit nicht verbessern kann. Dies stand in krassem Gegensatz zu dem, was die falschen antichristlichen Lehrer verkündeten. Sie waren dafür bekannt, den Dingen eine neue Wendung zu geben – was überhaupt nicht der Wahrheit entsprach. Wie erfrischend ist es, Johannes sagen zu hören, dass wir in Christus alles haben, was wir brauchen!

Kurz bevor der Herr zu seinem Vater im Himmel zurückkehrte, gab Er den Jüngern dieses Gebot und nannte es „ein neues Gebot“ (Joh 13,34). Denn die Liebe, die sie unter dem mosaischen System kennengelernt hatten, bestand darin, den Nächsten zu lieben „wie sich selbst“ (Lk 10,27). Im Christentum haben wir nun aber einen neuen und anderen Bezugspunkt: Wir sollen einander lieben, „wie“ Christus uns geliebt hat (Joh 15,10-12). Aus der Perspektive, in der Johannes schrieb – lange nachdem der Herr in dieser Welt gewandelt war –, bezeichnete er sie als „alt“.

Vers 8

Nachdem Johannes das gesagt hat, sagt er nun:

1Joh 2,8: Wiederum schreibe ich euch ein neues Gebot, das, was wahr ist in ihm und in euch, weil die Finsternis vergeht und das wahrhaftige Licht schon leuchtet.

Das klingt, als ob Johannes sich selbst widerspricht. Gerade hat er gesagt, er habe den Heiligen kein neues Gebot zu überbringen, aber jetzt sagt er, er habe eines! Was will er damit sagen? Es ist einfach so, dass das alte Gebot, einander zu lieben, nun unter den neuen Umständen der neuen Haushaltung, die mit dem Kommen des Heiligen Geistes eingeführt worden war, angewendet werden sollte. Das neue Gebot unterscheidet sich in seinem Inhalt nicht von dem alten. Wie es in Christus zum Ausdruck gekommen war, so fand es nun seinen Ausdruck in den Kindern Gottes. Dementsprechend sagt Johannes: „was wahr ist in ihm und in euch“.

J.N. Darby bemerkt:

In einem anderen Sinn war das Gebot neu; denn der Geist Gottes tat (indem wir durch die Kraft des Geistes Christi mit Christus vereinigt sind und unser Leben aus Ihm schöpfen) die Wirkung dieses Lebens dadurch kund, dass Er in einer ganz neuen Weise einen verherrlichten Christus offenbarte.[1]

Das alte Gebot hatte also seine Frische nicht verloren; es waren die Umstände, unter denen es angewendet werden sollte, die es zu einem neuen Gebot machten.

Diese Offenbarung der Liebe in den Kindern Gottes ist die erste Frucht eines ganz neuen Zeitalters der moralischen Erneuerung auf der Erde, das entstehen wird, wenn Christus in seinem Reich regiert – im Tausendjährigen Reich (Mt 19,28). Im Vorgriff auf diesen Tag sagt Johannes: „weil die Finsternis vergeht und das wahrhaftige Licht schon leuchtet“. In der englischen King-James-Übersetzung heißt es, dass die Finsternis „vorbei“ ist, aber die Unwissenheit über Gott in dieser Welt ist noch nicht vorbei; wir müssen auf die Errichtung des Tausendjährigen Reiches warten, wenn die Erde voll von der Erkenntnis des Herrn sein wird (Jes 11,9). Wenn man sich die heutigen Zustände in der Welt ansieht, könnte man geneigt sein zu sagen, dass die moralische und geistliche Finsternis zunimmt und nicht vergeht. Doch die Gläubigen sehen, dass die Finsternis im Begriff ist zu vergehen, weil „das wahrhaftige Licht“ in Christus und den Kindern Gottes zu leuchten begonnen hat, und das ist der Vorbote dessen, was kommen wird. Das Licht, das jetzt zu leuchten begonnen hat, wird niemals ausgelöscht werden.

Der Test in Bezug auf die göttliche Liebe

Verse 9-11

Johannes untersucht ein weiteres Kennzeichen für das Im-Licht-Sein: die echte Liebe zu unseren Brüdern. Er sagt:

1Joh 2,9-11: 9 Wer sagt, dass er in dem Licht sei, und hasst seinen Bruder, ist in der Finsternis bis jetzt. 10 Wer seinen Bruder liebt, bleibt in dem Licht, und kein Ärgernis ist in ihm. 11 Wer aber seinen Bruder hasst, ist in der Finsternis und wandelt in der Finsternis und weiß nicht, wohin er geht, weil die Finsternis seine Augen verblendet hat.

Wie es dem Stil des Johannes entspricht, spricht er hier abstrakt. Er zieht nicht in Betracht, dass ein wahrer Christ es zulassen könnte, dass das Fleisch in seiner Seele aufsteigt und bittere Gefühle gegenüber einem seiner Brüder hegt. Er nimmt an, dass dies die Gewohnheit und der Charakter des Lebens eines Menschen ist, weil er in der Finsternis ist und überhaupt nicht gerettet wurde.

Wer wirklich im Licht ist, wird im Licht wandeln und keinen Anlass suchen, um seinen Bruder zum Straucheln zu bringen. Damit beweist er seine Liebe zu seinem Bruder und dass er wirklich im Licht wohnt. Derjenige hingegen, der seinen Bruder hasst, „wandelt in der Finsternis“ und ist „verblendet“ von der Finsternis, in der er wandelt. Er wird dies dadurch zeigen, dass er den Irrlehren der Christenheit verfällt und damit von der Wahrheit abweicht; er wird auch versuchen, andere auf die gleiche Weise zum Straucheln zu bringen. Damit beweist er, dass er keine wahre Liebe zu seinem Bruder hat und dass er selbst kein wahres Kind Gottes ist.

Eine Zusammenfassung der Kennzeichen derer, die im Licht sind

  • Sie wandeln im Licht und in der Gemeinschaft miteinander in dem Wissen, dass das Blut Christi ihre Sünden gereinigt hat (1Joh 1,6.7).
  • Sie wissen, was sie in sich selbst sind – sie haben immer noch eine sündige Natur (1Joh 1,8).
  • Wenn sie versagen, bekennen sie ihre Sünden, weil sie einen Sachwalter beim Vater haben (1Joh 1,9–2,2).
  • Im Gehorsam halten sie seine Gebote und sein Wort (1Joh 2,3-5).
  • Sie zeigen die moralischen Eigenschaften Christi in ihrem Wandel und ihrem Verhalten (1Joh 2,6-8).
  • Sie lieben ihre Brüder und beweisen es dadurch, dass sie darauf achten, sie nicht zum Straucheln zu bringen (1Joh 2,9-11).

Wachstum in der Familie Gottes (1Joh 2,12-28)

Ein Einschub

An dieser Stelle des Briefes löst sich Johannes von der Betrachtung der Kennzeichen der Natur Gottes, die sich in seinen Kindern widerspiegeln, und spricht von den verschiedenen Stufen des Wachstums in der Familie Gottes. Er scheint zu erwarten, dass jemand fragt: „Wie kommt es, dass einige der Kinder die Kennzeichen der göttlichen Natur ganz deutlich tragen und andere nicht?“ In einem langen Einschub – in den Versen 12 bis 28 – zeigt Johannes, dass sich die Kinder alle in unterschiedlichen Entwicklungsstadien befinden. Diejenigen, die neu zum Glauben gekommen sind (kürzlich errettet wurden), werden in ihrem Wandel und ihrer Lebensweise noch einige Zeichen der Welt tragen, und das führt dazu, dass die Kennzeichen der göttlichen Natur in ihnen verdeckt werden. Das bedeutet nicht, dass sie keine wahren Gläubigen sind, sondern dass es ihnen aufgrund ihrer geistlichen Kindheit an moralischem Wachstum mangelt. Mose ist eine Illustration dafür. Als er begann, im Glauben zu wachsen und Ägypten (ein Bild für die Welt) verließ, kam er in die Wüste, wo er fälschlicherweise für einen Ägypter gehalten wurde (2Mo 2,19; Heb 11,24-27). Er war ein wahres Kind Gottes, aber etwas an seiner Kleidung und seinem Verhalten verleitete diejenigen, die ihn sahen, zu der Annahme, er sei ein Ägypter.

Die Verse 12 und 28 bilden eine Klammer um diesen Einschub. Vers 12 berührt die Tatsache, dass diejenigen, an die Johannes sich wenden wird, wirklich Gottes Kinder sind – was dadurch bewiesen wird, dass ihre Sünden vergeben sind, ein gemeinsamer Segen für alle in der Familie. Vers 28 bestätigt, dass sie solche sind, und ist eine Ermahnung, in Anbetracht seines Kommens in Ihm zu bleiben. In beiden Versen sollte das Wort „kleine“ (wie in mancher Übersetzung hinzugefügt wurde) nicht im Text stehen. Johannes wendet sich an die ganze Familie Gottes, nicht nur an die Jungen im Glauben. Er verwendet das Wort „Kinder“ in diesen beiden Versen als einen Kosenamen, nicht, um geistliche Unmündigkeit zu bezeichnen.

Vers 12

1Joh 2,12: Ich schreibe euch, Kinder, weil euch die Sünden vergeben sind um seines Namens willen.

Die Vergebung der Sünden ist ein christlicher Segen, den wir in Christus haben (Apg 5,31; 10,43; 13,38; 26,18; Eph 1,7; 4,32; usw.). Er bezieht sich darauf, dass das Gericht über unsere Sünden durch den Glauben an das vollendete Werk Christi am Kreuz für immer aufgehoben ist. Infolgedessen haben wir die bewusste Erkenntnis, dass unsere Sünden vor dem Auge Gottes verschwunden sind, weil unser Gewissen von Schuld gereinigt worden ist (Heb 9,14; 10,2.22). Die Gläubigen des Alten Testamentes hatten diesen Segen nicht. Durch die Nachsicht Gottes wurden ihre Sünden durch das Werk Christi am Kreuz gesühnt (Röm 3,25), aber sie hatten zu Lebzeiten keine Kenntnis davon, weil Christus noch nicht gekommen war, um die Sünde durch sein eigenes Opfer zu tilgen (Heb 9,26). Infolgedessen lebten sie mit einer gewissen Unsicherheit, was das Gericht über ihre Sünden betraf (Ps 25,7; usw.). Die einzige Art der Vergebung, die sie kannten, war jene in den Regierungswegen Gottes mit seinem Volk (3Mo 4; usw.).

Verschiedene Wachstumsphasen in der Familie

In dem Einschub spricht Johannes die verschiedenen Mitglieder der Familie zweimal an. Das erste Mal geht es darum, die verschiedenen Stufen der geistlichen Verwirklichung zu benennen, die jeder erreicht hat. Beim zweiten Mal ermahnt er jeden entsprechend den spezifischen Gefahren, denen sie auf ihrer Stufe womöglich ausgesetzt waren. Er verwendet die Begriffe „Väter“, „Jünglinge“ und „Kinder“ als Bilder, um die verschiedenen Entwicklungsstufen in der Familie zu bezeichnen. Er spricht nicht wörtlich von ihnen, so dass auch Schwestern zu diesen Kategorien gehören. Bemerkenswert ist, dass Johannes zwar von Jünglingen spricht, aber nicht von alten Menschen, was einen geistlichen Verfall bedeuten würde. Das ewige Leben in der Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn kennt keinen Verfall. In göttlichen Dingen kann ein Mensch ein hohes körperliches Alter haben, aber immer noch voller geistlicher Vitalität sein. Kaleb ist ein Beispiel dafür (Jos 14,10.11).

Väter

Vers 13a

1Joh 2,13a: Ich schreibe euch, Väter, weil ihr den erkannt habt, der von Anfang an ist.

„Väter“ steht für diejenigen in der Familie, die erwachsene, reife Christen sind. Dieses Wort an die Väter zeigt uns, dass die höchste Stufe, die man in der christlichen Erfahrung erreichen kann, die persönliche Bekanntschaft mit Christus ist: „den, der von Anfang an ist“. Beachte, dass er sagt: „weil ihr den erkannt habt“; er sagt nicht: „Ihr seid erwachsen, weil ihr eine Menge Bibelwissen habt.“ Wir wollen die Bibelkenntnis nicht herunterspielen, denn das Verständnis der Heiligen Schrift ist ein wichtiger Bestandteil des geistlichen Wachstums (1Pet 2,2), aber das allein führt noch nicht zur christlichen Reife.

Den zu kennen, „der von Anfang an ist“, gepaart mit der Kenntnis der Wahrheit, das ist es, was zur christlichen Reife führt. Die Jünglinge und die Kinder kennen Christus natürlich auch. Sie kennen Ihn als ihren Erlöser und sind dankbar dafür, aber die Väter kennen Ihn auf eine tiefere Weise, weil sie Zeit mit Ihm in der Gemeinschaft verbracht haben. Sie haben in ihrem Leben ein Stadium des geistlichen Wachstums erreicht, in dem Christus alles für sie ist. Sie haben weltliche Ambitionen und Ziele aufgegeben und konzentrieren sich auf eine Sache: Christus und seine Interessen. Paulus ist ein Beispiel dafür. Er sagt: „Eins aber tue ich: Vergessend, was dahinten, und mich ausstreckend nach dem, was vorn ist, jage ich, das Ziel anschauend, hin zu dem Kampfpreis der Berufung Gottes nach oben in Christus Jesus“ (Phil 3,13.14). Das Ziel eines erwachsenen Christen ist dreifach:

  • „ihn zu erkennen“ (Phil 3,10)
  • „ihm gleich zu sein“ (1Joh 3,2)
  • „bei ihm zu sein“ (1Thes 5,10)

Wenn Johannes von Vätern spricht, bezieht er sich also nicht darauf, wie lange jemand schon Christ ist, sondern auf den Grad der Reife in göttlichen Dingen. Es ist durchaus möglich, dass eine Person seit vielen Jahren Christ ist und dennoch kein Vater in dem Sinn ist, wie Johannes hier spricht. Viele sind schon lange gerettet, aber sie sind noch geistliche Säuglinge, weil sie den geistlichen Dingen wenig Zeit und Übung gewidmet haben.

Jünglinge

Vers 13b

Als Nächstes schreibt Johannes:

1Joh 2,13b: Ich schreibe euch, Jünglinge, weil ihr den Bösen überwunden habt.

Dieser Vers bezieht sich auf eine Gruppe von Gläubigen, die zwar keine Unmündigen in Christus sind, aber noch nicht die tiefe persönliche Erfahrung mit Christus gemacht haben, die die Väter haben. Sie zeichnen sich durch geistliche Kraft aus und haben Satan, „den Bösen, überwunden“. Das bedeutet nicht, dass Satan keine Macht mehr ist, mit der man rechnen muss, sondern dass sie den Machenschaften des Teufels entkommen sind. Vers 14 sagt uns, wie: durch „das Wort Gottes“. Durch ihren Gehorsam gegenüber den Grundsätzen des Wortes Gottes haben sie also seine List besiegt, so wie es der Herr tat, als Er in der Wüste vom Teufel versucht wurde (Mt 4,1-11). Dies erfordert eine Kenntnis der Heiligen Schrift, die sie offensichtlich haben.

Kinder

Vers 14a

Schließlich schreibt Johannes:

1Joh 2,14:  Ich schreibe euch, Kinder, weil ihr den Vater erkannt habt.

Das griechische Wort, das hier und in Vers 18 mit „Kinder“ übersetzt wird, ist nicht dasselbe Wort, das in den Versen 12 und 28 mit „Kinder“ übersetzt wird. Hier steht das Wort im Diminutiv, und deshalb sollte im Text „kleine“[2] stehen. Es bezieht sich auf diejenigen, die jung im Glauben sind – Neubekehrte. Auch hier geht es nicht um das physische Alter; eine Person kann spät im Leben gerettet werden und wäre in diesem Sinn ein Kind in Christus, denn wir alle beginnen das christliche Leben als kleine Kinder.

Die kleinen Kinder sind dadurch gekennzeichnet, dass sie Gott als ihren Vater kennen. Diejenigen, die sich auf dieser Stufe befinden, haben nicht so viel Ahnung vom Wort Gottes (der Heiligen Schrift) wie die Jünglinge, einfach weil sie noch nicht die Zeit hatten, sich im Wort Gottes zurechtzufinden, da sie neu im Glauben sind. Aber sie haben das Elementarste im Christentum – sie kennen Gott als ihren Vater. Den Vater zu kennen (wie die kleinen Kinder) ist der Anfang der christlichen Erfahrung, aber Christus zu kennen (wie die Väter) ist der Höhepunkt der christlichen Erfahrung.

Das zweite Mal, das Johannes sich an diese Familienmitglieder wendet, ermahnt er sie vor den Gefahren, für die sie womöglich anfällig waren. Dies sind die ersten Ermahnungen in diesem Brief.

Noch einmal: Väter

Vers 14b

1Joh 2,14b: Ich habe euch, Väter, geschrieben, weil ihr den erkannt habt, der von Anfang an ist.

Es ist interessant, dass sein Wort an die Väter dasselbe ist wie das, was er ihnen zu Beginn sagte. Er fügt nichts hinzu, weil dem, was der Höhepunkt der christlichen Erfahrung ist, nichts hinzugefügt werden kann. Wenn Christus zum alleinigen Gegenstand unseres Herzens wird und wir von der Freude der Gemeinschaft mit Ihm erfüllt sind, können wir nichts Höheres erreichen! Es ist nicht nötig, dass Johannes sie vor den Gefahren auf dem Weg warnt, denn der Feind kann denen nichts anhaben, die gewohnheitsmäßig in Christus bleiben (5Mo 33,12; 1Sam 22,23). Das zeigt: Wenn wir mit dieser herrlichen Person gefüllt sind, ist dies der beste Schutz gegen die Verführungen des Feindes.

Noch einmal: Jünglinge

Vers 14c

Zu den Jünglingen sagt er:

1Joh 2,14c: Ich habe euch, Jünglinge, geschrieben, weil ihr stark seid und das Wort Gottes in euch bleibt und ihr den Bösen überwunden habt.

Sie werden für zwei Dinge gelobt: Sie sind (geistlich) „stark“ und haben die Tricks des Teufels „überwunden“ (Eph 6,11). Johannes hat in Vers 13 davon gesprochen, dass die Jünglinge den Bösen überwunden haben, aber hier gibt er uns das Geheimnis ihres Sieges: dass sie das Wort Gottes „in“ sich tragen. Das geht über das bloße Kennen des Wortes hinaus und bedeutet, dass wir es verdauen und folglich als integralen Bestandteil unseres Wesens haben, so dass es unser Leben in dieser Welt bestimmt. Wenn das der Fall ist, werden die Versuche des Teufels, den Gläubigen zu verwirren, vereitelt. Wenn das Wort Gottes in einem Gläubigen wohnt, so wie Johannes es beschreibt, wird er die Wahrheit nicht aufgeben, auch wenn andere um ihn herum vielleicht kapitulieren. Ihre Stärke, den Bösen zu überwinden, beruht auf ihrem Festhalten an den Grundsätzen des Wortes Gottes, nicht auf menschlicher Stärke und kluger Argumentation.

Eine Warnung vor der Weltlichkeit

Vers 15

Der Sieg über den Bösen bedeutet nicht, dass die Jünglinge nicht mehr in Gefahr wären. Tatsächlich ist oft gesagt worden, dass ein Kind Gottes geistlich gesehen nie in einer gefährlicheren Lage ist als nach einem Sieg über den Feind. Das liegt daran, dass wir in solchen Momenten dazu neigen, unsere Wachsamkeit zu vernachlässigen, und so werden wir verwundbar. Nachdem sie den Bösen überwunden haben, gibt es noch einen anderen Feind, vor dem sie sich in Acht nehmen müssen: die Welt. Deshalb warnt Johannes:

1Joh 2,15: Liebt nicht die Welt noch was in der Welt ist. Wenn jemand die Welt liebt, so ist die Liebe des Vaters nicht in ihm.

Die „Welt“ wird in der Heiligen Schrift auf drei Arten verwendet:

  1. Die „Welt“ kann ein Ort sein der Planet Erde (Joh 1,10; 9,5; 13,1; 16,28; 18,37; Apg 17,24; Röm 1,20; 1Tim 1,15; Heb 11,3; Off 13,8).
  2. Die „Welt“ kann auch eine Gesellschaft sein, in der Christus ausgeschlossen ist (Joh 8,23; 15,19; 17,14b-16.18; Röm 12,2; Gal 1,4; 6,14; 2Tim 4,10; Jak 4,4; 1Joh 2,15-17; 4,5a; 5,19). Die Welt in diesem Sinn bezieht sich auf das System von Angelegenheiten und Aktivitäten auf der Erde, das der Mensch in seiner Entfremdung von Gott in dem Versuch eingerichtet hat, sich selbst glücklich zu machen, ohne Gott wegen der Frage seiner Sünden Rede und Antwort stehen zu müssen. Es begann, als Kain aus der Gegenwart des Herrn hinausging und seine Nachkommen in diesem Leben verschiedene Beschäftigungsfelder erschlossen, die die Aufmerksamkeit der Menschen bis heute fesseln (1Mo 4). Heute ist es ein riesiges System mit vielen Abteilungen: Kunst, Wissenschaft, Bildung, Literatur, Religion, Handel, Politik, Profisport usw. Alles funktioniert auf der Grundlage falscher Prinzipien und Werte, die auf den Begierden des Fleisches beruhen.
  3. Die „Welt“ bezeichnet auch die Menschen, die Teil der Gesellschaft sind, die sich der Mensch in seiner Entfremdung von Gott geschaffen hat (Ps 17,14; Joh 1,10b; 3,16; 4,42; 6,51; 15,18; 17,14a; 1Joh 4,5b.14).

Der Punkt, vor dem Johannes hier in Vers 15 warnt, ist die Gesellschaft, in der Christus ausgeschlossen ist. Selbst wenn ein Gläubiger beträchtliche geistliche Fortschritte gemacht hat, muss er sich dennoch vor diesem Feind in Acht nehmen. Die Werte, Grundsätze und Ziele der Welt sind alle auf sich selbst ausgerichtet – darauf, das zu tun, was wir tun wollen, um uns selbst zu gefallen. Man gaukelt uns vor, dass das Streben nach diesen Dingen uns glücklich und zufrieden macht, aber die, die das tun, fühlen sich immer leer und unbefriedigt. Wenn wir diese weltlichen Ziele und Ambitionen verfolgen, werden wir unser Leben mit Sicherheit mit vergänglichen Dingen vergeuden, und so werden wir daran gehindert, den Willen Gottes zu tun. Daher lautet das mahnende Wort des Johannes: „Liebt nicht die Welt.“ Indem er sagt: „Wenn jemand die Welt liebt, so ist die Liebe des Vaters nicht in ihm“, macht er deutlich, dass wir nicht gleichzeitig die Gemeinschaft mit dem Vater und mit der Welt genießen können; es muss das eine oder das andere sein. Es stimmt, dass wir durch die Welt gehen müssen und dabei „die Dinge der Welt“ in unseren alltäglichen Verpflichtungen gebrauchen (1Kor 7,31.33), aber wir sollen die Welt nicht lieben und nach ihrem Takt tanzen. Der rechtgesinnte Christ sollte daher das Weltsystem als das betrachten, was es wirklich ist – als einen Feind –, und sich von ihr trennen. Der Herr hat für uns gebetet, dass wir vor den Einflüssen der Welt bewahrt werden (Joh 17,14-17).

Drei falsche Prinzipien, nach denen die Welt funktioniert

Vers 16

Um uns zu zeigen, was die Welt ihrem Wesen nach wirklich ist, weist Johannes auf drei falsche Prinzipien hin, nach denen sie funktioniert. Er sagt:

1Joh 2,16: Denn alles, was in der Welt ist, die Lust des Fleisches und die Lust der Augen und der Hochmut des Lebens, ist nicht von dem Vater, sondern ist von der Welt.

  1. „Die Lust des Fleisches“. Damit ist die Begierde nach Dingen gemeint, die unerlaubte körperliche Begierden befriedigen.
  2. „Die Lust der Augen“. Dies bezieht sich auf die bösen Begierden der Habgier, das Verlangen, das zu besitzen, was wir sehen.
  3. Der Hochmut des Lebens“. Das ist der Wunsch, in diesem Leben als jemand anerkannt zu werden, der wichtig ist.

Es ist oft darauf hingewiesen worden, dass diese drei Dinge vom Teufel erfolgreich gegen Eva im Garten Eden (1Mo 3,6) und erfolglos gegen den Herrn bei den Versuchungen in der Wüste (Mt 4,1-11) eingesetzt wurden.

Vers 17

Johannes schließt seine Ausführungen an die Jünglinge mit den Worten:

1Joh 2,17: Und die Welt vergeht und ihre Lust; wer aber den Willen Gottes tut, bleibt in Ewigkeit.

Weltlichkeit könnte nicht treffender definiert werden ­– es ist die Liebe zu vergänglichen Dingen. Diejenigen, die für diese Dinge leben, werden alles verlieren, wenn sie aus dieser Welt scheiden. Lot ist hier ein Beispiel: Er lebte für weltliche Dinge in Sodom, und sie wurden alle verbrannt, als Gottes Gericht über diese Stadt hereinbrach. Er verlor alles, wofür er gelebt hatte (1Mo 19)! Wer dagegen den Willen Gottes tut, bleibt in der Seligkeit dieses Willens „in Ewigkeit“. Die Ergebnisse der Erfüllung des Willens Gottes werden in die Ewigkeit mitgenommen (Lk 10,42; 12,33; 16,9). Es sollte für alle offensichtlich sein, wofür wir leben sollten. Kein nüchterner Mensch investiert in ein Unternehmen, das kurz vor dem Bankrott steht! Ebenso wenig wird ein nüchterner Christ für eine Welt leben, die bald vergehen wird. Das wäre so sinnvoll, wie die Liegestühle auf der sinkenden Titanic neu anzuordnen!

Drei Gründe, warum wir die Welt nicht lieben sollten

Johannes hat uns drei stichhaltige Gründe dafür genannt, warum Christen nicht für die Welt leben sollten:

  • Die Dinge der Welt verderben uns die Freude an der Liebe des Vaters (1Joh 2,15).
  • Die Dinge dieser Welt erregen die niederen Instinkte unserer gefallenen Natur (des Fleisches), die uns auf den Weg der Sünde führen, weg von Gott (1Joh 2,16).
  • Die Dinge der Welt sind vergänglich; der Mensch, der für sie lebt, ist der Verlierer, denn er kann sie nicht mit in die nächste Welt nehmen (1Joh 2,17).

Noch einmal: Kinder

Verse 18.19

Johannes fährt fort, die Neubekehrten zu ermahnen:

1Joh 2,18.19: 18 Kinder, es ist die letzte Stunde, und wie ihr gehört habt, dass der Antichrist kommt, so sind auch jetzt viele Antichristen geworden; daher wissen wir, dass es die letzte Stunde ist. 19 Sie sind von uns ausgegangen, aber sie waren nicht von uns; denn wenn sie von uns gewesen wären, so würden sie wohl bei uns geblieben sein; aber damit sie offenbar würden, dass sie alle nicht von uns sind.

Wie in Vers 13 sollte auch hier das Wort „kleine“ im Text stehen, weil er diejenigen beschreibt, die neu im Glauben sind. Johannes spricht nicht abschätzig über ihre geistliche Unmündigkeit; es ist nichts Falsches daran, wenn jemand ein geistliches Kind in Christus ist, wenn er gerade erst zum Glauben gekommen ist. Der Apostel Paulus hingegen tadelt die Korinther und die Hebräer, weil sie „Unmündige“ waren (1Kor 3,1-3; Heb 5,12.13). Sie waren schon seit geraumer Zeit auf dem christlichen Weg und hätten Fortschritte machen müssen, hatten es aber wegen der Fleischlichkeit (bei den Korinthern) und der Einmischung der irdischen Religion (bei den Hebräern) versäumt, dies zu tun. Ganz gleich, ob jemand aufgrund seines mangelnden Fortschritts ein Säugling oder weil er ein Neubekehrter ist, alle sind anfällig für die Täuschungen des Feindes (Eph 4,14) und brauchen die Warnung, die Johannes hier gibt.

Eine Warnung vor geistlicher Verführung

Die bevorzugten Ziele des Feindes sind die Neubekehrten. Es ist daher unbedingt notwendig, dass Neubekehrte sich der Tatsache bewusstwerden, dass ein geistlicher Kampf um ihre Köpfe geführt wird und dass der Feind ihrer Seelen darauf aus ist, sie durch seine Verführungen zu Fall zu bringen. Da Neubekehrte dazu neigen, zu Lehrern aufzublicken – oft bis zu dem Punkt, dass sie sie als über ihnen stehend betrachten (Mk 8,24; 2Kor 12,6.7) –, setzt der Feind geschickt Lehrer ein, die in der Lehre nicht gesund sind, um die Jungen zu „verführen“ (1Joh 2,26). Johannes teilt ihnen also mit, dass der Geist des Antichristen bereits begonnen hat, unter den Christen zu wirken, obwohl der „Antichrist“ der biblischen Prophezeiung (ein verdorbener Mensch, der die Massen durch seine Gotteslästerung in die Irre führen wird [2Thes 2,2-12; Off 13,11-18]) noch nicht erschienen ist. „Antichrist“ bedeutet „gegen Christus“.[3] Jede Lehre, die sich gegen Christus richtet, sei es an jenem kommenden Tag oder jetzt, hat den Geist des Antichristen. Er sagt, dass an jenem Tag viele antichristliche Lehrer am Werk waren, und ihre Anwesenheit war ein Beweis dafür, dass es „die letzte Stunde“ war. Wie viel mehr gilt das für unsere Tage!

Johannes sagt: „Sie sind von uns ausgegangen.“ Das „uns“ bezieht sich hier auf die Apostel. Diese Scharlatane hatten das christliche Zeugnis nicht verlassen – sie nannten sich immer noch Christen. Was sie verließen, war „die Lehre der Apostel und die Gemeinschaft“ (Apg 2,42). Er sagt, dass die Tatsache, dass sie nicht in der Wahrheit blieben, zeigte, dass „sie alle nicht von uns sind“. Sie verloren ihr Heil nicht dadurch, dass ein Mangel an ihnen festgestellt wurde (wie manche lehren) – sie waren von Anfang an nicht echt! […]

Die Salbung des Geistes

Vers 20

Angesichts dieses Angriffs auf das Christentum verweist Johannes diese Kleinen auf die große Quelle, die sie durch den Heiligen Geist hatten. Er sagt:

1Joh 2,20: Und ihr habt die Salbung von dem Heiligen und wisst alles.

Die „Salbung“ des Geistes ist ein besonderer Aspekt der Innewohnung des Heiligen Geistes, der dem Gläubigen Unterscheidungsvermögen hinsichtlich Wahrheit und Irrtum verleiht. Dies zeigt, dass das jüngste Kind Gottes die innewohnende Gegenwart des Geistes hat. Sie wird in dem Augenblick empfangen, wenn wir an das Evangelium glauben (Gal 3,2; Eph 1,13). Im Johannesevangelium wird der Geist Gottes den Gläubigen gegeben, damit sie die Wahrheit besser verstehen und genießen können (Joh 14,26; 15,26; 16,13-15), während der Geist in den Briefen von Johannes den Gläubigen eher dazu gegeben wird, sie davor zu schützen, dass sie vom Feind in die Irre geführt werden (1Joh 2,18-27; 3,24; 4,1-6.13; 5,6.7).

Es ist bemerkenswert, dass Johannes diese jungen Leute nicht auf das Wort Gottes hinweist und ihnen sagt, sie sollten die Schrift benutzen, um die böse Lehre zu widerlegen. Wären sie auf dem Niveau der Jünglinge gewesen, die das Wort Gottes in sich trugen, hätte er das sagen können. Aber diese kleinen Kinder waren neu im Glauben und kannten das Wort Gottes noch nicht und waren daher zu einer solchen Aufgabe nicht in der Lage. Deshalb verweist Johannes auf die „Salbung von dem Heiligen“, die ihnen die Fähigkeit geben würde, „alles zu wissen“.

Vers 21

1Joh 2,21: Ich habe euch nicht geschrieben, weil ihr die Wahrheit nicht wisst, sondern weil ihr sie wisst, und dass keine Lüge aus der Wahrheit ist.

Johannes wollte damit nicht sagen, dass diese im Glauben noch jungen Gläubigen alle verschiedenen Lehren der christlichen Offenbarung der Wahrheit kannten, aber da sie die Salbung des [Heiligen] Geistes  hatten, waren sie in der Lage, die Wahrheit zu erkennen, wenn sie ihnen präsentiert wurde. Sie würden sie also „erkennen“, wenn sie sie hörten. Der Geist gab ihnen ein Empfinden in ihrer Seele, dass das, was vorgetragen wurde, tatsächlich die Wahrheit war. Umgekehrt würden sie, wenn jemand einen Irrtum vortrug, auch erkennen können, dass etwas daran nicht stimmte. Vielleicht könnten sie nicht erklären, was genau an der falschen Lehre falsch war, aber sie wüssten genug, um sie zu meiden, und so würden sie bewahrt werden.

Verse 22.23

1Joh 2,22.23: 22 Wer ist der Lügner, wenn nicht der, der leugnet, dass Jesus der Christus ist? Dieser ist der Antichrist, der den Vater und den Sohn leugnet. 23 Jeder, der den Sohn leugnet, hat auch den Vater nicht; wer den Sohn bekennt, hat auch den Vater.

Johannes hält inne, um die beiden Hauptformen des Irrtums zu erwähnen, mit denen die Gläubigen konfrontiert werden, bevor er mit seinen Ausführungen über die Salbung des Geistes fortfährt. Diese sind:

  • Die Leugnung, dass „Jesus der Christus [Messias] ist“. Diese Gotteslästerung ist unter ungläubigen Juden verbreitet.
  • Die Leugnung der ewigen Beziehung zwischen „dem Vater und dem Sohn“. Diese Gotteslästerung wird von vielen Irrlehrern im christlichen Zeugnis vertreten.

Wer leugnet, dass Jesus der Christus ist, leugnet die wesentliche Botschaft des Alten Testamentes (Apg 17,2.3), und wer den Vater und den Sohn leugnet, leugnet die wesentliche Botschaft des Neuen Testamentes (Mt 3,16.17). Daraus ersehen wir, dass die Angriffe des Feindes gewöhnlich, wenn auch nicht immer, auf die Person Christi gerichtet sind. In der Tat wird man feststellen, dass jedem antichristlichen Lehrsystem eine Art von Lästerung in Verbindung mit der Person Christi zugrunde liegt. Diese religiösen Systeme mögen in ihren Lehren eine biblische Ausdrucksweise verwenden, aber der wirkliche Test besteht darin, was sie in Bezug auf „die Lehre des Christus“ (2Joh 9) vertreten.

Hamilton Smith sagte:

Wenn der Antichrist erscheint, wird er die Lüge der Juden mit der Lüge vereinen, die im christlichen Bekenntnis auftaucht, indem er sowohl leugnet, dass Jesus der Messias ist, als auch, dass Er eine göttliche Person ist.[4]

Der Apostel Johannes brandmarkt denjenigen, der diese falschen Lehren vertritt, als „Lügner“.

Verse 24-26

Johannes fügt dann eine wichtige Bedingung im Zusammenhang mit dem Wirken der Salbung durch den Geist hinzu. Er sagt:

1Joh 2,24-26: 24 Ihr, was ihr von Anfang an gehört habt, bleibe in euch. Wenn in euch bleibt, was ihr von Anfang an gehört habt, so werdet auch ihr in dem Sohn und in dem Vater bleiben. 25 Und dies ist die Verheißung, die er uns verheißen hat: das ewige Leben. 26 Dies habe ich euch im Hinblick auf die geschrieben, die euch verführen.

Dies zeigt, dass die durch den Heiligen Geist vermittelte geistliche Unterscheidung nicht automatisch erfolgt. Die Verwendung des Wortes „wenn“ durch Johannes zeigt, dass das Wirken des Geistes als Salbung davon abhängt, dass der Gläubige in der christlichen Offenbarung des Vaters und des Sohnes (die wir durch den Glauben an das Evangelium empfangen haben) und in der bewussten Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn bleibt, was das Wesen des „ewigen Lebens“ ist (Joh 17,3). Wir erwähnen dies, weil es viele gibt, die wirklich gerettet sind und in denen der Heilige Geist wohnt, die aber von Irrlehrern getäuscht wurden, weil sie die Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn nicht aufrechterhalten haben. Das zeigt, wie wichtig es ist, die Gemeinschaft mit Gott aufrechtzuerhalten; sie ist unsere geistliche „Lebensader“. Johannes erklärt, dass er diese Warnung wegen der sehr realen Gefahr derer aussprach, die versuchten, sie zu „verführen“ (1Joh 2,26).

Vers 27

Johannes weist dann erneut auf die große Quelle hin, die sie im Heiligen Geist hatten:

1Joh 2,27: Und ihr, die Salbung, die ihr von ihm empfangen habt, bleibt in euch, und ihr habt nicht nötig, dass euch jemand belehrt, sondern wie dieselbe Salbung euch über alles belehrt und wahr ist und keine Lüge ist und wie sie euch belehrt hat, so bleibt in ihm.

Manche meinen, Johannes wolle damit sagen, dass das Problem des Annehmens von Irrtümern durch falsche Lehrer dadurch gelöst werden könne, dass man jegliche Lehre von Menschen ablehne. Sie glauben, er wolle damit sagen, dass wir keine Menschen brauchen, die uns die Wahrheit lehren, weil wir den Heiligen Geist haben, der uns lehrt, und dass dies alles ist, was wir brauchen. Folglich lehnen sie das Lesen aller schriftlichen Werke (Kommentare) ab. Aber das ist nicht das, was Johannes hier sagen möchte. Dieser Vers bedeutet nicht, dass wir keine christlichen Lehrer in der Gemeinde brauchen. Wenn das so wäre, warum hat Gott dann „Lehrer“ geschenkt und sie gesandt, um die Gemeinde zu belehren? (1Kor 12,28; Eph 4,11-14). Dieser Vers bedeutet einfach, dass wir, wenn uns Wahrheit oder Irrtum präsentiert werden, niemand brauchen, der uns sagt, dass es so ist. Wenn wir in Gemeinschaft mit dem Herrn sind, wird uns die Salbung des Geistes die Erkenntnis geben, ob es sich um Wahrheit oder Irrtum handelt. Dementsprechend werden wir den Irrtum ablehnen und an der Wahrheit festhalten und so „in ihm bleiben“ und auf diesem Weg bewahrt werden.

Vers 28

1Joh 2,28: Und nun, Kinder, bleibt in ihm, damit wir, wenn er offenbart werden wird, Freimütigkeit haben und nicht vor ihm beschämt werden bei seiner Ankunft.

F.B. Hole stellt fest:

Vers 28 von Kapitel 2 ist ein kurzer Absatz für sich; mit ihm hätte Kapitel 2 eigentlich enden können.[5]

Der Apostel wendet sich hier wieder an die ganze Familie Gottes und schließt damit seinen Exkurs über das Wachstum in der Familie ab.

Es ist eine einfache Ermahnung an die Familie als Ganzes (alle drei Kategorien), „in ihm zu bleiben“. Es ist unser großer Schutz gegen alle antichristlichen Lehren. Dies zeigt, dass es keinen Ersatz für die Gemeinschaft gibt, ob wir nun reife Christen oder Neubekehrte sind. Johannes blickte auf den Tag der Offenbarung (die Erscheinung Christi), an dem sich die Ergebnisse unseres Dienstes zeigen werden. Sein Werk als Apostel wird offenbar werden, und die Arbeit der Gläubigen wird es auch. Er zeigt, dass es möglich ist, dass wir zu jener Zeit beschämt werden können, weil wir auf dem Weg des Glaubens nicht gut vorangekommen sind. Sein Wunsch ist es, dass wir alle an jenem Tag „Freimütigkeit“ haben und dass niemand „vor ihm beschämt werden wird bei seiner Ankunft“.

Leben (1Joh 2,29–4,6)

Vers 29

1Joh 2,29: Wenn ihr wisst, dass er gerecht ist, so erkennt, dass jeder, der die Gerechtigkeit tut, aus ihm geboren ist.

Mit diesem Vers beginnt ein neuer Abschnitt, der sich bis ins dritte Kapitel erstreckt. Es wäre besser gewesen, wenn diejenigen, die die Einteilung der Kapitel und Verse in unseren Bibeln vorgenommen haben, ihn in das dritte Kapitel gestellt hätten; er gehört zu dem dort entwickelten Thema.

Verschiedene moralische Kennzeichen der göttlichen Natur

An diesem Punkt nimmt Johannes seine Beweise und Gegenbeweise bezüglich derer, die Kinder Gottes sind, und derer, die es nicht sind, wieder auf. Das Nächste, was er anführt, sind die moralischen Kennzeichen der göttlichen Natur. Die „Geburt aus Gott“, durch die wir das göttliche Leben empfangen, wird im letzten Teil des Briefes mehrmals erwähnt (1Joh 2,29; 3,9; 5,1.4.18). Die charakteristischen Züge der göttlichen Natur wurden in Christus vollkommen offenbart, als Er hier war, und können in den Kindern Gottes jetzt gesehen werden, auch wenn sie in uns manchmal verdunkelt sind.

J.N. Darby stellte fest, dass es drei solcher Beweise für den Besitz des göttlichen Lebens in diesem Abschnitt gibt.[6]

Diese sind:

Der Beweis der praktischen Gerechtigkeit (1Joh 2,29–3,10)

Der erste Beweis für das göttliche Leben, den Johannes anführt, ist die Gerechtigkeit. Er sagt: „Wenn ihr wisst, dass er gerecht ist, so erkennt, dass jeder, der die Gerechtigkeit tut, aus ihm geboren ist.“

Gerechtigkeit ist „tun, was richtig ist“. Ungerechtigkeit ist „das tun, was nicht richtig ist“. Es steht außer Frage, dass Gott absolut gerecht ist. Dennoch stellt Johannes diese offensichtliche Tatsache fest und verwendet sie als Test für das Bekenntnis eines Menschen. Er will damit Folgendes sagen: Da Gott gerecht ist, sind alle, die sein Leben haben, auch gerecht, weil sie „aus ihm geboren“ sind. Daher werden sich die Kinder Gottes durch ihre praktische Gerechtigkeit als solche zu erkennen geben, denn die moralischen Eigenschaften des Vaters werden in ihnen sichtbar sein. Dies kann also als Maßstab dienen, um jeden zu prüfen, der behauptet, ein Kind Gottes zu sein. Einfach ausgedrückt: Ein Kind Gottes wird Gerechtigkeit üben, und jemand, der kein wahres Kind Gottes ist, wird es nicht tun.

Johannes verwendet das Wort „tun“ in diesen Versen wiederholt im Zusammenhang mit Gerechtigkeit (tun, was recht ist) und Gesetzlosigkeit (den eigenen Willen unabhängig von Gott tun). Er spricht von der allgemeinen Lebenseinstellung eines Menschen – etwas, was für ihn gewöhnlich und charakteristisch ist – und nicht von dem, was er vielleicht tut, was nicht seinem Charakter entspricht. So üben die Kinder Gottes, auch wenn sie nicht vollkommen sind, Gerechtigkeit in charakteristischer Weise. Mit den Ungläubigen verhält es sich genauso; ihr Leben ist durch das Praktizieren von Gesetzlosigkeit gekennzeichnet. Sie mögen hin und wieder etwas tun, was gerecht zu sein scheint, aber was sie kennzeichnet, ist das Streben nach den Dingen der Welt; es ist die Gewohnheit ihres Lebens.


Quelle: The First Epistle of John: The Characteristics of Life Eternal in the Children of God in Times of Apostasy
E-Book Version 1.4. 2019

Übersetzung: Stephan Isenberg

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Anmerkungen

[1] J.N. Darby, Synopsis of the Books of the Bible, Loizeaux-Ausgabe, Bd. 5, S. 497. Auf Deutsch: www.bibelkommentare.de.

[2] Anm. d. Red.: Es geht also um kleine Kinder.

[3] Anm. d. Red.: Das griechische Wort anti bedeutet nicht „gegen“, sondern „anstelle von“.

[4] H. Smith, The Epistles of John, S. 17.

[5] F.B. Hole, Grundzüge des Neuen Testaments, Bd. 6: Johannesbriefe. Judasbrief. Offenbarung, Hückeswagen (CSV), 1991, S. 30.

[6] J.N. Darby, Synopsis of the Books of the Bible, Ausgabe Loizeaux, S. 508–515.

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