Der erste Johannesbrief (1)
Kapitel 1

Stanley Bruce Anstey

© SoundWords, online seit: 20.02.2022, aktualisiert: 20.02.2022

Ewiges Leben, das sich in der Welt offenbart (1Joh 1,1–2,11)

Die Johannesbriefe unterscheiden sich von den anderen Briefen des Neuen Testamentes dadurch, dass sie weder den Verfasser erwähnen noch der erste Brief eine einleitende Anrede an die Adressaten enthält. Das finden wir nur noch im Hebräerbrief. Auch wenn sich der Schreiber nicht zu erkennen gibt, zeigt ein Vergleich des Briefes mit dem Johannesevangelium, dass die verwendeten Ausdrücke und der Schreibstil identisch sind. Außerdem stehen in beiden die gleichen Themen im Vordergrund. Diese Dinge lassen keinen Zweifel daran, dass der Brief tatsächlich von Johannes verfasst wurde. Die Kirchenväter (die frühchristlichen Ausleger in den ersten drei Jahrhunderten) stimmen dem zu.

Der Prolog (1Joh 1,1-4)

Vers 1

1Joh 1,1: Was von Anfang an war, was wir gehört, was wir mit unseren Augen gesehen, was wir angeschaut und unsere Hände betastet haben, betreffend das Wort des Lebens …

Die ersten vier Verse von Kapitel 1 bilden die Einleitung des Briefes. Es ist eine Beschreibung, dass das ewige Leben in der Welt in der Person des Sohnes Gottes offenbart worden ist und dass kompetente und zuverlässige Personen (die Apostel) davon Zeugnis abgelegt haben. Sie haben uns diese wunderbare Tatsache verkündet, damit wir mit ihnen an diesem Leben teilhaben und so Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn und mit allen haben, an denen Gott ebenfalls gewirkt hat.

Johannes beginnt mit: „Was von Anfang an war“. Man hätte meinen können, er würde sagen: „Der, der von Anfang an ist“, aber Johannes bezieht sich nicht auf den Herrn Jesus persönlich, sondern auf die Offenbarung des ewigen Lebens, das sich in Ihm gezeigt hat, und daher ist das Wort „was“ passender.

Der „Anfang“, von dem Johannes hier spricht, bezieht sich auf den Zeitpunkt, als das ewige Leben zum ersten Mal in dieser Welt offenbar wurde. Das führt uns zurück zur Menschwerdung Christi, als der volle Charakter dieses Lebens in Ihm sichtbar wurde (Joh 1,14). „Von Anfang an“ ist ein Ausdruck, der in den Johannesbriefen achtmal vorkommt (1Joh 1,1; 2,13.14.24; 3,11; 2Joh 5.6). Wie bereits erwähnt, bezieht sich der Ausdruck auf den Beginn der moralischen Darstellung des Christentums in der Person Christi. Er ist nicht zu verwechseln mit dem „Anfang“ in 1. Mose 1,1, der den Beginn alles Geschaffenen – sichtbar und unsichtbar – bezeichnet. Es ist auch nicht derselbe „Anfang“ wie in Johannes 1,1, der uns vor 1. Mose 1,1 in eine nicht datierte vergangene Ewigkeit zurückführt. Es ist auch nicht der „Anfang“, von dem in Offenbarung 3,14 die Rede ist, nämlich der Anfang des neu geschaffenen Menschengeschlechts unter Christus, als Er von den Toten auferstand (2Kor 5,17; Kol 1,18).

Johannes betont von Anfang an die Tatsache, dass Christus wahrer Mensch geworden ist und als solcher das ewige Leben in dieser Welt vollständig offenbart hat. Indem Johannes sagt, dass die Apostel (er spricht von „wir“) Ihn „gehört“, „gesehen“, „angeschaut“ und „betastet“ haben, zeigt er, dass das ewige Leben keine mystische Vorstellung ist (wie es die Gnostiker vertraten), sondern das, was in einem wahrhaftigen Menschen lebendig zum Ausdruck gekommen ist. Die Apostel kannten Ihn als solchen und hatten eine vertrauliche und persönliche Gemeinschaft mit Ihm. Johannes erwähnt dies, um die Vorstellungen der Gnostiker zu widerlegen, die gotteslästerlich lehrten, Christus sei ein Phantom und kein wahrhaftiger Mensch.

Johannes bezeichnet Christus als „das Wort des Lebens“, und dies stimmt mit Johannes 1,1 überein, wo es heißt, dass Er eine göttliche und ewige Person in der Gottheit ist und alle Eigenschaften der Gottheit besitzt. Er wird „Wort des Lebens“ genannt, weil Er das Leben und die Natur Gottes vollständig zum Ausdruck gebracht hat. Alle seine gesegneten Eigenschaften sind in Ihm in Vollkommenheit zum Ausdruck gebracht worden. „Das Wort“ (Joh 1,1.14; Off 19,13) ist eine treffende Bezeichnung für den Herrn Jesus. Worte sind Mittel, mit denen wir anderen unsere Gedanken mitteilen. Wir haben vielleicht bestimmte Konzepte, Ideen und Emotionen in unserem Kopf, und die Art und Weise, wie wir sie anderen mitteilen, ist durch Worte. So ist der Herr Jesus das Wort Gottes in dem Sinne, dass Er den Menschen alles offenbart, was Gott ist. Er hat Gott vollständig bekannt gemacht – als den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist (Joh 1,18; 14,9; 17,6-8).

Vers 2

1Joh 1,2: … (und das Leben ist offenbart worden, und wir haben gesehen und bezeugen und verkündigen euch das ewige Leben, das bei dem Vater war und uns offenbart worden ist);

In einem Einschub sagt Johannes, dass die Apostel nicht nur das ewige Leben „gesehen“ haben, das in Christus zum Ausdruck gekommen ist, sondern dass sie auch „Zeugnis“ davon abgelegt und den Gläubigen („euch“) diesen „Bericht“ gebracht haben. Ihr Bericht ist eine Erklärung, dass Christus – der die Verkörperung dieses Lebens ist und passenderweise „das ewige Leben“ genannt wird – ewig „bei dem Vater“ im Himmel existierte, bevor Er in dieser Welt offenbart wurde. Das bedeutet, dass das ewige Leben etwas ist, was die Menschen nicht kannten, bevor Christus kam. Wie in der Einleitung erwähnt, besteht das ewige Leben darin, Gott als unseren Vater und Jesus Christus als seinen Sohn zu kennen (Joh 17,3). Damit ein Mensch diesen Charakter des göttlichen Lebens haben kann, musste Christus kommen und die ewige Beziehung zwischen dem Vater und dem Sohn offenbaren (Joh 1,14-18), Sühnung für die Sünde bewirken (Joh 3,14.15) und außerdem den Heiligen Geist senden, damit Er in dem Gläubigen wohnen konnte (Joh 4,14). Die Gläubigen des Alten Testamentes konnten daher kein ewiges Leben haben. Sie waren aus Gott geboren und hatten somit göttliches Leben und sind jetzt im Himmel sicher, aber sie kannten diesen Charakter des göttlichen Lebens nicht, den die Schrift „ewiges Leben“ nennt.

Verse 3.4

Johannes erklärt, warum Gott es unternommen hat, das ewige Leben zu offenbaren und es den Gläubigen zu geben: um uns in die Seligkeit der Gemeinschaft mit den göttlichen Personen zu bringen, die die Gläubigen bis dahin nicht kannten. Einfach ausgedrückt: Er möchte, dass wir uns dessen erfreuen, was Er in der Ewigkeit genossen hat. Johannes sagt:

1Joh 1,3.4: … 3 was wir gesehen und gehört haben, verkündigen wir auch euch, damit auch ihr mit uns Gemeinschaft habt; und zwar ist unsere Gemeinschaft mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus. 4 Und dies schreiben wir euch, damit eure Freude völlig sei.

So haben der Vater und der Sohn ewig in süßer Gemeinschaft mit dem Heiligen Geist zusammengewohnt, und nun, da die Erlösung vollbracht ist, ist ein Weg in Gnade geöffnet worden, um andere in diese Gemeinschaft zu bringen.

Die Apostel waren die Ersten, die von dieser Süße gekostet haben, und sie haben sie in der Verkündigung des Evangeliums verkündet, damit alle, die glauben, auch ihre Seligkeit kennen und genießen könnten. Christus, der Sohn Gottes, ist der Mittelpunkt dieser göttlichen Gemeinschaft, und als solcher ist Er die Quelle großer Freude für Gott, den Vater. Er konnte sagen: „Da war ich Werkmeister bei ihm und war Tag für Tag seine Wonne, vor ihm mich ergötzend allezeit“ (Spr 8,30). Der Vater hat Freude an seinem Sohn (Mt 3,17; 17,5; Joh 3,35; 5,20) und möchte diese Freude mit uns teilen, damit auch wir ihre Glückseligkeit erfahren (vgl. Ps 36,8)! Aus dem Kelch der Freude des Vaters zu trinken und die süße Gemeinschaft mit Ihm und seinem Sohn zu genießen, ist das Wesen des ewigen Lebens. Dass Gott in seiner Gnade (und auf eigene Kosten) Sünder, die sich weit von Ihm entfernt hatten, in eine vertraute und persönliche Gemeinschaft mit sich selbst bringen würde, ist in der Tat eine erstaunliche Wahrheit – und doch hat Er genau das getan!

Johannes schließt seine einleitenden Worte mit dem Hinweis, dass es nicht nur Gottes Wunsch ist, dass wir diese Freude erfahren, sondern dass es auch der Wunsch der Apostel ist, und dass dies einer der Gründe ist, warum Johannes den Brief geschrieben hat.

Licht (1Joh 1,5–2,11)

Das Problem, mit dem die Kirche in jenen frühen Tagen konfrontiert war, bestand darin, dass antichristliche Lehrer in die Reihen der Christen eingedrungen waren und viele, die sich nur zu den Gläubigen bekannten, mit ihren bösen Lehren verdarben (1Joh 2,18-26; 4,1-6). Diese Lehrer gaben vor, Gott zu kennen und ewiges Leben zu haben, aber sie waren Betrüger. Johannes war besorgt, dass sie die Gläubigen mit ihren Irrlehren „verführen“ und sie in die Irre führen würden (1Joh 2,26). Die Gläubigen mussten daher in der Lage sein, diese Scharlatane zu erkennen und sie zu meiden. Um ihnen zu helfen, zu erkennen, wer echt ist und wer nicht, sah sich Johannes veranlasst, verschiedene wesentliche Elemente des Wesens Gottes (die für die Kinder Gottes charakteristisch sind) darzulegen, an denen alle falschen Behauptungen über den Besitz des ewigen Lebens erkannt werden könnten. Dies würde den Gläubigen einen Prüfstein an die Hand geben, an dem sie erkennen könnten, wer falsch ist, um ihnen die Gemeinschaft zu verweigern, wie Johannes es der auserwählten Frau im zweiten Johannesbrief aufträgt (2Joh 9-11).

Licht und Dunkelheit

Vers 5

Das erste wesentliche Element von Gottes Natur und Wesen, das Johannes uns vor Augen führt, ist das Licht. Er sagt:

1Joh 1,5: Und dies ist die Botschaft, die wir von ihm gehört haben und euch verkündigen: dass Gott Licht ist und gar keine Finsternis in ihm ist.

„Licht“ bedeutet absolute Heiligkeit und Wahrheit, während „Finsternis“ auf das Böse und die Abwesenheit der Erkenntnis Gottes hinweist. Mit der Aussage, dass „Gott Licht ist und gar keine Finsternis in ihm ist“, macht Johannes deutlich, dass Gott absolut heilig ist und dass es nicht möglich ist, dass Sünde in Ihm zu finden ist oder in irgendeiner Weise mit Ihm in Verbindung gebracht werden kann. Jeder wahre Christ weiß das.

In diesem Abschnitt sagt Johannes, dass Gott nicht nur „Licht ist“, sondern dass Er „im Licht“ ist (1Joh 1,7). Da das Licht die Finsternis vertreibt und die Dinge offenbart, wie sie wirklich sind (Eph 5,13), weist Johannes mit der Aussage, dass Gott jetzt im Licht ist, darauf hin, dass Gott sich selbst vollständig offenbart hat. Dies geschah, wie wir in den Versen 1 und 2 gesehen haben, durch das Kommen Christi in die Welt. Der Vater hat sich nun in Christus vollständig offenbart (Joh 1,18; 14,9). In alttestamentlichen Zeiten heißt es, dass Gott „im Dunkel wohnt“, was die Offenbarung seiner Person betraf (1Kön 8,12; 2Chr 6,1). Bestimmte Eigenschaften Gottes wurden damals offenbart, aber Er war nicht vollständig offenbart worden. Eine solche Offenbarung wartete auf das Kommen Christi, des Offenbarers Gottes. Durch das Kommen Christi hat sich also der Gott, der Licht ist, selbst ins Licht gestellt.

Nicht nur Gott ist im Licht, sondern auch seine Kinder sind im Licht. Das Kommen Christi hat Gott ins Licht gebracht, aber es ist das Blut Christi, das in seinem Tod vergossen wurde, das uns für dieses Licht bereit macht (1Joh 1,7). Vor unserer Bekehrung waren wir „Finsternis“ (Eph 5,8a), aber als wir an den Herrn Jesus Christus glaubten, wurden wir „aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gebracht“ (1Pet 2,9; Apg 26,18; 2Kor 4,6). Wir sind jetzt „Kinder des Lichts“ (Eph 5,8b; 1Thes 5,5). Jetzt wandelt jeder wahre Gläubige im Licht aufgrund der herrlichen Offenbarung des ewigen Lebens in Christus und des Werkes, das Er am Kreuz vollbracht hat.

Verschiedene Vorbedingungen für den Wandel im Licht werden untersucht

Nachdem er festgestellt hat, dass Gott „Licht“ ist und „im Licht“ ist, wird dies sofort zu einem Test für das Bekenntnis eines Menschen. Johannes spricht sechs gängige Behauptungen an, zu denen sich ein Mensch bekennen kann, was durch die Worte angezeigt wird: „Wenn wir sagen …“ (1Joh 1,6.8.10), und: „Wer sagt …“ (1Joh 2,4.6.9). In diesem Abschnitt gibt Johannes Beweise und Gegenbeweise an, mit denen alle derartigen Behauptungen, Gott zu kennen und im Licht zu sein, überprüft werden können

Die Prüfung der Gemeinschaft mit Gott im Licht

Verse 6.7

1Joh 1,6.7: 6 Wenn wir sagen, dass wir Gemeinschaft mit ihm haben, und wandeln in der Finsternis, so lügen wir und tun nicht die Wahrheit. 7 Wenn wir aber in dem Licht wandeln, wie er in dem Licht ist, so haben wir Gemeinschaft miteinander, und das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, reinigt uns von aller Sünde.

Wenn also Gott Licht ist und wir sagen, dass wir Ihn kennen und mit Ihm Gemeinschaft haben, aber so leben, als ob wir Gott nicht kennen, ist es klar, dass unser Bekenntnis falsch ist. Alle diese „wandeln in der Finsternis“ und sind keineswegs wahrhaft gläubig. Sie haben keine wirkliche Kenntnis von Gottes heiligem Wesen und haben nichts mit Ihm gemeinsam, denn „welche Gemeinschaft hat Licht mit der Finsternis“ (2Kor 6,14)? Umgekehrt wird ein Mensch, der sich wahrhaftig dazu bekennt, Gott zu kennen, die Realität dessen offenbaren. Er wird „im Licht wandeln“ und „Gemeinschaft“ mit anderen haben, die im Licht sind, und er wird verstehen, dass „das Blut Jesu Christi, seines Sohnes“, seine Sünden weggewaschen hat. Er wird durch die folgenden drei Dinge gekennzeichnet sein:

  1. Der Gläubige ist „im Licht“. Das heißt, er hat eine grundlegende Kenntnis von Gott und seiner heiligen Natur, weil er göttliches Leben hat und an das Evangelium geglaubt hat. Damit steht er in einer Stellung des Lichts. Wie in der Einleitung erwähnt, betrachtet Johannes die Dinge abstrakt. Er spricht hier davon, wo der Gläubige wandelt, nicht, wie er wandelt. Er zieht nicht in Betracht, dass ein Gläubiger, der im Licht steht, manchmal nicht nach dem Licht wandelt („denn wir alle straucheln oft“, Jak 3,2). Er betrachtet Licht und Finsternis als eine Sache der Stellung; jeder ist entweder im Licht oder in der Finsternis. Jemand fragte J.N. Darby: „Was ist ,Finsternis‘?“ Er antwortete: „Die Abwesenheit der Erkenntnis Gottes, und in dieser Hinsicht ist es für keinen Christen möglich, in der Finsternis zu sein. Wenn ich Christus erkenne, erhalte ich Licht. Gott ist Licht, und wenn ich Ihn kenne, bin ich nicht in der Finsternis.“[1] Er wurde auch gefragt: „Was ist, wenn ein Gläubiger dem Licht den Rücken kehrt?“ Die Antwort, die er gab, lautete: „Dann wird ihm das Licht in den Rücken scheinen, denn er ist immer im Licht!“[2]

  2. „Wir haben Gemeinschaft miteinander.“ Die Kinder Gottes haben ein gemeinsames Interesse – Christus, den Sohn Gottes – und das führt sie dazu, in glücklicher Gemeinschaft miteinander zu leben. Das zeichnet sie aus. Auch hier denkt Johannes nicht daran, dass ein Mensch manchmal durch unterschiedliche Gedanken und Vorstellungen aus der praktischen Gemeinschaft mit seinen Brüdern ausbricht, sondern an das, was die Kinder Gottes grundsätzlich auszeichnet.

  3. „Das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, reinigt uns von aller Sünde.“ Die Kinder Gottes kennen also die Bedeutung von Christi vollbrachtem Werk am Kreuz, von dem sein Blut spricht. Ihr Gewissen ist gereinigt worden, weil sie im Glauben auf dem ruhen, was Er dort vollbracht hat (Heb 9,14). Daher haben sie nicht den Wunsch, dem Licht zu entgehen, sondern sind froh, von Ihm erforscht zu werden (Ps 139,23.24; Joh 3,21), weil sie wissen, dass alles, was das Licht aufdeckt, durch das Blut gereinigt wurde. Je gründlicher das Licht auf sie scheint, desto deutlicher wird, dass kein Fleck der Sünde an ihnen ist! Das ist die reinigende Kraft des Blutes Christi. Das Wort „reinigt“ in diesem Vers steht im Griechischen im Perfekt. Das bedeutet nicht, dass das Blut immer wieder neu angewendet werden muss, wenn ein Gläubiger versagt, sondern dass der Gläubige in einem ständigen Zustand der Reinigung durch das Blut verbleibt, denn das Blut verliert nie seine Kraft und hat eine ewige Wirkung.

Die Prüfung, ob man weiß, dass wir eine sündige Natur haben

Vers 8

Johannes fährt fort, eine andere Behauptung zu untersuchen; in diesem Fall geht es darum, dass der Gläubige noch die sündige Natur in sich hat. Er sagt:

1Joh 1,8: Wenn wir sagen, dass wir keine Sünde haben, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns.

Diese falsche Behauptung zeigt, dass es nicht nur Menschen gab, die mit dem christlichen Bekenntnis verbunden waren, die in Finsternis über das wahre Wesen Gottes waren, sondern auch in Finsternis über ihren eigenen Zustand. Sie behaupteten, sie hätten „keine Sünde“ in sich! Das heißt, sie sagten, sie hätten keine sündige Natur – das Fleisch! Johannes sagt, dass alle diese Menschen sich selbst „betrügen“. Eine solche Behauptung beweist nur, dass sie nicht im Licht sind, denn wenn sie es wären, hätte das Licht ihnen offenbart, was sie sind. Einer der elementarsten Punkte der christlichen Erkenntnis, die sich daraus ergibt, dass wir im Licht sind, ist, dass wir wissen, dass wir noch das Fleisch in uns haben (Röm 7,18). Das zeigt, wie ernst es ist, an einem Irrtum festzuhalten; wenn unser Wille in Bezug auf den Irrtum am Werk ist, werden wir unser Unterscheidungsvermögen verlieren und dadurch verführt werden. Wenn wir also jemand begegnen, der bekennt, Gott zu kennen und mit Ihm in Gemeinschaft zu sein, aber sagt, dass er keine sündige Natur hat, gibt er uns einen klaren Hinweis darauf, dass er wahrscheinlich kein echter Gläubiger ist.

Die Prüfung, ob man bereit ist, seine Sünden zu bekennen

Vers 9

Johannes geht zu einem anderen Thema über: wenn  wir gesündigt haben. Er sagt:

1Joh 1,9: Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit.

Das Bekenntnis der Sünden kennzeichnet ein wahres Kind Gottes. Da es im Licht ist, wird es, wenn es sündigt, vom Licht durchleuchtet, und sein Gewissen wird wach, was es getan hat. Das wird zu seiner Buße führen, die ein freimütiges und demütiges Bekenntnis seiner Sünden nach sich zieht. Die Wirkung des Lichtes ist also, dass wir unsere Sünden bekennen. Jedes wahre Kind Gottes wird dies tun. Jemand fragte J.N. Darby, was ein Gläubiger tun sollte, wenn er jahrelang auf Abwege geraten war und sich nicht erinnern kann, welche Sünde genau seine Abkehr vom Herrn ausgelöst hat. Seine Antwort lautete: „Er kann seinen niedrigen Zustand im Allgemeinen bekennen.“ Wenn es aufrichtig geschieht, wird es zu seiner Wiederherstellung führen.

Das Sündenbekenntnis ist in Wirklichkeit eine Übung des Gläubigen, um wieder in die Gemeinschaft aufgenommen zu werden, wenn er versagt hat. Wenn das Bekenntnis der eigenen Sünden von Sündern verlangt würde, die zu Christus kommen, um gerettet zu werden, wie könnte dann jemand gerettet werden? Welcher Sünder kann sich schon an alle seine Sünden erinnern? Wenn wir bedenken, dass „die Leuchte [Gedanken] des Gottlosen Sünde ist“ (Spr 21,4) und dass „das Vorhaben der Narrheit die Sünde ist“ (Spr 24,9), dann wäre das eine unmögliche Aufgabe. Die Zahl seiner Sünden könnte in die Tausende gehen – vielleicht sogar in die Millionen! Ein Sünder, der das Heil und die Vergebung der Sünden sucht, muss lediglich zugeben oder bekennen, dass er ein Sünder ist (Lk 18,13), und Jesus als seinen Herrn bekennen (Röm 10,9; Phil 2,11), aber er muss nicht jede einzelne Sünde bekennen, die er begangen hat. Das abstrakte Prinzip, das hier mit der Vergebung der Sünden verbunden ist, mag weit genug gefasst sein, um das anfängliche Kommen einer Person zu Christus für die ewige Vergebung und das Heil abzudecken (siehe Synopsis of the Books of the Bible von J.N. Darby, Fußnote zu 1. Johannes 1,9), aber der Kontext zeigt, dass Johannes wirklich von denjenigen spricht, die sich in der christlichen Gemeinschaft befinden. F.B. Hole kommentiert dies wie folgt:

Natürlich ist das ebenso für den Ungläubigen das einzig ehrliche Verhalten, seine Sünden zu bekennen, wenn er davon überführt worden ist. Dann ist Vergebung sein Teil, völlige und ewige Vergebung. Hier geht es jedoch um den Gläubigen. Es heißt: „Wenn wir … bekennen“.[3]

Väterliche Vergebung

Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist Gott „treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt“, weil die Ansprüche der göttlichen Gerechtigkeit erfüllt sind, weil Christus ein Lösegeld für unsere Sünden bezahlt hat (Mt 20,28; 1Tim 2,6). Johannes sagt nicht unbedingt, dass der abgewichene Gläubige um Vergebung bitten soll – denn alle Gläubigen befinden sich in einem Zustand ewiger Vergebung –, aber er sagt, dass wir zu unseren Taten stehen müssen, indem wir Gott, dem Vater, unsere Sünden bekennen. Es geht hier also nicht um die ewige Vergebung, sondern um die väterliche Vergebung. Johannes fügt hinzu: „und reinigt von aller Ungerechtigkeit“. Das hat damit zu tun, dass wir von dem Einfluss der Sünde, die wir begangen haben, gereinigt und von ihrer Knechtschaft befreit werden (Joh 8,34). Damit soll uns geholfen werden, nicht mehr auf diese Weise zu versagen.

Vers 10

1Joh 1,10: Wenn wir sagen, dass wir nicht gesündigt haben, so machen wir ihn zum Lügner, und sein Wort ist nicht in uns.

Wenn aber jemand, der behauptet, im Licht zu sein, sagt, er habe „nicht gesündigt“, hat er deutlich gemacht, dass er nicht im Licht ist. Wäre er wirklich im Licht, hätte das Licht seine Sünden offenbart, und er wüsste, dass er gesündigt hat. Zu leugnen, dass wir gesündigt haben, ist die Frucht des Unglaubens. Sie stellt „sein Wort“ in Frage, das besagt, dass alle Menschen gesündigt haben (Pred 7,20; Röm 3,23). Wir werden dem Wort nicht widersprechen, wenn wir es wirklich in uns haben, wie Johannes hier sagt. Im Falle eines Gläubigen unterbricht die Sünde seine Gemeinschaft mit Gott. Er wird sich unwohl fühlen, solange er nicht in Gemeinschaft ist, denn jedes wahre Kind Gottes sehnt sich nach dem Frieden, der Freude und der Zufriedenheit, die von der Gemeinschaft mit Gott ausgeht. Dies zu verlieren, bedeutet, das Gefühl des geistlichen Wohlbefindens zu verlieren, und dies wird ein Bekenntnis seiner Sünden hervorrufen, woraufhin die glückliche Gemeinschaft wiederhergestellt wird. Ein bloß bekennender Gläubiger spürt diesen Verlust nicht, weil er die Gemeinschaft mit Gott nie gekannt hat.


Quelle: The First Epistle of John: The Characteristics of Life Eternal in the Children of God in Times of Apostasy
E-Book Version 1.4. 2019

Übersetzung: Stephan Isenberg

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Anmerkungen

[1] J.N. Darby, Notes and Jottings, S. 106.

[2] W.G. Turner, Unknown and Well Known. A Biography of J.N. Darby, S. 36.

[3] F.B. Hole, Grundzüge des Neuen Testaments,  Bd. 6: Johannesbriefe. Judasbrie. Offenbarung, Hückeswagen (CSV) 1991, S. 11.

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