Der Brief an Titus (1)
Kapitel 1

Willem Johannes Ouweneel

© SoundWords, online seit: 18.05.2016, aktualisiert: 30.07.2023

DIE WAHRHEIT, DIE NACH DER GOTTSELIGKEIT IST

(1) Die Offenbarung des ewigen Lebens (Tit 1,1-4)

(a) Die Apostelschaft von Paulus (Tit 1,1-3)

Tit 1,1: Paulus, Knecht Gottes*[1]und Apostel von Jesus Christus nach [dem] Glauben von [den] Auserwählten Gottes und [der] Erkenntnis von [der] Wahrheit, die nach [der] Gottseligkeit [ist], …

Die Einleitung des Briefes (Tit 1,1-4 (1) Paulus, Knecht Gottes, aber Apostel Jesu Christi, nach dem Glauben der Auserwählten Gottes und nach der Erkenntnis der Wahrheit, die nach der Gottseligkeit ist, (2) in der Hoffnung des ewigen Lebens, das Gott, der nicht lügen kann, verheißen hat vor ewigen Zeiten; (3) zu seiner Zeit aber hat er sein Wort offenbart durch die Predigt, die mir anvertraut worden ist nach Befehl unseres Heiland-Gottes – (4) Titus, meinem echten Kind nach unserem gemeinschaftlichen Glauben: Gnade und Friede von Gott, dem Vater, und Christus Jesus, unserem Heiland!“) zeigt uns die Kennzeichen und die Grundlage der Apostelschaft von Paulus sowie der besonderen Offenbarung, die ihm zuteilgeworden war und die er verkündigen sollte. Wie bereits in der Einleitung dieser Betrachtung bemerkt, finden wir in diesen ersten Versen die großen objektiven Wahrheiten des Christentums, die vor allem durch den Dienst Paulus zu uns gekommen sind. Er ist ihr Prediger und Christus ihr Mittelpunkt. Er ist der Gegenstand unseres Glaubens; Er ist die Personifizierung der Wahrheit; in Ihm liegt das Geheimnis der Gottseligkeit; Er selbst ist das ewige Leben; Er ist unser Heiland, und Gott ist der Ursprung dieser Offenbarung: Wir sind Gottes Knechte sowie Gottes Auserwählte; Er ist es (als der nicht-lügende Gott), der das ewige Leben verheißen hat, bevor die Welt bestand; Er ist es, der zu seiner Zeit sein Wort offenbart hat (als unser Heiland-Gott), und von Ihm (d.h. von Gott, dem Vater) ist uns Gnade und Friede.

Paulus

Der Brief beginnt mit der Angabe des Autors, wobei hier keine weiteren Gefährten genannt werden (wie es der Fall ist im ersten und zweiten Korintherbrief, im Galater- und im Philipperbrief, im ersten und zweiten Thessalonicherbrief sowie im Philemonbrief). Das passt an dieser Stelle auch nicht, wenn wir bedenken, dass die besondere apostolische Autorität notwendig war, um Titus den Auftrag geben zu können, Älteste anzustellen (Tit 1,5 „Deswegen ließ ich dich in Kreta zurück, damit du das, was noch mangelte, in Ordnung bringen und in jeder Stadt Älteste anstellen möchtest, wie ich dir geboten hatte:“). Aus demselben Grund wird im Hebräerbrief der Name und die Apostelschaft von Paulus (der unzweifelhaft der Verfasser ist) bewusst nicht erwähnt, damit er gegenüber den gläubigen Juden nicht die Stellung eines Apostels einnehmen konnte (das war Petrus vorbehalten, dem Apostel der Beschneidung; Gal 2,7-9 (7) sondern im Gegenteil, als sie sahen, dass mir das Evangelium der Vorhaut anvertraut war, wie Petrus das der Beschneidung (8) (denn der, der in Petrus für das Apostelamt der Beschneidung gewirkt hat, hat auch in mir in Bezug auf die Nationen gewirkt), (9) und als sie die Gnade erkannten, die mir gegeben ist, gaben Jakobus und Kephas und Johannes, die als Säulen angesehen wurden, mir und Barnabas die Rechte der Gemeinschaft, damit wir unter die Nationen, sie aber unter die Beschneidung gingen;“) und weil der Brief keine Offenbarung neuartiger Geheimnisse enthält, obwohl der Dienst des Paulus darin bestand (Tit 1,3 „zu seiner Zeit aber hat er sein Wort offenbart durch die Predigt, die mir anvertraut worden ist nach Befehl unseres Heiland-Gottes –“; Eph 3,1-12). Wenn Paulus dagegen wohl seine Apostelschaft erwähnt, passiert es immer dann, wenn das Thema des Briefes in Verbindung mit dem besonderen Dienst des Apostels steht, wie wir es gleich im Titusbrief näher sehen werden.

Knecht Gottes*

Paulus nennt sich hier zuallererst „Knecht Gottes“. Das ist etwas Besonderes. Zu Beginn des Römer- und des Philipperbriefs nennt er sich auch einen „Knecht“, doch heißt es dort „Knecht Christi Jesu“. Hier heißt es „Knecht Gottes“, so wie sich auch Jakobus in seinem Brief nennt. Auch die Verbindung von „Knecht und Apostel“ ist außergewöhnlich. Im Römerbrief heißt es „Knecht Christi Jesu, berufener Apostel“, und weiter finden wir nur noch im zweiten Petrusbrief den Ausdruck „Knecht und Apostel Jesu Christi“. Darüber hinaus ist es auffallend, dass im Titusbrief das Wort „und“ zwischen „Knecht Gottes“ und „Apostel“ nicht das übliche Wort ist (so wie es beispielsweise wohl zwischen „Auserwählten Gottes“ und „Erkenntnis“ steht), sondern das Wort, das meistens mit „aber“ übersetzt wird. Ich habe es ferner mit „jedoch“ übersetzt (vgl. Tit 1,3.15.16; 2,1; 3,4.9 (1:3) zu seiner Zeit aber hat er sein Wort offenbart durch die Predigt, die mir anvertraut worden ist nach Befehl unseres Heiland-Gottes –“ „(1:15) Den Reinen ist alles rein; den Befleckten aber und Ungläubigen ist nichts rein, sondern befleckt ist sowohl ihre Gesinnung als auch ihr Gewissen. (1:16) Sie geben vor, Gott zu kennen, aber in den Werken verleugnen sie ihn und sind abscheulich und ungehorsam und zu jedem guten Werk unbewährt.“ „(2:1) Du aber rede, was der gesunden Lehre geziemt:“ „(3:4) Als aber die Güte und die Menschenliebe unseres Heiland-Gottes erschien,“ „(3:9) Törichte Streitfragen aber und Geschlechtsregister und Zänkereien und Streitigkeiten über das Gesetz vermeide, denn sie sind unnütz und wertlos.“), um es von einem anderen Wort „aber“ zu unterscheiden (vgl. Tit 1,8.15 „sondern gastfrei, das Gute liebend, besonnen, gerecht, fromm, enthaltsam,“ „Den Reinen ist alles rein; den Befleckten aber und Ungläubigen ist nichts rein, sondern befleckt ist sowohl ihre Gesinnung als auch ihr Gewissen.“ etc.). In Titus 1,1 „Paulus, Knecht Gottes, aber Apostel Jesu Christi, nach dem Glauben der Auserwählten Gottes und nach der Erkenntnis der Wahrheit, die nach der Gottseligkeit ist,“ steht somit nicht einfach „Knecht und Apostel“, sondern es steckt ein Höhepunkt in diesen Worten: „Knecht, jedoch auch Apostel“. Und das macht die Absicht deutlich: Paulus war nicht allein ein gehorsamer, schlichter Knecht, Gott unterworfen (worin er ein Vorbild für Titus sein möchte), sondern er ist auch ein Gesandter Jesu Christi. Er ist ein Mann, der vom Herrn mit großer Autorität bekleidet worden ist, um die Geheimnisse Gottes zu offenbaren und um im Haus Gottes Ämter zu verleihen bzw. verleihen zu lassen (und darin war er kein Vorbild, sondern Titus musste ihm einfach gehorchen).

Paulus war ein Knecht Gottes. Nicht nur ein Knecht Jesu Christi, obwohl er in allen Dingen Christus unterworfen war. Nicht mehr er lebte, sondern Christus lebte in ihm (Gal 2,20 „und nicht mehr lebe ich, sondern Christus lebt in mir; was ich aber jetzt lebe im Fleisch, lebe ich durch Glauben, durch den an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat.“). Das Leben war für ihn Christus (Phil 1,21 „Denn das Leben ist für mich Christus, und das Sterben Gewinn.“), aber er war auch Knecht Gottes. Das Wort „Gott“ hat hier keinen Artikel, wie es wohl in Titus 1,2.3; 2,5.10.11.13; 3,4 (1:2) in der Hoffnung des ewigen Lebens, das Gott, der nicht lügen kann, verheißen hat vor ewigen Zeiten; (1:3) zu seiner Zeit aber hat er sein Wort offenbart durch die Predigt, die mir anvertraut worden ist nach Befehl unseres Heiland-Gottes –“ „(2:5) besonnen, keusch, mit häuslichen Arbeiten beschäftigt, gütig, sich den eigenen Männern unterzuordnen, damit das Wort Gottes nicht verlästert werde.“ „(2:10) nichts unterschlagend, sondern alle gute Treue erweisend, damit sie die Lehre, die unseres Heiland-Gottes ist, zieren in allem. (2:11) Denn die Gnade Gottes ist erschienen, heilbringend für alle Menschen,“ „(2:13) indem wir erwarten die glückselige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Heilandes Jesus Christus,“ „(3:4) Als aber die Güte und die Menschenliebe unseres Heiland-Gottes erschien,“ der Fall ist. Das ist von großer Bedeutung. Bei allen Hauptwörtern (Substantiven) in Vers 1 fehlt der Artikel. Im griechischen Sprachgebrauch bedeutet das, dass nicht die objektive Person oder Sache selbst bezeichnet wird, sondern dass das betreffende Wort ein Kennzeichen, eine Eigenschaft dessen anzeigt, worauf es Bezug hat. In unserem Fall geht es folglich nicht um die Person Gottes selbst, sondern der Ausdruck „Gottes“ charakterisiert das Knechtsein von Paulus. Die Absicht besteht nicht darin, uns etwas über die Person oder Taten Gottes mitzuteilen (wie wir es beispielsweise in Titus 1,2.3 (2) in der Hoffnung des ewigen Lebens, das Gott, der nicht lügen kann, verheißen hat vor ewigen Zeiten; (3) zu seiner Zeit aber hat er sein Wort offenbart durch die Predigt, die mir anvertraut worden ist nach Befehl unseres Heiland-Gottes –“ haben), sondern um die Unterworfenheit von Paulus zu kennzeichnen: Sein Gehorsam und seine Untertänigkeit gilt Gott. So ist es auch in 1. Petrus 2,16 „als Freie und nicht als solche, die die Freiheit zum Deckmantel der Bosheit haben, sondern als Knechte Gottes.“. Die wahre christliche Freiheit besteht nicht darin, den eigenen Willen zu tun (und somit Bosheit auszuüben), sondern ist Knechtschaft an Gott (ohne Artikel).

Die einzig weitere Stelle in den Briefen, die über Knechte Gottes spricht, ist Römer 6. Früher waren wir Sklaven der Sünde zum Tod, jetzt aber sind wir Sklaven der Gerechtigkeit und Gott zu Sklaven geworden (Röm 6,16-22), um fortan Gott zu gehorchen, in Sklaverei der Gerechtigkeit zur Heiligkeit (hier steht bei „Sünde“ und „Gott“ der Artikel, weil die Betonung an dieser Stelle auf der Person liegt, der wir gehorchen). Römer 6,22 „Jetzt aber, von der Sünde frei gemacht und Gott zu Sklaven geworden, habt ihr eure Frucht zur Heiligkeit, als das Ende aber ewiges Leben.“ schließt wunderbar bei Titus 1 an: Wir sind Gott zu Sklaven geworden und haben unsere Frucht zur Heiligkeit, als das Ende aber ewiges Leben. Und in Titus 1,1.2 (1) Paulus, Knecht Gottes, aber Apostel Jesu Christi, nach dem Glauben der Auserwählten Gottes und nach der Erkenntnis der Wahrheit, die nach der Gottseligkeit ist, (2) in der Hoffnung des ewigen Lebens, das Gott, der nicht lügen kann, verheißen hat vor ewigen Zeiten;“ sagt derselbe Apostel: Ich bin ein Knecht Gottes und ein Apostel Jesu Christi „nach der Erkenntnis der Wahrheit, die nach der Gottseligkeit ist, in der Hoffnung des ewigen Lebens“. In beiden Fällen stellt sich der Apostel als Knecht vor, der Gott unterworfen ist, um hier auf der Erde ein geheiligtes, gottseliges Leben zu führen und um einmal beim Herrn das ewige Leben in Vollkommenheit zu genießen.

Es steht natürlich nirgendwo, dass wir Knechte des Vaters sind, denn diese beiden Begriffe (Knecht und Vater) schließen einander vollständig aus. Galater 4 sagt sogar, dass wir früher Knechte unter Gesetz waren, jetzt aber Söhne sind, so dass wir „Abba, Vater“ rufen. Der verlorene Sohn in Lukas 15 wollte zu seinem Vater zurückkehren, um sein Tagelöhner zu werden, aber als sich das Vaterherz für ihn öffnete, konnte er das Wort „Tagelöhner“ nicht mehr über die Lippen bringen. Die Kindschaft spricht von unserer herrlichen, innigen Verbindung mit Gott, von dem, was Gott in seinem tiefsten Wesen ist: Vater. Wenn es dagegen um unsere Verantwortlichkeit und unseren Dienst geht, spricht die Schrift davon, dass wir Gott in allem völlig gehorchen sollen, so dass wir in dem Sinn Knechte sind. Es ist übrigens im Allgemeinen kennzeichnend, dass wir in den pastoralen Briefen viel mehr die Bezeichnung „Gott“ als die Bezeichnung „Vater“ finden. Gerade weil es sich nicht um Briefe an Gemeinden handelt, finden wir hier eher die allgemeinen Beziehungen, in denen Gott zu allen Menschen steht  (vgl. z.B. 1Tim 2,3-6; 4,10 (2:3) [Denn] dies ist gut und angenehm vor unserem Heiland-Gott, (2:4) der will, dass alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. (2:5) Denn Gott ist einer, und einer ist Mittler zwischen Gott und Menschen, der Mensch Christus Jesus, (2:6) der sich selbst gab als Lösegeld für alle, wovon das Zeugnis zu seiner Zeit verkündigt werden sollte,“ „(4:10) denn dafür arbeiten wir und werden geschmäht, weil wir auf einen lebendigen Gott hoffen, der ein Erhalter aller Menschen ist, besonders der Gläubigen.“; 2Tim 3,16.17; 4,1 (3:16) Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit, (3:17) damit der Mensch Gottes vollkommen sei, zu jedem guten Werk völlig geschickt.“ „(4:1) Ich bezeuge ernstlich vor Gott und Christus Jesus, der richten wird Lebende und Tote, und bei seiner Erscheinung und seinem Reich:“; Tit 2,11; 3,4 (2:11) Denn die Gnade Gottes ist erschienen, heilbringend für alle Menschen,“ „(3:4) Als aber die Güte und die Menschenliebe unseres Heiland-Gottes erschien,“). Und wenn wir dann in allen paulinischen Briefen nur in der Anrede des Titusbriefs dem Ausdruck „Knecht Gottes“ begegnen, muss das für den ganzen Brief kennzeichnend sein.

Einen weiteren Grund dafür erkennen wir, wenn wir bedenken, dass Titus hier von Paulus eine sehr hohe, apostolische Aufgabe anvertraut bekommt, obwohl er selbst kein Apostel war. Timotheus war bei der Anstellung von Aufsehern und Diakonen ebenfalls einbezogen, bekam aber keinen ausdrücklichen Auftrag zu ihrer Anstellung; Titus dagegen wohl (Tit 1,5 „Deswegen ließ ich dich in Kreta zurück, damit du das, was noch mangelte, in Ordnung bringen und in jeder Stadt Älteste anstellen möchtest, wie ich dir geboten hatte:“). Um zu verhindern, dass Titus sich angesichts dieser apostolischen Aufgabe erhob, beginnt Paulus hier sich als ein schlichter, gehorsamer Knecht Gottes vorzustellen, obwohl er selbst Apostel war. Er stellt sich als Vorbild für Titus dar, damit dieser sich gleichermaßen bewusst sein sollte, dass er sich in allem befleißigen sollte, in unterwürfiger und bescheidener Weise ausschließlich den Willen Gottes zu tun. So ist Paulus ein Vorbild für Titus, wie er auch selbst ein Nachfolger Christi ist (1Kor 11,1 „Seid meine Nachahmer, wie auch ich Christi.“), der ein vollkommenes Vorbild eines Knechtes Gottes ist. Christus brauchte es nicht für einen Raub zu achten, Gott gleich zu sein (denn Er war Ihm gleich im Gegensatz zu Adam, der wohl einen Raub beging), doch machte Er sich selbst zu nichts (was nur Gott alleine kann) und nahm Knechtsgestalt an und wurde gehorsam bis zum Tod, ja zum Tod am Kreuz (Phil 2,6-8 (6) der, da er in Gestalt Gottes war, es nicht für einen Raub achtete, Gott gleich zu sein, (7) sondern sich selbst zu nichts machte und Knechtsgestalt annahm, indem er in Gleichheit der Menschen geworden ist, und, in seiner Gestalt wie ein Mensch erfunden, (8) sich selbst erniedrigte, indem er gehorsam wurde bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz.“). So lernte Er, obwohl Er Sohn war, an dem, was Er litt, den Gehorsam (Heb 5,8 „obwohl er Sohn war, an dem, was er litt, den Gehorsam lernte;“). Das ist der vollkommene Gehorsam unseres Heilands, dessen Speise es war, den Willen dessen zu tun, der Ihn gesandt hatte, um sein Werk zu vollbringen (Joh 4,34 „Jesus spricht zu ihnen: Meine Speise ist, dass ich den Willen dessen tue, der mich gesandt hat, und sein Werk vollbringe.“).

Das Wort, das hier für „Knecht“ benutzt wird, ist doulos. Es bezeichnet jemand, der in absoluter Unterworfenheit das Eigentum seines Meisters ist. Das Griechische kennt auch das Wort andrapodon (nicht im NT), womit jemand bezeichnet wird, der im Krieg gefangen genommen und anschließend als Sklave verkauft wurde. Dagegen ist ein doulos jemand, der in Knechtschaft geboren wurde. Paulus war aus Gott geboren, aber das beinhaltete zugleich, dass er in Knechtschaft geboren war und Zeit seines Lebens seinem Meister unterworfen bleiben sollte. An anderen Stellen nennt er sich einen „Diener“. In unserer Sprache ist es meistens nicht sichtbar, aber im Griechischen werden oft verschiedene Wörter benutzt, was die Bedeutung immer wieder verändert. In 1. Korinther 3,5 „Wer ist denn Apollos, und wer ist Paulus? Diener, durch die ihr geglaubt habt, und zwar wie der Herr einem jeden gegeben hat.“; 2. Korinther 3,6; 6,4 (3:6) der uns auch tüchtig gemacht hat zu Dienern des neuen Bundes, nicht des Buchstabens, sondern des Geistes. Denn der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig.“ „(6:4) sondern uns selbst in allem als Gottes Diener erweisen, in vielem Ausharren, in Bedrängnissen, in Nöten, in Ängsten,“; Epheser 3,7 „dessen Diener ich geworden bin nach der Gabe der Gnade Gottes, die mir gegeben ist nach der Wirksamkeit seiner Kraft.“; Kolosser 1,23.25 „sofern ihr in dem Glauben gegründet und fest bleibt und nicht abbewegt werdet von der Hoffnung des Evangeliums, das ihr gehört habt, das gepredigt worden ist in der ganzen Schöpfung, die unter dem Himmel ist, dessen Diener ich, Paulus, geworden bin.“ „deren Diener ich geworden bin nach der Verwaltung Gottes, die mir in Bezug auf euch gegeben ist, um das Wort Gottes zu vollenden:“ nennt er sich einen diàkonos, wovon unser Wort „Diakon“ abgeleitet ist. Dieses Wort nimmt immer Bezug auf die Arbeit, die getan werden muss, sei es als Leibeigener oder im freien Dienst. Ein Diakon ist jemand, der einen bestimmten Dienst erfüllt. In Apostelgeschichte 26,16 „aber richte dich auf und stelle dich auf deine Füße; denn dazu bin ich dir erschienen, dich zu einem Diener und Zeugen zu bestimmen, sowohl dessen, was du gesehen hast, als auch dessen, worin ich dir erscheinen werde,“ und 1. Korinther 4,1 „Dafür halte man uns: für Diener Christi und Verwalter der Geheimnisse Gottes.“ wird Paulus ein hupèretès genannt, das heißt ein Dienstknecht, der einem Vorgesetzten unterstellt ist. Schließlich nennt er sich in Römer 15,16 „um ein Diener Christi Jesu zu sein für die Nationen, priesterlich dienend an dem Evangelium Gottes, damit das Opfer der Nationen wohlangenehm werde, geheiligt durch den Heiligen Geist.“ einen leitourgos, das heißt einen Bediensteten, einen Beamten, der einen bestimmten öffentlichen Dienst ausübt.

Apostel Jesu Christi

Weiter nennt Paulus sich „Apostel Jesu Christi“. Es ist hier nicht „Apostel von Gott“ (Gal 1,1.15; Kol 1,25 „deren Diener ich geworden bin nach der Verwaltung Gottes, die mir in Bezug auf euch gegeben ist, um das Wort Gottes zu vollenden:“), sondern er weiß sich hier durch den verherrlichten Menschen im Himmel gesandt. Durch den einfachen Menschen Jesus, der zu ihm gesagt hatte: „Ich bin Jesus, den du verfolgst“ (Apg 9,5), aber auch durch den, welchen Gott zum Herrn und zum Christus gemacht hat (Apg 2,36 „Das ganze Haus Israel wisse nun zuverlässig, dass Gott ihn sowohl zum Herrn als auch zum Christus gemacht hat, diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt.“). Deshalb steht hier „Jesu Christi“ (der Codex Alexandrinus liest dagegen „Christi Jesu“). Gesandt durch den, der ihn auserwählt hatte, um seinen Namen vor dem Volk und den Nationen zu predigen (Apg 9,15; 22,21; 26,16-20 (9:15) Der Herr aber sprach zu ihm: Geh hin; denn dieser ist mir ein auserwähltes Gefäß, meinen Namen zu tragen sowohl vor Nationen als Könige und Söhne Israels.“ „(22:21) Und er sprach zu mir: Geh hin, denn ich werde dich weit weg zu den Nationen senden.“ „(26:16) aber richte dich auf und stelle dich auf deine Füße; denn dazu bin ich dir erschienen, dich zu einem Diener und Zeugen zu bestimmen, sowohl dessen, was du gesehen hast, als auch dessen, worin ich dir erscheinen werde, (26:17) indem ich dich herausnehme aus dem Volk und aus den Nationen, zu denen ich dich sende, (26:18) um ihre Augen aufzutun, damit sie sich bekehren von der Finsternis zum Licht und von der Gewalt des Satans zu Gott, damit sie Vergebung der Sünden empfangen und ein Erbe unter denen, die durch den Glauben an mich geheiligt sind. (26:19) Daher, König Agrippa, war ich dem himmlischen Gesicht nicht ungehorsam, (26:20) sondern verkündigte zuerst denen in Damaskus und auch in Jerusalem und in der ganzen Landschaft von Judäa und den Nationen, Buße zu tun und sich zu Gott zu bekehren und der Buße würdige Werke zu vollbringen.“). Der Name „Christus“ kann dem Namen „Jesus“ vorangehen oder auf ihn folgen. Andere Kombinationen davon kommen nicht vor, außer „Herr Christus“ in Römer 16,18 „Denn solche dienen nicht unserem Herrn Christus, sondern ihrem eigenen Bauch, und durch süße Worte und schöne Reden verführen sie die Herzen der Arglosen.“ und Kolosser 3,24 „da ihr wisst, dass ihr vom Herrn die Vergeltung des Erbes empfangen werdet; ihr dient dem Herrn Christus.“. Weiter finden wir nur noch „Herr Jesus Christus“. Die Kombination „Christus Jesus“ kommt außer in 1. Petrus 5,10 „Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus [Jesus], nachdem ihr eine kurze Zeit gelitten habt, er selbst wird [euch] vollkommen machen, befestigen, kräftigen, gründen.“ nur noch bei Paulus vor. Dieser Ausdruck legt den Nachdruck mehr auf die Tatsache, dass der Herr der Gesalbte Gottes ist, wogegen der Name „Jesus Christus“ mehr auf Ihn als den einfachen Menschen auf der Erde hinweist. In seinen späteren Schriften benutzt Paulus immer mehr den Ausdruck „Christus Jesus“, um die Autorität des Herrn mehr zu betonen. Der Titusbrief stellt hierbei eine Ausnahme dar (Tit 1,1; 2,13; 3,6 (1:1) Paulus, Knecht Gottes, aber Apostel Jesu Christi, nach dem Glauben der Auserwählten Gottes und nach der Erkenntnis der Wahrheit, die nach der Gottseligkeit ist,“ „(2:13) indem wir erwarten die glückselige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Heilandes Jesus Christus,“ „(3:6) den er reichlich über uns ausgegossen hat durch Jesus Christus, unseren Heiland,“ im Gegensatz zu Tit 1,4 „Titus, meinem echten Kind nach unserem gemeinschaftlichen Glauben: Gnade und Friede von Gott, dem Vater, und Christus Jesus, unserem Heiland!“), obwohl es bedeutende Handschriften gibt, die in Titus 1,1 und 2,13 (1:1) Paulus, Knecht Gottes, aber Apostel Jesu Christi, nach dem Glauben der Auserwählten Gottes und nach der Erkenntnis der Wahrheit, die nach der Gottseligkeit ist,“ „(2:13) indem wir erwarten die glückselige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Heilandes Jesus Christus,“ „Christus Jesus“ stehen haben.

Allein Paulus und Petrus erwähnen ihre Apostelschaft in ihren Briefen und nur in den Fällen, in denen sie ihren Dienst auch als solche ausüben. Aus diesem Grund finden wir sie in den Briefen an die Philipper, Thessalonicher, an Philemon und an die Hebräer nicht erwähnt, wo es mehr um einen persönlichen Dienst der Liebe von Paulus als Bruder gegenüber seinen Brüdern geht und nicht um autoritätsbasierte Offenbarungen oder Aufträge. Im Römerbrief ist das dagegen wohl der Fall (Autorität unter allen Völkern), ebenfalls in den Briefen an die Korinther (Gemeindeordnung), an die Galater (bzgl. der durch ihn verkündigten Wahrheit), an die Epheser und an die Kolosser (Offenbarung von Gottes Geheimnissen), an Timotheus und an Titus (Anstellung von Ältesten, Ordnung im Haus Gottes). Bevor im Titusbrief jedoch über diese Ordnung gesprochen wird, beschreibt Paulus die Wahrheiten, welche die Grundlage und den Charakter seiner Apostelschaft ausmachen und den Inhalt seines Dienstes bilden. Dieser Inhalt besteht aus vier Stücken: Zuerst ist seine Apostelschaft in Übereinstimmung mit dem Glauben der Auserwählten Gottes; zweitens ist sie in Übereinstimmung mit der Erkenntnis der Wahrheit, die nach der Gottseligkeit ist; drittens ist sie auf die Hoffnung des ewigen Lebens gegründet und viertens auf die Tatsache, dass Gott ihm die Predigt seines Wortes anvertraut hat (Tit 1,1-3 (1) Paulus, Knecht Gottes, aber Apostel Jesu Christi, nach dem Glauben der Auserwählten Gottes und nach der Erkenntnis der Wahrheit, die nach der Gottseligkeit ist, (2) in der Hoffnung des ewigen Lebens, das Gott, der nicht lügen kann, verheißen hat vor ewigen Zeiten; (3) zu seiner Zeit aber hat er sein Wort offenbart durch die Predigt, die mir anvertraut worden ist nach Befehl unseres Heiland-Gottes –“). Diese ausführliche Auflistung der Kennzeichen seiner Apostelschaft zeigt, wie wichtig die Apostelschaft in diesem Brief ist. Die Anstellung von Ältesten darf nur im Rahmen dieser Apostelschaft geschehen.

Nach [dem] Glauben von [den] Auserwählten Gottes*

Die Offenbarung der Wahrheit wird nicht denen zuteil, die im Fleisch sind. Der natürliche Mensch nimmt nicht an, was des Geistes Gottes ist, denn es ist ihm Torheit, und er kann es nicht erkennen, weil es geistlich beurteilt wird (1Kor 2,14 „Der natürliche Mensch aber nimmt nicht an, was des Geistes Gottes ist, denn es ist ihm Torheit, und er kann es nicht erkennen, weil es geistlich beurteilt wird;“). Darum beruht Paulus’ Apostelschaft nicht auf dem Glauben der bekennenden Christenheit, sondern auf dem der Auserwählten Gottes. Sie ist auch nicht auf die Erkenntnis der Wahrheit gegründet, die durch den Verstand erworben wird, sondern die sich in einem gottseligen Leben praktisch zeigt. Weiter beachten wir, dass hier nicht steht, dass Paulus für den Glauben der Auserwählten Apostel ist (denn das versteht sich von selbst), sondern in Übereinstimmung mit („nach“) diesem Glauben, ähnlich wie auch von der Wahrheit gesprochen wird, dass sie in Übereinstimmung mit („nach“) der Gottseligkeit ist. Diese Übereinstimmung ist für die Gläubigen gewissermaßen der Prüfstein für die Frage, ob die Apostelschaft des Paulus echt ist. Wir sollen nicht jedem Geist glauben, sondern die Geister prüfen, ob sie aus Gott sind (1Joh 4,1 „Geliebte, glaubt nicht jedem Geist, sondern prüft die Geister, ob sie aus Gott sind; denn viele falsche Propheten sind in die Welt ausgegangen.“). Das bedeutet auch, dass sich Paulus’ Apostelschaft nicht auf einen äußeren Zustand stützt, sondern auf einem inneren Leben aus Gott beruht, das heißt auf geistlichen Dingen. Ebenso nennt sich Paulus in 1. Timotheus 1,1 „Paulus, Apostel Christi Jesu, nach Befehl Gottes, unseres Heilandes, und Christi Jesu, unserer Hoffnung,“ Apostel „nach“ Befehl Gottes, unseres Heilandes und in 2. Timotheus 1,1 „Paulus, Apostel Christi Jesu durch Gottes Willen, nach Verheißung des Lebens, das in Christus Jesus ist,“ „nach“ Verheißung des Lebens (vgl. Tit 1,2 „in der Hoffnung des ewigen Lebens, das Gott, der nicht lügen kann, verheißen hat vor ewigen Zeiten;“). Wie bereits erwähnt, steht hier kein Artikel vor „Glauben“. Das bedeutet im Neuen Testament immer, dass es um „das Glauben“, das heißt um die Glaubenstat des Herzens geht und nicht um den Glauben im Sinne der abstrakten, objektiven christlichen Wahrheit, das heißt um das Glaubensgut (vgl. 2Tim 3,7 „die allezeit lernen und niemals zur Erkenntnis der Wahrheit kommen können.“). Hier handelt es sich um den wahren Glauben im Herzen des erlösten Menschen, des wahren Gläubigen, der für den Verstand nicht zu erfassen ist, sondern der alleine durch Gottes Auserwählte erlebt wird.

Das alles steht in krassem Gegensatz zu den Grundsätzen, die in Israel unter dem Gesetz galten. Auch dort kannte man Ämter: Aaron war Priester „nach“ dem Gesetz (vgl. Heb 7,11-16), aber nicht „nach“ dem Glauben auserwählter Menschen. Dort war das Amt mit Gottes Zeugnis auf der Erde verbunden, das aus dem Volk Israel bestand. Als Volk war Israel über alle Völker auserkoren, aber nur für die Erde: Man wurde nicht durch Wiedergeburt ein Mitglied dieses Volkes, sondern aufgrund der natürlichen Geburt und Beschneidung. Auf natürlichem, äußerlichen Boden hat man Teil an den Verheißungen und Vorrechten des Volkes Gottes. Sicher, auch im Alten Testament konnte man zu Gott nur aufgrund von Gnade und Glauben kommen. Aber Gottes öffentliche Verbindungen mit dem Menschen waren von äußerer Art und gründeten sich auf das Gesetz. Und weil man auf natürlicher Grundlage Teil dieses Zeugnisses war, konnte es geschehen, dass Gott an den meisten von ihnen kein Wohlgefallen hatte und sie in der Wüste niederstreckte (1Kor 10,5 „Aber an den meisten von ihnen hatte Gott kein Wohlgefallen, denn sie sind in der Wüste niedergestreckt worden.“). Auch in unserer gegenwärtigen Zeit gibt es ein äußeres Zeugnis Gottes auf der Erde, die Christenheit. Dieses Zeugnis besteht aus allen, die bekennen, Christus zu folgen, und die „den Namen des Herrn anrufen“ (1Kor 1,2; 2Tim 2,19 „Doch der feste Grund Gottes steht und hat dieses Siegel: Der Herr kennt die sein sind; und: Jeder, der den Namen des Herrn nennt, stehe ab von der Ungerechtigkeit!“). Durch die Taufe wird man ein Teil dieses äußeren Zeugnisses; sie bringt uns in das christliche Zeugnis auf der Erde hinein, das an anderer Stelle auch Reich der Himmel genannt wird (Mt 28,16-20 (16) Die elf Jünger aber gingen nach Galiläa, an den Berg, wohin Jesus sie beschieden hatte. (17) Und als sie ihn sahen, warfen sie sich [vor ihm] nieder; einige aber zweifelten. (18) Und Jesus trat herzu und redete zu ihnen und sprach: Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf der Erde. (19) Geht nun hin und macht alle Nationen zu Jüngern und tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes (20) und lehrt sie, alles zu bewahren, was ich euch geboten habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung des Zeitalters.“). Das ist das Zeugnis, wo der Glaube, das heißt die christliche Wahrheit, gekannt wird, so wie das Zeugnis im Alten Testament auf dem Gesetz gegründet war. Vergleiche dazu Galater 3,23-27 (23) Bevor aber der Glaube kam, wurden wir unter dem Gesetz verwahrt, eingeschlossen auf den Glauben hin, der offenbart werden sollte. (24) Also ist das Gesetz unser Erzieher gewesen auf Christus hin, damit wir aus Glauben gerechtfertigt würden. (25) Da aber der Glaube gekommen ist, sind wir nicht mehr unter einem Erzieher; (26) denn ihr alle seid Söhne Gottes durch den Glauben an Christus Jesus. (27) Denn so viele ihr auf Christus getauft worden seid, ihr habt Christus angezogen.“, wo wir als unter dem Glauben dargestellt werden und als solche, die Christus angezogen haben (d.h. alles äußerlich), und zwar durch die Taufe. Auch in Epheser 4,4 „Da ist ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen worden seid in einer Hoffnung eurer Berufung.“ werden der eine Glaube und die eine Taufe zusammen mit dem einen Herrn (vgl. das Anrufen des Herrn) als die Kennzeichen des christlichen Zeugnisses auf der Erde genannt.

Aber nun der Unterschied zu unserem Vers! Da wird Paulus’ Apostelschaft nicht mit dem äußerlichen Zeugnis verbunden, wo der Glaube gekannt wird. Sie wird vielmehr mit der Glaubenstat des Herzens verbunden, wie sie von Personen, die nur dem Bekenntnis nach Christen sind, nicht gekannt wird, sondern nur von den Auserwählten Gottes. Und die sind nicht auf ein irdisches Volk beschränkt, sondern sowohl der Jude Paulus als auch der Grieche Titus hatten daran teil. Beide waren Kinder Gottes durch den gemeinschaftlichen Glauben (Tit 1,4 „Titus, meinem echten Kind nach unserem gemeinschaftlichen Glauben: Gnade und Friede von Gott, dem Vater, und Christus Jesus, unserem Heiland!“; Gal 3,22.28.29; 4,6.7 (3:22) Aber die Schrift hat alles unter die Sünde eingeschlossen, damit die Verheißung aus Glauben an Jesus Christus denen gegeben würde, die glauben.“ „(3:28) Da ist nicht Jude noch Grieche, da ist nicht Sklave noch Freier, da ist nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus. (3:29) Wenn ihr aber Christi seid, so seid ihr denn Abrahams Nachkommen und nach Verheißung Erben.“ „(4:6) Weil ihr aber Söhne seid, so hat Gott den Geist seines Sohnes in unsere Herzen gesandt, der da ruft: Abba, Vater! (4:7) Also bist du nicht mehr Knecht, sondern Sohn; wenn aber Sohn, so auch Erbe durch Gott.“).

Darüber hinaus steht hier nicht: „nach dem Glauben der Kinder Gottes“, sondern: „nach dem Glauben der Auserwählten Gottes“. Das heißt, dass die Grundlage des Glaubens nicht in der Zeit, sondern vor der Zeit liegt, denn wir sind vor Grundlegung der Welt auserwählt worden (Eph 1,4 „wie er uns auserwählt hat in ihm vor Grundlegung der Welt, dass wir heilig und untadelig seien vor ihm in Liebe;“). Unser Glaube steht mit dem ewigen Leben in Verbindung, das Gott vor ewigen Zeiten verheißen hat (Eph 1,2 „Gnade euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus!“). Dieser Glaube und diese Auserwählung bilden die Kennzeichen des wahren Christentums. Auch das Volk Israel war auserwählt. Es war aus allen Völkern der Erde auserwählt, um Gottes Volk zu sein (5Mo 4,37; 7,6; 10,15; 14,2 (4:37) Und weil er deine Väter geliebt und ihre Nachkommen nach ihnen erwählt hat, hat er dich mit seinem Angesicht, mit seiner großen Kraft aus Ägypten herausgeführt,“ „(7:6) Denn ein heiliges Volk bist du dem HERRN, deinem Gott; dich hat der HERR, dein Gott, erwählt, ihm zum Eigentumsvolk zu sein aus allen Völkern, die auf dem Erdboden sind.“ „(10:15) Jedoch deinen Vätern hat der HERR sich zugeneigt, sie zu lieben; und er hat euch, ihre Nachkommen nach ihnen, aus allen Völkern erwählt, wie es an diesem Tag ist.“ „(14:2) Denn ein heiliges Volk bist du dem HERRN, deinem Gott; und dich hat der HERR erwählt, ihm ein Eigentumsvolk zu sein, aus allen Völkern, die auf dem Erdboden sind.“). Aber diese Auserwählung stand in Verbindung mit Gottes Ratschlüssen hinsichtlich dieser Erde, und diese Ratschlüsse datieren nicht von vor, sondern von ab Grundlegung der Welt (Mt 13,35; 25,34 (13:35) damit erfüllt würde, was durch den Propheten geredet ist, der spricht: „Ich werde meinen Mund auftun in Gleichnissen; ich werde aussprechen, was von Grundlegung der Welt an verborgen war.““ „(25:34) Dann wird der König zu denen zu seiner Rechten sagen: Kommt her, Gesegnete meines Vaters, erbt das Reich, das euch bereitet ist von Grundlegung der Welt an;“; Off 13,8; 17,8 (13:8) Und alle, die auf der Erde wohnen, werden es anbeten, jeder, dessen Name nicht geschrieben ist in dem Buch des Lebens des geschlachteten Lammes von Grundlegung der Welt an.“ „(17:8) Das Tier, das du sahst, war und ist nicht und wird aus dem Abgrund heraufsteigen und ins Verderben gehen; und die, die auf der Erde wohnen, deren Namen nicht in dem Buch des Lebens geschrieben sind von Grundlegung der Welt an, werden sich verwundern, wenn sie das Tier sehen, dass es war und nicht ist und da sein wird.“). Im Gegensatz dazu sind wir nach Vorkenntnis Gottes, des Vaters, auserwählt (1Pet 1,2 „nach Vorkenntnis Gottes, des Vaters, durch Heiligung des Geistes, zum Gehorsam und zur Blutbesprengung Jesu Christi: Gnade und Friede sei euch vermehrt!“). Wir sind zuvorerkannt worden und zuvorbestimmt, dem Bild seines Sohnes gleichförmig zu sein (Röm 8,29.30 (29) Denn welche er zuvor erkannt hat, die hat er auch zuvor bestimmt, dem Bild seines Sohnes gleichförmig zu sein, damit er der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern. (30) Welche er aber zuvor bestimmt hat, diese hat er auch berufen; und welche er berufen hat, diese hat er auch gerechtfertigt; welche er aber gerechtfertigt hat, diese hat er auch verherrlicht.“), bzw. durch Gott zuvorbestimmt zur Sohnschaft für sich selbst (Eph 1,5 „und uns zuvor bestimmt hat zur Sohnschaft durch Jesus Christus für sich selbst, nach dem Wohlgefallen seines Willens,“). Daraus sehen wir, dass das Christentum nicht einfach eine Fortsetzung des Judentums ist, denn sein Ursprung liegt weit vor dem des Judentums. Es basiert nicht auf neuen Geboten und Zeremonien – das alles ist in Christus zu einem Ende gekommen (Kol 2,14-23) –, sondern es ist die Offenbarung der vollen Wahrheit Gottes, die alleine gekannt wird (nicht durch Geburt oder Taufe, sondern) durch das Auserwähltsein vor der Zeit und indem man in der Zeit aus Gnade durch Gott berufen ist und glaubt. Um diese Wahrheiten kennenzulernen, musste der Überrest nach Wahl der Gnade aus Israel das gottlose Volk verlassen und zur Gemeinde hinzugefügt werden (Apg 2,47 „lobten Gott und hatten Gunst bei dem ganzen Volk. Der Herr aber fügte täglich hinzu, die gerettet werden sollten.“; Röm 11,5.7 „So besteht nun auch in der jetzigen Zeit ein Überrest nach Auswahl der Gnade.“ „Was nun? Was Israel sucht, das hat es nicht erlangt; aber die Auserwählten haben es erlangt, die Übrigen aber sind verhärtet worden,“). Und auch ein auserwählter Teil aus den Nationen („die Vollzahl der Nationen“; Röm 11,25 „Denn ich will nicht, Brüder, dass euch dieses Geheimnis unbekannt sei, damit ihr nicht euch selbst für klug haltet: dass Israel zum Teil Verhärtung widerfahren ist, bis die Vollzahl der Nationen eingegangen ist;“) musste in die Gemeinde eingefügt werden (Apg 13,48 „Als aber die aus den Nationen es hörten, freuten sie sich und verherrlichten das Wort des Herrn; und es glaubten, so viele zum ewigen Leben bestimmt waren.“; 2Tim 2,10 „Deswegen erdulde ich alles um der Auserwählten willen, damit auch sie die Errettung erlangen, die in Christus Jesus ist, mit ewiger Herrlichkeit.“).

[Der] Erkenntnis von [der] Wahrheit, die nach [der] Gottseligkeit [ist]

Woraus sich diese Auserwählung praktisch ergibt, sehen wir in 1. Thessalonicher 1,4-8: Die das Wort in Aufrichtigkeit annehmen, stellen sich dadurch als Auserwählte heraus. Das ist die Seite der Verantwortlichkeit des Gläubigen, der seine Berufung und Erwählung festmachen soll (2Pet 1,10 „Darum, Brüder, befleißigt euch umso mehr, eure Berufung und Erwählung fest zu machen; denn wenn ihr diese Dinge tut, so werdet ihr niemals straucheln.“), das heißt, er muss „beweisen“, dass er  berufen und auserwählt ist. Darum fügt unser Vers noch hinzu: „Erkenntnis der Wahrheit, die nach der Gottseligkeit ist“. Es geht hier nicht um ein intellektuelles Kennen der Wahrheit, sondern um ein Kennen des Herzens und ein Kennen, das in einem gottseligen Leben zum Ausdruck kommt.

Das hier benutzte Wort „Erkenntnis“ (epignosis) bezeichnet eine genaue, vollkommene Kenntnis (oder Erkenntnis) und derartiges Unterscheidungsvermögen. Es ist stärker als gnosis (Suche nach Erkenntnis). Es gibt Menschen, die Gott kennen (gnosis), Ihn aber nicht erkennen (epignosis, Röm 1,21.28 „weil sie, Gott kennend, ihn weder als Gott verherrlichten noch ihm Dank darbrachten, sondern in ihren Überlegungen in Torheit verfielen und ihr unverständiges Herz verfinstert wurde.“ „Und weil sie es nicht für gut befanden, Gott in Erkenntnis zu haben, hat Gott sie hingegeben in einen verworfenen Sinn, zu tun, was sich nicht geziemt;“). Wenn wir Kenntnis (gnosis) suchen (damit ist der Gewinn geistlicher Erfahrung gemeint), wird uns das nicht fruchtleer in Bezug auf die Erkenntnis (epignosis, d.h. die innerliche Kenntnis, die wir durch den Glauben empfangen haben) unseres Herrn Jesus Christus lassen (2Pet 1,5.6.8 (5) so wendet ebendeshalb aber auch allen Fleiß an, und reicht in eurem Glauben die Tugend dar, in der Tugend aber die Erkenntnis, (6) in der Erkenntnis aber die Enthaltsamkeit, in der Enthaltsamkeit aber das Ausharren, in dem Ausharren aber die Gottseligkeit,“ „Denn wenn diese Dinge bei euch vorhanden sind und zunehmen, so stellen sie euch nicht träge noch fruchtleer hin in Bezug auf die Erkenntnis unseres Herrn Jesus Christus.“). In unserem Vers geht es um die vollkommene innerlich verarbeitete Erkenntnis der vollen Offenbarung Gottes. Gott, unser Heiland, will, dass alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis (epignosis) der Wahrheit kommen (1Tim 2,4 „der will, dass alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.“). Leider gibt es allerdings Menschen, die immerzu unterwiesen werden und doch niemals zur Erkenntnis der Wahrheit kommen können (2Tim 3,7 „die allezeit lernen und niemals zur Erkenntnis der Wahrheit kommen können.“). Es gibt darüber hinaus sogar Menschen, die, nachdem sie die Erkenntnis der Wahrheit empfangen haben, mutwillig sündigen und auf dem Weg zum Verderben voranschreiten (Heb 10,26.27 (26) Denn wenn wir mit Willen sündigen, nachdem wir die Erkenntnis der Wahrheit empfangen haben, so bleibt kein Schlachtopfer für Sünden mehr übrig, (27) sondern ein gewisses furchtvolles Erwarten des Gerichts und der Eifer eines Feuers, das die Widersacher verzehren wird.“). Daraus sehen wir, dass die echte Erkenntnis der Wahrheit bei denen zu finden ist, die wahrhaftiges Leben aus Gott haben, was sich daraus ergibt, dass ihre Erkenntnis der Wahrheit in Übereinstimmung mit der Gottseligkeit ist (vgl. 1Tim 6,3 „Wenn jemand anders lehrt und nicht beitritt den gesunden Worten, die unseres Herrn Jesus Christus sind, und der Lehre, die nach der Gottseligkeit ist,“) und dass sie die Wahrheit nicht in Ungerechtigkeit besitzen (Röm 1,18 „Denn Gottes Zorn wird vom Himmel her offenbart über alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen, die die Wahrheit in Ungerechtigkeit besitzen,“).

Das Christentum umfasst die volle, offenbarte Wahrheit Gottes. Alle Ratschlüsse Gottes sind in Ihm bekanntgeworden. Der Ursprung dieser Wahrheit stammt, ebenso wie unsere Auserwählung, von vor allen Zeitaltern. Sie beinhaltet die Ratschlüsse, die von Ewigkeit her bei Gott waren, lange vor der Erschaffung dieser Welt. 

  1. Zuerst ist die Wahrheit die Offenbarung Jesu Christi als dem Lamm Gottes, der vor Grundlegung der Welt zuvorerkannt, aber am Ende der Zeiten um unsertwillen offenbart worden ist (1Pet 1,20 „der zwar zuvor erkannt ist vor Grundlegung der Welt, aber offenbart worden ist am Ende der Zeiten um euretwillen,“).
  2. Zweitens ist die Wahrheit das ewige Vornehmen Gottes in Christus Jesus, damit jetzt den Fürstentümern und den Gewalten in den himmlischen Örtern durch die Versammlung kundgetan werde die mannigfaltige Weisheit Gottes (Eph 3,10.11 (10) damit jetzt den Fürstentümern und den Gewalten in den himmlischen Örtern durch die Versammlung kundgetan werde die mannigfaltige Weisheit Gottes, (11) nach dem ewigen Vorsatz, den er gefasst hat in Christus Jesus, unserem Herrn;“).
  3. Drittens ist die Wahrheit die Auserwählung jedes einzelnen Gläubigen in der Gemeinde vor Grundlegung der Welt (Eph 1,4 „wie er uns auserwählt hat in ihm vor Grundlegung der Welt, dass wir heilig und untadelig seien vor ihm in Liebe;“).
  4. Viertens ist die Wahrheit die Gnade, die uns in Christus Jesus vor ewigen Zeiten gegeben worden ist, und das ewige Leben, das Gott vor ewigen Zeiten verheißen hat (2Tim 1,9 „der uns errettet hat und berufen mit heiligem Ruf, nicht nach unseren Werken, sondern nach seinem eigenen Vorsatz und der Gnade, die uns in Christus Jesus vor ewigen Zeiten gegeben,“; Tit 1,2 „in der Hoffnung des ewigen Lebens, das Gott, der nicht lügen kann, verheißen hat vor ewigen Zeiten;“).
  5. Fünftens schließlich das Höchste: Die Wahrheit ist nämlich das innige Verhältnis der Liebe, das zwischen dem Vater und dem Sohn von Ewigkeit her besteht, sowie die Herrlichkeit, die der ewige Sohn bei dem Vater hatte, ehe die Welt war (Joh 17,5.24 „Und nun verherrliche du, Vater, mich bei dir selbst mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war.“ „Vater, ich will, dass die, die du mir gegeben hast, auch bei mir seien, wo ich bin, damit sie meine Herrlichkeit schauen, die du mir gegeben hast, denn du hast mich geliebt vor Grundlegung der Welt.“).

Das alles ist uns verkündigt worden, und nicht nur das, wir haben daran sogar Anteil erhalten. Wir sind die Gegenstände der ewigen, auserwählenden Liebe des Vaters und des Sohnes, dürfen zur Gemeinde gehören, der Gott seinen Sohn über alle Dinge als Haupt gegeben hat (Eph 1,22.23 (22) und hat alles seinen Füßen unterworfen und ihn als Haupt über alles der Versammlung gegeben, (23) die sein Leib ist, die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt;)“), und werden in das Haus eingeführt, wo der Vater und der Sohn von Ewigkeit her gewohnt haben (Joh 14,1-3 (1) Euer Herz werde nicht bestürzt. Ihr glaubt an Gott, glaubt auch an mich! (2) In dem Haus meines Vaters sind viele Wohnungen; wenn es nicht so wäre, hätte ich es euch gesagt; denn ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten. (3) Und wenn ich hingehe und euch eine Stätte bereite, so komme ich wieder und werde euch zu mir nehmen, damit, wo ich bin, auch ihr seiet.“) und wo wir die Herrlichkeit des Sohnes anschauen (Joh 17,24 „Vater, ich will, dass die, die du mir gegeben hast, auch bei mir seien, wo ich bin, damit sie meine Herrlichkeit schauen, die du mir gegeben hast, denn du hast mich geliebt vor Grundlegung der Welt.“). Welche Gnade! Was für ein unfassbares Vorrecht!

Sicher, auch das Alte Testament enthält offenbarte Wahrheit. Aber diese Wahrheit offenbart Gott alleine als den Allmächtigen, Allerhöchsten und als Jahwe, den treuen Bundesgott seines Volkes. Jahwe Elohim ist Wahrheit (2Mo 34,6 „Und der HERR ging vor seinem Angesicht vorüber und rief: HERR, HERR, Gott, barmherzig und gnädig, langsam zum Zorn und groß an Güte und Wahrheit,“; Jer 10,10 „Aber der HERR ist Gott in Wahrheit; er ist der lebendige Gott und ein ewiger König. Vor seinem Grimm erbebt die Erde, und seinen Zorn können die Nationen nicht ertragen.“). Jetzt ist die Wahrheit jedoch völlig offenbart, so dass auch Gott als das erkannt wird, was Er seinem tiefsten Wesen nach ist: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Diese Wahrheit ist in Christus zu uns gekommen, dem fleischgewordenen Wort Gottes. Er war bei Gott (Joh 1,1.14 „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.“ „Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns (und wir haben seine Herrlichkeit angeschaut, eine Herrlichkeit als eines Eingeborenen vom Vater) voller Gnade und Wahrheit.“), bei dem Vater, und ist uns offenbart worden (1Joh 1,2 „(und das Leben ist offenbart worden, und wir haben gesehen und bezeugen und verkündigen euch das ewige Leben, das bei dem Vater war und uns offenbart worden ist);“). Durch Ihn ist die Gnade und die Wahrheit geworden (Joh 1,17 „Denn das Gesetz wurde durch Mose gegeben; die Gnade und die Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden.“), ja Er ist selbst die Wahrheit (Joh 14,6 „Jesus spricht zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater als nur durch mich.“). Er kam zu uns und hat uns das Wort des Vaters gegeben, das Wort der Wahrheit (Joh 17,6-8.17 (6) Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus der Welt gegeben hast. Dein waren sie, und mir hast du sie gegeben, und sie haben dein Wort gehalten. (7) Jetzt haben sie erkannt, dass alles, was du mir gegeben hast, von dir ist; (8) denn die Worte, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben, und sie haben sie angenommen und wahrhaftig erkannt, dass ich von dir ausgegangen bin, und haben geglaubt, dass du mich gesandt hast.“ „Heilige sie durch die Wahrheit: Dein Wort ist Wahrheit.“). Er, der im Schoß des Vaters ist, hat Ihn, den Vater, kundgemacht (Joh 1,18 „Niemand hat Gott jemals gesehen; der eingeborene Sohn, der im Schoß des Vaters ist, der hat ihn kundgemacht.“), und alles, was Er von seinem Vater gehört hat, hat Er den Seinen bekanntgemacht (Joh 15,15 „Ich nenne euch nicht mehr Knechte, denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut; euch aber habe ich Freunde genannt, weil ich alles, was ich von meinem Vater gehört habe, euch kundgetan habe.“). Diese Offenbarung der Wahrheit wird fortgesetzt von dem Geist der Wahrheit, den der Sohn uns vom Vater gesandt hat, nachdem Er zum Vater zurückgekehrt war (Joh 14,17; 15,26; 16,13 (14:17) den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht noch [ihn] kennt. Ihr kennt ihn, denn er bleibt bei euch und wird in euch sein.“ „(15:26) Wenn aber der Sachwalter gekommen ist, den ich euch von dem Vater senden werde, der Geist der Wahrheit, der von dem Vater ausgeht, so wird er von mir zeugen.“ „(16:13) Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, gekommen ist, wird er euch in die ganze Wahrheit leiten; denn er wird nicht von sich selbst aus reden, sondern was er hören wird, wird er reden, und das Kommende wird er euch verkündigen.“; 1Joh 5,6 „Dieser ist es, der gekommen ist durch Wasser und Blut, Jesus Christus; nicht durch das Wasser allein, sondern durch das Wasser und durch das Blut. Und der Geist ist es, der Zeugnis ablegt, weil der Geist die Wahrheit ist.“). Es ist die Wahrheit des dreieinen Gottes.

Wie bereits gesagt, fehlt bei allen Substantiven in diesem Vers der Artikel. Ebenso wenig wie über den Glauben als die objektiven Glaubenswahrheiten gesprochen wird, geht es auch nicht um die Erkenntnis der Wahrheit. Nicht die Erkenntnis selbst steht im Vordergrund, sondern ihre Kennzeichnung der Apostelschaft, die in Übereinstimmung ist mit der Kenntnis von Wahrheit, die nach der Gottseligkeit ist. Es wird nicht auf den Inhalt der Erkenntnis abgezielt, sondern auf die innerliche Kenntnis. So ist es auch nicht die abstrakte Wahrheit an sich, sondern „Wahrheit“ – das, was göttlich wahr und in Übereinstimmung mit Gottseligkeit ist. Nicht die Gottseligkeit als eine für sich selbst betrachtete Tugend, sondern ein gottseliger Wandel, der wahrhaftige Kenntnis der Wahrheit charakterisiert. Es ist alles praktisch: nicht der Glaube (die Lehre), sondern die Glaubenstat des Herzens der Auserwählten. Ebenso ist es nicht die Wahrheit (die Lehre), sondern etwas, was in einem gottseligen Leben als wahrhaftig erlebt wird: Glaube im Herzen und Gottseligkeit nach außen hin.

Das Wort „Gottseligkeit“ (eusebia) besteht aus eu („gut“) und sebeia, das von einem Tätigkeitswort stammt, das „verehren“ bedeutet (vgl. Apg 17,23 „Denn als ich umherging und die Gegenstände eurer Verehrung betrachtete, fand ich auch einen Altar, an dem die Aufschrift war: Dem unbekannten Gott. Was ihr nun, ohne es zu kennen, verehrt, das verkündige ich euch.“). Demnach geht es um „gute Verehrung“, was unter anderem mit unserem Wort „Frömmigkeit“ wiedergegeben werden kann. Das Wort „Gottseligkeit“ hat nichts mit Frucht zu tun, sondern bedeutet ursprünglich „das Fürchten (oder die Achtung) Gottes“ (vgl. „Gottesfurcht“). Im Griechischen wird dieses Wort der „Gottlosigkeit“ (asebeia) gegenübergestellt, die ursprünglich und wörtlich „Nicht-Verehrung“ bedeutet. Es gibt also solche, die Gott verehren, und solche, die Ihn nicht verehren. Gott hat den Menschen für sich selbst erschaffen (Kol 1,16: „für ihn“), damit der Mensch Ihm dienen und Ihn ehren sollte. Das war das Schöpfungsziel Gottes mit dem Menschen. Aber der Mensch fiel in Sünde, das heißt, er verfehlte das Ziel, denn sündigen bedeutet buchstäblich „das Ziel verfehlen“. Sünde ist Gesetzlosigkeit (1Joh 3,4 „Jeder, der die Sünde tut, tut auch die Gesetzlosigkeit, und die Sünde ist die Gesetzlosigkeit.“), die Nichtanerkennung eines Gesetzes, einer Autorität über sich und somit das Tun des eigenen Willens. Nicht Gott wird gedient, sondern dem eigenen Fleisch und Satan. Die Thessalonicher hatten sich von den Götzen (den Dämonen) zu Gott bekehrt, um dem lebendigen und wahren Gott zu dienen (1Thes 1,9 „Denn sie selbst berichten von uns, welchen Eingang wir bei euch hatten und wie ihr euch von den Götzenbildern zu Gott bekehrt habt, um dem lebendigen und wahren Gott zu dienen“). Aus einem Leben der Sünde und Gesetzlosigkeit waren sie wieder zu Gottes Schöpfungsziel zurückgekehrt: Ihm zu dienen und Ihn zu verehren (vgl. Tit 2,12 „und unterweist uns, damit wir, die Gottlosigkeit und die weltlichen Begierden verleugnend, besonnen und gerecht und gottselig leben in dem jetzigen Zeitlauf,“). Das Geheimnis wahrer Gottseligkeit ist die Kenntnis der Person des Herrn Jesus, Gott offenbart im Fleisch.

Tit 1,2.3: … in [der] Hoffnung [des] ewigen Lebens, das Gott, der nicht lügen kann, verheißen hat vor Zeiten der Ewigkeiten, zu seinen eigenen Zeiten aber hat er sein Wort offenbart in [der] Predigt, die mir anvertraut worden ist nach [dem] Befehl unseres Heiland-Gottes …

In [der] Hoffnung [des] ewigen Lebens

Diese Worte geben uns die dritte und Vers 3 die vierte Grundlage der Apostelschaft von Paulus: die Hoffnung des ewigen Lebens und die ihm anvertraute Predigt. Meistens übersetzt man: in der Hoffnung des ewigen Lebens. Das Griechische benutzt hier jedoch nicht die Präposition en („in“), sondern epi („auf“). So auch in Titus 3,6 „den er reichlich über uns ausgegossen hat durch Jesus Christus, unseren Heiland,“, wo es mit „über“ wiedergegeben wird. Die Bedeutung „auf“ beinhaltet hier folglich „aufgrund von“, was auf „Apostel Jesu Christi“ zurückgeht. Damit erhalten wir: „Apostel aufgrund der Hoffnung des ewigen Lebens“, genauso wie auch in 2. Timotheus 1,1 „Paulus, Apostel Christi Jesu durch Gottes Willen, nach Verheißung des Lebens, das in Christus Jesus ist,“ Paulus’ Apostelschaft mit der Verheißung des ewigen Lebens in Verbindung gebracht wird. Wie in Titus 1,1 „Paulus, Knecht Gottes, aber Apostel Jesu Christi, nach dem Glauben der Auserwählten Gottes und nach der Erkenntnis der Wahrheit, die nach der Gottseligkeit ist,“ geht es hier um etwas völlig Neues, das im Judentum nicht bekannt war, sondern jetzt durch die Predigt offenbart wurde, die besonders Paulus anvertraut worden war. Wir haben gesehen, dass seine Apostelschaft nicht auf früher offenbarten Wahrheiten basierte, sondern auf dem Glauben derer, die von vor allen Zeitaltern auserwählt waren, und auf der vollen Kenntnis der vollkommen offenbarten Wahrheit des Christentums, wie sie alleine durch die gekannt und gelebt wird, die gottselig leben. Deshalb wird die Apostelschaft hier auch nicht verbunden mit der vagen Kenntnis des ewigen Lebens, die zur Zeit des Alten Testaments bestand (dazu noch in einem bloß irdischem Sinn), sondern mit dem ewigen Leben, das Gott vor den Zeiten der Zeitalter verheißen hatte, wie auch die Gläubigen aus Vers 1 vor allen Zeitaltern auserwählt sind. Es geht hier um ewige, himmlische Grundsätze, die wenig oder nichts mit zeitlichen, irdischen Verheißungen und Segnungen zu tun haben. Wir werden darauf direkt zurückkommen.

Der Satzteil „des ewigen Lebens“ steht im sogenannten Genitivus Objectivus, das heißt, dass das ewige Leben hier der Gegenstand unserer Hoffnungen ist. Beiden Begriffen geht kein Artikel voran, ebenso wie es bei den Hauptwörtern in Vers 1 der Fall ist. Auch hier ist es deshalb die Absicht, den Hauptgegenstand (die Apostelschaft von Paulus) zu charakterisieren: Es ist „das Hoffen auf ewiges Leben“, nicht der Inhalt unserer Hoffnung, das heißt das, was gehofft wird (wie in Titus 2,13 „indem wir erwarten die glückselige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Heilandes Jesus Christus,“, wo der Artikel vor Hoffnung steht). Es geht hier um das Hoffen selbst. Wir dürfen das nicht in dem Sinn auffassen, wie es oft in Traueranzeigen benutzt wird: „Der oder die ist in der Hoffnung des ewigen Lebens gestorben.“ Der Gedanke, der leider meistens dahintersteht, ist der eines unsicheren, manchmal ängstlichen Hoffens auf den Himmel nach dem Sterben. Dieser Gedanke ist aus zwei Gründen völlig fehl am Platz. Erstens ist die christliche Hoffnung niemals unsicher oder ängstlich, sondern immer vollkommen und absolut sicher. Denn diese Hoffnung ist nicht abhängig von uns, von der Größe unseres Glaubens und von unserer Gottseligkeit, sondern von der Verheißung Gottes, der nicht lügen kann und der bedingungslos zu seinem Wort steht. Deshalb kann die Bibel über die „volle Gewissheit der Hoffnung“ sprechen, über die Hoffnung als einen „Anker der Seele“ und über den Glauben als einer „Verwirklichung dessen, was man hofft“ (Heb 6,11.12.18; 11,1). Hier wird dem Zweifel kein Platz eingeräumt.

Der zweite Grund, warum wir den Gebrauch dieses Ausdrucks oft verurteilen müssen, besteht darin, dass die Erfüllung dieser Hoffnung in der Schrift nicht mit dem Zustand nach dem Entschlafen verbunden wird, sondern mit dem Kommen Christi und seinem Eingang in die volle Herrlichkeit, wie in Titus 2,13 „indem wir erwarten die glückselige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Heilandes Jesus Christus,“ (vgl. auch Tit 3,7 „damit wir, gerechtfertigt durch seine Gnade, Erben würden nach der Hoffnung des ewigen Lebens.“). Die Bedeutung wird deutlich in Römer 5,2 „durch den wir mittels des Glaubens auch den Zugang haben zu dieser Gnade, in der wir stehen, und rühmen uns in der Hoffnung der Herrlichkeit Gottes.“ (Hoffnung auf die Herrlichkeit Gottes), Römer 8,21 „dass auch die Schöpfung selbst frei gemacht werden wird von der Knechtschaft des Verderbens zu der Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes.“ (Hoffnung auf die Befreiung der Schöpfung), Kolosser 1,5 „wegen der Hoffnung, die für euch aufgehoben ist in den Himmeln, von der ihr zuvor gehört habt in dem Wort der Wahrheit des Evangeliums,“ (die in den Himmeln aufbewahrte Hoffnung) und Kolosser 1,27 „denen Gott kundtun wollte, welches der Reichtum der Herrlichkeit dieses Geheimnisses ist unter den Nationen, das ist: Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit;“ (Christus, die Hoffnung der Herrlichkeit) sowie in 1. Petrus 1,3 „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der nach seiner großen Barmherzigkeit uns wiedergezeugt hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi aus den Toten,“ (eine lebendige Hoffnung durch Auferstehung zu einem Erbteil in den Himmeln). Auch im Alten Testament gab es eine Hoffnung aufgrund einer Verheißung und die Hoffnung Israels (Apg 28,20 „Um dieser Ursache willen nun habe ich euch herbeigerufen, euch zu sehen und zu euch zu reden; denn wegen der Hoffnung Israels bin ich mit dieser Kette umgeben.“) nach der an die Väter ergangenen Verheißung (Apg 26,6.7 (6) Und nun stehe ich vor Gericht wegen der Hoffnung auf die von Gott an unsere Väter ergangene Verheißung, (7) zu der unser zwölfstämmiges Volk, unablässig Nacht und Tag Gott dienend, hinzugelangen hofft; wegen dieser Hoffnung, o König, werde ich von den Juden angeklagt.“). Und auch diese Hoffnung hatte Bezug auf die neue Welt auf der anderen Seite des Grabes, zustande gebracht durch den Christus (Apg 23,6; 24,14.15 (23:6) Da Paulus aber wusste, dass der eine Teil von den Sadduzäern, der andere aber von den Pharisäern war, rief er in dem Synedrium: Brüder, ich bin ein Pharisäer, ein Sohn von Pharisäern; wegen der Hoffnung und Auferstehung der Toten werde ich gerichtet.“ „(24:14) Aber dies bekenne ich dir, dass ich nach dem Weg, den sie eine Sekte nennen, so dem Gott meiner Väter diene, indem ich allem glaube, was in dem Gesetz und in den Propheten geschrieben steht, (24:15) und die Hoffnung zu Gott habe, die auch selbst diese erwarten, dass eine Auferstehung sein wird, sowohl der Gerechten als auch der Ungerechten.“; Jer 29,11; 31,17 (29:11) Denn ich weiß ja die Gedanken, die ich über euch denke, spricht der HERR, Gedanken des Friedens und nicht zum Unglück, um euch Ausgang und Hoffnung zu gewähren.“ „(31:17) und es gibt Hoffnung für dein Ende, spricht der HERR, und deine Kinder werden in ihr Gebiet zurückkehren.“). Das war die Seligkeit, auf die Jakob wartete; nicht die Glückseligkeit des Himmels nach dem Sterben (1Mo 49,18 „Auf deine Rettung harre ich, HERR!“), sondern die Hoffnung auf das irdische Friedensreich unter dem Messias (vgl. Lk 13,28.29 (28) Dort wird das Weinen und das Zähneknirschen sein, wenn ihr Abraham und Isaak und Jakob und alle Propheten sehen werdet in dem Reich Gottes, euch aber hinausgeworfen. (29) Und sie werden kommen von Osten und Westen und von Norden und Süden und im Reich Gottes zu Tisch liegen.“). Es war eine irdische, zeitliche Hoffnung, in der Zeit verheißen. Unser Vers spricht dagegen von einer himmlischen, ewigen Hoffnung, vor allen Zeitenden verheißen. Es ist die Hoffnung des ewigen Lebens, das keinen Anfang und kein Ende hat, sondern das von Ewigkeit bei dem Vater war und uns offenbart worden ist (1Joh 1,2 „(und das Leben ist offenbart worden, und wir haben gesehen und bezeugen und verkündigen euch das ewige Leben, das bei dem Vater war und uns offenbart worden ist);“). Es ist keine Hoffnung verbunden mit Gottes Ratschlüssen (in der Zeit gefasst) im Hinblick auf die Erde, sondern eine Hoffnung, die Bezug nimmt auf Gottes ewige Ratschlüsse, sein eigenes Haus mit Kindern zu füllen, die seinen Sohn als ihr Leben besitzen; ewigem Leben, das uns verheißen ist durch Gott in Christus, bevor die Welt und das Weltliche, die Zeit und das Zeitliche bestanden, ja Leben, das außerhalb von Gottes Ratschlüssen und Regierungswegen bezüglich dieser Welt ist. Es ist eine Hoffnung und Verheißung, die auch nicht in dieser Welt erfüllt wird, sondern im Himmel. Natürlich ist sie bereits jetzt unser Teil, aber ihren vollen Genuss erwarten wir noch.

In dieser Hinsicht besteht ein interessanter, nuancierter Unterschied in der Beschreibung des ewigen Lebens bei Johannes und Paulus. Der Apostel Johannes sieht es als etwas an, was wir bereits jetzt besitzen, denn er lässt uns sehen, dass Christus selbst der wahrhaftige Gott und das ewige Leben ist (1Joh 5,20 „Wir wissen aber, dass der Sohn Gottes gekommen ist und uns Verständnis gegeben hat, damit wir den Wahrhaftigen erkennen; und wir sind in dem Wahrhaftigen, in seinem Sohn Jesus Christus. Dieser ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben.“), das Wort des Lebens, das bei dem Vater war und uns offenbart ist (1Joh 1,2 „(und das Leben ist offenbart worden, und wir haben gesehen und bezeugen und verkündigen euch das ewige Leben, das bei dem Vater war und uns offenbart worden ist);“). Weil wir an den Sohn geglaubt haben, haben wir das ewige Leben bereits jetzt, denn Er ist das Leben, und da wir den Sohn haben, haben wir Ihn als unser Leben (1Joh 5,12 „Wer den Sohn hat, hat das Leben; wer den Sohn Gottes nicht hat, hat das Leben nicht.“; Joh 3,15.16; 5,24; 6,40.47.54 (3:15) damit jeder, der an ihn glaubt, [nicht verloren gehe, sondern] ewiges Leben habe. (3:16) Denn so hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe.“ „(5:24) Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hört und dem glaubt, der mich gesandt hat, hat ewiges Leben und kommt nicht ins Gericht, sondern ist aus dem Tod in das Leben übergegangen.“ „(6:40) Denn dies ist der Wille meines Vaters, dass jeder, der den Sohn sieht und an ihn glaubt, ewiges Leben habe; und ich werde ihn auferwecken am letzten Tag.“ „(6:47) Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer [an mich] glaubt, hat ewiges Leben.“ „(6:54) Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat ewiges Leben, und ich werde ihn auferwecken am letzten Tag;“). Johannes stellt das ewige Leben auch mit den eigenen Worten des Herrn Jesus vor als das Erkennen des allein wahren Gottes und Jesu Christi, den Er gesandt hat. Und diese Erkenntnis ist bereits jetzt unser Teil, somit auch das ewige Leben (Joh 17,2.3 (2) so wie du ihm Gewalt gegeben hast über alles Fleisch, damit er allen, die du ihm gegeben hast, ewiges Leben gebe. (3) Dies aber ist das ewige Leben, dass sie dich, den allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen.“). Dagegen ist Paulus’ Verkündigung mit der gegenwärtigen himmlischen Stellung des Menschen Christus Jesus zur Rechten Gottes verbunden als Frucht seines Werkes auf der Erde. Die Ergebnisse dieses Werkes rechnet uns Gott zu: Er sieht uns grundsätzlich bereits in der Stellung, die Christus jetzt einnimmt („hat uns … mitsitzen lassen in den himmlischen Örtern in Christus Jesus“; Eph 2,6 „und hat uns mitauferweckt und mitsitzen lassen in den himmlischen Örtern in Christus Jesus,“). All unsere Segnungen sind geistlicher Art und in den himmlischen Örtern, so dass wir sie erst dann völlig werden genießen können, wenn wir auch tatsächlich im Himmel sein werden. Sicher ist Christus bereits jetzt unser Leben, aber Paulus sieht dieses Leben als verborgen in Gott, indem wir auf seine Offenbarung warten (Kol 3,1-4 (1) Wenn ihr nun mit dem Christus auferweckt worden seid, so sucht, was droben ist, wo der Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes. (2) Sinnt auf das, was droben ist, nicht auf das, was auf der Erde ist; (3) denn ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen mit dem Christus in Gott. (4) Wenn der Christus, unser Leben, offenbart werden wird, dann werdet auch ihr mit ihm offenbart werden in Herrlichkeit.“). Deshalb stellt er das ewige Leben als das wahre göttliche Leben vor, das wir erst im Himmel uneingeschränkt genießen werden (vgl. Röm 2,7; 5,21; 6,22.23 (2:7) denen, die mit Ausharren in gutem Werk Herrlichkeit und Ehre und Unvergänglichkeit suchen, ewiges Leben;“ „(5:21) damit, wie die Sünde geherrscht hat im Tod, so auch die Gnade herrsche durch Gerechtigkeit zu ewigem Leben durch Jesus Christus, unseren Herrn.“ „(6:22) Jetzt aber, von der Sünde frei gemacht und Gott zu Sklaven geworden, habt ihr eure Frucht zur Heiligkeit, als das Ende aber ewiges Leben. (6:23) Denn der Lohn der Sünde ist der Tod, die Gnadengabe Gottes aber ewiges Leben in Christus Jesus, unserem Herrn.“; Gal 6,8 „Denn wer für sein eigenes Fleisch sät, wird von dem Fleisch Verderben ernten; wer aber für den Geist sät, wird von dem Geist ewiges Leben ernten.“; 1Tim 1,16 „Aber darum ist mir Barmherzigkeit zuteilgeworden, damit an mir, dem ersten, Jesus Christus die ganze Langmut erzeige, zum Vorbild für die, die an ihn glauben werden zum ewigen Leben.“). Auch Judas begreift es als etwas Zukünftiges (Jud 21 „erhaltet euch selbst in der Liebe Gottes, indem ihr die Barmherzigkeit unseres Herrn Jesus Christus erwartet zum ewigen Leben.“).

Das Gott, der nicht lügen kann, verheißen hat vor Zeiten der Ewigkeiten

Dieses ewige Leben wurde von Gott verheißen, bevor die Zeit begann, und damit sicher vor dem Bestehen von Menschen. Wem hat Er es dann verheißen? Die Verheißungen des Alten Testaments ergingen an die Väter (Apg 26,6.7 (6) Und nun stehe ich vor Gericht wegen der Hoffnung auf die von Gott an unsere Väter ergangene Verheißung, (7) zu der unser zwölfstämmiges Volk, unablässig Nacht und Tag Gott dienend, hinzugelangen hofft; wegen dieser Hoffnung, o König, werde ich von den Juden angeklagt.“), aber hier wird von einer Verheißung vor allen Zeiten gesprochen. Die Theologen verbinden es meistens mit der ersten aller Verheißungen in 1. Mose 3,15 „Und ich werde Feindschaft setzen zwischen dir und der Frau und zwischen deinem Samen und ihrem Samen; er wird dir den Kopf zermalmen, und du wirst ihm die Ferse zermalmen.“ (vgl. beispielsweise die Randnotizen der NBG-Übersetzung[2]. Aber die Unrichtigkeit hiervon sticht direkt ins Auge. Liegt 1. Mose 3,15 „Und ich werde Feindschaft setzen zwischen dir und der Frau und zwischen deinem Samen und ihrem Samen; er wird dir den Kopf zermalmen, und du wirst ihm die Ferse zermalmen.“ vor den Zeiten der Zeitalter? Waren nicht vielleicht schon viele Jahrhunderte verlaufen? Zweitens: War sie eine Verheißung ewigen Lebens? Nein, es war überhaupt keine Verheißung, sondern eine Gerichtsankündigung an die Schlange, und es war nicht die Rede von Leben, sondern von Tod: für die Schlange. Nein, die Verheißung unseres Verses wurde gegeben, bevor die Schöpfung bestand. Es war keine Verheißung, die an Menschen erging; sie erging nicht einmal an Engel, denn auch diese gehören zur Schöpfung und auch sie haben die Ratschlüsse Gottes erst kennengelernt, nachdem Gott im Fleisch offenbart und die Gemeinde entstanden war (vgl. z.B. Joh 1,18 „Niemand hat Gott jemals gesehen; der eingeborene Sohn, der im Schoß des Vaters ist, der hat ihn kundgemacht.“; Eph 3,9-11 (9) und alle zu erleuchten, welches die Verwaltung des Geheimnisses sei, das von den Zeitaltern her verborgen war in Gott, der alle Dinge geschaffen hat; (10) damit jetzt den Fürstentümern und den Gewalten in den himmlischen Örtern durch die Versammlung kundgetan werde die mannigfaltige Weisheit Gottes, (11) nach dem ewigen Vorsatz, den er gefasst hat in Christus Jesus, unserem Herrn;“). Die Verheißung, über die hier gesprochen wird, war also eine Verheißung innerhalb der Gottheit selbst, eine Verheißung des Vaters an den Sohn. Nicht so sehr in dem Sinn, dass der Sohn selbst hier vorgestellt wird als das ewige Leben (wie Johannes das tut; 1Joh 1,2 „(und das Leben ist offenbart worden, und wir haben gesehen und bezeugen und verkündigen euch das ewige Leben, das bei dem Vater war und uns offenbart worden ist);“), sondern als derjenige, in dem und durch den dieses ewige Leben Menschenkindern geschenkt werden sollte, solchen, die Gott errettet und berufen hat „nach seinem eigenen Vorsatz und der Gnade, die uns in Christus Jesus vor ewigen Zeiten gegeben ist“ (2Tim 1,9). Es ist deshalb eine Verheißung in und an Christus Jesus, die sich auf die bezieht, die vor Grundlegung der Welt auserwählt worden sind (vgl. auch Eph 3,11 „nach dem ewigen Vorsatz, den er gefasst hat in Christus Jesus, unserem Herrn;“). „Dies ist die Verheißung, die er uns verheißen hat: das ewige Leben“ (1Joh 2,25). Es ist die „Verheißung des Lebens, das in Christus Jesus ist“ (2Tim 1,1). Was ihre praktische Auswirkung betrifft, sagt Petrus: „Er hat uns die kostbaren und größten Verheißungen geschenkt, damit ihr durch diese Teilhaber der göttlichen Natur werdet“ (2Pet 1,4).

Ist das nicht eine unfassbare Tiefe an Gnade? Teilhaber der göttlichen Natur – nicht in die Gottheit eingeführt, denn das ist für ein Geschöpf nicht möglich, aber wohl auf eine derartige Höhe gebracht, dass sich dieser Einführung so dicht wie möglich genähert wird. Denn ist nicht der ewige Sohn des Vaters mein Leben geworden? In der Tat konnte das erst geschehen, nachdem der ewige Sohn Mensch geworden war und als Mensch die ewige Herrlichkeit empfangen hatte (als Frucht seines Werkes), die Er von Ewigkeit als Sohn besessen hatte (Joh 17,4 „Ich habe dich verherrlicht auf der Erde; das Werk habe ich vollbracht, das du mir gegeben hast, dass ich es tun sollte.“). Aber als Mensch konnte Er dieselbe Herrlichkeit denen mitteilen, die an den Ergebnissen seines Werkes Anteil nahmen, so dass derselbe, in dem der Vater ist, jetzt auch in uns ist (Joh 17,22.23 (22) Und die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben, damit sie eins seien, wie wir eins sind; (23) ich in ihnen und du in mir, damit sie in eins vollendet seien [und] damit die Welt erkenne, dass du mich gesandt und sie geliebt hast, wie du mich geliebt hast.“). Und auch das Umgekehrte trifft zu: Wir sind jetzt in Ihm, der unser Leben ist, aber Er selbst ist in seinem Vater (Joh 14,20 „An jenem Tag werdet ihr erkennen, dass ich in meinem Vater bin und ihr in mir und ich in euch.“). Ist es möglich, dass wir näher zu Gott gebracht werden konnten, als wir es jetzt sind, indem wir Ihn, der in dem Vater selbst ist, als unser Leben empfangen haben?

Ist es nicht wunderbar, zu sehen, wie Gott Gedanken des Friedens über uns hat, bevor die Welt bestand? Ab und an, wie hier in Titus 1,2 „in der Hoffnung des ewigen Lebens, das Gott, der nicht lügen kann, verheißen hat vor ewigen Zeiten;“, dürfen wir einen Augenblick Einsicht nehmen in die Gedanken Gottes, die Gott vor der Existenz dieser armen Welt hatte, die nur gezeigt hat, was der Mensch in seiner Verdorbenheit ist, und die die Treue Gottes in seiner Gnade angeschaut hat, in der Er dem Menschen in seinem Elend begegnete. Diese Gedanken Gottes reiften nicht etwa während dieser „Zeiten der Zeitalter“ menschlicher Untreue und göttlicher Gnade heran, sondern sie bestanden von Ewigkeit her. Wir haben durch Gnade Teil an einem Leben, das ewig ist; das nicht nur in Ewigkeit fortdauert, sondern das auch von Ewigkeit her besteht. Von Ewigkeit her war es bei dem Vater und ist es uns in dem Sohn als unser Teil verheißen worden. Wir waren der Gegenstand der Mitteilungen des Vaters an den Sohn. Als sich der Sohn als Liebling bei dem Vater befand und Er täglich dessen Wohlgefallen war, da ergötzte Er sich bereits in der Welt seines Erdreiches und war seine Wonne bei den Menschenkindern (Spr 8,30.31 (30) da war ich Werkmeister bei ihm und war Tag für Tag seine Wonne, vor ihm mich ergötzend allezeit, (31) mich ergötzend auf dem bewohnten Teil seiner Erde; und meine Wonne war bei den Menschenkindern.“). Und als die Engel zum ersten Mal ihren Schöpfer anschauten, als Er als Kind in der Krippe lag, und sie Gott auf dem Feld in der Gegend Bethlehems lobten, verkündigten sie, dass Gott an den Menschen ein Wohlgefallen hatte (Lk 2,14 „Herrlichkeit Gott in der Höhe und Friede auf der Erde, an den Menschen ein Wohlgefallen!“), nicht aufgrund dessen, was sie waren, sondern als Gegenstände seiner Gnade (2Tim 1,9 „der uns errettet hat und berufen mit heiligem Ruf, nicht nach unseren Werken, sondern nach seinem eigenen Vorsatz und der Gnade, die uns in Christus Jesus vor ewigen Zeiten gegeben,“).

Das ewige Leben ist unsere Verheißung durch Gott, der nicht lügen kann oder, wie es hier wörtlich heißt: der nicht-lügende bzw. nicht lügenhafte Gott. Gott ist nicht lügenhaft, das heißt, seine Natur ist wahrhaftig und unveränderlich. Was Er von Ewigkeit verheißen hat, das hat Er in Verbindung mit seiner eigenen unveränderlichen Natur verheißen. Seine Ratschlüsse sind ebenso wenig veränderlich wie Er selbst. Darin kann Er uns nicht betrügen, denn sonst müsste Er seine Natur verleugnen, und Er kann sich selbst nicht verleugnen (2Tim 2,13 „wenn wir untreu sind – er bleibt treu, denn er kann sich selbst nicht verleugnen.“). Das trifft schon auf seine irdischen Verheißungen zu: „Nicht ein Mensch ist Gott, dass er lüge … Sollte er sprechen und es nicht tun und reden und es nicht aufrechterhalten?“ (4Mo 23,19). Die Beständigkeit Israels lügt nicht (1Sam 15,29 „Und auch lügt nicht das Vertrauen Israels, und er bereut nicht; denn nicht ein Mensch ist er, um zu bereuen.“). Auch für die bedingungslosen Verheißungen aufgrund der Gnade an die Väter  gilt bereits, dass die Gnadengaben und die Berufung Gottes unbereubar sind (Röm 11,29 „Denn die Gnadengaben und die Berufung Gottes sind unbereubar.“); wie viel mehr für die himmlischen, ewigen Verheißungen. Wir haben eine unwandelbare Hoffnung als einen Anker der Seele, und es ist unmöglich, dass Gott lügt, denn treu ist Er, der die Verheißung gegeben hat (Heb 6,18.19; 10,23 (6:18) damit wir durch zwei unwandelbare Dinge – wobei es unmöglich war, dass Gott lügen würde – einen starken Trost hätten, die wir Zuflucht genommen haben zum Ergreifen der vor uns liegenden Hoffnung, (6:19) die wir als einen sicheren und festen Anker der Seele haben, der auch in das Innere des Vorhangs hineingeht,“ „(10:23) Lasst uns das Bekenntnis der Hoffnung unbeweglich festhalten (denn treu ist er, der die Verheißung gegeben hat);“). Diese Verse aus dem Hebräerbrief enthalten dieselben Begriffe wie unsere Verse in Titus, wenn es auch einen wichtigen Unterschied gibt, denn der Hebräerbrief gewährt uns keine neuen Offenbarungen, sondern die Erfüllung der Verheißungen an die Väter im Christentum (Heb 6,13-20).

In einem gewissen Sinn haben auch wir Teil an den Verheißungen, die Gott den Erzvätern gab. Wir müssen diese Verheißungen deshalb auch gut von den ewigen Verheißungen unterscheiden, mit denen wir uns jetzt beschäftigen. Abraham empfing die Verheißung, dass er Erbe der Welt werden sollte, nur empfing er die Verheißung, als er noch unbeschnitten war, und zwar durch Gerechtigkeit des Glaubens. Darum wurde er nicht nur der Vater der Beschnittenen (Israel), sondern auch der Unbeschnittenen, die Gerechtigkeit aufgrund desselben Glaubens empfangen sollten, den er besaß. Dadurch galt die Verheißung auch für seine geistliche Nachkommenschaft (Röm 4,9-16). Wir, die Gläubigen aus den Nationen, sind in den Baum der Verheißung eingefügt worden, von der die Wurzel (die Verheißung an) Abraham ist (Röm 11,16-18 (16) Wenn aber der Erstling heilig ist, so auch die Masse; und wenn die Wurzel heilig ist, so auch die Zweige. (17) Wenn aber einige der Zweige ausgebrochen worden sind, du aber, der du ein wilder Ölbaum warst, unter sie eingepfropft und der Wurzel [und] der Fettigkeit des Ölbaums teilhaftig geworden bist, (18) so rühme dich nicht gegen die Zweige. Wenn du dich aber gegen sie rühmst – du trägst nicht die Wurzel, sondern die Wurzel dich.“). Früher waren die Heiden Fremdlinge betreffs der Bündnisse der Verheißung (Eph 2,12 „dass ihr zu jener Zeit ohne Christus wart, entfremdet dem Bürgerrecht Israels, und Fremdlinge betreffs der Bündnisse der Verheißung, keine Hoffnung habend, und ohne Gott in der Welt.“). Aber Christus, der kam, um die Verheißungen der Väter zu bestätigen, hat auch an den Nationen Barmherzigkeit erwiesen (Röm 15,8.9 (8) Denn ich sage, dass Christus ein Diener der Beschneidung geworden ist um der Wahrheit Gottes willen, um die Verheißungen der Väter zu bestätigen; (9) damit die Nationen aber Gott verherrlichen mögen um der Begnadigung willen, wie geschrieben steht: „Darum werde ich dich preisen unter den Nationen und deinem Namen lobsingen.““; vgl. Apg 2,39 „Denn euch gilt die Verheißung und euren Kindern und allen, die in der Ferne sind, so viele irgend der Herr, unser Gott, herzurufen wird.“). Die Verheißung an Abraham ist in seinem Nachkommen, das heißt Christus, erfüllt worden, und alle, die an Ihn glauben, empfangen die Verheißung und sind auf dem Grundsatz des Glaubens Abrahams Nachkommen und nach Verheißung Erben: wie Isaak Kinder der Verheißung (Gal 3,15-29; 4,28). Außerdem wurde Christus Mittler eines besseren Bundes, der auf bessere Verheißungen gegründet ist, als die unter Gesetz es waren, damit die Berufenen die Verheißung des ewigen Erbes empfingen (Heb 8,6; 9,15 (8:6) Jetzt aber hat er einen vortrefflicheren Dienst erlangt, insofern er auch Mittler eines besseren Bundes ist, der aufgrund besserer Verheißungen gestiftet ist.“ „(9:15) Und darum ist er Mittler eines neuen Bundes, damit, da der Tod stattgefunden hat zur Erlösung von den Übertretungen unter dem ersten Bund, die Berufenen die Verheißung des ewigen Erbes empfingen.“). Allerdings steht weit über diesem allen, dass uns, den Gläubigen der Gemeinde, eine ewige, himmlische Verheißung geschenkt worden ist, die alles übertrifft, was den Vätern geschenkt wurde. Denn wer von den Alten besaß den Sohn als sein Leben? Zweifellos hatten sie Leben aus Gott, denn damals wie heute ist es der Geist, der lebendig macht (vgl. Joh 1,12.13; 3,3-8; 6,63; 1Pet 4,6 „Denn dazu ist auch den Toten gute Botschaft verkündigt worden, damit sie zwar gerichtet werden dem Menschen gemäß nach dem Fleisch, aber leben möchten Gott gemäß nach dem Geist.“). Das ewige Leben konnte uns jedoch erst geschenkt werden, nachdem Christus gestorben und auferstanden war (Joh 3,15.16; 6,51-54; 12,24 (3:15) damit jeder, der an ihn glaubt, [nicht verloren gehe, sondern] ewiges Leben habe. (3:16) Denn so hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe.“ „(6:51) Ich bin das lebendige Brot, das aus dem Himmel herabgekommen ist; wenn jemand von diesem Brot isst, wird er leben in Ewigkeit. Das Brot aber, das ich geben werde, ist mein Fleisch, [das ich geben werde] für das Leben der Welt. (6:52) Die Juden stritten nun untereinander und sagten: Wie kann dieser uns sein Fleisch zu essen geben? (6:53) Da sprach Jesus zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr nicht das Fleisch des Sohnes des Menschen esst und sein Blut trinkt, so habt ihr kein Leben in euch selbst. (6:54) Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat ewiges Leben, und ich werde ihn auferwecken am letzten Tag;“ „(12:24) Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht.“). Der Herr wollte nicht nur, dass die Seinen Leben hätten, sondern dass sie es in Überfluss (das ist das ewige Leben) haben sollten (Joh 10,10 „Der Dieb kommt nur, um zu stehlen und zu schlachten und zu verderben. Ich bin gekommen, damit sie Leben haben und es in Überfluss haben.“; vgl. Joh 20,22 „Und als er dies gesagt hatte, hauchte er in sie und spricht zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist!“).

Es stimmt zwar, dass man im Alten Testament den Begriff „ewiges Leben“ kannte, allerdings besaß man davon nur eine vage Vorstellung. Darüber hinaus war es ausschließlich auf die Erde gerichtet, das heißt, es nahm Bezug auf das (Auferstehungs-)Leben in Unvergänglichkeit unter der segensreichen Regierung des Messias (vgl. Röm 2,7 „denen, die mit Ausharren in gutem Werk Herrlichkeit und Ehre und Unvergänglichkeit suchen, ewiges Leben;“). Psalm 133 schildert uns die Gemeinschaft des Priestervolkes im Tausendjährigen Reich, wenn der Herr auf Zion seinen Segen verordnen wird sowie „Leben bis in Ewigkeit“. An Daniel erging das Wort, dass in der Endzeit viele derer, die im Staub der Erde schlafen, erwachen würden: „diese zu ewigem Leben und jene zur Schande, zu ewigem Abscheu“ (Dan 12,2). Das hat vor allem Bezug auf den Überrest aus den zehn Stämmen, den Gott inmitten der Völker erwachen lassen und ins Reich einführen wird (vgl. Hes 20; 37). Der Herr Jesus dehnt die Tragweite dieser Worte auch auf diejenigen aus den Nationen aus, die nach der Aufnahme der Gemeinde zur Bekehrung kommen werden. Diese werden das Reich erben und in das ewige Leben eingehen (Mt 25,34.46 „Dann wird der König zu denen zu seiner Rechten sagen: Kommt her, Gesegnete meines Vaters, erbt das Reich, das euch bereitet ist von Grundlegung der Welt an;“ „Und diese werden hingehen in die ewige Pein, die Gerechten aber in das ewige Leben.“). Auch die Juden besaßen zur Zeit des Herrn eine vage Vorstellung vom Erbe des ewigen Lebens (vgl. z.B. Lk 10,25 „Und siehe, ein gewisser Gesetzgelehrter stand auf, versuchte ihn und sprach: Lehrer, was muss ich tun, um ewiges Leben zu erben?“ und Joh 5,39 „Ihr erforscht die Schriften, denn ihr meint, in ihnen ewiges Leben zu haben, und sie sind es, die von mir zeugen;“).

Tatsächlich war der Inhalt des wahren ewigen Lebens in den „Zeiten der Zeitalter“ unbekannt. Es war vor den Zeiten verheißen worden und wurde zu Gottes Zeit durch die Predigt von Paulus offenbart. In den dazwischenliegenden Zeitepochen war es unbekannt. Es war ein Geheimnis. Den Ausdruck „Zeiten der Zeitalter“ müssen wir uns näher anschauen. Buchstäblich steht dort eigentlich: „vor ewigen Zeiten“, was sich wie ein Widerspruch anhört, weil sich ewig und zeitlich einander gegenüberstehen. In der Tat wird „ewig“ (aionios) meistens in dem Sinn von „ohne Beginn und/oder Ende“ benutzt und damit als Gegenteil zu „zeitlich“ (wie in 2Kor 4,18 „indem wir nicht das anschauen, was man sieht, sondern das, was man nicht sieht; denn das, was man sieht, ist zeitlich, das aber, was man nicht sieht, ewig.“; vgl. auch Röm 16,26 „jetzt aber offenbart und durch prophetische Schriften, nach Befehl des ewigen Gottes, zum Glaubensgehorsam an alle Nationen kundgetan worden ist,“; 1Tim 6,16 „der allein Unsterblichkeit hat, der ein unzugängliches Licht bewohnt, den keiner der Menschen gesehen hat noch sehen kann, dem Ehre sei und ewige Macht! Amen.“; Phlm 1 „Paulus, ein Gefangener Christi Jesu, und Timotheus, der Bruder, Philemon, dem Geliebten und unserem Mitarbeiter,“,15; Heb 9,14 „wie viel mehr wird das Blut des Christus, der durch den ewigen Geist sich selbst ohne Flecken Gott geopfert hat, euer Gewissen reinigen von toten Werken, um dem lebendigen Gott zu dienen!“; 1Pet 5,10 „Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus [Jesus], nachdem ihr eine kurze Zeit gelitten habt, er selbst wird [euch] vollkommen machen, befestigen, kräftigen, gründen.“). Hier ist aionios jedoch mit „Zeiten“ verbunden (chronos) ebenso wie in Römer 16,25: „ewige Zeiten hindurch“, und in 2. Timotheus 1,9: „vor ewigen Zeiten“, genau wie in unserem Vers. Hier bedeutet „ewig“ nicht endlos, sondern das Wort wird mit der endlichen Bedeutung von aion verbunden, das meistens eine Periode von unendlicher Dauer ist („Ewigkeit“). Oft hat es jedoch auch die Bedeutung einer endlichen Zeitepoche („Zeitalter/Jahrhundert“) im Sinn einer Haushaltung, wobei es um das geht, was in dieser Zeitepoche stattfindet, und damit um ihre geistlichen oder sittlichen Kennzeichen und nicht so sehr um die eigentliche Länge dieser Periode. Vergleiche zum Beispiel Titus 2,12 „und unterweist uns, damit wir, die Gottlosigkeit und die weltlichen Begierden verleugnend, besonnen und gerecht und gottselig leben in dem jetzigen Zeitlauf,“ und 2. Korinther 4,4 „in denen der Gott dieser Welt den Sinn der Ungläubigen verblendet hat, damit ihnen nicht ausstrahle der Lichtglanz des Evangeliums der Herrlichkeit des Christus, der das Bild Gottes ist.“; Galater 1,4 „der sich selbst für unsere Sünden gegeben hat, damit er uns herausnehme aus der gegenwärtigen bösen Welt, nach dem Willen unseres Gottes und Vaters,“ und Epheser 1,21; 2,7 (1:21) über jedes Fürstentum und jede Gewalt und Kraft und Herrschaft und jeden Namen, der genannt wird, nicht allein in diesem Zeitalter, sondern auch in dem zukünftigen,“ „(2:7) damit er in den kommenden Zeitaltern den überragenden Reichtum seiner Gnade in Güte an uns erwiese in Christus Jesus.“. Weil „ewig“ für uns nie diesen endlichen Beiklang hat (obwohl es zu dem endlichen Wort „Zeitalter/Jahrhundert“ gehört), übersetzen wir lieber „Zeiten der Zeitalter“, wie es meistens auch übersetzt wird. Andererseits muss aion manchmal auch im Sinn eines Beiwortes (adjektivisch) übersetzt werden: „Der König der Zeitalter“ bedeutet „der ewige König“ (1Tim 1,17), und „der Vorsatz der Zeitalter“ (wie es wörtlich in Epheser 3,11 „nach dem ewigen Vorsatz, den er gefasst hat in Christus Jesus, unserem Herrn;“ heißt) bedeutet „der ewige Vorsatz“, der Vorsatz von aller Ewigkeit her.

Der Ausdruck „Zeiten der Zeitalter“ deutet folglich auf die unterschiedlichen Haushaltungen hin (vor der Entstehung der Gemeinde), in denen Gott den Menschen auf verschiedenartige Weise erprobte und die Welt auf das vorbereitete, worin ausschließlich aller Segen für den Menschen liegt: nicht die Werke des Menschen, sondern Gnade, Gerechtigkeit und ewiges Leben, offenbart in Christus Jesus und all denen geschenkt, die, aus allen Völkern abgesondert, zusammen die Gemeinde Gottes bilden sollten, in der es weder Jude noch Grieche gibt. Dieser Segen war vor den Zeiten der Zeitalter verheißen worden und blieb während der Zeiten der Zeitalter verborgen (Röm 16,25 „Dem aber, der euch zu befestigen vermag nach meinem Evangelium und der Predigt von Jesus Christus, nach der Offenbarung des Geheimnisses, das ewige Zeiten hindurch verschwiegen war,“; Eph 3,9 „und alle zu erleuchten, welches die Verwaltung des Geheimnisses sei, das von den Zeitaltern her verborgen war in Gott, der alle Dinge geschaffen hat;“; Kol 1,26 „das Geheimnis, das von den Zeitaltern und von den Geschlechtern her verborgen war, jetzt aber seinen Heiligen offenbart worden ist,“), das heißt während der Zeitepoche bis zum Kreuz. Die verhüllte, verborgene Weisheit Gottes, die Gott zu unserer Herrlichkeit bestimmt hatte, hatte Er vor allen Zeitaltern (wörtlich: vor den Zeitaltern) bestimmt. Keiner der Obersten dieser Zeitepoche kannte sie, wie geschrieben steht: „Was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz aufgekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben.“ Das war alles in früheren Zeitepochen unbekannt; Gott aber hat es jetzt den Aposteln durch seinen Geist offenbart (1Kor 2,6-10 (6) Wir reden aber Weisheit unter den Vollkommenen, nicht aber Weisheit dieses Zeitlaufs noch der Fürsten dieses Zeitlaufs, die zunichtegemacht werden, (7) sondern wir reden Gottes Weisheit in einem Geheimnis, die verborgene, die Gott vor den Zeitaltern zu unserer Herrlichkeit zuvor bestimmt hat; (8) die keiner von den Fürsten dieses Zeitlaufs erkannt hat (denn wenn sie sie erkannt hätten, so würden sie wohl den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt haben), (9) sondern wie geschrieben steht: „Was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz aufgekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben“; (10) uns aber hat Gott es offenbart durch seinen Geist, denn der Geist erforscht alles, auch die Tiefen Gottes.“). Es ist das Geheimnis, das von allen Zeitaltern (wörtlich: „seit den Zeitaltern“, das heißt während der zurückliegenden Zeitalter) in Gott verborgen war, damit jetzt durch die Gemeinde die mannigfaltige Weisheit Gottes kundgetan werde nach dem ewigen Vorsatz, den Er gefasst hat in Christus Jesus, unserem Herrn (Eph 3,9-11 (9) und alle zu erleuchten, welches die Verwaltung des Geheimnisses sei, das von den Zeitaltern her verborgen war in Gott, der alle Dinge geschaffen hat; (10) damit jetzt den Fürstentümern und den Gewalten in den himmlischen Örtern durch die Versammlung kundgetan werde die mannigfaltige Weisheit Gottes, (11) nach dem ewigen Vorsatz, den er gefasst hat in Christus Jesus, unserem Herrn;“). Gott hat uns nach seinem eigenen Vorsatz und der Gnade berufen, die uns in Christus Jesus vor ewigen Zeiten gegeben, jetzt aber offenbart worden ist durch die Erscheinung unseres Heilandes Jesus Christus (2Tim 1,9.10 (9) der uns errettet hat und berufen mit heiligem Ruf, nicht nach unseren Werken, sondern nach seinem eigenen Vorsatz und der Gnade, die uns in Christus Jesus vor ewigen Zeiten gegeben, (10) jetzt aber offenbart worden ist durch die Erscheinung unseres Heilandes Jesus Christus, der den Tod zunichtegemacht, aber Leben und Unverweslichkeit ans Licht gebracht hat durch das Evangelium,“). „Glückselig eure Augen, dass sie sehen …, denn wahrlich, ich sage euch, dass viele Propheten und Gerechte begehrt haben zu sehen, was ihr anschaut, und haben es nicht gesehen“ (Mt 13,16.17).

Nach der Erschaffung des Menschen war die Zeit noch nicht gekommen („die geeignete Zeit“, wie unser Vers eigentlich sagt), um die Wahrheit zu offenbaren. Zuerst musste auf verschiedene Art und Weise völlig ans Licht kommen, wer der Mensch ist, bevor Gott offenbaren  konnte, wer Er ist. In den nachfolgenden Zeitepochen vor dem Kreuz legt Gott immer wieder andere Maßstäbe an den Menschen an, um zu prüfen, was in dessen Herzen ist (5Mo 8,2.16 „Und du sollst dich an den ganzen Weg erinnern, den der HERR, dein Gott, dich hat wandern lassen diese vierzig Jahre in der Wüste, um dich zu demütigen, um dich zu prüfen, um zu erkennen, was in deinem Herzen ist, ob du seine Gebote halten würdest oder nicht.“ „der dich in der Wüste mit Man speiste, das deine Väter nicht kannten, um dich zu demütigen und um dich zu prüfen, damit er dir Gutes tue an deinem Ende,“). Der Refrain bleibt dabei immer gleich: Der auf die Probe gestellte Mensch versagt beinahe umgehend in seiner Verantwortlichkeit, woraufhin Gott sein Gericht bringt, während seine Gnade für einen kleinen, gläubigen Überrest sorgt. Diese beiden Linien der Verantwortlichkeit des Menschen und der Gnade Gottes werden uns bereits in 1. Mose 2 im Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen sowie im Baum des Lebens vorgestellt. Am Kreuz begegnen sich beide Linien und werden beide Bäume vereinigt: Der letzte Adam entspricht der Verantwortlichkeit des ersten Adam im Hinblick auf die Sünde und den Sünder und öffnet darüber hinaus den Weg zum ewigen Leben, das Gott bereits verheißen hatte, bevor die Sünde existierte. Der Mensch versündigt sich schon im Garten Eden, obwohl ihm nur ein einziges Verbot auferlegt worden war. Die Frau wird betrogen, der Mann sündigt aus freien Stücken (1Tim 2,14 „und Adam wurde nicht betrogen, die Frau aber wurde betrogen und fiel in Übertretung.“). Sie glauben den Lügen des Menschenmörders von Anfang (Joh 8,44 „Ihr seid aus dem Vater, dem Teufel, und die Begierden eures Vaters wollt ihr tun. Er war ein Menschenmörder von Anfang an und steht nicht in der Wahrheit, weil keine Wahrheit in ihm ist. Wenn er die Lüge redet, so redet er aus seinem Eigenen, denn er ist ein Lügner und ihr Vater.“), der in der Tat selbst behauptete, dass Gott ein Lügner wäre („ihr werdet durchaus nicht sterben“), dass Er ungerecht wäre („Gott will nicht, dass ihr ihm gleich sein werdet“) und dass Gott nicht Liebe wäre („Er enthält euch absichtlich die höchsten Segnungen“). Aber Gott beweist das Gegenteil: Er war Wahrheit und darum muss der Mensch sterben. Er war heilig und trieb den Menschen von seinem Angesicht hinweg. Er war gerecht und ließ die gerechte Strafe nicht ausbleiben. Aber darüber hinaus erwies sich, dass Gott Liebe war, denn Er übte die Todesstrafe an einem unschuldigen Tier aus (obwohl Er die Folgen der Sünde über den Menschen selbst brachte), bekleidete den Menschen mit den Fellen des Tieres und nahm sie wieder auf Grundlage des vergossenen Blutes des stellvertretenden Opfers an.

Neue Grundsätze hielten Einzug. Die Nachkommen des ersten Menschenpaares werden auf die Probe gestellt in Bezug auf die Art und Weise, wie sie ihre erworbene Erkenntnis des Guten und Bösen benutzen würden und ob sie Gottes Gericht über ihren natürlichen toten Zustand anerkennen, indem sie Ihm allein aufgrund eines stellvertretenden Opfers nahen. Das wird uns in Kain und Abel vorgestellt. Diese Periode endet damit, dass die gesamte Menschheit den Weg Kains geht, so dass Gott sagen muss, dass die Bosheit des Menschen groß war auf der Erde und alles Gebilde der Gedanken seines Herzens nur böse den ganzen Tag (1Mo 6,5 „Und der HERR sah, dass die Bosheit des Menschen groß war auf der Erde, und alles Gebilde der Gedanken seines Herzens nur böse den ganzen Tag.“). Doch Noah findet Gnade in den Augen des Herrn und wird mit seinem Haus durch die Sintflut hindurch gerettet.

Nach dem Fall des Menschen in der abgelaufenen Zeitepoche der uneingeschränkten Gewissensfreiheit setzt Gott nach der Sintflut die Obrigkeit ein, um das Böse zu bestrafen und zu zügeln. Außerdem ist die Menschheit ab jetzt durch Gottes Verfügung in Völker aufgeteilt. Diese Ordnung der Völker und Obrigkeiten bleibt bis zum Ende bestehen, doch versagt der Mensch auch hier von Anfang an. Der erste Vorsteher der Erde wird ein Trinker. Seine Nachkommen verwalteten die Erde zu ihren Gunsten und hassten Gott. Das Gericht hierüber war in erster Linie die Sprachenverwirrung von Babel, wird aber endgültig erst in dem Gericht über die Völker der Endzeit ausgeübt werden. Nach der Zerstreuung Babels überlässt Gott die Völker ihren eigenen Wegen. Für sie brechen die „Zeiten der Unwissenheit“ an (Apg 14,16; 17,30 (14:16) der in den vergangenen Geschlechtern alle Nationen auf ihren eigenen Wegen gehen ließ,“ „(17:30) Nachdem nun Gott die Zeiten der Unwissenheit übersehen hat, gebietet er jetzt den Menschen, dass sie alle überall Buße tun sollen,“). Gott erwählt sich Abraham und seine Nachkommen und sondert sie von allen Nationen ab. Abraham empfängt ausschließlich bedingungslose Verheißungen und keine Anordnungen (außer dem Befehl, sein Land zu verlassen und ins Land der Verheißung zu ziehen). Wir haben gesehen, dass sowohl seine leibliche Nachkommenschaft (Israel) als auch seine geistliche Nachkommenschaft, die von seinem Glauben abstammt, Teilhaber dieser Verheißungen sind.

Diese Einsetzung von unbereubaren Verheißungen ändert ihren Charakter jedoch stark, als Gott dem Menschen neben der Gabe der Verheißungen sein Gesetz auferlegt, das sich Israel tatsächlich selbst um den Hals legte, indem es von sich aus und ohne Selbsterkenntnis sagte: „Alles, was der Herr geredet hat, wollen wir tun“ (2Mo 19,8). Galater 3 macht vollkommen deutlich, was der Platz und die Funktion des Gesetzes war. Es nahm nicht den Platz der Verheißung ein, sondern kam daneben ein, damit die Übertretung überströmend würde. Die Verheißung verlangt nichts von dem Menschen, sondern schenkt allein aus Gnade (obwohl eine Bekehrung notwendig ist, um den Segen zu ererben). Bevor die Verheißung jedoch erfüllt werden sollte (in Abrahams Nachkommen, d.i. Christus), wurde das Gesetz hinzugefügt, um dem Menschen zu zeigen, was der Zustand seines Herzens war, damit er überzeugt würde, dass die Verheißung allein aus Gnade und durch Glauben empfangen werden konnte und nicht aufgrund von Gesetzeswerken. Prinzipiell war es möglich, Gerechtigkeit aufgrund von Gesetzeswerken zu erhalten, denn: „Der Mensch, der diese Dinge tut, wird durch sie leben“ (Röm 10,5). Aber weil der Mensch vollkommen verdorben und zu nichts Gutem imstande war, konnte er das Gesetz nicht halten (Röm 8,7 „weil die Gesinnung des Fleisches Feindschaft ist gegen Gott, denn sie ist dem Gesetz Gottes nicht untertan, denn sie vermag es auch nicht.“). Darum brachte das Gesetz in Wirklichkeit nichts anderes als Zorn (Röm 4,15 „Denn das Gesetz bewirkt Zorn; wo aber kein Gesetz ist, da ist auch keine Übertretung.“), Verdammnis (2Kor 3,9 „Denn wenn der Dienst der Verdammnis Herrlichkeit hat, so ist noch viel mehr der Dienst der Gerechtigkeit überströmend in Herrlichkeit.“), Fluch (Gal 3,10 „Denn so viele aus Gesetzeswerken sind, sind unter dem Fluch; denn es steht geschrieben: „Verflucht ist jeder, der nicht bleibt in allem, was im Buch des Gesetzes geschrieben ist, um es zu tun!““) und Tod (Röm 7,5.9.10.13 „Denn als wir im Fleisch waren, wirkten die Leidenschaften der Sünden, die durch das Gesetz sind, in unseren Gliedern, um dem Tod Frucht zu bringen.“ „(9) Ich aber lebte einst ohne Gesetz; als aber das Gebot kam, lebte die Sünde auf; (10) ich aber starb. Und das Gebot, das zum Leben gegeben war, dieses erwies sich mir zum Tod.“ „Gereichte nun das Gute mir zum Tod? Das sei ferne! Sondern die Sünde, damit sie als Sünde erschiene, indem sie mir durch das Gute den Tod bewirkte, damit die Sünde überaus sündig würde durch das Gebot.“; 2Kor 3,7 „(Wenn aber der Dienst des Todes, mit Buchstaben in Steine eingegraben, in Herrlichkeit begann, so dass die Söhne Israels das Angesicht Moses nicht unverwandt anschauen konnten wegen der Herrlichkeit seines Angesichts, die weggetan werden sollte,“; Gal 3,21 „Ist nun das Gesetz gegen die Verheißungen Gottes? Das sei ferne! Denn wenn ein Gesetz gegeben worden wäre, das lebendig zu machen vermöchte, dann wäre wirklich die Gerechtigkeit aus Gesetz.“) über den Menschen und war dadurch in sich selbst unvollkommen (Gal 5,23 „Sanftmut, Enthaltsamkeit; gegen solche Dinge gibt es kein Gesetz.“; Phil 3,6 „was den Eifer betrifft, ein Verfolger der Versammlung; was die Gerechtigkeit betrifft, die im Gesetz ist, für untadelig befunden.“; Heb 7,19; 10,1 (7:19) (denn das Gesetz hat nichts zur Vollendung gebracht) und die Einführung einer besseren Hoffnung, durch die wir Gott nahen.“ „(10:1) Denn da das Gesetz einen Schatten der zukünftigen Güter, nicht der Dinge Ebenbild selbst hat, so kann es niemals mit denselben Schlachtopfern, die sie alljährlich ununterbrochen darbringen, die Hinzunahenden vollkommen machen.“). Das Einzige, wozu das Gesetz in der Lage war, war, die Übertretung überströmend zu machen (Röm 5,13.20; 7,7.8.13 (5:13) (denn bis zu dem Gesetz war Sünde in der Welt; Sünde aber wird nicht zugerechnet, wenn kein Gesetz da ist.“ „(5:20) Das Gesetz aber kam daneben ein, damit die Übertretung überströmend würde. Wo aber die Sünde überströmend geworden ist, ist die Gnade noch überreichlicher geworden,“ „(7:7) Was sollen wir nun sagen? Ist das Gesetz Sünde? Das sei ferne! Aber die Sünde hätte ich nicht erkannt als nur durch Gesetz. Denn auch von der Begierde hätte ich nichts gewusst, wenn nicht das Gesetz gesagt hätte: „Du sollst nicht begehren.“ (7:8) Die Sünde aber, durch das Gebot Anlass nehmend, bewirkte jede Begierde in mir; denn ohne Gesetz ist die Sünde tot.“ „(7:13) Gereichte nun das Gute mir zum Tod? Das sei ferne! Sondern die Sünde, damit sie als Sünde erschiene, indem sie mir durch das Gute den Tod bewirkte, damit die Sünde überaus sündig würde durch das Gebot.“; 1Kor 15,56 „Der Stachel des Todes aber ist die Sünde, die Kraft der Sünde aber das Gesetz.“) und sie ans Licht zu bringen (Röm 5,13; 7,13 (5:13) (denn bis zu dem Gesetz war Sünde in der Welt; Sünde aber wird nicht zugerechnet, wenn kein Gesetz da ist.“ „(7:13) Gereichte nun das Gute mir zum Tod? Das sei ferne! Sondern die Sünde, damit sie als Sünde erschiene, indem sie mir durch das Gute den Tod bewirkte, damit die Sünde überaus sündig würde durch das Gebot.“; Gal 3,19.24 „Warum nun das Gesetz? Es wurde der Übertretungen wegen hinzugefügt (bis der Nachkomme käme, dem die Verheißung gemacht war), angeordnet durch Engel in der Hand eines Mittlers.“ „Also ist das Gesetz unser Erzieher gewesen auf Christus hin, damit wir aus Glauben gerechtfertigt würden.“; 1Tim 1,8.9 (8) Wir wissen aber, dass das Gesetz gut ist, wenn jemand es gesetzmäßig gebraucht, (9) indem er dies weiß, dass für einen Gerechten das Gesetz nicht bestimmt ist, sondern für Gesetzlose und Zügellose, für Gottlose und Sünder, für Unheilige und Ungöttliche, für Vaterschläger und Mutterschläger, für Menschenmörder,“).

Israel, das nach einem Gesetz der Gerechtigkeit strebte, ist nicht zu diesem Gesetz gelangt (Röm 9,31.32 (31) Israel aber, einem Gesetz der Gerechtigkeit nachstrebend, nicht zu diesem Gesetz gelangt ist. (32) Warum? Weil es nicht aus Glauben, sondern als aus Werken geschah. Sie haben sich gestoßen an dem Stein des Anstoßes,“). Wir kennen die Geschichte Israels unter dem Gesetz. Stephanus (Apg 7) schilderte uns diese Geschichte, indem er die Treue Gottes (in der Verheißung) der Untreue des Volkes gegenüberstellte. Diese Untreue beinhaltete, dass das Volk Gott verwarf, und zwar auf zwei Weisen: einerseits, indem sie den Götzen dienten (bereits von Ägypten anfangend!), und andererseits, indem sie die Diener Gottes verwarfen, angefangen bei Joseph bis zu Christus selbst. Gottes richtende Hand vertrieb das Volk zweimal aus dem Land, nachdem Jerusalem zweimal verwüstet wurde: durch Nebukadnezar und durch den römischen Feldherrn Titus (vgl. 2Chr 36,15-17 (15) Und der HERR, der Gott ihrer Väter, sandte zu ihnen durch seine Boten, früh sich aufmachend und sendend; denn er erbarmte sich seines Volkes und seiner Wohnung. (16) Aber sie verspotteten die Boten Gottes und verachteten seine Worte und verhöhnten seine Propheten, bis der Grimm des HERRN gegen sein Volk stieg, dass keine Heilung mehr war. (17) Und er ließ den König der Chaldäer gegen sie heraufkommen, und der erschlug ihre Jünglinge mit dem Schwert im Haus ihres Heiligtums: Er verschonte nicht den Jüngling und die Jungfrau, den Alten und den Greis: alle gab er in seine Hand.“ und Lk 21,20-24 (20) Wenn ihr aber Jerusalem von Heerlagern umzingelt seht, dann erkennt, dass ihre Verwüstung nahe gekommen ist. (21) Dann sollen die, die in Judäa sind, in die Berge fliehen, und die, die in ihrer Mitte sind, sollen hinausziehen, und die, die auf dem Land sind, sollen nicht in sie hineingehen. (22) Denn dies sind Tage der Rache, damit alles erfüllt werde, was geschrieben steht. (23) Wehe den Schwangeren und den Stillenden in jenen Tagen! Denn große Not wird in dem Land sein und Zorn über dieses Volk. (24) Und sie werden fallen durch die Schärfe des Schwertes und gefangen weggeführt werden unter alle Nationen; und Jerusalem wird von den Nationen zertreten werden, bis die Zeiten der Nationen erfüllt sind.“). In beiden Fällen sorgt die Gnade Gottes für einen Überrest, der ins Land zurückkehrt: nach der Babylonischen Gefangenschaft und in der Zukunft. Seit der ersten Verwüstung Jerusalems hat die Regierung Gottes ihren Sitz nicht mehr in Jerusalem, sondern in den Häuptern der Nationen, beginnend mit Nebukadnezar bis zum Tier aus Offenbarung 13. Das sind die „Zeiten der Nationen“ (Lk 21,24).

Zu seinen eigenen Zeiten aber hat er sein Wort offenbart

Das unmittelbare Ergebnis dieser Geschichte der „Zeiten der Nationen“ ist das Kreuz, wo das böse Herz des Menschen eigentlich erst in seiner Gänze offenbar wird, während gleichzeitig auch das Herz Gottes vollkommen bloßgelegt wird.  Zuerst durch das Wort, das Fleisch wurde und unter uns wohnte: Gott, offenbart im Fleisch (Joh 1,14 „Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns (und wir haben seine Herrlichkeit angeschaut, eine Herrlichkeit als eines Eingeborenen vom Vater) voller Gnade und Wahrheit.“; 1Tim 3,16 „Und anerkannt groß ist das Geheimnis der Gottseligkeit: Er, der offenbart worden ist im Fleisch, ist gerechtfertigt im Geist, gesehen von den Engeln, gepredigt unter den Nationen, geglaubt in der Welt, aufgenommen in Herrlichkeit.“). Dann in seiner ganzen Fülle in der Predigt von Paulus durch den Heiligen Geist, nachdem Christus gestorben und auferstanden war und sich zur Rechten Gottes gesetzt hatte. Die Verheißung wurde vor allen Zeiten gegeben – die Offenbarung dagegen in der Zeit.

Wir müssen hier zunächst auf den Unterschied in den beiden Wörtern „Zeiten“ hinweisen, die in unseren Versen benutzt werden (vgl. Fußnote zu Tit 1,3 „zu seiner Zeit aber hat er sein Wort offenbart durch die Predigt, die mir anvertraut worden ist nach Befehl unseres Heiland-Gottes –“ in der Elberfelder Üb., Edition CSV Hückeswagen). Bei „Zeiten der Zeitalter“ wird das Wort chronos benutzt und bei „zu seinen Zeiten“ das Wort kairos. Das letztgenannte Wort bedeutet „die richtige, gelegene Zeit“. In der Mehrzahl wird es oft mit „Zeitpunkte“ übersetzt, besonders wenn es in Verbindung mit chronos vorkommt (1Thes 5,1 „Was aber die Zeiten und die Zeitpunkte betrifft, Brüder, so habt ihr nicht nötig, dass euch geschrieben wird.“; Apg 1,7 „Er sprach aber zu ihnen: Es ist nicht eure Sache, Zeiten oder Zeitpunkte zu wissen, die der Vater in seine eigene Gewalt gesetzt hat.“). Es deutet auf eine Periode hin, die durch bestimmte Eigenschaften gekennzeichnet wird. Dagegen weist chronos auf einen kürzeren oder längeren Zeitraum hin, manchmal auf einen Zeitpunkt, wobei die Dauer des Zeitraums im Vordergrund steht und nicht ihre Beschaffenheit wie bei kairos. Bei „Zeiten der Zeitalter“ geht es um die lange Periode, in der die Verheißung des ewigen Lebens bestand, die aber verborgen war; und bei „seinen Zeiten“ geht es um eine Periode, die gekennzeichnet wird durch die Offenbarung von Gottes Wort. Das wird noch durch „seinen“ verstärkt. Ich habe „zu seinen eigenen Zeiten“ übersetzt, wobei „seinen“ sich nicht auf Gott, sondern auf das Wort bezieht. Es wurde zu seiner eigenen Zeit offenbart, das heißt zu der dafür „geeigneten“, bestimmten Zeit. Das Wörtchen „eigen“ legt den vollen Nachdruck auf „Zeiten“. Wenn jemand fragen würde, warum Gott sein Wort nicht zu einer früheren Zeit offenbarte, dann lautet die Antwort, dass es genau die richtige, passende Zeit ist, das heißt weder früher noch später. Diese geeignete Zeit ist „jetzt“ (2Tim 1,10). Jetzt ist die „wohlangenehme Zeit (kairos), der Tag des Heils“ (2Kor 6,2).

Andere Textstellen gewähren uns weitere Einsichten in die göttliche Offenbarung zur rechten Zeit und belehren uns dabei nebenher auch weiter über den Unterschied zwischen chronos und kairos. Als die Fülle der Zeit gekommen war, sandte Gott seinen Sohn (Gal 4,4 „als aber die Fülle der Zeit gekommen war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau, geboren unter Gesetz,“). Christus war zuvorerkannt vor Grundlegung der Welt, wurde aber am Ende der Zeiten offenbart (1Pet 1,20 „der zwar zuvor erkannt ist vor Grundlegung der Welt, aber offenbart worden ist am Ende der Zeiten um euretwillen,“). Hier ist es in beiden Fällen chronos, denn es geht hier darum, dass die vergangenen Zeiten zu einem Ende gekommen waren. In Galater 3 und 4 gab es zunächst eine Periode, die durch das Gesetz gekennzeichnet wurde; doch als diese Zeit erfüllt (voll) war, sandte Gott seinen Sohn und brach die Zeitepoche des Glaubens an. Im ersten Petrusbrief gab es Zeiten, in denen das Lamm noch unbekannt war, aber als diese Zeiten zu Ende gekommen waren, wurde Christus offenbart. Römer 5,6 „Denn Christus ist, da wir noch kraftlos waren, zur bestimmten Zeit für Gottlose gestorben.“ sagt, dass Christus zur bestimmten Zeit (kata kairon = „übereinstimmend mit der richtigen Zeit“) für Gottlose gestorben ist, und in 1. Timotheus 2,6 „der sich selbst gab als Lösegeld für alle, wovon das Zeugnis zu seiner Zeit verkündigt werden sollte,“ lesen wir, dass Christus sich selbst als Lösegeld gegeben hat, wovon das Zeugnis zu seiner Zeit (kairois idiois, genau wie in unserem Vers) verkündigt werden sollte. Hier geht es nicht um einen abgeschlossenen Zeitraum, sondern um die richtige, passende Zeit (oder Gelegenheit bzw. um den richtigen, passenden Zeitpunkt, dass etwas geschieht).

Die früheren Zeiten der Zeitalter sind vorbei. In der Vollendung der Zeitalter ist Christus einmal offenbart worden (dasselbe Wort wie in unserem Vers, aber ein anderes als „erscheinen“ in Hebräer 9,24 und 28 „Denn Christus ist nicht eingegangen in das mit Händen gemachte Heiligtum, ein Gegenbild des wahrhaftigen, sondern in den Himmel selbst, um jetzt vor dem Angesicht Gottes für uns zu erscheinen;“ „so wird auch der Christus, nachdem er einmal geopfert worden ist, um vieler Sünden zu tragen, zum zweiten Mal denen, die ihn erwarten, ohne Sünde erscheinen zur Errettung.“), um die Sünde durch das Opfer seiner selbst abzuschaffen, den Tod zunichtezumachen sowie um Leben und Unverweslichkeit ans Licht zu bringen (Heb 9,26 „sonst hätte er oftmals leiden müssen von Grundlegung der Welt an. Jetzt aber ist er einmal in der Vollendung der Zeitalter offenbart worden zur Abschaffung der Sünde durch sein Opfer.“; 2Tim 1,10 „jetzt aber offenbart worden ist durch die Erscheinung unseres Heilandes Jesus Christus, der den Tod zunichtegemacht, aber Leben und Unverweslichkeit ans Licht gebracht hat durch das Evangelium,“). Auf uns ist das Ende der Zeitalter gekommen (1Kor 10,11 „[Alle] diese Dinge aber widerfuhren jenen als Vorbilder und sind geschrieben worden zu unserer Ermahnung, auf die das Ende der Zeitalter gekommen ist.“). Christus erschien, um uns das ewige Leben zu offenbaren. Er war einerseits das ewige Leben selbst, andererseits derjenige, dem es verheißen war, der es bewahrte und der kam, um es uns zu schenken. Die zurückliegenden „Zeiten der Zeitalter“ hatten jedoch dafür gesorgt, dass dieses ewige Leben dem Menschen nicht ohne Weiteres gegeben werden konnte, weil er in Vergehungen und Sünden tot war (Eph 2,1 „auch euch, die ihr tot wart in euren Vergehungen und Sünden,“). Deshalb war es nicht ausreichend, dass Christus das ewige Leben war und es verleihen konnte – zuerst waren das Kreuz und die Auferstehung notwendig, bevor der Mensch dieses ewige Leben empfangen konnte. Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fiel, würde es alleine bleiben; wenn es aber starb, würde es viel Frucht bringen (Joh 12,24 „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht.“). Darum ist die Offenbarung des Wortes Gottes zu seiner Zeit nicht allein die Offenbarung der Verheißung des ewigen Lebens, sondern auch die Offenbarung von Gottes Gnade Sündern gegenüber, von Frieden mit Gott und ewiger Errettung. Gottes Gerechtigkeit wurde außerhalb des Gesetzes offenbar (obwohl das Gesetz und die Propheten von ihr zeugten), nämlich durch Glauben an Jesus Christus zur Erweisung seiner Gerechtigkeit in der jetzigen Zeit (kairos; Röm 3,21-26). Zuerst musste deutlich gemacht werden, dass der Mensch vollständig in der Macht der Sünde ist; danach musste er davon erlöst werden und erst dann würde er das ewige Leben empfangen können. Wiedergeburt ist die Voraussetzung für den Empfang ewigen Lebens.

Das ist auch genau das, was der Herr Jesus Nikodemus klarmachen wollte (Joh 3). Nikodemus kam zu Ihm, um die neue Offenbarung kennenzulernen. Aber der Herr macht ihm deutlich, dass jemand zuerst von neuem geboren werden muss, bevor er das Reich Gottes sehen (Joh 3,3 „Jesus antwortete und sprach zu ihm: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wenn jemand nicht von neuem geboren wird, so kann er das Reich Gottes nicht sehen.“) und am Reich teilhaben kann (Joh 3,5 „Jesus antwortete: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, so kann er nicht in das Reich Gottes eingehen.“). Diese Wiedergeburt war eine bekannte Sache, denn auch im Alten Testament war bereits von ihr die Rede (Hes 36,25-27 (25) Und ich werde reines Wasser auf euch sprengen, und ihr werdet rein sein; von allen euren Unreinheiten und von allen euren Götzen werde ich euch reinigen. (26) Und ich werde euch ein neues Herz geben und einen neuen Geist in euer Inneres geben; und ich werde das steinerne Herz aus eurem Fleisch wegnehmen und euch ein fleischernes Herz geben. (27) Und ich werde meinen Geist in euer Inneres geben; und ich werde bewirken, dass ihr in meinen Satzungen wandelt und meine Rechte bewahrt und tut.“). Außerdem ist sie eine irdische Sache, denn alle Menschen, die jemals Leben aus Gott empfingen oder noch empfangen werden, waren oder werden wiedergeboren. Der Herr sagt auch selbst (in Joh 3,12 „Wenn ich euch das Irdische gesagt habe, und ihr glaubt nicht, wie werdet ihr glauben, wenn ich euch das Himmlische sage?“), dass die Wiedergeburt zum Irdischen gehört. Erst wenn wir an dieser irdischen Sache teilhaben, können wir das Himmlische empfangen. Die neue Geburt gehört nicht zu den geistlichen, himmlischen Segnungen aus Epheser 1, sondern ist die Eintrittstür zu diesen Segnungen. Das Himmlische selbst ist mit dem verbunden, der aus dem Himmel herabkam und uns das Himmlische gebracht hat, nämlich das ewige Leben. Er würde es aber erst schenken können, nachdem Er nicht nur aus dem Himmel herabgekommen, sondern auch ans Kreuz erhöht worden war, damit jeder, der an Ihn glaubt, nicht verlorengehe, sondern ewiges Leben habe (Joh 3,13-16 (13) Und niemand ist hinaufgestiegen in den Himmel als nur der, der aus dem Himmel herabgestiegen ist, der Sohn des Menschen, [der im Himmel ist]. (14) Und wie Mose in der Wüste die Schlange erhöhte, so muss der Sohn des Menschen erhöht werden, (15) damit jeder, der an ihn glaubt, [nicht verloren gehe, sondern] ewiges Leben habe. (16) Denn so hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe.“).

Das ewige Leben ist kein Prüfstein für eine weitere neue Haushaltung, sondern eine Gabe Gottes aus Gnade. Seine Verleihung beruht auf Christus (der ja selbst das Leben ist), aber als dem Gestorbenen und Auferstandenen. Erst nach seiner Auferstehung konnte Er die Jünger Brüder nennen und konnte Er seinen Vater auch ihren Vater nennen (Joh 20,17 „Jesus spricht zu ihr: Rühre mich nicht an, denn ich bin noch nicht aufgefahren zu meinem Vater. Geh aber hin zu meinen Brüdern und sprich zu ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater und meinem Gott und eurem Gott.“). Das alles ist für die Auserwählten Gottes bestimmt, für diejenigen, die zum ewigen Leben bestimmt sind (Apg 13,48 „Als aber die aus den Nationen es hörten, freuten sie sich und verherrlichten das Wort des Herrn; und es glaubten, so viele zum ewigen Leben bestimmt waren.“); folglich für die, die Gott vor Augen hatte, als Er das ewige Leben vor den Zeiten der Zeitalter in und an Christus verhieß, und die der Vater dem Sohn gab (vgl. Joh 17,6-10 (6) Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus der Welt gegeben hast. Dein waren sie, und mir hast du sie gegeben, und sie haben dein Wort gehalten. (7) Jetzt haben sie erkannt, dass alles, was du mir gegeben hast, von dir ist; (8) denn die Worte, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben, und sie haben sie angenommen und wahrhaftig erkannt, dass ich von dir ausgegangen bin, und haben geglaubt, dass du mich gesandt hast. (9) Ich bitte für sie; nicht für die Welt bitte ich, sondern für die, die du mir gegeben hast, denn sie sind dein (10) (und alles, was mein ist, ist dein, und was dein ist, mein), und ich bin in ihnen verherrlicht.“; Heb 2,13 „Und wiederum: „Ich will mein Vertrauen auf ihn setzen.“ Und wiederum: „Siehe, ich und die Kinder, die Gott mir gegeben hat.““). Ihnen ist das Wort Gottes jetzt offenbart, das heißt nicht allein das Evangelium der Gnade, sondern die volle Wahrheit Gottes (vgl. Tit 1,1 „Paulus, Knecht Gottes, aber Apostel Jesu Christi, nach dem Glauben der Auserwählten Gottes und nach der Erkenntnis der Wahrheit, die nach der Gottseligkeit ist,“ und 1Tim 2,4 „der will, dass alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.“).

In [der] Predigt, die mir anvertraut worden ist nach [dem] Befehl unseres Heiland-Gottes

Dieses Wort wurde durch den Heiligen Geist besonders dem Apostel Paulus offenbart, dem die Predigt desselben nach Befehl unseres Heiland-Gottes anvertraut wurde. „Wie werden sie hören ohne einen Prediger? Wie werden sie predigen, wenn sie nicht gesandt sind? Der Glaube ist aus der Verkündigung und die Verkündigung durch Gottes Wort“ (Röm 10,14-17). Paulus predigte das jetzt offenbarte Wort Gottes in Wort und Schrift. Das heißt, zuerst mündlich: Als sie das Wort der Kunde Gottes von ihm empfingen, hatten die Thessalonicher es angenommen, nicht als Menschenwort, sondern, wie es wahrhaftig ist, als Gottes Wort (1Thes 2,13 „Und darum danken auch wir Gott unablässig dafür, dass ihr, als ihr von uns das Wort der Kunde Gottes empfingt, es nicht als Menschenwort aufnahmt, sondern, wie es wahrhaftig ist, als Gottes Wort, das auch in euch, den Glaubenden, wirkt.“). Zweitens schriftlich: Er konnte seine Briefe zu Recht zu den prophetischen Schriften zählen, und zwar nicht weniger als die prophetischen Schriften des Alten Testaments (Röm 16,26 „jetzt aber offenbart und durch prophetische Schriften, nach Befehl des ewigen Gottes, zum Glaubensgehorsam an alle Nationen kundgetan worden ist,“; vgl. Mt 26,56 „Aber dies alles ist geschehen, damit die Schriften der Propheten erfüllt würden. Da verließen ihn die Jünger alle und flohen.“). Auch Petrus macht deutlich, dass die Briefe von Paulus auf demselben Niveau waren wie die Schriften des Alten Testaments und dass sie damit inspirierte Worte Gottes waren (2Pet 3,15.16 (15) Und erachtet die Langmut unseres Herrn für Errettung, so wie auch unser geliebter Bruder Paulus nach der ihm gegebenen Weisheit euch geschrieben hat, (16) wie auch in allen Briefen, wenn er in ihnen von diesen Dingen redet, von denen einige schwer zu verstehen sind, die die Unwissenden und Unbefestigten verdrehen, wie auch die übrigen Schriften, zu ihrem eigenen Verderben.“), wobei seine Briefe die alttestamentlichen Schriften noch weit übertrafen, was die Offenbarung der vollen Wahrheit betraf. Denn was im Alten Testament bestenfalls vermutet werden konnte, wurde an und durch Paulus jetzt offenbart. Jesaja (Jes 64,3 „Denn von alters her hat man nicht gehört noch vernommen, hat kein Auge einen Gott gesehen außer dir, der sich wirksam erweist für den, der auf ihn harrt.“) hatte von dem Unbekannten gesprochen, das Gott denen bereitet hatte, die Ihn liebten; aber was dieses herrliche Geheimnis war, konnte niemand wissen. Durch den Geist Gottes wurde es dem Apostel jedoch jetzt vollständig offenbart (1Kor 2,7-10 (7) sondern wir reden Gottes Weisheit in einem Geheimnis, die verborgene, die Gott vor den Zeitaltern zu unserer Herrlichkeit zuvor bestimmt hat; (8) die keiner von den Fürsten dieses Zeitlaufs erkannt hat (denn wenn sie sie erkannt hätten, so würden sie wohl den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt haben), (9) sondern wie geschrieben steht: „Was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz aufgekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben“; (10) uns aber hat Gott es offenbart durch seinen Geist, denn der Geist erforscht alles, auch die Tiefen Gottes.“). Gott hat nichts zurückbehalten, sondern sein Herz völlig offengelegt. Der Herr Jesus hatte seinen Jüngern bereits gesagt, dass Er ihnen alles, was Er von seinem Vater gehört hatte, kundgetan hatte (Joh 15,15 „Ich nenne euch nicht mehr Knechte, denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut; euch aber habe ich Freunde genannt, weil ich alles, was ich von meinem Vater gehört habe, euch kundgetan habe.“). Außerdem verhieß Er ihnen den Geist der Wahrheit, der sie in die ganze Wahrheit leiten würde (Joh 16,13 „Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, gekommen ist, wird er euch in die ganze Wahrheit leiten; denn er wird nicht von sich selbst aus reden, sondern was er hören wird, wird er reden, und das Kommende wird er euch verkündigen.“).

Es ist (erstens) der Geist Gottes, der alle Dinge erforscht, auch die Tiefen Gottes. Es ist derselbe Geist, der (zweitens) die Geheimnisse dessen, was in Gott ist, den Aposteln bekanntmachte, und zwar ganz besonders Paulus. Es ist derselbe Geist, der (drittens) Paulus die Weisheit gab, diese Dinge zu verstehen, die ihm durch Gott geschenkt waren. Viertens war es derselbe Heilige Geist, der Paulus lehrte, mit welchen Worten er das offenbarte Wort Gottes predigen musste, so dass alle Worte, mit denen er die geistlichen Dinge weitergab, geistlich und aus dem Geist waren, ob es seine gesprochenen oder geschriebenen Worte betraf. Fünftens ist es wiederum derselbe Geist, der den Hörern von Paulus’ Worten das geistliche Unterscheidungsvermögen geben musste, damit sie annehmen und beurteilen konnten, was vom Geist Gottes war (1Kor 2,10-14 (10) uns aber hat Gott es offenbart durch seinen Geist, denn der Geist erforscht alles, auch die Tiefen Gottes. (11) Denn wer von den Menschen weiß, was im Menschen ist, als nur der Geist des Menschen, der in ihm ist? So weiß auch niemand, was in Gott ist, als nur der Geist Gottes. (12) Wir aber haben nicht den Geist der Welt empfangen, sondern den Geist, der aus Gott ist, um die Dinge zu kennen, die uns von Gott geschenkt sind; (13) die wir auch verkündigen, nicht in Worten, gelehrt durch menschliche Weisheit, sondern in Worten, gelehrt durch den Geist, mitteilend geistliche Dinge durch geistliche Mittel. (14) Der natürliche Mensch aber nimmt nicht an, was des Geistes Gottes ist, denn es ist ihm Torheit, und er kann es nicht erkennen, weil es geistlich beurteilt wird;“). So ist alles aus dem Geist Gottes. Es ist der Geist, der offenbart. Er bedient sich dabei menschlicher Kanäle, aber macht sie so vollkommen zu seinen Instrumenten, dass das Wasser, das aus diesen Kanälen strömt, genauso sauber ist, als wenn es aus dem Brunnen käme. Und auch die, die es trinken, können es nur aufnehmen und genießen, wenn sie durch denselben Geist geleitet werden. Aber der natürliche Mensch nimmt nicht an, was des Geistes Gottes ist, denn es ist ihm Torheit, und er kann es nicht erkennen, weil es geistlich beurteilt wird. Darum ist die Wahrheit in gewisser Hinsicht nur für solche bestimmt, die bekehrt und wiedergeboren sind. Nur sie können die Wahrheit durch Glauben erkennen, und sie haben das Zeugnis in sich selbst, d.i. das ewige Leben (1Joh 5,10-12 (10) Wer an den Sohn Gottes glaubt, hat das Zeugnis in sich selbst; wer Gott nicht glaubt, hat ihn zum Lügner gemacht, weil er nicht an das Zeugnis geglaubt hat, das Gott bezeugt hat über seinen Sohn. (11) Und dies ist das Zeugnis: dass Gott uns ewiges Leben gegeben hat, und dieses Leben ist in seinem Sohn. (12) Wer den Sohn hat, hat das Leben; wer den Sohn Gottes nicht hat, hat das Leben nicht.“).

Andererseits ist die Predigt des Wortes für alle Menschen. Das Wort besitzt universelle Autorität über alle Menschen, ob sie es annehmen oder nicht. Darauf liegt in unserem Vers der Nachdruck. Paulus wurde die Predigt nach Befehl unseres Heiland-Gottes anvertraut, und wir haben gesehen, dass es diese Bezeichnung ist, in der Gott als derjenige gesehen wird, der das Heil allen Menschen bringt (vgl. Tit 2,11 „Denn die Gnade Gottes ist erschienen, heilbringend für alle Menschen,“) und der will, dass alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen (1Tim 2,3.4 (3) [Denn] dies ist gut und angenehm vor unserem Heiland-Gott, (4) der will, dass alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.“). Diese Predigt umfasst deshalb zwei Elemente: erstens das Evangelium an alle Menschen, durch das sie errettet werden müssen (1Kor 15,1.2 (1) Ich tue euch aber kund, Brüder, das Evangelium, das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenommen habt, in dem ihr auch steht, (2) durch das ihr auch errettet werdet (wenn ihr an dem Wort festhaltet, das ich euch verkündigt habe), es sei denn, dass ihr vergeblich geglaubt habt.“; Eph 1,13 „in dem auch ihr, nachdem ihr gehört habt das Wort der Wahrheit, das Evangelium eures Heils – in dem ihr auch, nachdem ihr geglaubt habt, versiegelt worden seid mit dem Heiligen Geist der Verheißung,“), und zweitens die Entfaltung der vollen Wahrheit allen, die tatsächlich errettet worden sind. Es war Paulus, der durch Gott als bewährt befunden worden war, mit der Verwaltung des Evangeliums der Herrlichkeit des seligen Gottes betraut zu werden (1Kor 9,16.17 (16) Denn wenn ich das Evangelium verkündige, so habe ich keinen Ruhm, denn eine Notwendigkeit liegt mir auf; denn wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht verkündigte! (17) Denn wenn ich dies freiwillig tue, so habe ich Lohn, wenn aber unfreiwillig, so bin ich mit einer Verwaltung betraut.“; 1Thes 2,4 „sondern so, wie wir von Gott als bewährt befunden worden sind, mit dem Evangelium betraut zu werden, so reden wir, nicht um Menschen zu gefallen, sondern Gott, der unsere Herzen prüft.“; 1Tim 1,11 „nach dem Evangelium der Herrlichkeit des seligen Gottes, das mir anvertraut worden ist.“). Dieses Evangelium war nicht nach dem Menschen, und Paulus hatte es weder von einem Menschen empfangen noch gelernt, sondern durch Offenbarung Jesu Christi (Gal 1,11.12 (11) Ich tue euch aber kund, Brüder, dass das Evangelium, das von mir verkündigt worden ist, nicht nach dem Menschen ist. (12) Denn ich habe es weder von einem Menschen empfangen noch erlernt, sondern durch Offenbarung Jesu Christi.“; vgl. Gal 1,15.16 (15) Als es aber Gott, der mich von meiner Mutter Leib an abgesondert und durch seine Gnade berufen hat, wohlgefiel, (16) seinen Sohn in mir zu offenbaren, damit ich ihn unter den Nationen verkündigte, ging ich sogleich nicht mit Fleisch und Blut zu Rate“). Er war zum Prediger, Apostel und Lehrer der Nationen bestellt worden, und das Evangelium, das er verkündete, brachte Geheimnisse ans Licht, die uns in Christus Jesus vor ewigen Zeiten gegeben, jetzt aber durch die Erscheinung Christi offenbart worden sind (2Tim 1,9-11 (9) der uns errettet hat und berufen mit heiligem Ruf, nicht nach unseren Werken, sondern nach seinem eigenen Vorsatz und der Gnade, die uns in Christus Jesus vor ewigen Zeiten gegeben, (10) jetzt aber offenbart worden ist durch die Erscheinung unseres Heilandes Jesus Christus, der den Tod zunichtegemacht, aber Leben und Unverweslichkeit ans Licht gebracht hat durch das Evangelium, (11) zu dem ich bestellt worden bin als Herold und Apostel und Lehrer [ der Nationen].“; Röm 16,25-27 (25) Dem aber, der euch zu befestigen vermag nach meinem Evangelium und der Predigt von Jesus Christus, nach der Offenbarung des Geheimnisses, das ewige Zeiten hindurch verschwiegen war, (26) jetzt aber offenbart und durch prophetische Schriften, nach Befehl des ewigen Gottes, zum Glaubensgehorsam an alle Nationen kundgetan worden ist, (27) dem allein weisen Gott, durch Jesus Christus, ihm sei die Herrlichkeit in Ewigkeit! Amen.“). Zu Recht konnte Paulus deshalb von „seinem“ Evangelium sprechen (Röm 2,16; 16,25 (2:16) an dem Tag, da Gott das Verborgene der Menschen richten wird nach meinem Evangelium durch Jesus Christus.“ „(16:25) Dem aber, der euch zu befestigen vermag nach meinem Evangelium und der Predigt von Jesus Christus, nach der Offenbarung des Geheimnisses, das ewige Zeiten hindurch verschwiegen war,“; 2Tim 2,8 „Halte im Gedächtnis Jesus Christus, auferweckt aus den Toten, aus dem Geschlecht Davids, nach meinem Evangelium,“).

Durch diesen besonderen Auftrag unterscheidet sich der Dienst von Paulus sehr von dem der Zwölf. Er war nicht wie sie ein Zeuge des Lebens und der Auferstehung Christi und er hatte auch keinen besonderen Dienst an den Juden, sondern er war ein Apostel, der für die Nationen berufen wurde neben dem Zeugnis der Zwölf, die besonders in Israel wirkten. Er war kein Zeuge des erniedrigten Christus auf der Erde, sondern ein Zeuge seiner himmlischen Stellung als verherrlichter Mensch zur Rechten Gottes – Er verherrlicht und wir in dieser Stellung mit Ihm verbunden. Daher ist sein Dienst nicht zeitgebunden. Er verkündigte die ewigen, nicht die zeitlichen Ratschlüsse Gottes; die Ratschlüsse mit Bezug zum Himmel, nicht zur Erde. Deshalb redet nur er von himmlischen Segnungen.

Dagegen war Petrus einer der Zwölf und hatte darüber hinaus die Apostelschaft der Beschneidung (Gal 2,7.8 (7) sondern im Gegenteil, als sie sahen, dass mir das Evangelium der Vorhaut anvertraut war, wie Petrus das der Beschneidung (8) (denn der, der in Petrus für das Apostelamt der Beschneidung gewirkt hat, hat auch in mir in Bezug auf die Nationen gewirkt),“). Seine Briefe richten sich an Gläubige, und sein Dienst hörte genau genommen auf, als das christliche Judentum bei der Verwüstung Jerusalems zum Ende kam (obwohl sein Dienst für den gläubigen jüdischen Überrest der Zukunft wieder von Bedeutung sein wird). Das Evangelium, das er bringt, ist nicht die Offenbarung ewiger, himmlischer Verheißungen, sondern die Erfüllung der Verheißungen an die Väter und das Zeugnis des Sterbens und Auferstehens Christi als die Grundlage dieser Erfüllung. Er predigt auch die Herrlichkeit Christi, aber nicht dessen jetzige himmlische Herrlichkeit, sondern seine irdische Herrlichkeit, die Er im Tausendjährigen Reich auf der Erde besitzen wird und die Petrus auf dem Berg der Verklärung angeschaut hatte.

Selbst der Dienst von Johannes, einem der Zwölf, ist in gewisser Hinsicht zeitgebunden. In der Tat offenbart er himmlische Grundsätze: den ewigen Sohn, aus dem Himmel herabgekommen, der Leben hat, ja selbst das ewige Leben ist, das bei dem Vater war und uns jetzt offenbart worden ist. Er beschreibt jedoch nicht den Genuss dieses ewigen Lebens im Himmel, sondern den Genuss dieses Lebens jetzt auf der Erde sowie die praktischen Früchte, die das ewige Leben in uns bewirkt. Aus Johannes 21,20-23 (20) Petrus wandte sich um und sieht den Jünger nachfolgen, den Jesus liebte, der sich auch bei dem Abendessen an seine Brust gelehnt und gesagt hatte: Herr, wer ist es, der dich überliefert? (21) Als nun Petrus diesen sah, spricht er zu Jesus: Herr, was wird aber mit diesem? (22) Jesus spricht zu ihm: Wenn ich will, dass er bleibe, bis ich komme, was geht es dich an? Folge du mir nach! (23) Es ging nun dieses Wort unter die Brüder aus: Jener Jünger stirbt nicht. Aber Jesus sprach nicht zu ihm, dass er nicht sterbe, sondern: Wenn ich will, dass er bleibe, bis ich komme, was geht es dich an?“ können wir ableiten, dass der Dienst von Johannes bis zum Kommen des Herrn bestehen bleibt. Deshalb redet sein Brief vom Abfall der letzten Stunde und darum wurde ihm auch das Buch der Offenbarung gegeben. Weder Petrus noch Johannes sprechen jedoch über das Geheimnis der Gemeinde, die nicht zeitgebunden und irdisch ist, sondern ewig und himmlisch, zuvorerkannt vor allen Zeiten und für ewig mit Christus als seinem Leib verbunden.

(b) Die Kindschaft von Titus (Tit 1,4)

Tit 1,4: … Titus, [meinem] echten Kind nach [dem] gemeinschaftlichen Glauben: Gnade und Friede von Gott*, [dem] Vater, und von Christus Jesus, unserem Heiland.

Titus, [meinem] echten Kind

Die ersten drei Versen geben uns die Kennzeichen von Paulus’ Apostelschaft an. Dieser Vers spricht von der Kindschaft von Titus. Paulus nennt Titus [sein] echtes Kind. Das Wort für „echt“ bedeutet eigentlich „gesetzlich gezeugt“ und hängt mit dem Wort „(geboren) werden“ zusammen. Wenn der Apostel Titus also sein Kind nennt, dann ist das nicht nur eine Bezeichnung, sondern Wirklichkeit, denn Titus ist durch Geburt sein eigenes Kind, jedoch nicht durch leibliche Geburt, denn Paulus fügt hinzu: „nach unserem gemeinschaftlichen Glauben“. Titus’ Kindschaft besteht also darin, dass er durch den Dienst von Paulus zum Glauben gekommen war. Er war von neuem geboren, in gewissem Sinn durch die Zeugung von Paulus, und dadurch war er nach dem Glauben Paulus’ Kind geworden. Ebenso nennt Paulus auch Timotheus ein „echtes Kind in [dem] Glauben“ (1Tim 1,2). Das Wort für „echt“ wird in Philipper 4,3 „Ja, ich bitte auch dich, mein treuer Mitknecht, steh ihnen bei, die in dem Evangelium mit mir gekämpft haben, auch mit Clemens und meinen übrigen Mitarbeitern, deren Namen im Buch des Lebens sind.“ mit „treu“ wiedergegeben und steht in 2. Korinther 8,8 „Nicht befehlsweise spreche ich, sondern wegen des Fleißes der anderen und um die Echtheit eurer Liebe zu prüfen.“ für sich und wird übersetzt mit „Echtheit“. Auch anderswo sagt Paulus von denen, die durch sein Wort zum Glauben kamen, dass er sie gezeugt hatte: Die Gläubigen aus Korinth hatte er in Christus Jesus durch das Evangelium gezeugt (1Kor 4,15 „Denn wenn ihr zehntausend Erzieher in Christus hättet, so doch nicht viele Väter; denn in Christus Jesus habe ich euch gezeugt durch das Evangelium.“) und sein Kind Onesimus hatte er in seiner Gefangenschaft gezeugt (Phlm 1 „Paulus, ein Gefangener Christi Jesu, und Timotheus, der Bruder, Philemon, dem Geliebten und unserem Mitarbeiter,“,10).

Über sein Kind Timotheus spricht er auf besonders innige Weise: „mein geliebtes und treues Kind im Herrn“ (1Kor 4,17); „er hat wie ein Kind dem Vater mit mir gedient an dem Evangelium“ (Phil 2,22); „[mein] echtes Kind“ (2Tim 1,2). Diesen vertraulichen Ton vermissen wir im Titusbrief. Wir haben bereits gesehen, dass die Briefe an Timotheus im Allgemeinen inniger sind als die an Titus. Die Vertrautheit mit Timotheus, bei dem er sein Herz ausschüttete und dem er seine Sorgen und Ängste mitteilte, finden wir nicht im Titusbrief. Vielleicht waren die Umstände anders, möglicherweise fühlte sich der Apostel nun einmal mehr mit Timotheus verwandt.

Nach [dem] gemeinschaftlichen Glauben

Titus war sein Kind nach [dem] gemeinschaftlichen Glauben. Die Klammern zeigen, dass der Artikel auch hier fehlt. Es bedeutet also nicht: nach dem, was sie gemeinschaftlich glaubten, sondern: in Übereinstimmung mit der Tatsache, dass sie beide dasselbe glaubten. Der Jude Paulus und der Heide Titus hatten dieselbe Wahrheit im Glauben angenommen. Sie gehörten nicht nur zu derselben Gemeinde, in der es weder Juden noch Griechen gibt, sondern sie bekannten darüber hinaus denselben Glauben. In gleicher Weise schreibt Petrus an die gläubigen Juden: „denen, die einen gleich kostbaren Glauben mit uns empfangen haben“ (2Pet 1,1). Er spricht dort allerdings zu seinen eigenen jüdischen Volksgenossen, die genau wie er den Glauben empfangen hatten aufgrund der Gerechtigkeit Jahwes gegenüber seinen an die Väter ergangenen Verheißungen. Unser Vers geht jedoch viel weiter: Dort geht es um einen Juden und um einen Heiden, die beide denselben Glauben haben, der auf der Grundlage einer Verheißung beruht, die nicht an die Väter ergangen war, sondern vor den Zeiten der Zeitalter verheißen worden war. Auch dieser Vers enthält deshalb einen dezenten Hinweis auf die offenbarten Geheimnisse Gottes bezüglich des ewigen Lebens und der Gemeinde, in der kein Unterschied mehr zwischen Juden und Heiden besteht (vgl. Eph 2,11–3,12; Kol 3,11 „wo nicht ist Grieche und Jude, Beschneidung und Vorhaut, Barbar, Skythe, Sklave, Freier, sondern Christus alles und in allen.“; Gal 3,25-29 (25) Da aber der Glaube gekommen ist, sind wir nicht mehr unter einem Erzieher; (26) denn ihr alle seid Söhne Gottes durch den Glauben an Christus Jesus. (27) Denn so viele ihr auf Christus getauft worden seid, ihr habt Christus angezogen. (28) Da ist nicht Jude noch Grieche, da ist nicht Sklave noch Freier, da ist nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus. (29) Wenn ihr aber Christi seid, so seid ihr denn Abrahams Nachkommen und nach Verheißung Erben.“).

Gnade und Friede

Paulus wünscht Titus Gnade und Friede, wie er das in all seinen Briefen tut. In den persönlichen Briefen wird oft noch „Barmherzigkeit“ hinzugefügt (wie in 1. und 2. Timotheus ebenso wie in 2. Johannes) und auch in unserem Vers lesen einzelne Handschriften: „Gnade, Barmherzigkeit, Frieden“. Diese Hinzufügung finden wir in Philemon nicht, denn es handelt sich dabei eigentlich nicht um einen persönlichen Brief, weil er sich auch an die Gemeinde richtet, die in seinem Haus ist. Dagegen finden wir „Barmherzigkeit“ wohl im Judasbrief. Das erscheint merkwürdig, weil dieser Brief nicht streng persönlich ist, sondern sich an die „Berufenen“ richtet. Wir müssen jedoch bedenken, dass die „Berufenen“ wegen des Verfalls in der Christenheit und ihrer persönlichen Verantwortlichkeit inmitten dieser Umstände nicht als Gemeinde angesprochen werden, sondern als einzelne Gläubige. Wenn zu einer Gemeinde als solcher gesprochen wird, finden wir keine Rede von Barmherzigkeit, denn das würde im Widerspruch mit dem Charakter der Gemeinde stehen. Sie ist zwar durch die Barmherzigkeit Gottes Gemeinde geworden, lebt aber nicht kraft dieser Barmherzigkeit, sondern aus dem Geist. Um das zu verstehen, müssen wir wissen, was mit Barmherzigkeit gemeint ist. Barmherzigkeit ist nicht dasselbe wie „Gnade“, die Wohlgesinntheit Gottes, der dort gibt, wo kein Anrecht besteht. Aus dieser Gnade lebt auch die Gemeinde. Aber die Barmherzigkeit steht mehr in Verbindung mit der Schwachheit unseres Fleisches. Sie ist dort nötig, wo das Fleisch noch wirksam ist oder sein kann und wo der einzelne Gläubige noch in geistliche Schwachheiten fallen kann (vgl. 2Kor 4,1 „Darum, da wir diesen Dienst haben, wie wir begnadigt worden sind, ermatten wir nicht;“; 2Tim 1,16-18 (16) Der Herr gebe dem Haus des Onesiphorus Barmherzigkeit, denn er hat mich oft erquickt und sich meiner Kette nicht geschämt, (17) sondern als er in Rom war, suchte er mich fleißig und fand mich. (18) Der Herr gebe ihm, dass er von Seiten des Herrn Barmherzigkeit finde an jenem Tag! Und wie viel er in Ephesus diente, weißt du am besten.“; Heb 4,14-16 (14) Da wir nun einen großen Hohenpriester haben, der durch die Himmel gegangen ist, Jesus, den Sohn Gottes, so lasst uns das Bekenntnis festhalten; (15) denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht Mitleid zu haben vermag mit unseren Schwachheiten, sondern der in allem versucht worden ist in gleicher Weise wie wir, ausgenommen die Sünde. (16) Lasst uns nun mit Freimütigkeit hinzutreten zu dem Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zu rechtzeitiger Hilfe.“). Das kann man von der Gemeinde als solcher nicht sagen, denn in ihr hat das Fleisch keinen Platz. Sie ist aus dem Geist, durch den Geist zu einem Leib geworden und sie lebt durch den Geist. Gott sieht sie immer als vollendet an (Eph 1,22.23 (22) und hat alles seinen Füßen unterworfen und ihn als Haupt über alles der Versammlung gegeben, (23) die sein Leib ist, die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt;)“).

Wie bereits gesagt kommt in unserem Vers „Barmherzigkeit“ nicht vor, obwohl dieses Wort viele Handschriften haben, namentlich der bedeutsame Codex Alexandrinus. Es ist schwierig, festzustellen, ob es in den Text hineingehört. Vielleicht haben die Abschreiber es versehentlich eingefügt, weil sie die Anrede der beiden anderen pastoralen Briefe so gut kannten. In jedem Fall fehlt es in vielen wichtigen Handschriften (namentlich im Codex Sinaiticus) und alten Übersetzungen der ersten Jahrhunderte sowie bei den Kirchenvätern. Wenn es dennoch in den Text gehört, ist es unklar, warum so viele es weggelassen haben. Dieses Argument wird jedoch stark abgeschwächt, denn wir lesen von Chrysostomos (†407), dass er es aus dem Grund weglässt, weil es weiterhin nur im ersten Timotheusbrief vorkäme. Das ist jedoch ein Irrtum, denn im zweiten Timotheusbrief kommt es ebenfalls vor, so dass wir uns erneut fragen, ob es vielleicht doch in unseren Vers hineingehört. Die Regel, dass es weiterhin in allen persönlichen Briefen vorkommt, die eine Anrede und einen Segenswunsch enthalten, weist in jedem Fall stark in diese Richtung.

Paulus wünscht Titus Gnade und Frieden für das praktische christliche Leben. Wir müssen das gut von der Gnade und dem Frieden unterscheiden, die wir bei unserer Errettung empfangen. Wenn es um diese Gnade geht, dann sagt Paulus, dass wir durch Gnade errettet sind mittels des Glaubens (Eph 2,5.7.8 „hat auch uns, als wir in den Vergehungen tot waren, mit dem Christus lebendig gemacht – durch Gnade seid ihr errettet –“ „(7) damit er in den kommenden Zeitaltern den überragenden Reichtum seiner Gnade in Güte an uns erwiese in Christus Jesus. (8) Denn durch die Gnade seid ihr errettet, mittels des Glaubens; und das nicht aus euch, Gottes Gabe ist es;“; vgl. Eph 1,6.7 (6) zum Preise der Herrlichkeit seiner Gnade, womit er uns begnadigt hat in dem Geliebten, (7) in dem wir die Erlösung haben durch sein Blut, die Vergebung der Vergehungen, nach dem Reichtum seiner Gnade,“) und dass wir umsonst durch Gottes Gnade gerechtfertigt werden durch die Erlösung, die in Christus Jesus ist (Röm 3,24 „und werden umsonst gerechtfertigt durch seine Gnade, durch die Erlösung, die in Christus Jesus ist;“). Das ist Gottes Gnade für Sünder. Aber es gibt auch eine Gnade Gottes des Vaters für seine Kinder: eine Gnade, an der wir keinen Mangel leiden sollen (Heb 12,15 „und achtet darauf, dass nicht jemand an der Gnade Gottes Mangel leide, dass nicht irgendeine Wurzel der Bitterkeit aufsprosse und euch beunruhige und viele durch sie verunreinigt werden;“); die wir festhalten sollen (Heb 12,28 „Deshalb, da wir ein unerschütterliches Reich empfangen, lasst uns Gnade haben, durch die wir Gott wohlgefällig dienen mögen mit Frömmigkeit und Furcht.“); die das Herz befestigt (Heb 13,9 „Lasst euch nicht fortreißen durch mancherlei und fremde Lehren; denn es ist gut, dass das Herz durch Gnade befestigt wird, nicht durch Speisen, von denen die keinen Nutzen hatten, die darin wandelten.“); eine Gnade unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus, in der wir wachsen sollen (2Pet 3,18 „Wachst aber in der Gnade und Erkenntnis unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus. Ihm sei die Herrlichkeit, sowohl jetzt als auch auf den Tag der Ewigkeit! [Amen].“). Diese Gnade ist die Wohlgesinntheit Gottes, die Er uns in Christus bewiesen hat, als wir noch Sünder waren (vgl. Tit 2,11; 3,7 (2:11) Denn die Gnade Gottes ist erschienen, heilbringend für alle Menschen,“ „(3:7) damit wir, gerechtfertigt durch seine Gnade, Erben würden nach der Hoffnung des ewigen Lebens.“), die wir aber auch jetzt schon als seine Kinder kennen und genießen dürfen und sollen. Der Gerichtsthron ist jetzt für uns zum Gnadenthron geworden (Heb 4,16 „Lasst uns nun mit Freimütigkeit hinzutreten zu dem Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zu rechtzeitiger Hilfe.“). Das Bewusstsein dieser Gnade und ihr Genuss bewirken Frieden in der Seele. Wenn wir Frieden haben, ruhen wir in der Gnade. Auch den Frieden kennen wir in zweierlei Hinsicht: Erstens haben wir den Frieden kennengelernt, als wir ohne Hoffnung und ohne Gott in der Welt waren (Eph 2,12 „dass ihr zu jener Zeit ohne Christus wart, entfremdet dem Bürgerrecht Israels, und Fremdlinge betreffs der Bündnisse der Verheißung, keine Hoffnung habend, und ohne Gott in der Welt.“). Christus hat durch das Blut seines Kreuzes Frieden gemacht, verkündigte uns, die wir fern waren, diesen Frieden und brachte uns nahe durch sein Blut (Eph 2,14.15.17 (14) Denn er ist unser Friede, der aus beiden eins gemacht und abgebrochen hat die Zwischenwand der Umzäunung, nachdem er in seinem Fleisch die Feindschaft, (15) das Gesetz der Gebote in Satzungen, weggetan hatte, damit er die zwei, Frieden stiftend, in sich selbst zu einem neuen Menschen schüfe“ „Und er kam und verkündigte Frieden, euch, den Fernen, und Frieden den Nahen.“; Kol 1,20 „und durch ihn alle Dinge mit sich zu versöhnen – indem er Frieden gemacht hat durch das Blut seines Kreuzes –, durch ihn, es seien die Dinge auf der Erde oder die Dinge in den Himmeln.“). Jetzt haben wir – auf der Grundlage des Glaubens gerechtfertigt – Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus (Röm 5,1 „Da wir nun gerechtfertigt worden sind aus Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus,“). Das Verhältnis zwischen Gott und mir als verlorenem Geschöpf ist für ewig wiederhergestellt. Aber es ist etwas anderes, ob ich auch praktischen Frieden in meinem Herzen habe und genieße; ob ich nicht nur Frieden mit Gott habe, sondern ob der Friede Gottes, der allen Verstand übersteigt, mein Herz und meine Gedanken (vgl. Fußnote zu Phil 4,7 „und der Friede Gottes, der allen Verstand übersteigt, wird eure Herzen und euren Sinn bewahren in Christus Jesus.“ in der Elberfelder Üb., CSV) in Christus Jesus bewahrt und ob der Friede des Christus in meinem Herzen regiert (Kol 3,15 „Und der Friede des Christus regiere in euren Herzen, zu dem ihr auch berufen worden seid in einem Leib; und seid dankbar.“). Es kann sein, dass ich Heilsgewissheit habe (Frieden mit Gott), aber nicht die Freude und den praktischen Frieden Gottes, der als Folge davon in meinem Herzen sein muss. Ich habe beide Arten von Frieden nötig, wie der Herr Jesus selbst gesagt hat: „Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch“ (Joh 14,27). Der erste Frieden ist der Frieden, den Er durch sein Blut bewirkt hat und der das Geschöpf mit Gott ins Reine bringt. Der zweite Frieden ist der persönliche Friede, den der Herr inmitten schrecklichster Umstände in seinem Herzen genoss. So finden wir auch in Johannes 20,10-23 zweimal „Friede euch“: das erste Mal in Verbindung mit seinem Erlösungswerk (Er zeigt seine Hände und seine Seite; Joh 20,20 „Und als er dies gesagt hatte, zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Da freuten sich die Jünger, als sie den Herrn sahen.“) und das zweite Mal in Verbindung mit dem praktischen Frieden, den die Jünger in ihrem Dienst für Gott nötig haben würden (Er sendet sie aus; Joh 20,21 „Jesus sprach nun wieder zu ihnen: Friede euch! Wie der Vater mich ausgesandt hat, sende auch ich euch.“). Und Matthäus 11 lehrt uns dasselbe, was die mit dem Frieden verwandte „Ruhe“ betrifft: zuerst die Ruhe, die wir für unser Gewissen empfangen, wenn wir mühselig und beladen zum Herrn kommen; danach die praktische Ruhe, die wir für unsere Seelen empfangen, wenn wir sein Joch aufnehmen und von Ihm lernen (Mt 11,28-30 (28) Kommt her zu mir, alle ihr Mühseligen und Beladenen, und ich werde euch Ruhe geben. (29) Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, und ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen; (30) denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.“).

Von Gott*, [dem] Vater, und von Christus Jesus, unserem Heiland

Gnade und Frieden empfangen wir von Gott, dem Vater, und von Christus Jesus, unserem Heiland. Hier ist es nicht im Allgemeinen „unser Heiland-Gott“, was die Beziehung angibt, in der Gott jetzt zu allen Menschen gekommen ist, wie wir gesehen haben. Hier geht es nicht um sein Verhältnis zu allen Menschen, sondern um seine Beziehung zu den Gläubigen. Und dann ist es: einerseits Gott, der als Vater gekannt wird, und andererseits der Sohn, der unser Heiland ist. Der Ausdruck „Christus Jesus, unserem Heiland“ kommt nur in der Anrede dieses Briefes vor, genauso wie in Titus 1,1 „Paulus, Knecht Gottes, aber Apostel Jesu Christi, nach dem Glauben der Auserwählten Gottes und nach der Erkenntnis der Wahrheit, die nach der Gottseligkeit ist,“ auch der Ausdruck „Knecht Gottes“ nur in dieser Anrede vorkommt. In den anderen Briefen finden wir stets: „Herr Jesus Christus“. Nur in den beiden Timotheusbriefen heißt es: „Christus Jesus, unserem Herrn“. Weil unsere Anrede als einzige Anrede die Bezeichnung „Heiland“ enthält, haben viele weniger bedeutsame Handschriften hier auch versehentlich „dem Herrn Jesus Christus“ eingefügt in Anlehnung an die anderen Briefe. Die Bezeichnung „Heiland“ kommt gut und gerne sechsmal im Titusbrief vor, das heißt öfter als in allen anderen Briefen. Zweimal steht sie für Gott im Allgemeinen (Tit 1,3; 2,10 (1:3) zu seiner Zeit aber hat er sein Wort offenbart durch die Predigt, die mir anvertraut worden ist nach Befehl unseres Heiland-Gottes –“ „(2:10) nichts unterschlagend, sondern alle gute Treue erweisend, damit sie die Lehre, die unseres Heiland-Gottes ist, zieren in allem.“); in unserem Vers steht sie für Christus neben Gott, dem Vater; in Titus 2,13 „indem wir erwarten die glückselige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Heilandes Jesus Christus,“ steht sie von Christus als Gott selbst; und in Titus 3,4.6 „Als aber die Güte und die Menschenliebe unseres Heiland-Gottes erschien,“ „den er reichlich über uns ausgegossen hat durch Jesus Christus, unseren Heiland,“ finden wir „unseren Heiland-Gott“ und „Jesus Christus, unseren Heiland“ nebeneinander. Es wird somit zuerst mit Christus als Mensch, neben Gott verbunden (Tit 3,6 „den er reichlich über uns ausgegossen hat durch Jesus Christus, unseren Heiland,“; vgl. Lk 2,11 „denn euch ist heute in der Stadt Davids ein Erretter geboren, welcher ist Christus, der Herr.“; Apg 5,31; 13,23 (5:31) Diesen hat Gott durch seine Rechte zum Führer und Heiland erhöht, um Israel Buße und Vergebung der Sünden zu geben.“ „(13:23) Aus dessen Geschlecht hat Gott nach Verheißung dem Israel als Erretter Jesus gebracht,“); zweitens mit Christus als Sohn neben dem Vater (Tit 1,4 „Titus, meinem echten Kind nach unserem gemeinschaftlichen Glauben: Gnade und Friede von Gott, dem Vater, und Christus Jesus, unserem Heiland!“; vgl. 1Joh 4,14 „Und wir haben gesehen und bezeugen, dass der Vater den Sohn gesandt hat als Heiland der Welt.“); drittens mit Christus als Gott selbst (Tit 2,13 „indem wir erwarten die glückselige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Heilandes Jesus Christus,“; vgl. 2Pet 1,1 „Simon Petrus, Knecht und Apostel Jesu Christi, denen, die einen gleich kostbaren Glauben mit uns empfangen haben durch die Gerechtigkeit unseres Gottes und Heilandes Jesus Christus:“); viertens mit Gott im Allgemeinen (Tit 1,3; 2,10 (1:3) zu seiner Zeit aber hat er sein Wort offenbart durch die Predigt, die mir anvertraut worden ist nach Befehl unseres Heiland-Gottes –“ „(2:10) nichts unterschlagend, sondern alle gute Treue erweisend, damit sie die Lehre, die unseres Heiland-Gottes ist, zieren in allem.“) und fünftens mit Gott selbst, neben Jesus Christus als Mensch (Tit 3,4 „Als aber die Güte und die Menschenliebe unseres Heiland-Gottes erschien,“; vgl. Lk 1,47 „und mein Geist frohlockt in Gott, meinem Heiland;“; 1Tim 1,1; 2,3-5 (1:1) Paulus, Apostel Christi Jesu, nach Befehl Gottes, unseres Heilandes, und Christi Jesu, unserer Hoffnung,“ „(2:3) [Denn] dies ist gut und angenehm vor unserem Heiland-Gott, (2:4) der will, dass alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. (2:5) Denn Gott ist einer, und einer ist Mittler zwischen Gott und Menschen, der Mensch Christus Jesus,“). Wir kommen auf die Bedeutung dieser Bezeichnung noch zurück.

(2) Die Anstellung von Ältesten zur Überführung der Widersprechenden (Tit 1,5-16)

(a) Die Eigenschaften der Ältesten oder Aufseher (Tit 1,5-9)

Tit 1,5.6: Deswegen ließ ich dich in Kreta zurück, damit du die mangelnden [Dinge] in Ordnung bringen und in jeder Stadt Älteste anstellen möchtest, wie ich dir geboten hatte: Wenn jemand unsträflich ist, Mann einer Frau, gläubige Kinder habend, [die] nicht eines ausschweifenden Lebens beschuldigt werden oder zügellos [sind].

Nach der Einleitung der ersten vier Verse kommt Paulus jetzt zum Hauptthema des Briefes. Zuerst hat er die „gesunde Lehre“ behandelt, jetzt kommt es auf ihre praktische Auswirkung im Haus Gottes an. Die Vorschriften, die der Apostel gibt, lassen sich in zwei Gruppen unterteilen: erstens (im Rest von Kapitel 1) persönliche Vorschriften für Titus selbst, die die Anstellung von Ältesten sowie die Vorgehensweise gegenüber falschen Lehrern betrifft. Danach folgen (in Kapitel 2) Ermahnungen für verschiedene Klassen Gläubiger: alte und junge, Männer und Frauen sowie Knechte.

Deswegen ließ ich dich in Kreta zurück

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, liegt der Nachdruck hier auf der Anstellung von Ältesten und im ersten Timotheusbrief auf der Bewahrung der gesunden Lehre. Sowohl Timotheus als auch Titus waren durch Paulus auf seinen Reisen an einem bestimmten Platz zurückgelassen worden, Timotheus in Ephesus (1Tim 1,3 „So wie ich dich bat, als ich nach Mazedonien reiste, in Ephesus zu bleiben, damit du einigen gebötest, nicht andere Lehren zu lehren“) und Titus auf Kreta. Beide hatten da auch bereits Aufträge von Paulus empfangen und empfingen später einen Brief, in dem diese Aufträge schriftlich bestätigt wurden. Auch mussten beide nur vorübergehend in ihrem Arbeitsgebiet bleiben. In der Überlieferung von Eusebius wird berichtet, dass Titus später nach Kreta zurückgekehrt und dort bis zu seinem Tod „Bischof“ gewesen sein soll; doch hier war – angesichts des bereits damals eingetretenen klerikalen Zustands – der Wunsch offensichtlich der Vater des Gedankens. Der zeitlich begrenzte Aufenthalt von Titus auf Kreta wird (neben Tit 3,12 „Wenn ich Artemas oder Tychikus zu dir senden werde, so befleißige dich, zu mir nach Nikopolis zu kommen, denn ich habe beschlossen, dort zu überwintern.“) auch durch das Wort „zurücklassen“ (apoleipo) ausgedrückt, das eine mehr vorübergehende Bedeutung hat als das von einigen weniger bedeutsamen Handschriften benutzte Wort kataleipo.

Damit du die mangelnden [Dinge] in Ordnung bringen … möchtest

Titus sollte „das Mangelnde“ (eigentlich: das Restliche, Übriggebliebene) in Ordnung bringen. Damit ist also gemeint, dass er die Tätigkeiten von Paulus unter den Gläubigen, mit denen dieser nicht fertig geworden war, fortsetzen und abschließen sollte. Darauf weist das Wort „in Ordnung bringen“ (epidiortheo) hin, das zusammengesetzt ist aus epi (wörtlich „auf“; hier: „zusätzlich, weiterhin“), dia (wörtlich „durch“; hier stärker: „durch und durch“) sowie orthos („richtig“). Das Verb bedeutet also: „weiterhin durch und durch richtigstellen“, wobei das Wörtchen „weiterhin“ darauf hinweist, dass Titus die Arbeit von Paulus („die restliche, übriggebliebene Arbeit“) beenden sollte. Zweitens sollte Titus in jeder Stadt Älteste anstellen. Dieser Vers ist also eine Überschrift aller Anordnungen, die Paulus gibt: Der zweite Satzteil (Anstellung von Ältesten) wird in Kapitel 1 ausgearbeitet, und den ersten Teil, die hirtendienstliche Arbeit unter den Gläubigen, finden wir in Kapitel 2.

Täglich drang die Sorge um alle Versammlungen auf Paulus ein (2Kor 11,28 „außer dem, was außergewöhnlich ist, noch das, was täglich auf mich andringt: die Sorge um alle Versammlungen.“). Die Gläubigen hatten sich erst vor kurzem bekehrt und noch so viel Belehrung und Seelsorge nötig. Diese Sorge erstreckte sich sogar bis zu den Gemeinden, die er noch nie gesehen hatte, wie die in Rom (Röm 1,11; 15,29 (1:11) Denn mich verlangt danach, euch zu sehen, damit ich euch etwas geistliche Gnadengabe mitteile, um euch zu befestigen,“ „(15:29) Ich weiß aber, dass ich, wenn ich zu euch komme, in der Fülle des Segens Christi kommen werde.“). Die jungen Gläubigen hielten oft noch an allerlei heidnischem Bösen fest, was dem Apostel große Sorgen machte. Das sehen wir zum Beispiel auch aus seinen Anordnungen für die Ältesten (Tit 1,6-9 (6) Wenn jemand untadelig ist, der Mann einer Frau, der gläubige Kinder hat, die nicht eines ausschweifenden Lebens beschuldigt werden oder zügellos sind. (7) Denn der Aufseher muss untadelig sein als Gottes Verwalter, nicht eigenmächtig, nicht zornmütig, nicht dem Wein ergeben, nicht ein Schläger, nicht schändlichem Gewinn nachgehend, (8) sondern gastfrei, das Gute liebend, besonnen, gerecht, fromm, enthaltsam, (9) anhängend dem zuverlässigen Wort nach der Lehre, damit er fähig sei, sowohl mit der gesunden Lehre zu ermahnen als auch die Widersprechenden zu überführen.“), wo wir Eigenschaften erwähnt finden, die für uns selbstverständlich sind (wie „Mann einer Frau“; „nicht dem Wein ergeben“, „nicht zornmütig“), damals aber sicherlich keine Selbstläufer waren. Wenn Paulus nicht selbst im Hirtendienst für die Gläubigen tätig sein konnte, dann konnte er einen Gesandten schicken. So sandte er Timotheus zu den Korinthern, um sie an seine Wege zu erinnern, die in Christus sind, wie er überall in jeder Versammlung lehrte (1Kor 4,17; 16,10 (4:17) Deshalb habe ich euch Timotheus gesandt, der mein geliebtes und treues Kind ist im Herrn; der wird euch an meine Wege erinnern, die in Christus sind, wie ich überall in jeder Versammlung lehre.“ „(16:10) Wenn aber Timotheus kommt, so seht zu, dass er ohne Furcht bei euch sei; denn er arbeitet am Werk des Herrn wie auch ich.“). Ebenso sandte er ihn zu den Thessalonichern, um sie hinsichtlich ihres Glaubens zu befestigen und zu trösten, damit sie in ihren Drangsalen nicht wankend würden (1Thes 3,2 „und wir sandten Timotheus, unseren Bruder und Mitarbeiter Gottes in dem Evangelium des Christus, um euch zu befestigen und zu trösten hinsichtlich eures Glaubens,“). Genauso verfuhr Paulus in Ephesus (1Tim 1,3-5 (3) So wie ich dich bat, als ich nach Mazedonien reiste, in Ephesus zu bleiben, damit du einigen gebötest, nicht andere Lehren zu lehren (4) noch sich mit Fabeln und endlosen Geschlechtsregistern abzugeben, die mehr Streitfragen hervorbringen als die Verwaltung Gottes fördern, die im Glauben ist: (5) Das Endziel des Gebotes aber ist: Liebe aus reinem Herzen und gutem Gewissen und ungeheucheltem Glauben,“) und ebenso auch Titus in Kreta. Paulus hatte gepflanzt, Titus sollte begießen (1Kor 3,6 „Ich habe gepflanzt, Apollos hat begossen, Gott aber hat das Wachstum gegeben.“).

Und in jeder Stadt Älteste anstellen möchtest, wie ich dir geboten hatte

Es ist für uns von großer Wichtigkeit, zu erkennen, dass Titus somit als ein Abgesandter, ein von Paulus Bevollmächtigter, auf Kreta war. Die Autorität, mit der er seine Arbeit auf Kreta verrichtete, war die apostolische Autorität, die ihm der Apostel für eine Zeit verliehen hatte. Allein unser Vers gibt uns hierfür bereits vier Anhaltspunkte: 

  1. Es ging um die eigene Arbeit des Apostels, die Titus abschließen sollte: Die Arbeit, die von Paulus „übriggelassenen“ war, musste er „weiterhin richtigstellen“.
  2. Die einzigen Gründe, warum Titus Älteste anstellte, bestanden für ihn darin, dass der Apostel ihn dazu auf der Insel zurückgelassen und ihm dies geboten hatte.
  3. Darüber hinaus war Paulus’ Auftrag klar umrissen und begrenzt, denn Titus sollte für eine kurze Zeit auf Kreta bleiben (vgl. Tit 3,12 „Wenn ich Artemas oder Tychikus zu dir senden werde, so befleißige dich, zu mir nach Nikopolis zu kommen, denn ich habe beschlossen, dort zu überwintern.“), die Arbeit zu Ende bringen und anschließend zurückkehren. Er sollte nicht etwa überall und zu allen Zeiten Älteste anstellen, wo er es für nötig erachtete – wir lesen zum Beispiel nicht, dass er in Korinth Älteste anstellen sollte –, sondern sein Auftrag galt nur für Kreta.
  4. Schließlich achten wir auf den letzten Satzteil von Vers 5: „wie ich dir geboten hatte“, in dem das Wörtchen „ich“ im Griechischen besonders betont wird, was die apostolische Autorität, die Titus für die Anstellung von Ältesten nötig hatte, erneut unterstreicht.

All das zeigt, dass diese Anstellung ausschließlich in der Autorität des Apostels Paulus geschah. Wenn die Kommentatoren der NBG-Übersetzung an einer Stelle bemerken, dass die Gemeinden bei dieser Anstellung ihren Teil beigesteuert haben sollen, dann ist das nicht nur aus der Luft gegriffen, sondern darüber hinaus im Widerspruch zu allen Angaben des Neuen Testaments. Wir werden dem nachgehen.

Über die Anstellung von Ältesten lesen wir im Neuen Testament in der Tat nur dreimal:

  1. In Apostelgeschichte 14,23 „Als sie ihnen aber in jeder Versammlung Älteste erwählt hatten, beteten sie mit Fasten und befahlen sie dem Herrn an, an den sie geglaubt hatten.“ lesen wir, dass Paulus und Barnabas (beides Apostel, vgl. Apg 14,4.14 „Die Menge der Stadt aber spaltete sich, und die einen waren mit den Juden, die anderen mit den Aposteln.“ „Als aber die Apostel Barnabas und Paulus es hörten, zerrissen sie ihre Kleider, sprangen hinaus unter die Volksmenge und riefen“) in den Gemeinden von Lystra, Ikonium und Antiochien Älteste erwählten.
  2. Auch in Apostelgeschichte 20,28 „Habt acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in der euch der Heilige Geist als Aufseher gesetzt hat, die Versammlung Gottes zu hüten, die er sich erworben hat durch das Blut seines Eigenen.“ sagt Paulus zu den Ältesten von Ephesus, dass der Heilige Geist sie als Aufseher in der Herde gesetzt hatte, um die Gemeinde Gottes zu hüten.
  3. Die dritte Stelle ist hier in Titus. Das Wort „anstellen“ in unserem Vers ist ein ziemlicher starker Ausdruck, wenn wir ihn mit den Worten der beiden anderen Verse vergleichen: erwählen und setzen. Das für „erwählen“ benutzte Wort hat durchaus nicht die Bedeutung von „anstellen“, wie einige Übersetzungen wollen, sondern bedeutet normalerweise in der Tat „auserwählen“ (vgl. die Verwendung desselben Wortes in Apg 10,41 „nicht dem ganzen Volk, sondern den von Gott zuvor erwählten Zeugen, uns, die wir mit ihm gegessen und getrunken haben, nachdem er aus den Toten auferstanden war.“ und 2Kor 8,19 „Aber nicht allein das, sondern er ist auch von den Versammlungen zu unserem Reisegefährten gewählt worden mit dieser Gnade, die von uns bedient wird zur Herrlichkeit des Herrn selbst und als Beweis unserer Bereitschaft;“).

Das Wort für „setzen“ (tithèmi) in Apostelgeschichte 20,28 „Habt acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in der euch der Heilige Geist als Aufseher gesetzt hat, die Versammlung Gottes zu hüten, die er sich erworben hat durch das Blut seines Eigenen.“ hat oft die Bedeutung von „in einen bestimmten Dienst setzen“ (nicht so sehr in ein Amt; vgl. z.B. Joh 15,16 „Ihr habt nicht mich auserwählt, sondern ich habe euch auserwählt und euch dazu bestimmt, dass ihr hingehet und Frucht bringet und eure Frucht bleibe, damit, um was irgend ihr den Vater bitten werdet in meinem Namen, er euch gebe.“ [die Jünger]; 1Tim 1,12 „Ich danke Christus Jesus, unserem Herrn, der mir Kraft verliehen hat, dass er mich für treu erachtet hat, indem er den in den Dienst stellte,“; 2Tim 1,11 „zu dem ich bestellt worden bin als Herold und Apostel und Lehrer [ der Nationen].“ [Paulus]; Heb 1,2 „hat er am Ende dieser Tage zu uns geredet im Sohn, den er gesetzt hat zum Erben aller Dinge, durch den er auch die Welten gemacht hat;“ [Christus]). In diesem Zusammenhang ist 1. Korinther 12,28 „Und Gott hat einige in der Versammlung gesetzt: erstens Apostel, zweitens Propheten, drittens Lehrer, dann Wunderkräfte, dann Gnadengaben der Heilungen, Hilfeleistungen, Regierungen, Arten von Sprachen.“ sehr wichtig, wo wir diesem Wort ebenfalls begegnen: „Gott hat einige in der Gemeinde gesetzt: erstens Apostel, zweitens Propheten, drittens Lehrer.“ Wir müssen gut verstehen, dass es hier nicht um Ämter geht, sondern um Gaben, die Gott gegeben hat, damit der Gemeinde gedient würde. Diese Personen dienen der Gemeinde nicht, weil sie dazu in einem bestimmten Amt angestellt wurden, sondern weil sie dazu unmittelbar vom Herrn eine Gabe empfangen haben. Nicht die Gemeinde selbst, sondern Gott hat sie in die Gemeinde gesetzt. Darum drückt es Epheser 4,11 „Und er hat die einen gegeben als Apostel und andere als Propheten und andere als Evangelisten und andere als Hirten und Lehrer,“ so aus: „Christus hat einige als Apostel gegeben, andere als Propheten und andere als Evangelisten und andere als Hirten und Lehrer.“ Es ist völlig gegen die Schrift, wenn beispielsweise vom Lehreramt gesprochen wird: Der Lehrer ist eine Gabe, die von Christus an die Gemeinde gegeben wurde. Dagegen wird man zu einem Amt von einem Apostel oder seinem bevollmächtigten Vertreter angestellt. Wir kommen noch darauf zurück – wir müssen jetzt zuerst einmal die Wörter betrachten, die sich auf die Anstellung beziehen.

Das Wort „anstellen“ in unserem Vers (kathistèmi) weist (anders als tithèmi) auf die Anstellung zu einer bestimmten Funktion oder zu einem Amt hin. So beispielsweise der Knecht, der über seine Mitknechte oder Güter „gesetzt“ wurde (z.B. Mt 24,45.47; 25,21.23 (24:45) Wer ist nun der treue und kluge Knecht, den sein Herr über sein Gesinde gesetzt hat, ihnen die Nahrung zu geben zur rechten Zeit?“ „(24:47) Wahrlich, ich sage euch, er wird ihn über seine ganze Habe setzen.“ „(25:21) Da sprach sein Herr zu ihm: Wohl, du guter und treuer Knecht! Über weniges warst du treu, über vieles werde ich dich setzen; geh ein in die Freude deines Herrn.“ „(25:23) Da sprach sein Herr zu ihm: Wohl, du guter und treuer Knecht! Über weniges warst du treu, über vieles werde ich dich setzen; geh ein in die Freude deines Herrn.“), oder das Amt des Richters (Lk 12,14 „Er aber sprach zu ihm: Mensch, wer hat mich zum Richter oder Erbteiler über euch gesetzt?“; Apg 7,27.35 „Der aber dem Nächsten unrecht tat, stieß ihn weg und sprach: „Wer hat dich zum Obersten und Richter über uns gesetzt?“ „Diesen Mose, den sie verleugneten, indem sie sagten: „Wer hat dich zum Obersten und Richter gesetzt?“, diesen hat Gott sowohl zum Obersten als auch zum Retter gesandt mit der Hand des Engels, der ihm in dem Dornbusch erschienen war.“) oder Joseph als Haupt über Ägypten und das Haus Pharaos (Apg 7,10 „und rettete ihn aus allen seinen Drangsalen und gab ihm Gunst und Weisheit vor dem Pharao, dem König von Ägypten; und er setzte ihn zum Verwalter über Ägypten und über sein ganzes Haus.“). Ebenso das Priesteramt im Alten Testament (Heb 5,1; 7,28; 8,3 (5:1) Denn jeder aus Menschen genommene Hohepriester wird für Menschen bestellt in den Sachen mit Gott, damit er sowohl Gaben als auch Schlachtopfer für Sünden darbringe;“ „(7:28) Denn das Gesetz bestellt Menschen zu Hohenpriestern, die Schwachheit haben; das Wort des Eidschwurs aber, der nach dem Gesetz gekommen ist, einen Sohn, vollendet in Ewigkeit.“ „(8:3) Denn jeder Hohepriester wird dazu bestellt, sowohl Gaben als auch Schlachtopfer darzubringen; daher ist es notwendig, dass auch dieser etwas hat, was er darbringt.“) und die „Diakone“  in Apostelgeschichte 6,3 „Seht euch nun um, Brüder, nach sieben Männern von euch, von gutem Zeugnis, voll [Heiligen] Geistes und Weisheit, die wir über diese Aufgabe bestellen wollen;“. „Anstellen“ (kathistèmi) ist von „stellen“ (histèmi; nicht tithèmi) abgeleitet, das nie „anstellen“ bedeutet wie kathistèmi und tithèmi. Deshalb dürfen wir in Apostelgeschichte 1,23 „Und sie stellten zwei dar: Joseph, genannt Barsabbas, mit dem Beinamen Justus, und Matthias.“ (wo histèmi verwendet wird) auf keinen Fall lesen: „anstellen“ oder sogar „vorstellen“ (NBG-Übersetzung), weil es das Griechische nicht zulässt und weil es außerdem eine bestimmte Wahl an Gläubigen andeutet. Die Jünger stellten nichts vor – sie „stellten“ nur die Männer „dar“, die als einzige die festgelegten Voraussetzungen für die Apostelschaft erfüllten. Nirgendwo lesen wir von einer amtlichen Anstellung durch eine Gemeinde. Zwar erwählt die Menge in Apostelgeschichte 6 sieben Männer, doch sind es die Apostel, die sie „über diese Aufgabe bestellen“ und die ihnen die Hände auflegen. Auch in 2. Korinther 8,19 „Aber nicht allein das, sondern er ist auch von den Versammlungen zu unserem Reisegefährten gewählt worden mit dieser Gnade, die von uns bedient wird zur Herrlichkeit des Herrn selbst und als Beweis unserer Bereitschaft;“ „wählt“ die Gemeinde, aber dort hat es nichts mit einem Amt zu tun. Genau wie in Apostelgeschichte 6 geht es dort um die Belange der Armen, und darin hat die Gemeinde sicher Einfluss, denn sie ist es, die die Mittel für diese Zuwendung an Arme zur Verfügung stellt. Sobald es sich jedoch um eine offizielle Anstellung handelt, kann es nur über die Apostel gehen. Und wenn es dann auch noch um ein Verwaltungsamt geht, wie es beim Aufseheramt der Fall ist, lesen wir überhaupt nichts mehr von einer Einflussnahme durch die Gemeinde, sondern dann liegt die Wahl und Anstellung ganz in den Händen der Apostel bzw. ihrer Bevollmächtigten. Natürlich muss das jederzeit unter der Leitung des Heiligen Geistes erfolgen – Paulus und Titus stellen nicht aufgrund eigener Willkür an, sondern benennen diejenigen, die durch den Heiligen Geist bereits vorher zubereitet wurden und die das auch gezeigt hatten. Es ist damit letzten Endes der Heilige Geist, der die Aufseher in der Herde setzt (Apg 20,28 „Habt acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in der euch der Heilige Geist als Aufseher gesetzt hat, die Versammlung Gottes zu hüten, die er sich erworben hat durch das Blut seines Eigenen.“). Deshalb verleiht Paulus Titus nicht nur die Autorität für die Anstellung, sondern nennt auch die Voraussetzungen, denen die potentiellen Aufseher gerecht werden mussten.

Wir müssen uns jetzt mit dem Amt selbst beschäftigen. Das Wort für „Älteste“ ist presbuteros, das wörtlich „Ältere“ bedeutend. Nach diesem Wort ist die presbyterianische Kirche benannt. Außerdem wurde davon in vielen Sprachen das Wort „Priester“ abgeleitet, ein lebendiger Beweis des Verfalls, der bereits früh in der Christenheit eintrat: Die Anzahl an Ältesten ging auf einen zurück, der der Gemeindeleiter wurde und auch die Dienste leitete (was ursprünglich absolut nichts mit dem Amt eines Ältesten zu tun hatte). Als darüber hinaus der judaistische Opferdienst (die Messe) eingeführt wurde, erhielt das lateinische Wort presbyter (das vom griechischen presbuteros abgeleitet ist) immer mehr den Inhalt, den wir heute mit dem Wort „Priester“ verbinden, nämlich jemand, der religiöse Opfertätigkeiten ausführt wie die Priester in Israel und den Nationen, aber auch die neutestamentlichen Priester im schriftgemäßen Sinne: Darbringer geistlicher Opfer (1Pet 2,5 „werdet auch ihr selbst als lebendige Steine aufgebaut, ein geistliches Haus, zu einer heiligen Priesterschaft, um darzubringen geistliche Schlachtopfer, Gott wohlangenehm durch Jesus Christus.“; Heb 13,9-15; Off 1,6; 5,10 (1:6) und uns gemacht hat zu einem Königtum, zu Priestern seinem Gott und Vater: Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.“ „(5:10) und hast sie unserem Gott zu einem Königtum und zu Priestern gemacht, und sie werden über die Erde herrschen!“). Was unser Wort „Älteste“ angeht, sei am Rande bemerkt, dass der Unterschied, der in einigen Übersetzungen zwischen „Älteste“ und „Älteren“ gemacht wird, auf keine Verschiedenheit im Grundtext zurückzuführen ist. Beiden Wörtern liegt das griechische Wort presbuteros zugrunde. Es scheint mir deshalb ungefährlicher zu sein, ausschließlich das Wort „Älteste“ als Übersetzung für presbuteros zu verwenden, auch wenn es tatsächlich von Text zu Text Bedeutungsunterschiede geben kann, wie wir noch sehen werden:

  1. Zunächst einmal begegnen wir presbuteros in seiner buchstäblichen Bedeutung „älter an Lebenszeit“ in Lukas 15,25 „Sein älterer Sohn aber war auf dem Feld; und als er kam und sich dem Haus näherte, hörte er Musik und Reigen.“; Johannes 8,9 „Als sie aber dies hörten, gingen sie einer nach dem anderen hinaus, anfangend von den Ältesten [bis zu den Letzten]; und [Jesus] wurde allein gelassen mit der Frau in der Mitte.“; Apostelgeschichte 2,17 „„Und es wird geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, dass ich von meinem Geist ausgießen werde auf alles Fleisch, und eure Söhne und eure Töchter werden weissagen, und eure Jünglinge werden Gesichte sehen, und eure alten Männer werden Träume haben.“; 1. Timotheus 5,2 „ältere Frauen als Mütter, jüngere als Schwestern, in aller Keuschheit.“. Vergleiche auch 1. Petrus 5,1.5 „Die Ältesten, die unter euch sind, ermahne ich, der Mitälteste und Zeuge der Leiden des Christus und auch Teilhaber der Herrlichkeit, die offenbart werden soll:“ „Ebenso ihr Jüngeren, ordnet euch den Älteren unter. Alle aber seid gegeneinander mit Demut fest umhüllt; denn „Gott widersteht den Hochmütigen, den Demütigen aber gibt er Gnade.““, wo es wohl um eine bestimmte Stellung in der Gemeinde geht, aber wo die wörtliche Bedeutung deutlich im Vordergrund steht, weil es als Gegenüberstellung zu „Jüngeren“ (neoteroi) gebraucht wird. In einem mehr übertragenen Sinn wird das Wort für die Vorväter Israels („die Ältesten“) verwendet (vgl. Mt 15,2 „Warum übertreten deine Jünger die Überlieferung der Ältesten? Denn sie waschen ihre Hände nicht, wenn sie Brot essen.“; Mk 7,3.5 „(Denn die Pharisäer und alle Juden essen nicht, wenn sie sich nicht mit einer Hand voll Wasser die Hände gewaschen haben, und halten so die Überlieferung der Ältesten;“ „Und die Pharisäer und die Schriftgelehrten fragen ihn: Warum wandeln deine Jünger nicht nach der Überlieferung der Ältesten, sondern essen das Brot mit unreinen Händen?“; Heb 11,2 „Denn in diesem haben die Alten Zeugnis erlangt.“). Schließlich wird presbuteros benutzt, um nicht so sehr das höhere Lebensalter selbst, wohl aber die Stellung und Verantwortung anzudeuten, die mit einer höheren Lebenszeit einhergeht. In diesem Sinn sind es diejenigen, die eine führende Aufgabe ausüben und aufgrund ihrer Weisheit und Lebenserfahrung Achtung genießen. Das sind in erster Linie die Ältesten, so wie wir sie im Alten und Neuen Testament in Israel finden (Mt 16,21; 26,47 (16:21) Von da an begann Jesus seinen Jüngern zu zeigen, dass er nach Jerusalem hingehen müsse und von den Ältesten und Hohenpriestern und Schriftgelehrten vieles leiden und getötet und am dritten Tag auferweckt werden müsse.“ „(26:47) Und während er noch redete, siehe, da kam Judas, einer der Zwölf, und mit ihm eine große Volksmenge mit Schwertern und Stöcken, ausgesandt von den Hohenpriestern und Ältesten des Volkes.“; Lk 7,3 „Als er aber von Jesus hörte, sandte er Älteste der Juden zu ihm und bat ihn, dass er komme und seinen Knecht gesund mache.“; vgl. 2Mo 24,9 „Und Mose und Aaron, Nadab und Abihu und siebzig von den Ältesten Israels stiegen hinauf;“; 5Mo 19,12 „so sollen die Ältesten seiner Stadt hinsenden und ihn von dort holen lassen und ihn in die Hand des Bluträchers ausliefern, dass er sterbe.“; Jos 8,33 „Und ganz Israel und seine Ältesten und Vorsteher und seine Richter standen an dieser und an jener Seite der Lade, den Priestern, den Leviten, gegenüber, die die Lade des Bundes des HERRN trugen, der Fremde wie der Einheimische, die eine Hälfte gegen den Berg Gerisim hin und die andere Hälfte gegen den Berg Ebal hin, wie Mose, der Knecht des HERRN, im Anfang geboten hatte, das Volk Israel zu segnen.“ etc.).
  2. Zweitens sind presbuteros die vierundzwanzig Ältesten in der Offenbarung, die eine Darstellung aller Heiligen aus dem Alten und Neuen Testament bis zur Aufnahme der Gemeinde bei der Wiederkunft des Herrn sind und die aufgrund ihrer führenden Funktion und gereiften Lebensweisheit in dieser Weise vorgestellt werden.
  3. Drittens hat presbuteros die Bedeutung, um die es uns jetzt geht: nämlich Älteste in den christlichen Gemeinden.

Wir müssen hierbei direkt darauf hinweisen, dass in dieser Bedeutung der „Älteste“ derselbe ist wie der „Aufseher“ (vgl. Tit 1,7 „Denn der Aufseher muss untadelig sein als Gottes Verwalter, nicht eigenmächtig, nicht zornmütig, nicht dem Wein ergeben, nicht ein Schläger, nicht schändlichem Gewinn nachgehend,“). Das Wort „Aufseher“ ist eine wörtliche Wiedergabe des griechischen Wortes episkopos, nach dem die episkopale Kirche benannt ist und von dem in vielen Sprachen das Wort „Bischof“ abgeleitet wurde. Auch hier haben wir einmal mehr einen direkten Beweis, wie die christliche Tradition die Schrift verdreht hat. Immerhin steht momentan der Bischof über den Priestern, weil man durch den „Episkopen“ (Bischof) zum „Presbyter“ (Priester) geweiht wird und weil der Bischof aus den Priestern gewählt und über sie gestellt wird. Im Neuen Testament ist das Amt des „Ältesten“ jedoch genau dasselbe wie das des „Aufsehers“. Das wird allein schon aus Titus 1,5-7 (5) Deswegen ließ ich dich in Kreta zurück, damit du das, was noch mangelte, in Ordnung bringen und in jeder Stadt Älteste anstellen möchtest, wie ich dir geboten hatte: (6) Wenn jemand untadelig ist, der Mann einer Frau, der gläubige Kinder hat, die nicht eines ausschweifenden Lebens beschuldigt werden oder zügellos sind. (7) Denn der Aufseher muss untadelig sein als Gottes Verwalter, nicht eigenmächtig, nicht zornmütig, nicht dem Wein ergeben, nicht ein Schläger, nicht schändlichem Gewinn nachgehend,“ deutlich: „… in jeder Stadt Älteste anzustellen …: Wenn jemand untadelig ist … Denn der Aufseher muss untadelig sein …“ (Tit 1,5-7). Titus sollte Älteste anstellen und wenn Paulus anschließend die Voraussetzungen nennt, denen die Ältesten entsprechen mussten, spricht er über „den Aufseher“. Wir haben auch in Apostelgeschichte 20 einen Beweis, wo Paulus in Milet die Ältesten von Ephesus zu sich kommen lässt und ihnen sagt, dass sie auf sich selbst und auf die ganze Herde achthaben sollten, über die sie der Heilige Geist als Aufseher gesetzt hatte (Apg 20,17.28 „Von Milet aber sandte er nach Ephesus und ließ die Ältesten der Versammlung herüberrufen.“ „Habt acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in der euch der Heilige Geist als Aufseher gesetzt hat, die Versammlung Gottes zu hüten, die er sich erworben hat durch das Blut seines Eigenen.“). Es ist folglich ein und dasselbe Amt, obwohl natürlich klar ist, dass die Schrift nicht einfach so zwei verschiedene Worte für dieselbe Sache benutzt. Das Wort „Aufseher“ kennzeichnet mehr das „Amt“ und das Wort „Älteste“ mehr den „Amtsträger“. Das Erste gibt die Art der Arbeit an: Es ist eine verwaltende, leitende Aufgabe, das Achtgeben auf die Herde und das Weiden der Gemeinde Gottes. Das Zweite typisiert die Person, die diese Aufgabe ausübt, nämlich jemand mit einer gereiften Lebenserfahrung.

In beinahe allen Fällen, in denen über Älteste und Aufseher in den Gemeinden gesprochen wird, finden wir keinen Hinweis darüber, dass sie dazu offiziell angestellt wurden. Bei den jüdischen Gemeinden ist das auch nachvollziehbar, da in Israel ein offizielles Amt von Ältesten unbekannt war. Die älteren Männer, die aufgrund ihrer Lebenserfahrung die Fähigkeit hatten, zu führen, waren von selbst „die Ältesten“, und ihre Autorität war nicht formeller, sondern moralischer Natur. In den jüdischen Gemeinden verhielt es sich genauso. Auch dort erkannten die Gläubigen von selbst die moralische Autorität  der älteren Brüder, ohne dass eine offizielle Anstellung auch nur bekannt oder im entferntesten nötig war. Mehrmals ist die Rede von den Ältesten Jerusalems (Apg 11,30; 15; 16; 21,18) und auch im allgemeinen Sinn von Ältesten unter den Gläubigen aus den Juden (Jak 5,14 „Ist jemand krank unter euch? Er rufe die Ältesten der Versammlung zu sich, und sie mögen über ihm beten und ihn mit Öl salben im Namen des Herrn.“; 1Pet 5,1.5 „Die Ältesten, die unter euch sind, ermahne ich, der Mitälteste und Zeuge der Leiden des Christus und auch Teilhaber der Herrlichkeit, die offenbart werden soll:“ „Ebenso ihr Jüngeren, ordnet euch den Älteren unter. Alle aber seid gegeneinander mit Demut fest umhüllt; denn „Gott widersteht den Hochmütigen, den Demütigen aber gibt er Gnade.““; wie bereits gesagt sieht man aus diesen letzten Versen gut, wie unter den jüdischen Gläubigen die ursprüngliche Bedeutung des Wortes „Älteste“ stärker in den Vordergrund tritt). Petrus und Johannes nennen sich selbst in ihren Briefen ebenfalls Älteste (1Pet 5,1 „Die Ältesten, die unter euch sind, ermahne ich, der Mitälteste und Zeuge der Leiden des Christus und auch Teilhaber der Herrlichkeit, die offenbart werden soll:“; 2Joh 1 „Der Älteste der auserwählten Frau und ihren Kindern, die ich liebe in der Wahrheit; und nicht ich allein, sondern auch alle, die die Wahrheit erkannt haben,“,1; 3Joh 1 „Der Älteste dem geliebten Gajus, den ich liebe in der Wahrheit.“,1). In gewisser Hinsicht besaßen die zwölf Apostel auch eine „Aufseherschaft“ (episkopè; Apg 1,20 „Denn es steht im Buch der Psalmen geschrieben: „Seine Wohnung werde öde, und es sei niemand, der darin wohne“, und: „Sein Aufseheramt empfange ein anderer.““).

Auch bei den Gemeinden aus den Nationen lesen wir ab und zu von Ältesten und Aufsehern: In Ephesus (Apg 20,17.28 „Von Milet aber sandte er nach Ephesus und ließ die Ältesten der Versammlung herüberrufen.“ „Habt acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in der euch der Heilige Geist als Aufseher gesetzt hat, die Versammlung Gottes zu hüten, die er sich erworben hat durch das Blut seines Eigenen.“; 1Tim 3,2; 5,17.19 (3:2) Der Aufseher nun muss untadelig sein, der Mann einer Frau, nüchtern, besonnen, bescheiden, gastfrei, lehrfähig;“ „(5:17) Die Ältesten, die wohl vorstehen, lass doppelter Ehre für würdig erachtet werden, besonders die, die in Wort und Lehre arbeiten.“ „(5:19) Gegen einen Ältesten nimm keine Klage an, außer bei zwei oder drei Zeugen.“), in Philippi (Phil 1,1 „Paulus und Timotheus, Knechte Christi Jesu, allen Heiligen in Christus Jesus, die in Philippi sind, mit den Aufsehern und Dienern:“), auf Kreta (Tit) sowie in Lystra, Ikonium und Antiochien (Apg 14,21-23 (21) Und als sie jener Stadt das Evangelium verkündigt und viele zu Jüngern gemacht hatten, kehrten sie nach Lystra und nach Ikonium und nach Antiochien zurück (22) und befestigten die Seelen der Jünger und ermahnten sie, im Glauben zu verharren, und dass wir durch viele Trübsale in das Reich Gottes eingehen müssen. (23) Als sie ihnen aber in jeder Versammlung Älteste erwählt hatten, beteten sie mit Fasten und befahlen sie dem Herrn an, an den sie geglaubt hatten.“). In den letzten vier Stellen lesen wir, dass die Ältesten offiziell angestellt wurden. In 1. Timotheus 3 geht das Streben nach der Aufseherschaft vom Bruder selbst aus, wobei die Voraussetzungen für die Aufseherschaft Timotheus gegeben werden, so dass er auch beurteilen musste, welche Brüder als Aufseher in Betracht kamen. Neben diesen Erwähnungen von Ältesten und Aufsehern finden wir auch in vielen Briefen Personen genannt, die Vorsteher und Führer waren, ohne dass von irgendeiner Anstellung die Rede ist. Stets geht es um die Anerkennung der moralischen Autorität, die von den älteren Brüdern ausgeht, die durch ihr Auftreten erkennen lassen, dass sie Führungsqualitäten besitzen. In Römer 12,8 „es sei, der ermahnt, in der Ermahnung; der gibt, in Einfalt; der vorsteht, mit Fleiß; der Barmherzigkeit übt, mit Freudigkeit.“ werden die, die vorstehen, ermahnt, mit Fleiß zu dienen. Die Korinther werden ermahnt, sich solchen unterzuordnen, die sich selbst den Heiligen zum Dienst verordnet haben, sowie jedem, der mitwirkt und arbeitet (1Kor 16,15.16 (15) Ich ermahne euch aber, Brüder: Ihr kennt das Haus des Stephanas, dass es der Erstling von Achaja ist und dass sie sich selbst den Heiligen zum Dienst verordnet haben – (16) dass auch ihr euch solchen unterordnet und jedem, der mitwirkt und arbeitet.“). Die Hebräer werden dazu aufgerufen, ihrer Führer zu gedenken, die das Wort Gottes zu ihnen geredet hatten. Sie sollten ihnen gehorchen und fügsam sein, weil jene über ihre Seelen wachten als solche, die Rechenschaft geben würden, damit sie es mit Freuden und nicht mit Seufzen täten, denn dies wäre ihnen nicht nützlich (Heb 13,7.17 „Gedenkt eurer Führer, die das Wort Gottes zu euch geredet haben, und, den Ausgang ihres Wandels anschauend, ahmt ihren Glauben nach.“ „Gehorcht euren Führern und seid fügsam; denn sie wachen über eure Seelen (als solche, die Rechenschaft geben werden), damit sie dies mit Freuden tun und nicht mit Seufzen; denn dies wäre euch nicht nützlich.“). In Apostelgeschichte 15,22 „Dann schien es den Aposteln und den Ältesten samt der ganzen Versammlung gut, Männer aus sich zu erwählen und sie mit Paulus und Barnabas nach Antiochien zu senden: Judas, genannt Barsabbas, und Silas, Männer, die Führer unter den Brüdern waren.“ werden auch Judas und Silas Männer genannt, die Führer unter den Brüdern waren. Die Thessalonicher sollten die erkennen, die unter ihnen arbeiteten und vorstanden im Herrn und sie zurechtwiesen, und sollten sie über die Maßen in Liebe achten um ihres Werkes willen (1Thes 5,12.13 (12) Wir bitten euch aber, Brüder, dass ihr die erkennt, die unter euch arbeiten und euch vorstehen im Herrn und euch zurechtweisen, (13) und dass ihr sie über die Maßen in Liebe achtet, um ihres Werkes willen. Seid in Frieden untereinander.“). Es ist deutlich, dass diese Brüder „Älteste“ und „Aufseher“ waren, auch wenn sie nicht so bezeichnet werden. Die genannten Schriftstellen geben uns ein Bild von der Aufgabe der Ältesten: Sie mussten die Herde Gottes weiden (Apg 20,28 „Habt acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in der euch der Heilige Geist als Aufseher gesetzt hat, die Versammlung Gottes zu hüten, die er sich erworben hat durch das Blut seines Eigenen.“; 1Pet 5,2 „Hütet die Herde Gottes, die bei euch ist, indem ihr die Aufsicht nicht aus Zwang führt, sondern freiwillig, auch nicht um schändlichen Gewinn, sondern bereitwillig,“), über die Seelen wachen (Heb 13,17 „Gehorcht euren Führern und seid fügsam; denn sie wachen über eure Seelen (als solche, die Rechenschaft geben werden), damit sie dies mit Freuden tun und nicht mit Seufzen; denn dies wäre euch nicht nützlich.“) und der Gemeinde vorstehen, sie führen und ermahnen (Röm 12,8 „es sei, der ermahnt, in der Ermahnung; der gibt, in Einfalt; der vorsteht, mit Fleiß; der Barmherzigkeit übt, mit Freudigkeit.“; 1Thes 5,12 „Wir bitten euch aber, Brüder, dass ihr die erkennt, die unter euch arbeiten und euch vorstehen im Herrn und euch zurechtweisen,“; 1Tim 5,17 „Die Ältesten, die wohl vorstehen, lass doppelter Ehre für würdig erachtet werden, besonders die, die in Wort und Lehre arbeiten.“). Es ist wohl selbstredend, dass diese Aufgabe ziemlich wenig mit den Zusammenkommen als Versammlung zu tun hat, sondern mehr mit der persönlichen hirtendienstlichen Seelsorge, dem Besuch von Familien und der Führung in Beschlüssen verwaltender Art, die die Gemeinde betreffen.

Diese Übersicht der schriftgemäßen Angaben über die Ältesten sollte unter normalen Umständen ausreichen, um ein Bild dieses Themas zu erhalten. Angesichts der großen Verwirrung, die in der Christenheit über diesen Punkt besteht – zusammen mit den ernsten Konsequenzen, die ein Missverständnis des Neuen Testaments in diesen Dingen in der Kirchengeschichte gehabt hat –, ist es vielleicht nützlich, doch noch etwas tiefer auf einzelne Fragen einzugehen und einige verkehrte Auffassungen zu widerlegen.

  1. Wer ist befugt, Älteste anzustellen?

    Wir haben gesehen, dass im Neuen Testament Älteste nur von dem Apostel Paulus (mit Barnabas) oder von Personen, die er dazu bevollmächtigte, angestellt wurden: Titus und in bestimmter Hinsicht auch Timotheus (Apg 14,23 „Als sie ihnen aber in jeder Versammlung Älteste erwählt hatten, beteten sie mit Fasten und befahlen sie dem Herrn an, an den sie geglaubt hatten.“; Tit 1,5 „Deswegen ließ ich dich in Kreta zurück, damit du das, was noch mangelte, in Ordnung bringen und in jeder Stadt Älteste anstellen möchtest, wie ich dir geboten hatte:“; 1Tim 3,1-7). Für diese Anstellung ist folglich apostolische Autorität nötig. Nirgends wird gesagt, dass die Gemeinden ihre Ältesten selbst wählten oder bei der Wahl von Ältesten durch die Apostel Verfügungsrecht hatten, und in keinem einzigen Brief an eine Gemeinde wird über die Anstellung von Ältesten gesprochen. Die Gemeinden sind deshalb absolut nicht berechtigt, Älteste anzustellen. Wenn das wohl der Fall gewesen wäre, hätte Paulus nicht an Titus, sondern an die Gemeinden auf Kreta schreiben müssen und auch nicht an Timotheus, sondern an die Gemeinde in Ephesus. Wir haben gesehen, dass in verschiedenen Briefen über Brüder gesprochen wird, die in der Gemeinde führten und über die Seelen wachten, aber dabei wird nicht über eine Anstellung gesprochen, sondern ausschließlich über moralische Autorität (aufgrund von Wandel und Glaube, Heb 13,7 „Gedenkt eurer Führer, die das Wort Gottes zu euch geredet haben, und, den Ausgang ihres Wandels anschauend, ahmt ihren Glauben nach.“), die durch die anderen erkannt werden sollte. Sie sollten ihre Führer nicht wählen, sondern die erkennen, die der Heilige Geist über sie setzte (Apg 20,28 „Habt acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in der euch der Heilige Geist als Aufseher gesetzt hat, die Versammlung Gottes zu hüten, die er sich erworben hat durch das Blut seines Eigenen.“). Es ist in der Schrift undenkbar, dass eine Gruppe Menschen von Gottes Seite her die Befugnis haben würde, selbst die Personen zu wählen, die sie führen sollten. Jede Form von Demokratie ist gegen die Schrift. Allein die Apostel bzw. diejenigen, die von ihnen dazu einen strikten Auftrag empfingen, waren berechtigt, das Amt zu verleihen. Wir haben zwar gesehen, dass in einigen anderen Fällen die Gemeinde bei der Wahl bestimmter Diener wohl Einfluss hatte (Apg 6,5 „Und die Rede gefiel der ganzen Menge; und sie erwählten Stephanus, einen Mann voll Glaubens und Heiligen Geistes, und Philippus und Prochorus und Nikanor und Timon und Parmenas und Nikolaus, einen Proselyten aus Antiochien,“; 2Kor 8,19 „Aber nicht allein das, sondern er ist auch von den Versammlungen zu unserem Reisegefährten gewählt worden mit dieser Gnade, die von uns bedient wird zur Herrlichkeit des Herrn selbst und als Beweis unserer Bereitschaft;“), allerdings geht es dort nie darum, zu führen und vorzustehen, sondern es geht um die materiellen Bedürfnisse in der Gemeinde. Und selbst in diesen Fällen war die apostolische Zustimmung nötig (Apg 6,3.6 „Seht euch nun um, Brüder, nach sieben Männern von euch, von gutem Zeugnis, voll [Heiligen] Geistes und Weisheit, die wir über diese Aufgabe bestellen wollen;“ „die sie vor die Apostel stellten; und als sie gebetet hatten, legten sie ihnen die Hände auf.“). Wenn es dagegen um das Vorstehen geht, ist jede Demokratie ausgeschlossen.

    Wenn sich die Gemeinde doch die Berechtigung zuspricht, Älteste anzustellen, dann beansprucht sie etwas, was nur den Aposteln vorbehalten war. Man tut dann genau dasselbe wie der Papst, der für sich das beansprucht, was ausschließlich Petrus anvertraut war. Wenn ein Bürgermeister seinen politischen Kommissaren den Auftrag gibt, Agenten anzustellen, haben die Bürger dadurch plötzlich auch das Recht bekommen, Agenten anzustellen, einfach nur deshalb, weil der Bürgermeister seinen Kommissaren geschrieben hat? Die Gemeinde besitzt keine Berechtigung, anzustellen. Man sagt vielleicht, dass es ihr auch nicht verboten sei. Aber das zeigt die Gesinnung des Herzens. Stellt euch vor, die Gemeinde könnte alles tun, was ihr nicht verboten wäre. Welche Handhabe gibt es dann gegen die Einführung allen römischen Bilderdienstes, des Messopfers, des Papsttums, des Ablasses, der Hierarchie, des Altars etc.? Nein, der Gläubige fragt nicht, wie weit er gehen kann, ohne Gottes Verbote zu übertreten, sondern er fragt nach dem, was Gott ihm geboten hat. Und wenn ein anderer meint, dass es doch wohl von Bedeutung ist, dass die Gemeinden in den ersten Jahrhunderten wohl ihre Ältesten anstellten, dann frage ich, warum wir dann die römische Kirche überhaupt verlassen haben?  Denn das ist die Fortsetzung der ältesten christlichen Kirche. Es wäre schön gewesen, wenn die Reformatoren auch diesen römischen Sauerteig, den Klerikalismus (das am wenigstens schwerwiegend aussieht und das Fleisch am meisten anspricht), über Bord geworfen hätten. Der Grundsatz muss deutlich sein: Wenn es um die Leitung geht, ist alles von oben und nicht aus dem Menschen. Christus ist Sohn über sein Haus (Heb 3,6 „Christus aber als Sohn über sein Haus, dessen Haus wir sind, wenn wir nämlich die Freimütigkeit und den Ruhm der Hoffnung [bis zum Ende standhaft] festhalten.“) und der Heilige Geist wohnt in diesem Haus (1Kor 3,16 „Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?“; Eph 2,22 „in dem auch ihr mitaufgebaut werdet zu einer Behausung Gottes im Geist.“). Christus stellt die zwölf Apostel an; Er berief den Apostel Paulus; dieser bevollmächtigte Titus und Timotheus, und nur diese Personen stellten Älteste an. 

  2. Sind heute also keine Ältesten mehr nötig?

    Das hängt davon ab, wie man es meint. Sicherlich hat die Gemeinde auch heute Männer nötig, die durch ihre Lebenserfahrung und geistliche Gesinnung imstande sind, die örtlichen Gemeinden zu weiden. Aber sie tun das aufgrund ihrer moralischen Autorität, und es gibt keine Gründe, warum sie offiziell als Aufseher angestellt werden müssten – abgesehen von der Frage, wie das dann ablaufen müsste. Auch zur Zeit des Neuen Testaments gab es in den Gemeinden solche Männer, ohne dass von einer Anstellung irgendeine Rede wäre. Tatsächlich wird nur zweimal von Anstellung gesprochen (Apg 14,23 „Als sie ihnen aber in jeder Versammlung Älteste erwählt hatten, beteten sie mit Fasten und befahlen sie dem Herrn an, an den sie geglaubt hatten.“; Tit 1,5 „Deswegen ließ ich dich in Kreta zurück, damit du das, was noch mangelte, in Ordnung bringen und in jeder Stadt Älteste anstellen möchtest, wie ich dir geboten hatte:“). In den meisten Fällen bestand keine formelle, sondern allein eine moralische Autorität. Meistens reichte das aus. In einzelnen Fällen war jedoch eine offizielle Anstellung offensichtlich sinnvoll, weil es den Ältesten im Hinblick auf eindringendes Böse zusätzliche Autorität verlieh. Gerade unser Kapitel zeigt das recht deutlich (Tit 1,9-16).

    In unserer Zeit ist diese zusätzliche Autorität nicht mehr nötig, weil wir jetzt ein Autoritätsorgan haben, das dafür Vorsorge trifft, nämlich das vollendete Neue Testament. In der Anfangszeit gab es die schriftlich niedergelegten Worte der Apostel zur Unterweisung und Überführung noch nicht (2Tim 3,16 „Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit,“), so dass die Apostel damals ihre Autorität noch zur Geltung bringen konnten, indem sie selbst Älteste anstellten. Nach dem Abscheiden der Apostel wurden die Gemeinden dem Wort Gottes übergeben, wie Paulus deutlich an die Philipper schreibt (Phil 2,12.13 (12) Daher, meine Geliebten, wie ihr allezeit gehorsam gewesen seid, nicht allein als in meiner Anwesenheit, sondern jetzt viel mehr in meiner Abwesenheit, bewirkt euer eigenes Heil mit Furcht und Zittern; (13) denn Gott ist es, der in euch wirkt sowohl das Wollen als auch das Wirken, zu seinem Wohlgefallen.“) und den Ältesten von Ephesus sagt (Apg 20,26-32). Auch Petrus und Johannes geben bei ihrem Abschied keine Anordnungen in Bezug auf ihre Nachfolge, sondern weisen nur auf das Wort Gottes hin (2Pet 1,12.15; 3,1.2 (1:12) Deshalb will ich Sorge tragen, euch immer an diese Dinge zu erinnern, obwohl ihr sie wisst und in der gegenwärtigen Wahrheit befestigt seid.“ „(1:15) Ich will mich aber befleißigen, dass ihr auch zu jeder Zeit nach meinem Abschied imstande seid, euch diese Dinge ins Gedächtnis zu rufen.“ „(3:1) Diesen zweiten Brief, Geliebte, schreibe ich euch bereits, in welchen beiden ich durch Erinnerung eure lautere Gesinnung aufwecke, (3:2) damit ihr euch erinnert an die von den heiligen Propheten zuvor gesprochenen Worte und an das Gebot des Herrn und Heilandes durch eure Apostel;“; 1Joh 2,21.24.27 „Ich habe euch nicht geschrieben, weil ihr die Wahrheit nicht wisst, sondern weil ihr sie wisst, und dass keine Lüge aus der Wahrheit ist.“ „Ihr, was ihr von Anfang an gehört habt, bleibe in euch. Wenn in euch bleibt, was ihr von Anfang an gehört habt, so werdet auch ihr in dem Sohn und in dem Vater bleiben.“ „Und ihr, die Salbung, die ihr von ihm empfangen habt, bleibt in euch, und ihr habt nicht nötig, dass euch jemand belehrt, sondern wie dieselbe Salbung euch über alles belehrt und wahr ist und keine Lüge ist und wie sie euch belehrt hat, so bleibt in ihm.“). Ebenso wie wir heute keine Apostel mehr haben, haben wir auch keine offizielle Anstellung von Ältesten mehr nötig. Es gibt keinen einzigen Bruder mehr, der sich anmaßen könnte, Apostel zu sein, denn die Apostel mussten den Herrn gesehen haben (1Kor 9,1 „Bin ich nicht frei? Bin ich nicht ein Apostel? Habe ich nicht Jesus, unseren Herrn, gesehen? Seid nicht ihr mein Werk im Herrn?“); ihr Dienst ging mit Zeichen, Wundern und mächtigen Taten einher (2Kor 12,12 „Die Zeichen des Apostels sind ja unter euch vollbracht worden in allem Ausharren, in Zeichen und Wundern und mächtigen Taten.“), und mit den neutestamentlichen Propheten (wie Markus und Lukas) legten sie das Fundament (Eph 2,20 „aufgebaut auf der Grundlage der Apostel und Propheten, indem Christus Jesus selbst Eckstein ist,“), wobei deutlich ist, dass das Fundament nur einmal, zu Beginn, gelegt zu werden brauchte. Deshalb gibt es keine Apostel und auch keine offiziellen Aufseher mehr, wobei wir den Dienst der Apostel in den Worten des Neuen Testaments noch immer bei uns haben, ebenso wie wir glücklicherweise noch immer Brüder haben, die den Dienst von Ältesten ausüben.

    Dazu kommt noch, dass die Anfangszeit der Gemeinde zugleich eine Übergangszeit vom Äußerlichen (Judaistischen) zum Innerlichen (Christlichen) war und damit auch vom Formellen, Amtlichen zum Moralischen, Sittlichen. Aber es gibt noch etwas! Selbst wenn es heute noch Apostel gäbe, die die Vollmacht hätten, Älteste anzustellen, wo würden sie es heute tun? Die Ältesten der Stadt X haben Autorität über die ganze Gemeinde der Stadt X, aber wo ist die Gemeinde aufzufinden? Sie ist über viele „Kirchen“ und Sekten verteilt. Die Ältesten von Ephesus waren zu Aufsehern über die ganze Herde von Ephesus gesetzt (Apg 20,28 „Habt acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in der euch der Heilige Geist als Aufseher gesetzt hat, die Versammlung Gottes zu hüten, die er sich erworben hat durch das Blut seines Eigenen.“), aber später gab es durch die Entzweiung keinen einzigen Ort mehr, wo die ganze Gemeinde gemeinsam zusammenkam. Wenn man jetzt also Älteste anstellen würde, würde man sie höchstens über eine Sekte setzen können – und gemäß der Grundbedeutung dieses Wortes (vgl. den Kommentar zu Tit 3,10.11 (10) Einen sektiererischen Menschen weise ab nach einer ein- und zweimaligen Zurechtweisung, (11) da du weißt, dass ein solcher verkehrt ist und sündigt, wobei er durch sich selbst verurteilt ist.“) ist jede „Kirche“ außerhalb der römischen Kirche eine Sekte, die jedoch genauso wenig „Bischöfe“ anstellen kann (abgesehen davon, dass sie keine Berechtigung dazu hat), weil sie nicht die vollzählige christliche Kirche ist. 

  3. Welche Gaben haben die Ältesten nötig?

    Das ist eine wichtige Frage, weil sie uns zum Unterschied führt zwischen den biblischen Ämtern und dem, was im Neuen Testament „Gaben“ genannt wird. Wir haben gesehen, dass Epheser 4 sagt, dass Christus der Gemeinde Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrer „gegeben“ hat. Diese Personen sind der Gemeinde als „Gaben“ zur Vollendung der Heiligen, für das Werk des Dienstes, für die Auferbauung des Leibes des Christus gegeben worden (Eph 4,8.11.12 „Darum sagt er: „Hinaufgestiegen in die Höhe, hat er die Gefangenschaft gefangen geführt [und] den Menschen Gaben gegeben.““ „(11) Und er hat die einen gegeben als Apostel und andere als Propheten und andere als Evangelisten und andere als Hirten und Lehrer, (12) zur Vollendung der Heiligen, für das Werk des Dienstes, für die Auferbauung des Leibes des Christus,“). In 1. Korinther 12 lesen wir, dass Gott sie in der Gemeinde „gesetzt“ hat (nicht angestellt). Aber diese Gaben, die Christus gibt, außerhalb des Menschen, haben nichts mit den Ämtern zu tun, die nicht zur Auferbauung des Leibes Christi dienen, sondern zur Verwaltung des Hauses Gottes. Die große Verwirrung ist in der Christenheit genau dadurch entstanden, weil man diesen Unterschied zwischen Gaben und Ämtern nicht mehr gesehen hat. Es ist direkt gegen die Schrift, von Ämtern eines Propheten oder Lehrers zu sprechen oder von der Gabe des Aufsehers. Man spricht doch auch nicht von dem Amt des Kunstmalers oder der Gabe des Bezirksrichters?Natürlich mussten die Ältesten eine Anzahl von wichtigen Qualitätsmerkmalen besitzen, die aber nichts mit „Gaben“ im schriftgemäßen Sinn zu tun haben, sondern äußerlich und sittlich sind (vgl. 1Tim 3,1-7; Tit 1,5-9 (5) Deswegen ließ ich dich in Kreta zurück, damit du das, was noch mangelte, in Ordnung bringen und in jeder Stadt Älteste anstellen möchtest, wie ich dir geboten hatte: (6) Wenn jemand untadelig ist, der Mann einer Frau, der gläubige Kinder hat, die nicht eines ausschweifenden Lebens beschuldigt werden oder zügellos sind. (7) Denn der Aufseher muss untadelig sein als Gottes Verwalter, nicht eigenmächtig, nicht zornmütig, nicht dem Wein ergeben, nicht ein Schläger, nicht schändlichem Gewinn nachgehend, (8) sondern gastfrei, das Gute liebend, besonnen, gerecht, fromm, enthaltsam, (9) anhängend dem zuverlässigen Wort nach der Lehre, damit er fähig sei, sowohl mit der gesunden Lehre zu ermahnen als auch die Widersprechenden zu überführen.“): Sie beziehen sich auf die Familie, Lebensführung und Erfahrung des Betreffenden. Für das Amt war jedoch keine Gabe nötig, obwohl es natürlich möglich war, dass ein Aufseher gleichzeitig die Gabe eines Lehrers hatte, was aber unabhängig voneinander war. Das geht deutlich aus 1. Timotheus 5,17 „Die Ältesten, die wohl vorstehen, lass doppelter Ehre für würdig erachtet werden, besonders die, die in Wort und Lehre arbeiten.“ hervor: „Die Ältesten, die wohl vorstehen, lass doppelter Ehre für würdig erachtet werden, besonders die, die in Wort und Lehre arbeiten.“ Es gab demnach Älteste, die wohl vorstanden, aber nicht in Wort und Lehre arbeiteten, einfach deshalb, weil sie dafür keine Gabe besaßen. Diese Gabe hatte also mit ihrem Amt nichts zu tun. Das ergibt sich auch dadurch, dass es viele andere geben konnte, die lehrten, während sie ganz und gar keine Aufseher waren. 1. Timotheus 2,11 „Eine Frau lerne in der Stille in aller Unterordnung.“ schließt nur die Frauen vom Lehren aus, so dass alle Männer, ob Aufseher oder nicht, lehren konnten (insofern sie dafür natürlich eine Gabe hatten). Bei Paulus und Apollos sehen wir das beispielsweise auch: Sie lehrten in den Gemeinden, waren aber an keinem einzigen Ort Aufseher (abgesehen von der apostolischen Autorität, die Paulus über alle Gemeinden hatte).

    Wir lesen zwar in 1. Timotheus 3,2 „Der Aufseher nun muss untadelig sein, der Mann einer Frau, nüchtern, besonnen, bescheiden, gastfrei, lehrfähig;“ und Titus 1,9 „anhängend dem zuverlässigen Wort nach der Lehre, damit er fähig sei, sowohl mit der gesunden Lehre zu ermahnen als auch die Widersprechenden zu überführen.“, dass die Aufseher lehrfähig und in der Lage sein sollten, zu ermahnen. Aber hier geht es nicht um die Gabe des Lehrers, der dazu fähig ist, in den Zusammenkünften der Gemeinde das Wort Gottes auszulegen; denn was hat die Auslegung des Wortes mit dem Vorstehen der Gemeinde zu tun? Wenig. Die Ältesten mussten die Fähigkeit haben, um zum Zweck ihres Vorsteherdienstes zu lehren, das heißt, dass sie selbst das Wort Gottes angenommen und befolgt hatten und jetzt durch ihre Lebenserfahrung imstande sein sollten, auch anderen dieses Wort als Lebensregel vorzustellen. Sie erhielten nicht den Auftrag, zu lehren (so wie ein Lehrer ihn von Christus empfängt, um in der Gemeinde zu lehren), sondern wenn sie mit dem Wort ermahnen konnten, war das eine förderliche Eigenschaft für ihre Aufgabe als Vorsteher. Diesen Unterschied sehen wir auch bei Stephanus und Philippus. Die Gemeinde und die Apostel stellten sie als Diakone ein – also in ein Amt –, aber Christus hatte eine höhere Aufgabe für sie, die völlig außerhalb des Amtes und noch viel mehr außerhalb jeder menschlichen Einwirkung (selbst von Aposteln) lag: nämlich zu predigen. Philippus wird ein Evangelist genannt (Apg 21,8 „Am folgenden Tag aber zogen wir fort und kamen nach Cäsarea; und wir gingen in das Haus des Philippus, des Evangelisten, der einer von den Sieben war, und blieben bei ihm.“) – und das ist eine Gabe.

Wir sehen also, dass es wichtige, fundamentale Unterschiede zwischen Gaben und Ämtern gibt, die wir wie folgt zusammenfassen können:

  1. Die Gaben dienen der Auferbauung des Leibes Christi und haben damit eine organische Funktion (Röm 12,5-8 (5) so sind wir, die Vielen, ein Leib in Christus, einzeln aber Glieder voneinander. (6) Da wir aber verschiedene Gnadengaben haben, nach der uns verliehenen Gnade: es sei Weissagung, so lasst uns weissagen nach dem Maß des Glaubens; (7) es sei Dienst, so lasst uns bleiben im Dienst; es sei, der lehrt, in der Lehre; (8) es sei, der ermahnt, in der Ermahnung; der gibt, in Einfalt; der vorsteht, mit Fleiß; der Barmherzigkeit übt, mit Freudigkeit.“; 1Kor 12,4-31; Eph 4,7-16). Die Ämter dienen der Verwaltung des Hauses Gottes und haben daher eine organisatorische Funktion (1Tim 3,1-15).
  2. Jemand hat eine Gabe einzig und allein aufgrund der Tatsache, dass Christus sie ihm gegeben hat, das heißt ohne menschliche Einwirkung. (Wer machte Markus und Lukas zu Propheten? Wer machte die Zwölfe und Paulus zu Aposteln? Wer machte Philippus zum Evangelisten?) Dagegen hat jemand ein Amt durch die Anstellung oder Sanktionierung der Apostel oder ihrer Bevollmächtigten.
  3. Die Gaben sind universell, das heißt, sie sind der ganzen Gemeinde gegeben und nicht einer örtlichen Gemeinde. Paulus war Lehrer der Nationen (2Tim 1,11 „zu dem ich bestellt worden bin als Herold und Apostel und Lehrer [ der Nationen].“) und lehrte in allen Gemeinden. Lehrer und Hirten können ihre Gabe in jeder Gemeinde ausüben, je nachdem wie der Herr es führt. Dagegen ist das Amt nur für die örtliche Gemeinde. Man ist nur Ältester oder Diakon von Ephesus, Philippi oder welcher Gemeinde auch immer,  aber niemals darüber hinaus. Wir lesen jedoch nie, dass jemand Lehrer einer bestimmten Gemeinde war.
  4. Die Gaben würde es so lange geben, wie die Gemeinde auf der Erde ist. Denn sie bestehen, bis die Gemeinde zu dem Maß des vollen Wuchses der Fülle des Christus gekommen ist (Eph 4,13 „bis wir alle hingelangen zu der Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, zu dem erwachsenen Mann, zu dem Maß des vollen Wuchses der Fülle des Christus;“), und dieser Zustand wird auf der Erde nie erreicht. Bis zum Ende haben wir den Dienst (nicht mehr die Personen!) der Apostel und neutestamentlichen Propheten in den Schriften des Neuen Testaments, und bis zum Ende wird es Evangelisten, Hirten und Lehrer zur Auferbauung des Leibes geben. Dagegen bestand das offizielle Amt nur in der Anfangszeit, als es noch Apostel gab, die anstellten, und als das Wort Gottes noch nicht vollständig offenbart war. Doch hat Gott bis heute für Brüder gesorgt, die die Aufgaben von Aufsehern und Diakonen ausüben können.
  5. Wenn über den Verfall der Gemeinde im Neuen Testament gesprochen wird, dann steht das nicht in Verbindung mit der Gemeinde als dem Leib Christi, sondern mit dem Haus Gottes (1Pet 4,17 „Denn die Zeit ist gekommen, dass das Gericht anfange bei dem Haus Gottes; wenn aber zuerst bei uns, was wird das Ende derer sein, die dem Evangelium Gottes nicht gehorchen!“; vgl. 1Tim 3,15 „wenn ich aber zögere, damit du weißt, wie man sich verhalten soll im Haus Gottes, das die Versammlung des lebendigen Gottes ist, der Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit.“ und 2Tim 2,20.21 (20) In einem großen Haus aber sind nicht allein goldene und silberne Gefäße, sondern auch hölzerne und irdene, und die einen zur Ehre, die anderen aber zur Unehre. (21) Wenn nun jemand sich von diesen reinigt, so wird er ein Gefäß zur Ehre sein, geheiligt, nützlich dem Hausherrn, zu jedem guten Werk bereitet.“). Der Leib spricht von der organischen Einheit der Gläubigen in Christus, wogegen das Haus von dem äußerlichen christlichen Zeugnis auf der Erde spricht. Im Letzteren ist Verfall möglich. Darin kann es sowohl Gefäße zur Ehre als auch zur Unehre geben. Die Gaben stehen mit der Gemeinde als dem Leib Christi in Verbindung, die Ämter dagegen mit dem Haus Gottes und haben deshalb auch Bezug zum Verfall der Gemeinde. In der Anfangszeit trug die Anstellung ins Amt dazu bei, dem Bösen in der Gemeinde entgegenzutreten, als der Verfall Einlass fand: Die ersten Diakone wurden anlässlich des Murrens der griechischsprechenden Juden in der Gemeinde angestellt, und die Aufseher auf Kreta wurden vor allem angestellt, um die vielen Widersprechenden zu überführen. Später entstand die umgekehrte Situation: Hier gab Gott das Amt nicht länger (nach dem Abscheiden der Apostel und der Ältesten gab es keine von Gott sanktionierten Ältesten mehr), und zwar ebenfalls aus dem Grund, dem Bösen entgegenzutreten, allerdings jetzt dem klerikalen Bösen: Gott wollte nicht zulassen, dass der Mensch sich auf das Amt etwas einbildete und sich über seine Brüder erhob und seine Autorität über das inzwischen vollendete Neue Testament stellte.

Aber es nützte nichts. Als Gott keine Ältesten mehr gab, begannen die Gemeinden, selbst ihre Ältesten anzustellen, obwohl die Schrift ihnen dafür keinerlei Berechtigung gab. Das war der erste Fehler. Der zweite Fehler entstand, als man den Unterschied zwischen Gaben und Ämtern aus den Augen verlor und die Aufseher nach und nach mit den Hirten und Lehrern gleichsetzte. Dann kam der dritte Fehler: Die Anzahl der Aufseher in einer Gemeinde ging allmählich auf einen Aufseher zurück (oder man erhob einen Aufseher als Primus inter Pares [„Erster unter Gleichen“]), der gleichzeitig der eine Lehrer war; anschließend war die Verwirrung perfekt. Laut Eusebius (Kirchengeschichte, Teil 3) war Ignatius bereits im Jahr 70 Bischof von Antiochien, nach Petrus und Euodius. Von einem Heiligen Geist, der benutzt, wen Er will, gab es nur noch eine geringe Vorstellung. Von einem Christus, der allein die Gaben ohne menschliche Einwirkung gab und der ausschließlich durch seine Apostel das Amt verlieh, wusste man nichts mehr. Zudem: Wo spricht die Schrift von einem Aufseher in einer Gemeinde? An keiner Stelle! Immer wird in der Mehrzahl gesprochen, sei es in Jerusalem, Ephesus, Philippi, den Städten Kleinasiens oder den Städten Kretas. Die Entstehung der Geistlichkeit und des Laientums in der Gemeinde ist das Werk des Menschen, des Fleisches. Es ist durch den Judaismus inspiriert und sozusagen über den christlichen Leisten geschlagen worden. Aber Gott hat kein Teil daran. Wie kommt es nur, dass so wenige Christen das einsehen? Nicht deshalb, weil so wenige noch bereit sind, sich dem Wort Gottes völlig zu unterwerfen und sich alleine durch dieses Wort leiten zu lassen?

Zum Abschluss noch eine kurze Bemerkung über den Unterschied zwischen der Gabe des Hirten und dem Ältestenamt. Beide liegen dicht bei einander (die Ältesten sollten die Herde Gottes weiden, Apg 20,28 „Habt acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in der euch der Heilige Geist als Aufseher gesetzt hat, die Versammlung Gottes zu hüten, die er sich erworben hat durch das Blut seines Eigenen.“; 1Pet 5,2 „Hütet die Herde Gottes, die bei euch ist, indem ihr die Aufsicht nicht aus Zwang führt, sondern freiwillig, auch nicht um schändlichen Gewinn, sondern bereitwillig,“), und doch wäre es undifferenziert, sie synonym zu verwenden bzw. zu sagen, dass der Älteste die Gabe des Hirten haben müsste. Selbst diejenigen, die den Unterschied zwischen Gaben und Ämtern wohl kennen, verwechseln oft Hirten und Älteste. Der Unterschied liegt in dem Unterschied zwischen Gaben und Ämtern selbst. Die Ältesten sollten die Herde weiden, die bei ihnen war (1Pet 5,2 „Hütet die Herde Gottes, die bei euch ist, indem ihr die Aufsicht nicht aus Zwang führt, sondern freiwillig, auch nicht um schändlichen Gewinn, sondern bereitwillig,“), was ganz klar örtlich ist. Dagegen sind die Hirten der ganzen Gemeinde gegeben (Eph 4,11 „Und er hat die einen gegeben als Apostel und andere als Propheten und andere als Evangelisten und andere als Hirten und Lehrer,“), und ihr Hirtendienst erstreckt sich hin zu allen Gläubigen, das heißt zu allen, zu denen der Herr ihren Dienst lenkt. Diese umfassende Fürsorge kommt vor allem in hirtendienstlichen Schriften zum Ausdruck, die wir von ihnen besitzen. Die Ältesten tragen als Älteste allein örtliche Verantwortung. Petrus war ein Hirte, der die Schafe und Lämmer (im Allgemeinen) weiden sollte (Joh 21,15-17 (15) Als sie nun gefrühstückt hatten, spricht Jesus zu Simon Petrus: Simon, Sohn Jonas, liebst du mich mehr als diese? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe. Er spricht zu ihm: Weide meine Lämmer! (16) Wieder spricht er zum zweiten Mal zu ihm: Simon, Sohn Jonas, liebst du mich? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe. Er spricht zu ihm: Hüte meine Schafe! (17) Er spricht zum dritten Mal zu ihm: Simon, Sohn Jonas, hast du mich lieb? Petrus wurde traurig, dass er zum dritten Mal zu ihm sagte: Hast du mich lieb?, und spricht zu ihm: Herr, du weißt alles; du erkennst, dass ich dich lieb habe. Jesus spricht zu ihm: Weide meine Schafe!“). Es scheint mir, dass die Aufgabe des Hirten mehr seelsorgerlich und die des Aufsehers mehr leitend war. Aber es liegt nahe beieinander, denn Christus ist sowohl Hirte als auch Aufseher der Seelen (1Pet 2,25 „Denn ihr gingt in der Irre wie Schafe, aber ihr seid jetzt zurückgekehrt zu dem Hirten und Aufseher eurer Seelen.“), und wenn Petrus, der Hirte war, sich an die Ältesten richtet, nennt er sich selbst den Mitältesten und Christus den Erzhirten (1Pet 5,1-4 (1) Die Ältesten, die unter euch sind, ermahne ich, der Mitälteste und Zeuge der Leiden des Christus und auch Teilhaber der Herrlichkeit, die offenbart werden soll: (2) Hütet die Herde Gottes, die bei euch ist, indem ihr die Aufsicht nicht aus Zwang führt, sondern freiwillig, auch nicht um schändlichen Gewinn, sondern bereitwillig, (3) und nicht als solche, die über ihre Besitztümer herrschen, sondern die Vorbilder der Herde sind. (4) Und wenn der Erzhirte offenbar geworden ist, so werdet ihr die unverwelkliche Krone der Herrlichkeit empfangen.“).

Wenn jemand unsträflich ist

Wir kommen jetzt zu den Eigenschaften, denen die potentiellen Aufseher entsprechen sollten. Wir werden die verschiedenen Fähigkeiten kurz unter die Lupe nehmen. Titus 1,6 „Wenn jemand untadelig ist, der Mann einer Frau, der gläubige Kinder hat, die nicht eines ausschweifenden Lebens beschuldigt werden oder zügellos sind.“ beschreibt, wie die Familie des Ältesten sein sollte; Titus 1,7 „Denn der Aufseher muss untadelig sein als Gottes Verwalter, nicht eigenmächtig, nicht zornmütig, nicht dem Wein ergeben, nicht ein Schläger, nicht schändlichem Gewinn nachgehend,“ nennt die Eigenschaften, die der Älteste nicht aufweisen sollte; und Titus 1,8 und 9 (8) sondern gastfrei, das Gute liebend, besonnen, gerecht, fromm, enthaltsam, (9) anhängend dem zuverlässigen Wort nach der Lehre, damit er fähig sei, sowohl mit der gesunden Lehre zu ermahnen als auch die Widersprechenden zu überführen.“ nennen sieben positive Qualitäten. Die erste Voraussetzung war, dass der Älteste unsträflich sein sollte, das heißt jemand, der „nicht zu strafen ist“, dem nichts angehängt werden kann. Wörtlich bedeutet das Wort „nicht-hereingerufen“. Es ist von einem Tätigkeitswort abgeleitet, das buchstäblich „hereinrufen“ bedeutet und den Sinn von „jemand vor Gericht bringen“ hat. Das Wort wird übersetzt mit „beschuldigen“, „anklagen“, „Anklage erheben gegen“, „verklagen“ (Apg 19,38; 23,28.29; 26,2.7; Röm 8,33 „Wer wird gegen Gottes Auserwählte Anklage erheben? Gott ist es, der rechtfertigt;“). Das Wort „unsträflich“ wird in 1. Timotheus 3,8 „Die Diener ebenso, würdig, nicht doppelzüngig, nicht vielem Wein ergeben, nicht schändlichem Gewinn nachgehend,“ für die Diakone und in 1. Korinther 1,8 „der euch auch befestigen wird bis ans Ende, dass ihr untadelig seid an dem Tag unseres Herrn Jesus Christus.“ sowie Kolosser 1,22 „hat er aber nun versöhnt in dem Leib seines Fleisches durch den Tod, um euch heilig und untadelig und unsträflich vor sich hinzustellen,“ für Gläubige allgemein benutzt. Es ist schade, das Wort mit „untadelig“ zu übersetzen, weil dadurch die Bedeutung abgeschwächt wird und es hierfür außerdem andere griechische Wörter im Neuen Testament gibt.

Mann einer [einzigen] Frau

Durfte der Person des Ältesten nichts vorzuwerfen sein, so musste auch seine Familie die Prüfung bestehen. Denn zu Recht schreibt Paulus an Timotheus, dass, wenn jemand dem eigenen Haus nicht vorzustehen weiß, er auch für die Gemeinde Gottes keine Sorge würde tragen können (1Tim 3,5 „(wenn aber jemand dem eigenen Haus nicht vorzustehen weiß, wie wird er für die Versammlung Gottes Sorge tragen?),“). Der Aufseher ist nicht nur für sein eigenes Verhalten verantwortlich, sondern auch für das seiner Kinder. Für jeden Gläubigen ist das Zeugnis nach außen von großer Bedeutung, was allerdings in besonderer Weise für die gilt, die vorstehen. Der Älteste musste der Mann einer Frau sein. Ich glaube nicht, dass es bedeutet, dass er, wenn er Witwer war, nicht wieder heiraten durfte, sondern dass zum Ausdruck gebracht werden soll, dass er nicht gleichzeitig mehrere Frauen haben durfte. Wir lesen zwar beispielsweise von den Witwen, dass sie nur dann unterstützt werden sollen, wenn sie die Frau eines Mannes war (1Tim 5,9 „Eine Witwe werde verzeichnet, wenn sie nicht weniger als sechzig Jahre alt ist, die Frau eines Mannes war,“), aber es scheint mir, dass unser Vers mehr auf die Vielehe abzielt, die unter den Heiden Usus war und zur Folge hatte, dass sich oft Heiden bekehrten, die bereits mehrere Frauen geheiratet hatten. Solche Männer konnten für eine Anstellung als Aufseher nicht in Betracht kommen, weil ihre Familie eine lebendige Erinnerung ihrer heidnischen Herkunft war und sie zudem ihren Brüdern schwerlich vorhalten konnten, nicht mehr Frauen zu nehmen, da sie bereits selbst mehr als eine Frau hatten. Vielleicht bringt jemand in einer Auseinandersetzung vor, dass die Schrift doch an keiner Stelle verbietet, dass ein Mann mehrere Frauen hat und dass doch viele Gottesmänner mehr als eine Frau hatten. Aber solchen Widersprechenden entgeht, wie viel Elend solche Vielehen stets mit sich brachten, abgesehen von der deutlichen Art und Weise, in der Gott die Ehe eingesetzt hat. So wie der Herr Jesus selbst gesagt hat: „Habt ihr nicht gelesen, dass der, der sie schuf, sie von Anfang an als Mann und Frau machte und sprach: Deswegen wird ein Mann den Vater und die Mutter verlassen und seiner Frau anhangen, und die zwei werden ein Fleisch sein?“ (Mt 19,4.5). Dort geht es zwar um die Entlassung einer Frau, aber genau das gleiche Argument – der eine Mann mit der einen Frau – gilt für den umgekehrten Fall: noch eine Frau zu nehmen. Es ist eine interessante Frage, ob unser Vers auch bedeutet, dass der Älteste unbedingt verheiratet sein musste – was dann nicht so gut für die „Aufseher“ (Bischöfe) und „Presbyter“ (Priester) der römischen Kirche sein würde, die einem verbindlichen Zölibat unterliegen. In jedem Fall ist es nützlich, wenn ein Ältester verheiratet ist und Kinder hat, damit er besser in der Lage ist, Gläubige in ihrem Ehe- und Familienleben zu ermahnen und ihnen zu helfen. Aber ob es auch eine Voraussetzung darstellt, ist nicht deutlich.

Der gläubige Kinder hat

Wie dem auch sei, wenn die Ältesten Kinder hatten, sollten sie gläubig sein und durften außerdem nicht der Ausschweifung oder Zügellosigkeit beschuldigt werden. Das scheint vielleicht eine überflüssige Hinzufügung zu sein, wenn die Kinder doch bereits gläubig waren, aber wir müssen immer bedenken, dass sich diese Familien gerade erst aus dem Heidentum bekehrt hatten und noch nicht so auf Kurs gebracht waren, wie es unsere christlichen Familien heute im Allgemeinen sind. Zuerst mussten es „gläubige Kinder“ sein. Das durfte sicher gefordert werden und wurde auch durchaus der Verantwortung der Ältesten zugeschrieben. Er konnte nicht sagen – was leider viele geistliche Leiter gesagt haben, deren Kinder den verkehrten Weg gingen –, dass es nicht seine Schuld sei, da er alles aufgewendet habe, was in seiner Macht stand. Nein, die Kinder waren durch die Eltern geheiligt, das heißt in den christlichen Bereich gebracht (1Kor 7,14 „Denn der ungläubige Mann ist geheiligt durch die Frau, und die ungläubige Frau ist geheiligt durch den Bruder; sonst wären ja eure Kinder unrein, nun aber sind sie heilig.“), und sie waren so in der christlichen Sphäre auferzogen worden, in der Zucht und Ermahnung des Herrn (Eph 6,4 „Und ihr Väter, reizt eure Kinder nicht zum Zorn, sondern zieht sie auf in der Zucht und Ermahnung des Herrn.“). Aber nicht nur das: Durch die ganze Schrift hindurch sehen wir deutlich den Grundsatz, dass es nach Gottes Gedanken ist, dass die Kinder der Gläubigen errettet werden. Natürlich werden sie nicht ausschließlich durch den Glauben ihrer Eltern errettet, sondern nur durch persönliche Bekehrung und Glauben. Aber es ist nach Gottes Gedanken der „normale“ Weg für einen Gläubigen, dass er mit seinem ganzen Haus errettet wird. Wir sehen das schon in den Bildern des Alten Testaments. Die Kinder Noahs wurden in der Arche gerettet, obwohl nur von ihrem Vater steht, dass er gerecht war (1Moe 6,9; 7,1). Abraham wurde mit seinem ganzen Haus beschnitten (1Mo 17,23 „Und Abraham nahm Ismael, seinen Sohn, und alle seine Hausgeborenen und alle mit seinem Geld Erkauften, alles Männliche unter den Hausleuten Abrahams, und beschnitt das Fleisch ihrer Vorhaut an ebendiesem Tag, wie Gott zu ihm geredet hatte.“) und befahl seinem ganzen Haus, den Weg des Herrn zu bewahren (1Mo 18,19 „Denn ich habe ihn erkannt, dass er seinen Kindern und seinem Haus nach ihm befehle, damit sie den Weg des HERRN bewahren, Gerechtigkeit und Recht auszuüben, damit der HERR auf Abraham kommen lasse, was er über ihn geredet hat.“). Die Israeliten wurden durch das Meer hindurch gerettet mit ihren Familien (2Mo 12,3 „Redet zu der ganzen Gemeinde Israel und sprecht: Am Zehnten dieses Monats, da nehme sich jeder ein Lamm für ein Vaterhaus, ein Lamm für ein Haus.“). Durch den Glauben Rahabs wurde sie mit ihrem ganzen Haus errettet (Jos 2,18 „Siehe, wenn wir in das Land kommen, so sollst du diese Karmesinschnur ins Fenster binden, durch das du uns heruntergelassen hast, und sollst deinen Vater und deine Mutter und deine Brüder und das ganze Haus deines Vaters zu dir ins Haus versammeln;“). Josua diente dem Herrn mit seinem Haus (Jos 24,15 „Und wenn es übel ist in euren Augen, dem HERRN zu dienen, so erwählt euch heute, wem ihr dienen wollt, ob den Göttern, denen eure Väter gedient haben, die jenseits des Stromes wohnten, oder den Göttern der Amoriter, in deren Land ihr wohnt. Ich aber und mein Haus, wir wollen dem HERRN dienen!“). Der Fall des Gefängniswärters von Philippi lässt diesen Grundsatz deutlich sehen, denn Paulus sagt zu ihm: „Glaube an den Herrn Jesus, und du wirst errettet werden, du und dein Haus“ (Apg 16,31). Es war also keine unberechtigte Forderung, dass die Ältesten gläubige Kinder haben sollten. Das Vorbild Elis und seiner Söhne lässt sehen, wie ernst es Gott nimmt, wenn die Kinder der Gläubigen ungläubig und ausschweifend sind (1Sam 3,13 „Denn ich habe ihm kundgetan, dass ich sein Haus richten will in Ewigkeit, um der Ungerechtigkeit willen, die er gewusst hat, dass seine Söhne sich den Fluch zuzogen und er ihnen nicht gewehrt hat.“).

[Die] nicht eines ausschweifenden Lebens beschuldigt werden

Es verhielt sich genauso wie mit dem Ältesten selbst: Er musste nicht allein ein Bruder, sondern auch ein untadeliger Bruder sein. So mussten seine Kinder nicht nur gläubig, sondern auch untadelig sein. Ihnen durfte keine Ausschweifung vorgeworfen werden. Das heißt nicht nur, dass die Gemeinde sie nicht der Ausschweifung beschuldigte, sondern dass es auch keine berechtigte Beschuldigung gegen sie geben durfte – es geht folglich um viel ernstere Exzesse, die leider noch in Familien vorkommen konnten, die gerade erst aus dem Heidentum gekommen waren. Das Wort für „Beschuldigung“ (katègoria) kommt von dem Wort agora, das ist ein öffentlicher Ort der Rechtsprechung oder ein Markt (vgl. Apg 16,19 „Als aber ihre Herren sahen, dass die Hoffnung auf ihren Gewinn dahin war, griffen sie Paulus und Silas und schleppten sie auf den Markt zu den Vorstehern.“). Die vorhergehende Präposition kata bedeutet hier „gegen“, und das Wort katègoria (wovon „Kategorie“ abgeleitet ist, das in unserer Sprache etwas ganz anderes bedeutet) steht deshalb für: „das, was gegen jemand vor einem öffentlichen Gericht eingereicht wird“. Das geht auch deutlich aus Johannes 18,29 „Pilatus ging nun zu ihnen hinaus und sprach: Welche Anklage bringt ihr gegen diesen Menschen vor?“ und 1. Timotheus 5,19 „Gegen einen Ältesten nimm keine Klage an, außer bei zwei oder drei Zeugen.“ hervor. Bei den Kindern der Ältesten durfte es also keine öffentliche Ausschweifung geben, die selbst der Welt auffallen würde. Das Wort für „Ausschweifung“ bedeutet eigentlich „Heillosigkeit“. Es deutet auf einen „heillosen“ Lebensweg hin, der keine Mäßigung und Selbstbeherrschung kennt, sondern im Verderben endet. Von so einem unenthaltsamen Weg, auf dem das Heil missachtet wird und man sich fleischlichem Genuss hingibt, sprechen auch Epheser 5,18 „Und berauscht euch nicht mit Wein, in dem Ausschweifung ist, sondern werdet mit dem Geist erfüllt,“ und 1. Petrus 4,3.4 (3) Denn die vergangene Zeit ist genug, den Willen der Nationen vollbracht zu haben, indem ihr wandeltet in Ausschweifungen, Begierden, Trunkenheit, Schwelgereien, Trinkgelagen und frevelhaften Götzendienereien; (4) wobei es sie befremdet, dass ihr nicht mehr mitlauft zu demselben Treiben der Ausschweifung, und sie lästern euch –“.

Oder zügellos

Die Kinder durften auch nicht zügellos sein oder, wie hier wörtlich steht, „nicht unterworfen“, „nicht unterwürfig“, nämlich gegenüber Autoritäten. Auch hier geht es nicht allein um den Aufstand gegen die Autorität der Eltern, sondern auch um die Autorität gegen die gesetzliche Rechtsordnung. Das sehen wir beispielsweise in 1. Timotheus 1,9 „indem er dies weiß, dass für einen Gerechten das Gesetz nicht bestimmt ist, sondern für Gesetzlose und Zügellose, für Gottlose und Sünder, für Unheilige und Ungöttliche, für Vaterschläger und Mutterschläger, für Menschenmörder,“, wo wir lesen, dass das Gesetz für Gesetzlose und Zügellose (die Übersetzung „Ausschweifende“ ist hier nicht richtig) bestimmt ist etc. Es ist dasselbe Wort wie „nicht unterworfen“ in Hebräer 2,8 „du hast alles seinen Füßen unterworfen.“ Denn indem er ihm alles unterworfen hat, hat er nichts gelassen, was ihm nicht unterworfen wäre; jetzt aber sehen wir ihm noch nicht alles unterworfen.“. Das Wort ist von dem häufig vorkommenden Tätigkeitswort „untertan sein“ abgeleitet. In unserem Kapitel kommt es noch einmal in Titus 1,10 „Denn es gibt viele zügellose Schwätzer und Betrüger, besonders die aus der Beschneidung,“ vor. Wir sehen, dass die Ältesten, genau wie die Diakone, ihren Häusern wohl vorstehen mussten und ihre Kinder in aller Würdigkeit in Unterordnung halten sollten (1Tim 3,4.12 „der dem eigenen Haus wohl vorsteht, der seine Kinder in Unterwürfigkeit hält mit allem würdigen Ernst“ „Die Diener seien Mann einer Frau, die ihren Kindern und den eigenen Häusern wohl vorstehen;“) – wobei das Wort „Unterordnung“ (eigentlich „Unterwürfigkeit“) wieder mit dem Wort „zügellos“ in unserem Vers verwandt ist.

Tit 1,7-9: Denn der Aufseher muss unsträflich sein als Gottes* Verwalter, nicht eigensinnig, nicht aufbrausend, nicht dem Wein ergeben, nicht streitlustig, nicht auf schändlichen Gewinn aus, sondern gastfrei, das Gute liebend, besonnen, gerecht, heilig, enthaltsam, festhaltend das zuverlässige Wort [das] nach der Lehre [ist], damit er imstande ist, sowohl mit der gesunden Lehre zu ermahnen als auch die Widersprechenden zu widerlegen.

Denn der Aufseher muss unsträflich sein

Der Apostel beginnt jetzt, über die persönlichen Qualitäten des Aufsehers zu sprechen. Er zählt davon vierzehn auf, zuerst sieben größtenteils negative, gefolgt von sieben positiven. In Titus 1,5 „Deswegen ließ ich dich in Kreta zurück, damit du das, was noch mangelte, in Ordnung bringen und in jeder Stadt Älteste anstellen möchtest, wie ich dir geboten hatte:“ hat Paulus über Älteste gesprochen, nun redet er über Aufseher. Wir haben bereits gesehen (auch im Vergleich mit Apg 20,17.28 „Von Milet aber sandte er nach Ephesus und ließ die Ältesten der Versammlung herüberrufen.“ „Habt acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in der euch der Heilige Geist als Aufseher gesetzt hat, die Versammlung Gottes zu hüten, die er sich erworben hat durch das Blut seines Eigenen.“), dass Älteste und Aufseher zwei Bezeichnungen desselben Amtes sind: Aufseher gibt dabei die Art und Weise des Amtes wieder, und Älteste sagt etwas über die Eigenschaft des Amtsträgers aus. Einige Theologen haben zwar behauptet, dass Vers 5 bedeuten würde, dass Titus in jeder Stadt einen Ältesten anstellen sollte und dass darum in Titus 1,7 „Denn der Aufseher muss untadelig sein als Gottes Verwalter, nicht eigenmächtig, nicht zornmütig, nicht dem Wein ergeben, nicht ein Schläger, nicht schändlichem Gewinn nachgehend,“ über „den Aufseher“ in der Einzahl gesprochen wird. Aber die meisten anderen haben eingesehen, dass das natürlich unzutreffend ist. Nirgendwo redet die Schrift über einen Ältesten in einer örtlichen Gemeinde, es geht immer um mehrere. Und die Einzahl in unserem Vers will natürlich nicht sagen, dass es nur einen Aufseher gab, sondern individualisiert alle: Paulus stellt uns den idealen Aufseher mit all seinen Qualitäten vor.

All das ist bereits sehr rasch in der Christenheit verlorengegangen. Aus den Briefen der sogenannten apostolischen Väter (namentlich Ignatius und Polycarpus, 1. und 2. Jahrhundert) schließen wir, dass es in jeder Gemeinde einen Bischof zusammen mit einem Kollegium von Ältesten und Diakonen gab. Die Letzteren mussten dem Bischof und den Ältesten untergeordnet sein, während der Bischof als Vorsitzender der Bedeutendste der Ältesten und bei weitem der wichtigste Mann in der ganzen Gemeinde war. Der Bischof war unentbehrlich, denn er bediente das Abendmahl, taufte, gab die Zustimmung zu Eheschließungen, führte Liebesmahle an und leitete die Zusammenkünfte der Gemeinde. Er war der Repräsentant Christi und Gottes in der Gemeinde und forderte darum absoluten Gehorsam und Ehrerbietung ein. Der Rat der Ältesten vergegenwärtigte analog dazu die „Versammlung der Apostel“. Die Folge dieser historischen Entwicklung ist schließlich die Hierarchie der römischen Kirche gewesen und als ein Durchschlag davon die Ämter in den protestantischen Kirchen. Sie gibt uns eine Vorstellung davon, wie der Mensch schrittweise den Platz der direkten Autorität Christi und der Leitung des Heiligen Geistes in der Gemeinde eingenommen hat.

Unsträflich … als Gottes* Verwalter

Die persönlichen Eigenschaften des idealen Aufsehers, die in unseren Versen aufgezählt werden, sind nicht ganz deckungsgleich mit denen aus 1. Timotheus 3. Die Qualitäten, die für die Ältesten notwendig sind, hängen nämlich auch von den Umständen ab. Darum finden wir hier in Vers Titus 1,9 und 10 (9) anhängend dem zuverlässigen Wort nach der Lehre, damit er fähig sei, sowohl mit der gesunden Lehre zu ermahnen als auch die Widersprechenden zu überführen. (10) Denn es gibt viele zügellose Schwätzer und Betrüger, besonders die aus der Beschneidung,“ beispielsweise die Haltung gegenüber Quertreibern in der Gemeinde, was in Kreta damals aktueller war als in Ephesus. Zuerst wird wiederholt, dass der Aufseher unsträflich sein musste. Man durfte ihm nichts anhängen können, damit man ihm in Bezug auf die Dinge, in denen er andere ermahnen sollte, nichts vorhalten konnte. In 1. Timotheus 3,7 „Er muss aber auch ein gutes Zeugnis haben von denen, die draußen sind, damit er nicht in Schmach und in den Fallstrick des Teufels falle.“ wird noch hinzugefügt, dass der Aufseher selbst von denen, die draußen waren, ein gutes Zeugnis haben musste, damit er nicht ins Gerede kommen würde. Als solche sollten sie sich als Gottes Verwalter verhalten, als Verwalter der Güter Gottes.

In diesem Zusammenhang ist das Wort „Verwalter“ sehr lehrreich. Im Griechischen heißt es oikònomos, wovon unser Wort „Ökonom“ abgeleitet ist, das wörtlich „Hausverwalter“ bedeutet. In dieser wörtlichen Bedeutung kommt das Wort vor in Lukas 12,42; 16,1.2.8 (12:42) Und der Herr sprach: Wer ist nun der treue und kluge Verwalter, den sein Herr über sein Gesinde setzen wird, ihnen zur rechten Zeit die zugemessene Nahrung zu geben?“ „(16:1) Er sprach aber auch zu den Jüngern: Es war ein gewisser reicher Mann, der einen Verwalter hatte; und dieser wurde bei ihm angeklagt, dass er seine Habe verschwende. (16:2) Und er rief ihn und sprach zu ihm: Was ist dies, das ich von dir höre? Lege Rechenschaft ab von deiner Verwaltung, denn du kannst nicht mehr Verwalter sein.“ „(16:8) Und der Herr lobte den ungerechten Verwalter, weil er klug gehandelt hatte; denn die Söhne dieser Welt sind klüger als die Söhne des Lichts ihrem eigenen Geschlecht gegenüber.“; 1. Korinther 4,2 „Im Übrigen sucht man hier an den Verwaltern, dass einer für treu befunden werde.“ und Galater 4,2 „sondern er ist unter Vormündern und Verwaltern bis zu der vom Vater festgesetzten Frist.“. Man konnte auch Verwalter[3] einer ganzen Stadt sein wie Erastus in Römer 16,23 „Es grüßt euch Gajus, mein und der ganzen Versammlung Wirt. Es grüßen euch Erastus, der Stadtkämmerer, und der Bruder Quartus.“. Im übertragenen Sinn kommt das Wort dreimal im Neuen Testament vor, und zwar auf sehr besondere Weise: nämlich stets in Verbindung mit dem geistlichen Haus Gottes, der Gemeinde. Es geht dann um „Hausverwalter“ des Hauses Gottes. In der Einleitung ist bereits darauf hingewiesen worden, dass sich unser Brief mit der Ordnung im Haus Gottes beschäftigt, mit dem Verhalten verschiedener Gruppen Gläubiger in diesem Haus und vor allem auch mit der Anstellung von Ältesten, was immer mit dem Haus Gottes in Verbindung steht (vgl. 1Tim 3,1-15). Doch kommt das Wort „Haus“ in unserem Brief im übertragenen Sinn nicht vor (wohl buchstäblich in Tit 1,11 „denen man den Mund stopfen muss, die ganze Häuser umkehren, indem sie schändlichen Gewinnes wegen lehren, was sich nicht geziemt.“), außer in dem Wort oikònomos. Auch in den beiden anderen Fällen, wo das Wort vorkommt, steht im Zusammenhang mit dem Haus Gottes. In 1. Korinther 4,1 „Dafür halte man uns: für Diener Christi und Verwalter der Geheimnisse Gottes.“ sagt Paulus, dass man die Apostel für Diener Christi und als Verwalter der Geheimnisse Gottes halten sollte. Der erste Teil des ersten Korintherbriefes (bis 1Kor 10,14 „Darum, meine Geliebten, flieht den Götzendienst.“) redet über die Ordnung und die Grundsätze im Haus Gottes, dem verantwortlichen christlichen Zeugnis auf der Erde. Dieses Zeugnis besteht aus „allen, die an jedem Ort den Namen unseres Herrn Jesus Christus anrufen“ (1Kor 1,2). In Kapitel 3 spricht Paulus näher über dieses Haus als Bau Gottes (1Kor 3,9 „Denn wir sind Gottes Mitarbeiter; Gottes Ackerfeld, Gottes Bau seid ihr.“) und Tempel Gottes, in dem der Geist Gottes wohnt (1Kor 3,16.17 (16) Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt? (17) Wenn jemand den Tempel Gottes verdirbt, den wird Gott verderben; denn der Tempel Gottes ist heilig, und solche seid ihr.“), und zwar als ein Bau, der unter menschlicher Verantwortung aufgebaut wird (1Kor 3,10-15). Das geht bis Kapitel 10, wo der Apostel das verantwortliche Zeugnis mit dem Haus Israel vergleicht (1Kor 10,1-13). In diesem Haus Gottes ist Paulus ein „Hausverwalter“ bzw. Hüter der Geheimnisse Gottes.

Die dritte Stelle (nach 1Kor 4,1 „Dafür halte man uns: für Diener Christi und Verwalter der Geheimnisse Gottes.“ und Tit 1,7 „Denn der Aufseher muss untadelig sein als Gottes Verwalter, nicht eigenmächtig, nicht zornmütig, nicht dem Wein ergeben, nicht ein Schläger, nicht schändlichem Gewinn nachgehend,“) haben wir in 1. Petrus 4,10 „Je nachdem jeder eine Gnadengabe empfangen hat, dient einander damit als gute Verwalter der mannigfaltigen Gnade Gottes.“, wo der Apostel die Gläubigen ermahnt, einander mit ihren Gnadengaben als gute Verwalter der mannigfaltigen Gnade Gottes zu dienen. Wie im ganzen Brief steht es auch hier in Verbindung mit dem Haus Gottes. In 1. Petrus 2,5 „werdet auch ihr selbst als lebendige Steine aufgebaut, ein geistliches Haus, zu einer heiligen Priesterschaft, um darzubringen geistliche Schlachtopfer, Gott wohlangenehm durch Jesus Christus.“ werden die Gläubigen mit lebendigen Steinen verglichen, die zu einem geistlichen Haus, einer heiligen Priesterschaft, zusammengefügt werden. Und in 1. Petrus 4,17 „Denn die Zeit ist gekommen, dass das Gericht anfange bei dem Haus Gottes; wenn aber zuerst bei uns, was wird das Ende derer sein, die dem Evangelium Gottes nicht gehorchen!“ sagt Paulus, dass die Zeit gekommen ist, dass das Gericht anfange bei dem Haus Gottes. Nun, in diesem Haus Gottes sind alle Gläubigen „Hausverwalter“ von Gottes mannigfaltiger Gnade. Immer wenn das Wort „Verwalter“ im übertragenen Sinn verwendet wird, steht es also in Verbindung mit dem Haus Gottes. Aber das ist noch nicht alles. Wir haben gesehen, dass in gleicher Weise die Ämter mit dem Haus Gottes in Verbindung stehen, und das wird hier bestätigt, denn die drei Stellen, die über Verwalter sprechen, geben auch die drei Gruppen Gläubiger wieder, die in Bezug auf die Ordnung im Haus Gottes in der Gemeinde bestanden: zuerst die Apostel als Verwalter der Geheimnisse Gottes, zweitens die Ältesten oder Aufseher als Verwalter Gottes und drittens die übrigen Gläubigen als Verwalter der mannigfaltigen Gnade Gottes.

Die Apostel sind die Verwalter der Geheimnisse, die Gott ihnen offenbart hat und die sie verkündigt haben (1Kor 2,7-13; Eph 3,1-7 und Kol 1,25-27: „Verwalterschaft“). Außerdem haben sie mit den neutestamentlichen Propheten das Fundament des Hauses Gottes gelegt (Eph 2,19-22 (19) Also seid ihr nun nicht mehr Fremdlinge und ohne Bürgerrecht, sondern ihr seid Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes, (20) aufgebaut auf der Grundlage der Apostel und Propheten, indem Christus Jesus selbst Eckstein ist, (21) in welchem der ganze Bau, wohl zusammengefügt, wächst zu einem heiligen Tempel im Herrn, (22) in dem auch ihr mitaufgebaut werdet zu einer Behausung Gottes im Geist.“). In diesem Haus sind die Ältesten diejenigen, die in den örtlichen Gemeinden als „Hausverwalter Gottes“ Führung und Leitung geben. Und schließlich werden alle Gläubigen Verwalter genannt, weil jeder von ihnen eine Gnadengabe empfangen hat, mit der er dem anderen dienen soll, sei es in der Rede oder im Dienst (1Pet 4,11 „Wenn jemand redet, so rede er als Aussprüche Gottes; wenn jemand dient, so sei es als aus der Kraft, die Gott darreicht, damit in allem Gott verherrlicht werde durch Jesus Christus, dem die Herrlichkeit ist und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“).

Die Aufseher waren Verwalter von Gott, nicht von Paulus oder von Titus. Wir könnten denken, dass sie auf eine umständliche Art und Weise angestellt waren: Die Aufseher waren durch Titus angestellt, dieser wiederum hatte seinen Auftrag dazu von Paulus erhalten, und dieser war seinerseits durch Gott zum Apostel berufen worden. Die Aufseher mussten jedoch bedenken, dass sie Verwalter Gottes waren. Sie schuldeten ihre Verantwortung direkt Gott gegenüber, denn es war sein Haus, dass sie verwalteten, nicht das Haus der Apostel, und tatsächlich war es der Heilige Geist selbst, der sie zu Aufsehern über die Herde gesetzt hatte (Apg 20,28 „Habt acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in der euch der Heilige Geist als Aufseher gesetzt hat, die Versammlung Gottes zu hüten, die er sich erworben hat durch das Blut seines Eigenen.“).

Nicht eigensinnig

Anschließend werden fünf Kennzeichen genannt, die der Aufseher nicht haben sollte. Das erste ist: „nicht eigensinnig“ oder, wie hier wörtlich steht, wie jemand, der danach trachtet, sich selbst zu gefallen, der mit dem eigenen Ich erfüllt ist (Egoismus) und das eigene Ich höher achtet als die anderen (Arroganz) und der dadurch ständig dickköpfig damit beschäftigt ist, seinen eigenen Willen durchzuziehen („Eigenmächtige“ in 2Pet 2,10 „besonders aber die, die in der Begierde der Befleckung dem Fleisch nachwandeln und die Herrschaft verachten, Verwegene, Eigenmächtige; sie erzittern nicht, Herrlichkeiten zu lästern,“). Das Wort scheint stets auf jemand Bezug zu nehmen, der einen bestimmten Gedanken, zu dem er einmal gekommen ist, so überbewertet, dass er nicht mehr davon abzubringen ist. Das ist wohl das Gegenteil der Eigenschaft, die die Ältesten nach 1. Timotheus 3,3 „nicht dem Wein ergeben, kein Schläger, sondern milde, nicht streitsüchtig, nicht geldliebend,“ haben sollten und die mit den Worten „freundlich“ oder „nachgiebig“ (das auch in Tit 3,2 „niemand zu lästern, nicht streitsüchtig zu sein, milde, alle Sanftmut zu erweisen gegen alle Menschen.“ als gute Eigenschaft aller Gläubigen vorkommt) wiedergegeben werden kann und das mit der gleichen Bedeutung in Philipper 4,5 „Lasst eure Milde kundwerden allen Menschen; der Herr ist nahe.“ als Hauptwort vorkommt. Es ist das Entgegenkommen und Wohlwollen, das nicht auf seinem Fleck stehenbleibt und blindlings am eigenen Weg festhält, sondern bescheiden die Gegebenheiten abwägt und das Beste daraus macht; das nicht die eigenen Ideen vorbevorzugt, sondern zuerst nach den Gedanken und den Interessen der anderen (vgl. Eph 5,21 „einander untergeordnet in der Furcht Christi.“; Phil 2,3-5 (3) nichts aus Streitsucht oder eitlem Ruhm tuend, sondern in der Demut einer den anderen höher achtend als sich selbst; (4) ein jeder nicht auf das Seine sehend, sondern ein jeder auch auf das der anderen. (5) [Denn] diese Gesinnung sei in euch, die auch in Christus Jesus war,“) sowie vor allem nach dem Willen und den Gedanken Gottes fragt. Das muss an erster Stelle stehen. Wir wurden schließlich zum Gehorsam Jesu Christi auserwählt (1Pet 1,2 „nach Vorkenntnis Gottes, des Vaters, durch Heiligung des Geistes, zum Gehorsam und zur Blutbesprengung Jesu Christi: Gnade und Friede sei euch vermehrt!“) und müssen jeden Gedanken unter den Gehorsam des Christus gefangen nehmen (2Kor 10,5 „und jede Höhe, die sich erhebt gegen die Erkenntnis Gottes, und jeden Gedanken gefangen nehmen unter den Gehorsam des Christus“). Nie sollen wir (und die Ältesten erst recht nicht) unseren eigenen Willen tun, sondern stets prüfen, was der gute und wohlgefällige und vollkommene Wille Gottes ist (Röm 12,2 „Und seid nicht gleichförmig dieser Welt, sondern werdet verwandelt durch die Erneuerung eures Sinnes, dass ihr prüfen mögt, was der gute und wohlgefällige und vollkommene Wille Gottes ist.“; Eph 5,17; 6,6 (5:17) Darum seid nicht töricht, sondern verständig, was der Wille des Herrn sei.“ „(6:6) nicht mit Augendienerei, als Menschengefällige, sondern als Knechte Christi, indem ihr den Willen Gottes von Herzen tut“; Kol 1,9; 4,12 (1:9) Deshalb hören auch wir nicht auf, von dem Tag an, da wir es gehört haben, für euch zu beten und zu bitten, damit ihr erfüllt sein mögt mit der Erkenntnis seines Willens in aller Weisheit und geistlicher Einsicht,“ „(4:12) Es grüßt euch Epaphras, der von euch ist, ein Knecht Christi Jesu, der allezeit für euch ringt in den Gebeten, damit ihr vollkommen und völlig überzeugt in allem Willen Gottes steht.“; Heb 10,36; 13,21 (10:36) Denn ihr habt Ausharren nötig, damit ihr, nachdem ihr den Willen Gottes getan habt, die Verheißung davontragt.“ „(13:21) vollende euch in jedem guten Werk, damit ihr seinen Willen tut, in euch das bewirkend, was vor ihm wohlgefällig ist, durch Jesus Christus, dem die Herrlichkeit sei von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.“; 1Joh 2,17 „Und die Welt vergeht und ihre Lust; wer aber den Willen Gottes tut, bleibt in Ewigkeit.“).

Nicht aufbrausend

Das zweite Kennzeichen geht noch weiter: Der Aufseher sollte nicht nur nicht von sich selbst erfüllt sein, sondern es war noch schlimmer, wenn er sich nicht beherrschen konnte. Das Wort bedeutet eigentlich „schnell zum Zorn aufgestachelt“ und kommt nur hier vor. Es ist abgeleitet von dem Tätigkeitswort „zornig sein“, das wir unter anderem finden in Matthäus 5,22 „Ich aber sage euch: Jeder, der seinem Bruder [ohne Grund] zürnt, wird dem Gericht verfallen sein; wer aber irgend zu seinem Bruder sagt: Raka!, wird dem Synedrium verfallen sein; wer aber irgend sagt: Du Narr!, wird der Hölle des Feuers verfallen sein.“; Epheser 4,26 „Zürnt, und sündigt nicht. Die Sonne gehe nicht unter über eurem Zorn,“ (von Personen) und Offenbarung 11,18 „Und die Nationen sind zornig geworden, und dein Zorn ist gekommen und die Zeit der Toten, gerichtet zu werden, und den Lohn zu geben deinen Knechten, den Propheten, und den Heiligen und denen, die deinen Namen fürchten, die Kleinen und die Großen, und die zu verderben, die die Erde verderben.“ (von Nationen; 12,17 [vom Drachen]). Es war nicht gut, wenn der Aufseher keine Kontrolle über sich selbst hatte und schnell zornig wurde, denn wie würde er dann anderen vorstehen können? Im Gegenteil mussten insbesondere die Ältesten in der Lage sein, diejenigen, die von einem Fehltritt übereilt worden waren, im Geist der Sanftmut wieder zurechtzubringen (Gal 6,1 „Brüder, wenn auch ein Mensch von einem Fehltritt übereilt würde, so bringt ihr, die Geistlichen, einen solchen wieder zurecht im Geist der Sanftmut, wobei du auf dich selbst siehst, dass nicht auch du versucht werdest.“), und als Diener des Herrn sollten sie nicht streiten, sondern gegen alle milde sein, duldsam und die Widersacher in Sanftmut zurechtweisen (2Tim 2,24.25 (24) Ein Knecht des Herrn aber soll nicht streiten, sondern gegen alle milde sein, lehrfähig, duldsam, (25) der in Sanftmut die Widersacher zurechtweist, ob ihnen Gott nicht etwa Buße gebe zur Erkenntnis der Wahrheit“).

Nicht dem Wein ergeben

Auch das folgende Merkmal („dem Wein ergeben“) beinhaltet genau wie das vorige Kennzeichen einen Mangel an Selbstbeherrschung, allerdings in noch gravierenderer Form. Es konnte sein, dass der potentielle Aufseher nicht nur seinen Zorn nicht bezwingen konnte, sondern auch eine ungenügende Kontrolle über bestimmte Neigungen und Begierden hatte. Das hier erwähnte Wort, das auch in 1. Timotheus 3,3 „nicht dem Wein ergeben, kein Schläger, sondern milde, nicht streitsüchtig, nicht geldliebend,“ vorkommt, bedeutet eigentlich „bei dem Wein (seiend)“, das heißt, dass die Begierde nach dem Wein ausgeht, wodurch die Gefahr von Maßlosigkeit entstand. Es wird hier noch nicht einmal gesagt, dass der Aufseher kein Trunkenbold sein sollte (Röm 13,13 „Lasst uns anständig wandeln wie am Tag; nicht in Schwelgereien und Trinkgelagen, nicht in Unzuchthandlungen und Ausschweifungen, nicht in Streit und Neid;“; 1Kor 5,11; 6,10 (5:11) Nun aber habe ich euch geschrieben, keinen Umgang zu haben, wenn jemand, der Bruder genannt wird, ein Hurer ist oder ein Habsüchtiger oder ein Götzendiener oder ein Schmäher oder ein Trunkenbold oder ein Räuber, mit einem solchen nicht einmal zu essen.“ „(6:10) noch Diebe, noch Habsüchtige, noch Trunkenbolde, noch Schmäher, noch Räuber werden das Reich Gottes erben.“; Gal 5,21 „Neid, [Totschlag,] Trunkenheit, Gelage und dergleichen, von denen ich euch vorhersage, wie ich [auch] vorhergesagt habe, dass die, die so etwas tun, das Reich Gottes nicht erben werden.“; Eph 6,18 „zu aller Zeit betend mit allem Gebet und Flehen in dem Geist, und hierzu wachend in allem Anhalten und Flehen für alle Heiligen“), sondern hier wird schon ein zu großes Verlangen nach Alkohol abgelehnt. Die irdischen Dingen, zu denen der Wein gehört, sind an sich selbst nicht verkehrt, es würde einem Aufseher aber schlecht anstehen, wenn er sein Herz darauf setzte. Es ist deutlich, dass Wein nicht verkehrt ist, denn der Wein erfreut Gott und Menschen (Ri 9,13 „Und der Weinstock sprach zu ihnen: Sollte ich meinen Most aufgeben, der Götter und Menschen erfreut, und sollte hingehen, um über den Bäumen zu schweben?“), und was Gott erfreut, kann nicht verkehrt sein. Dennoch ist es von großem Gewicht, dass der Herr Jesus von diesen an sich guten Dingen Abstand hielt, bis er auf einer erlösten und gereinigten Erde wieder Wein trinken würde (Mt 26,29 „Ich sage euch aber: Ich werde von jetzt an nicht von diesem Gewächs des Weinstocks trinken bis zu jenem Tag, wenn ich es neu mit euch trinke in dem Reich meines Vaters.“). Als der wahre Nasir (4Mo 6,2-4 (2) Rede zu den Kindern Israel und sprich zu ihnen: Wenn jemand, ein Mann oder eine Frau, sich weiht, indem er das Gelübde eines Nasirs gelobt, um sich für den HERRN abzusondern, (3) so soll er sich des Weines und des starken Getränks enthalten: Essig von Wein und Essig von starkem Getränk soll er nicht trinken; und keinerlei Traubensaft soll er trinken, und Trauben, frische oder getrocknete, soll er nicht essen. (4) Alle Tage seiner Absonderung soll er von allem, was vom Weinstock bereitet wird, von den Kernen bis zur Hülse, nicht essen.“) enthielt Er sich von dem „Guten der Erde“, um Gott völlig hingegeben zu sein. Ebenso werden die Gläubigen aufgerufen, nicht das Irdische, sondern das Himmlische zu suchen (Kol 3,1.2 (1) Wenn ihr nun mit dem Christus auferweckt worden seid, so sucht, was droben ist, wo der Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes. (2) Sinnt auf das, was droben ist, nicht auf das, was auf der Erde ist;“; Phil 3,19.20 (19) deren Ende Verderben, deren Gott der Bauch und deren Ehre in ihrer Schande ist, die auf das Irdische sinnen. (20) Denn unser Bürgertum ist in den Himmeln, von woher wir auch den Herrn Jesus Christus als Heiland erwarten,“). Das bedeutet nicht, dass wir überhaupt keinen Wein trinken dürfen (vgl. Kol 2,16.20-22 „So richte euch nun niemand wegen Speise oder wegen Trank oder hinsichtlich eines Festes oder Neumondes oder von Sabbaten,“ „(20) Wenn ihr mit Christus den Elementen der Welt gestorben seid, was unterwerft ihr euch Satzungen, als lebtet ihr noch in der Welt? (21) Berühre nicht, koste nicht, betaste nicht! (22) (Dinge, die alle zur Zerstörung durch den Gebrauch bestimmt sind), nach den Geboten und Lehren der Menschen“; 1Tim 5,23 „Trinke nicht länger nur Wasser, sondern gebrauche ein wenig Wein wegen deines Magens und deines häufigen Unwohlseins.“). Wenn unser Herz durch diese Dinge allerdings  in Beschlag genommen wird (1Kor 6,12.13 (12) Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles ist nützlich. Alles ist mir erlaubt, aber ich will mich von keinem beherrschen lassen. (13) Die Speisen für den Bauch, und der Bauch für die Speisen; Gott aber wird sowohl diesen als auch jene zunichtemachen. Der Leib aber nicht für die Hurerei, sondern für den Herrn, und der Herr für den Leib.“) oder wenn ich meinen Bruder damit sogar ärgere (Röm 14,21 „Es ist gut, kein Fleisch zu essen noch Wein zu trinken, noch etwas zu tun, woran dein Bruder sich stößt [oder sich ärgert oder worin er schwach ist].“), müssen wir uns davon als Erstes enthalten, vor allem diejenigen, die Vorbilder der Herde sein sollen (1Pet 5,1-3 (1) Die Ältesten, die unter euch sind, ermahne ich, der Mitälteste und Zeuge der Leiden des Christus und auch Teilhaber der Herrlichkeit, die offenbart werden soll: (2) Hütet die Herde Gottes, die bei euch ist, indem ihr die Aufsicht nicht aus Zwang führt, sondern freiwillig, auch nicht um schändlichen Gewinn, sondern bereitwillig, (3) und nicht als solche, die über ihre Besitztümer herrschen, sondern die Vorbilder der Herde sind.“).

Nicht streitlustig

Der Aufseher sollte auch nicht „streitlustig“ sein. Diese Eigenschaft hat mit den beiden vorherigen gemein, dass alle drei auf einen Mangel an Selbstbeherrschung hindeuten, wobei diese Eigenschaft hier wohl die gravierendste ist. Es ist schlimm, wenn jemand seinen Zorn und seine irdischen Begierden nicht zu zähmen weiß, aber wenn er dazu noch einen Hang zum Schlagen hat, ist ein sehr tiefes geistliches Niveau erreicht. Seine ganze Aktivität ist genau verkehrt ausgerichtet: Anstatt seine Energie dazu zu verwenden, sich im Zaum zu halten, wird sie benutzt, um andere zu überwältigen. Das verwendete Wort ist von dem Tätigkeitswort für „schlagen“ abgeleitet und wird auch in 1. Timotheus 3,3 „nicht dem Wein ergeben, kein Schläger, sondern milde, nicht streitsüchtig, nicht geldliebend,“ erwähnt. Man ist wohl tief gesunken, wenn man dahin kommt, einen Bruder zu schlagen. Das betrifft natürlich allemal das buchstäbliche Schlagen, aber selbst mit bösartigen Worten kann man jemand brutal treffen.

Nicht auf schändlichen Gewinn aus

Das letzte negative Kennzeichen ist, dass der Aufseher nicht auf schändlichen Gewinn aus sein sollte. Der Ausdruck „auf schändlichen Gewinn aus“ ist im Griechischen ein Wort, das sich aus den Worten für „schändlich“ und „Gewinn“ zusammensetzt. Es kommt auch vor in 1. Timotheus 3,8 „Die Diener ebenso, würdig, nicht doppelzüngig, nicht vielem Wein ergeben, nicht schändlichem Gewinn nachgehend,“ für die Diakone, in 1. Petrus 5,2 „Hütet die Herde Gottes, die bei euch ist, indem ihr die Aufsicht nicht aus Zwang führt, sondern freiwillig, auch nicht um schändlichen Gewinn, sondern bereitwillig,“ für die Ältesten und in einigen Handschriften in 1. Timotheus 3,3 „nicht dem Wein ergeben, kein Schläger, sondern milde, nicht streitsüchtig, nicht geldliebend,“ in Bezug auf die Aufseher. Das Wort „schändlich“ bezieht sich nicht auf die Weise, in der der Gewinn gemacht wird, sondern auf den Gewinn selbst, das heißt, es geht hier nicht darum, dass man auf unehrliche Weise (durch Wucher oder Betrug) Gewinn macht, sondern der irdische, geldliche Gewinn um des Gewinnes selbst willen wird als schändlich bezeichnet, auf welch ehrliche Weise er auch vielleicht erworben wurde. Es würde dem Aufseher wohl sehr schlecht anstehen, wenn er sein Amt mit der Absicht ausüben würde, sich finanziell besser zu stellen. Wie ehrlich das auch geschehen würde (durch Spenden oder Entlohnung), wenn sein Herz darauf aus war, war dieser Gewinn schändlich. Dasselbe haben wir bei der „Weinergebenheit“ gesehen: Weder Wein noch geldlicher Lohn (vgl. Lk 10,7 „In demselben Haus aber bleibt, und esst und trinkt, was sie euch anbieten; denn der Arbeiter ist seines Lohnes wert. Geht nicht aus einem Haus in ein anderes.“) sind natürlich an sich verkehrt; sie dürfen in unserem Herzen aber keinen Platz erhalten und erst recht nicht in dem Herzen der Führer. Vergleiche auch 1. Timotheus 6,5-10, wo die Geldliebe bei denen verurteilt wird, die meinten, dass die Gottseligkeit ein Mittel zum (geldlichen) Gewinn sei. Paulus konnte sagen, dass er das, was irgend ihm Gewinn war (dasselbe Wort wie das oben genannte), um Christi willen für Verlust geachtet hatte (Phil 1,21; 3,7 (1:21) Denn das Leben ist für mich Christus, und das Sterben Gewinn.“ „(3:7) Aber was irgend mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Verlust geachtet;“).

Sondern gastfrei

Wir kommen jetzt zu sieben positiven Eigenschaften, einer Vollzahl sittlicher Qualitäten, die bei dem idealen Aufseher vorhanden waren. Es war nicht genug, dass eine Anzahl verkehrter Dinge bei ihm nicht zu finden waren, sondern er musste auch über positive Qualitäten verfügen. Natürlich wäre es schön, wenn alle Gläubigen diese Eigenschaften hätten, aber die Ältesten hatten sie ganz besonders nötig. Zuerst sollten sie „gastfrei“ sein. Das ist schon so etwas, was alle Gläubigen sein sollen und wozu wir auch angespornt werden (Röm 12,13 „an den Bedürfnissen der Heiligen nehmt teil; nach Gastfreundschaft trachtet.“), es ohne Murren zu sein (1Pet 4,9 „Seid gastfrei gegeneinander ohne Murren.“), weil einige durch Gastfreundschaft, ohne es zu wissen, Engel beherbergt haben (Heb 13,2 „Die Gastfreundschaft vergesst nicht, denn durch diese haben einige ohne ihr Wissen Engel beherbergt.“). Das erinnert uns an Abraham, der uns gezeigt hat, was wahre Gastfreundschaft ist: Es ist nicht die Gastfreiheit denen gegenüber, die wir schon kennen, unseren Freunden und Familienmitgliedern gegenüber, die uns wieder einladen können, so dass uns Vergeltung wird (Lk 14,12-14 (12) Er sprach aber auch zu dem, der ihn geladen hatte: Wenn du ein Mittagsmahl oder ein Abendessen machst, so lade nicht deine Freunde noch deine Brüder, noch deine Verwandten, noch reiche Nachbarn, damit nicht etwa auch sie dich wieder einladen und dir Vergeltung werde. (13) Sondern wenn du ein Mahl machst, so lade Arme, Krüppel, Lahme, Blinde, (14) und glückselig wirst du sein, weil sie nichts haben, um dir zu vergelten; denn dir wird vergolten werden in der Auferstehung der Gerechten.“). Sondern „gastfrei“ bedeutet im Grundtext eigentlich „Fremde lieben“, gut und herzlich denen gegenüber sein, die wir nicht kennen, die der Herr auf unseren Weg schickt und für die wir unsere Häuser öffnen sollen, sowohl für Ungläubige als vor allem auch gegenüber (unbekannten) Brüdern und Schwestern. Auch hier gilt, dass wir gegenüber allen das Gute wirken sollen, am meisten aber gegenüber den Hausgenossen des Glaubens (Gal 6,10 „Also nun, wie wir Gelegenheit haben, lasst uns das Gute wirken gegenüber allen, am meisten aber gegenüber den Hausgenossen des Glaubens.“). Der Aufseher, der die Gläubigen hierin ermahnen sollte, musste selbst dadurch ein Vorbild geben, indem er nicht nur in der Gemeinde liebevoll mit den Gläubigen umging, sondern auch in seinem eigenen Haus.

Das Gute liebend

Der folgende Ausdruck ist hier direkt damit verwandt und sieht im Griechischen auch recht ähnlich wie der vorhergehende aus: „das Gute liebend“ oder, wie man genauso gut übersetzen kann, „die Guten liebend“. Die vorherige Eigenschaft spricht von Zuneigung Fremden und vor allem Gläubigen gegenüber, und die Eigenschaft hier spricht von Zuneigung gegenüber den Guten und damit geradewegs den Gläubigen gegenüber. Aber es geht darüber hinaus: Es ist auch das Lieben, das Nachjagen von „dem Guten“ (vgl. 1Pet 3,13 „Und wer ist es, der euch Böses tun wird, wenn ihr Eiferer für das Gute geworden seid?“; Röm 12,9 „Die Liebe sei ungeheuchelt. Verabscheut das Böse, haltet fest am Guten.“; Phil 4,8 „Im Übrigen, Brüder, alles, was wahr, alles, was würdig, alles, was gerecht, alles, was rein, alles, was lieblich ist, alles, was wohllautet, wenn es irgendeine Tugend und wenn es irgendein Lob gibt, dies erwägt.“), die Bereitschaft zu jedem guten Werk (vgl. Tit 3,1 „Erinnere sie daran, Obrigkeiten und Gewalten untertan zu sein, Gehorsam zu leisten, zu jedem guten Werk bereit zu sein;“), zu guten Werken, die Gott zuvorbereitet hat, damit wir in ihnen wandeln sollen (Eph 2,10 „Denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, damit wir in ihnen wandeln sollen.“).

Züchtig

Um das zu können, muss der Aufseher „züchtig“ sein, was im Ursprung wörtlich „gesunden Sinnes“ bedeutet [vgl. Anmerkung zu 2Tim 1,7 „Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Furchtsamkeit gegeben, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“], das heißt nicht leichtsinnig, nicht schnell durch allerlei Stimmungsschwankungen und Gefühlen mitgerissen, sondern innerlich ausgeglichen und besonnen. Gott hat uns einen Geist der Besonnenheit (oder Zucht [vgl. Schlachter 1951]) gegeben (2Tim 1,7 „Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Furchtsamkeit gegeben, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“), auch damit wir nicht mehr Unmündige seien, hin und her geworfen und umhergetrieben von jedem Wind der Lehre (Eph 4,14 „damit wir nicht mehr Unmündige seien, hin und her geworfen und umhergetrieben von jedem Wind der Lehre, die durch die Betrügerei der Menschen kommt, durch ihre Verschlagenheit zu listig ersonnenem Irrtum;“). Züchtigkeit ist eine Eigenschaft, die alle Gläubigen zieren soll, und es ist dann auch auffallend, dass uns diese Eigenschaft in Bezug auf verschiedene Gruppen Gläubiger noch viermal in Kapitel 2 begegnet (Tit 2,2.5.6.12 „dass die alten Männer nüchtern seien, würdig, besonnen, gesund im Glauben, in der Liebe, im Ausharren;“ „(5) besonnen, keusch, mit häuslichen Arbeiten beschäftigt, gütig, sich den eigenen Männern unterzuordnen, damit das Wort Gottes nicht verlästert werde. (6) Die jüngeren Männer ermahne ebenso, besonnen zu sein,“ „und unterweist uns, damit wir, die Gottlosigkeit und die weltlichen Begierden verleugnend, besonnen und gerecht und gottselig leben in dem jetzigen Zeitlauf,“).

Gerecht

Der Aufseher musste auch „gerecht“ sein. Von Natur aus sind alle Menschen ungerecht (Röm 3,4.5.10 (4) Das sei ferne! Gott aber sei wahrhaftig, jeder Mensch aber Lügner, wie geschrieben steht: „Damit du gerechtfertigt wirst in deinen Worten und überwindest, wenn du gerichtet wirst.“ (5) Wenn aber unsere Ungerechtigkeit Gottes Gerechtigkeit erweist, was sollen wir sagen? Ist Gott etwa ungerecht, dass er den Zorn auferlegt? (Ich rede nach Menschen weise444.)“ „wie geschrieben steht: „ Da ist kein Gerechter, auch nicht einer;“), aber diejenigen, die das Evangelium des Heils annehmen, werden durch Gott gerechtfertigt (Röm 3,22.26.28 „Gottes Gerechtigkeit aber durch Glauben an Jesus Christus gegen alle [und auf alle], die glauben. Denn es ist kein Unterschied,“ „unter der Nachsicht Gottes; zur Erweisung seiner Gerechtigkeit in der jetzigen Zeit, dass er gerecht sei und den rechtfertige, der des Glaubens an Jesus ist.“ „Denn wir urteilen, dass ein Mensch durch Glauben gerechtfertigt wird, ohne Gesetzeswerke.“ etc.). Jeder Gläubige ist damit ein Gerechter aufgrund seines Glaubens, was allerdings nicht bedeutet, dass er auch praktisch als ein Gerechter lebt und Gerechtigkeit tut. Und darum geht es hier, genauso wie in Titus 2,12 „und unterweist uns, damit wir, die Gottlosigkeit und die weltlichen Begierden verleugnend, besonnen und gerecht und gottselig leben in dem jetzigen Zeitlauf,“ im Hinblick auf alle Gläubigen (wie in Phil 4,8 „Im Übrigen, Brüder, alles, was wahr, alles, was würdig, alles, was gerecht, alles, was rein, alles, was lieblich ist, alles, was wohllautet, wenn es irgendeine Tugend und wenn es irgendein Lob gibt, dies erwägt.“). Johannes bestätigt uns, dass diese praktische Gerechtigkeit selbst ein Beweis dafür ist, dass jemand aus Gott geboren ist (1Joh 2,29; 3,7.10 (2:29) Wenn ihr wisst, dass er gerecht ist, so erkennt, dass jeder, der die Gerechtigkeit tut, aus ihm geboren ist.“ „(3:7) Kinder, dass euch niemand verführe! Wer die Gerechtigkeit tut, ist gerecht, wie er gerecht ist.“ „(3:10) Hieran sind die Kinder Gottes und die Kinder des Teufels offenbar. Jeder, der nicht Gerechtigkeit tut, ist nicht aus Gott, und wer nicht seinen Bruder liebt.“). Denn Christus hat schließlich unsere Sünden getragen, damit wir, den Sünden abgestorben, der Gerechtigkeit leben sollten (1Pet 2,24 „der selbst unsere Sünden an seinem Leib auf dem Holz getragen hat, damit wir, den Sünden abgestorben, der Gerechtigkeit leben, durch dessen Striemen ihr heil geworden seid.“); ja wir sollen sogar nach Gerechtigkeit streben (1Tim 6,11 „Du aber, o Mensch Gottes, fliehe diese Dinge; strebe aber nach Gerechtigkeit, Gottseligkeit, Glauben, Liebe, Ausharren, Sanftmut des Geistes.“; 2Tim 2,22 „Die jugendlichen Begierden aber fliehe; strebe aber nach Gerechtigkeit, Glauben, Liebe, Frieden mit denen, die den Herrn anrufen aus reinem Herzen.“). Nicht nach der Gerechtigkeit, durch die wir Frieden mit Gott erhalten, denn die bekommt man nur aus Glauben, sondern nach der praktischen Gerechtigkeit, die die Frucht der Tatsache sein muss, dass wir Gerechte geworden sind (vgl. Phil 1,11 „erfüllt mit der Frucht der Gerechtigkeit, die durch Jesus Christus ist, zur Herrlichkeit und zum Preise Gottes.“; Heb 12,11 „Alle Züchtigung aber scheint für die Gegenwart nicht ein Gegenstand der Freude, sondern der Traurigkeit zu sein; danach aber gibt sie die friedsame Frucht der Gerechtigkeit denen, die durch sie geübt worden sind.“). Aus diesen gerechten Taten der Heiligen wird das Kleid der Braut im Himmel bestehen (Off 19,8 „Und es wurde ihr gegeben, dass sie sich kleide in feine Leinwand, glänzend und rein; denn die feine Leinwand sind die Gerechtigkeiten der Heiligen.“).

Heilig

Das Nächste ist „heilig“. Hier haben wir nicht das gewöhnliche Wort für „heilig“ (hagios), das immer im Sinn von Absonderung benutzt wird, nämlich vom Bösen zu Gott, sondern hier ist es hosios, das mehr „fromm“, „gottesfürchtig“ bedeutet. Hagios stimmt überein mit dem hebräischen kadoosj (z.B. in: der Heilige Israels, das Heilige der Heiligen) und hosios mit chasid, das beispielsweise viel in den Psalmen vorkommt; zum Beispiel in Psalm 16,10 „Denn meine Seele wirst du dem Scheol nicht überlassen, wirst nicht zugeben, dass dein Frommer die Verwesung sehe.“ (Heiliger oder Gunstgenosse [Frommer]). In Apostelgeschichte 2,27 und 13,35 (2:27) denn du wirst meine Seele nicht im Hades zurücklassen noch zugeben, dass dein Frommer Verwesung sehe.“ „(13:35) Deshalb sagt er auch an einer anderen Stelle: „Du wirst nicht zugeben, dass dein Frommer die Verwesung sehe.““ wurde dieser Vers ins Griechische übersetzt und chasid wird mit hosios wiedergegeben. Beide Wörter werden sowohl für Gott als auch für den Menschen verwendet. Im ersten Fall hat es den Sinn von „gnädig“, „barmherzig“ und im zweiten bedeutet es „fromm“, „heilig“ und deutet auf jemand hin, der der Gegenstand von Gottes Barmherzigkeit ist und von daher selbst barmherzig gegenüber anderen sowie Gott gegenüber fromm und hingegeben ist. Von Gott wird in Offenbarung 15,4 und 16,5 (15:4) Wer sollte nicht [dich], Herr, fürchten und deinen Namen verherrlichen? Denn du allein bist heilig; denn alle Nationen werden kommen und vor dir anbeten, denn deine gerechten Taten sind offenbar geworden.“ „(16:5) Und ich hörte den Engel der Wasser sagen: Du bist gerecht, der da ist und der da war, der Heilige, dass du so gerichtet hast.“ gesagt, dass Er hosios ist, von Christus auf der Erde in Apostelgeschichte 2,27 und 13,35 (2:27) denn du wirst meine Seele nicht im Hades zurücklassen noch zugeben, dass dein Frommer Verwesung sehe.“ „(13:35) Deshalb sagt er auch an einer anderen Stelle: „Du wirst nicht zugeben, dass dein Frommer die Verwesung sehe.““ und von Christus im Himmel in Hebräer 7,26 „Denn ein solcher Hoherpriester geziemte uns auch: heilig, unschuldig, unbefleckt, abgesondert von den Sündern und höher als die Himmel geworden,“. Zu den Männern wird gesagt, dass sie beten sollen, indem sie heilige (hosios) Hände aufheben (1Tim 2,8 „Ich will nun, dass die Männer an jedem Ort beten, indem sie heilige Hände aufheben, ohne Zorn und zweifelnde Überlegung.“).

Enthaltsam

Der Aufseher musste „enthaltsam“ sein, das im Grundtext wörtlich bedeutet: „jemand, der Macht über sich selbst hat“; man kann sagen: „selbstbeherrscht“. Diese Kontrolle über sich selbst ist in Galater 5,22 „Die Frucht des Geistes aber ist: Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Gütigkeit, Treue,“ eine [Ausprägung der] Frucht des Geistes und in 2. Petrus 1,6 „in der Erkenntnis aber die Enthaltsamkeit, in der Enthaltsamkeit aber das Ausharren, in dem Ausharren aber die Gottseligkeit,“ eine Frucht der Erkenntnis (nämlich von Gottes Willen und Gedanken). Die Bedeutung geht auch klar aus der Verwendung des zugehörigen Tätigkeitswortes in 1. Korinther 7,9 „Wenn sie sich aber nicht enthalten können, so lasst sie heiraten, denn es ist besser zu heiraten, als entbrannt zu sein.“ hervor (die Unverheirateten, die sich nicht beherrschen können) und in 1. Korinther 9,25 „Jeder aber, der kämpft, ist enthaltsam in allem; jene freilich, damit sie eine vergängliche Krone empfangen, wir aber eine unvergängliche.“ (der Wettläufer, der in allem enthaltsam sein muss, um den Preis zu empfangen). In Apostelgeschichte 24,25 „Als er aber über Gerechtigkeit und Enthaltsamkeit und das kommende Gericht redete, wurde Felix von Furcht erfüllt und antwortete: Für jetzt geh hin; wenn ich aber gelegene Zeit habe, werde ich dich rufen lassen.“ spricht Paulus zu Felix über Gerechtigkeit und Enthaltsamkeit, wobei Gerechtigkeit von Gott ist und dem Menschen hinzugefügt wird und Enthaltsamkeit die Folge davon ist, dass diese Gerechtigkeit praktisch in dem Gerechtfertigten zustande gebracht wird. Die Erkenntnis Gottes und seiner Gedanken muss ich auf mich selbst und auf mein Tun und Lassen anwenden. Diese Kenntnis muss meine Wege kontrollieren, so dass ich einen geraden Weg gehe, nicht abgelenkt werde, sondern das Auge auf den höchsten Mann der Schmerzen gerichtet halte; vergleiche die Worte des Apostels: „Seid meine Nachahmer, wie auch ich Christi“ (1Kor 11,1; vgl. 1Thes 1,6 „Und ihr seid unsere Nachahmer geworden und die des Herrn, indem ihr das Wort aufgenommen habt in vieler Drangsal mit Freude des Heiligen Geistes,“).

Festhaltend das zuverlässige Wort [das] nach der Belehrung [ist]

Der Aufseher musste auch an dem zuverlässigen Wort festhalten. Der Ausdruck „Das Wort ist zuverlässig“ ist in den pastoralen Briefen bestens bekannt und kommt in unterschiedlichem Zusammenhang vor: in Verbindung mit dem Evangelium, der Lehre, der Hoffnung und den Aufsehern (1Tim 1,15; 3,1; 4,9 (1:15) Das Wort ist gewiss und aller Annahme wert, dass Christus Jesus in die Welt gekommen ist, um Sünder zu erretten, von denen ich der erste bin.“ „(3:1) Das Wort ist gewiss: Wenn jemand nach einem Aufseherdienst trachtet, so begehrt er ein schönes Werk.“ „(4:9) Das Wort ist gewiss und aller Annahme wert;“; 2Tim 2,11 „Das Wort ist gewiss; denn wenn wir mitgestorben sind, so werden wir auch mitleben;“; Tit 3,8 „Das Wort ist gewiss; und ich will, dass du auf diesen Dingen fest bestehst, damit die, die Gott geglaubt haben, Sorge tragen, gute Werke zu betreiben. Dies ist gut und nützlich für die Menschen.“). Das Wort ist zuverlässig, weil es kein Menschenwort, sondern das Wort Gottes ist (1Thes 2,13 „Und darum danken auch wir Gott unablässig dafür, dass ihr, als ihr von uns das Wort der Kunde Gottes empfingt, es nicht als Menschenwort aufnahmt, sondern, wie es wahrhaftig ist, als Gottes Wort, das auch in euch, den Glaubenden, wirkt.“), das durch Gott, der nicht lügen kann, durch die besonders Paulus anvertraute Predigt offenbart wurde (Tit 1,2.3 (2) in der Hoffnung des ewigen Lebens, das Gott, der nicht lügen kann, verheißen hat vor ewigen Zeiten; (3) zu seiner Zeit aber hat er sein Wort offenbart durch die Predigt, die mir anvertraut worden ist nach Befehl unseres Heiland-Gottes –“). So zuverlässig, wie Gott selbst ist, so zuverlässig und darum aller Annahme wert ist sein Wort. An diesem Wort musste der Aufseher trotz allen widersetzlichen Geschwätzes und Betrugs (Tit 1,10 „Denn es gibt viele zügellose Schwätzer und Betrüger, besonders die aus der Beschneidung,“) festhalten. Wenn jemand etwas anderes predigen würde als das, was die Apostel verkündigt hatten, wäre er verflucht (Gal 1,8 „Aber wenn auch wir oder ein Engel aus dem Himmel euch etwas als Evangelium verkündigte außer dem, was wir euch als Evangelium verkündigt haben: Er sei verflucht!“). Das war das Wort, das nach der Belehrung war, das heißt in Übereinstimmung mit dem, was Paulus gelehrt hatte. Der Älteste sollte nicht seine eigenen Worte lehren, sondern an dem Wort festhalten, das alleine wahrhaftig zuverlässig ist, weil es von Gott kommt, und das Paulus sie gelehrt hatte. Der Aufseher war zwar ein Mann mit Autorität, aber selbst stand er ebenfalls unter Befehlsgewalt, und zwar der Autorität des durch den Apostel verkündigten Wortes Gottes. Er sollte nur weitergeben, was er empfangen hatte – nicht selbst den Lehrer herauskehren, sondern sich bescheiden als ein Lehrling des Apostels verhalten.

Das Wort für „Belehrung“ (didachè, meistens mit „Lehre“ übersetzt) ist nicht dasselbe wie das Wort „Lehre“ in der zweiten Hälfte von Vers 9 (didaskalia). Didachè kommt nur zweimal in den pastoralen Briefen vor (hier und in 2Tim 4,2 „Predige das Wort, halte darauf zu gelegener und ungelegener Zeit; überführe, weise ernstlich zurecht, ermahne mit aller Langmut und Lehre.“), wogegen didaskalia wohl 15-mal vorkommt. Beide Wörter sind von didasko („unterweisen“) abgeleitet, woher auch das Wort „Didaktik“ herkommt. Die zwei Substantive kann man beide mit „Lehre“ übersetzen, aber didachè ist meistens passiv: „das, was gelehrt wird“ (vgl. Mt 7,28 „Und es geschah, als Jesus diese Reden vollendet hatte, da erstaunten die Volksmengen sehr über seine Lehre;“; Off 2,14.15.24 (14) Aber ich habe ein weniges gegen dich, dass du solche dort hast, die die Lehre Bileams festhalten, der den Balak lehrte, einen Fallstrick vor die Söhne Israels zu legen, Götzenopfer zu essen und Hurerei zu treiben. (15) So hast auch du solche, die in gleicher Weise die Lehre der Nikolaiten festhalten.“ „Euch aber sage ich, den Übrigen, die in Thyatira sind, so viele diese Lehre nicht haben, die die Tiefen des Satans, wie sie sagen, nicht erkannt haben: Ich werfe keine andere Last auf euch;“). Manchmal ist es aktiv: „das Lehren“ (Mk 4,2; 2Tim 4,2 „Predige das Wort, halte darauf zu gelegener und ungelegener Zeit; überführe, weise ernstlich zurecht, ermahne mit aller Langmut und Lehre.“). Dikaskalia ist vornehmlich aktiv (1Tim 4,13.16; 5,17 (4:13) Bis ich komme, halte an mit dem Vorlesen, mit dem Ermahnen, mit dem Lehren.“ „(4:16) Habe acht auf dich selbst und auf die Lehre; beharre in diesen Dingen, denn wenn du dies tust, so wirst du sowohl dich selbst erretten als auch die, die dich hören.“ „(5:17) Die Ältesten, die wohl vorstehen, lass doppelter Ehre für würdig erachtet werden, besonders die, die in Wort und Lehre arbeiten.“; 2Tim 3,10.16 „Du aber hast genau erkannt meine Lehre, mein Betragen, meinen Vorsatz, meinen Glauben, meine Langmut, meine Liebe, mein Ausharren,“ „Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit,“; Tit 2,7 „indem du in allem dich selbst als ein Vorbild guter Werke darstellst; in der Lehre Unverfälschtheit, würdigen Ernst,“), mitunter aber auch passiv (1Tim 1,10; 4,1.6; 6,1.3 (1:10) Hurer, Knabenschänder, Menschenräuber, Lügner, Meineidige und wenn etwas anderes der gesunden Lehre entgegen ist,“ „(4:1) Der Geist aber sagt ausdrücklich, dass in späteren Zeiten einige von dem Glauben abfallen werden, indem sie achten auf betrügerische Geister und Lehren von Dämonen,“ „(4:6) Wenn du dies den Brüdern vorstellst, so wirst du ein guter Diener Christi Jesu sein, auferzogen durch die Worte des Glaubens und der guten Lehre, der du genau gefolgt bist.“ „(6:1) Alle, die Knechte unter dem Joch sind, sollen ihre eigenen Herren aller Ehre würdig achten, damit nicht der Name Gottes und die Lehre verlästert werde.“ „(6:3) Wenn jemand anders lehrt und nicht beitritt den gesunden Worten, die unseres Herrn Jesus Christus sind, und der Lehre, die nach der Gottseligkeit ist,“; 2Tim 4,3 „Denn es wird eine Zeit sein, da sie die gesunde Lehre nicht ertragen werden, sondern nach ihren eigenen Begierden sich selbst Lehrer aufhäufen werden, indem es ihnen in den Ohren kitzelt;“; Tit 1,9; 2,1.10 (1:9) anhängend dem zuverlässigen Wort nach der Lehre, damit er fähig sei, sowohl mit der gesunden Lehre zu ermahnen als auch die Widersprechenden zu überführen.“ „(2:1) Du aber rede, was der gesunden Lehre geziemt:“ „(2:10) nichts unterschlagend, sondern alle gute Treue erweisend, damit sie die Lehre, die unseres Heiland-Gottes ist, zieren in allem.“). In unserem Vers haben beide Wörter eine passive Bedeutung, so dass zwischen ihnen wenig Unterschied besteht. Vielleicht hat didaskalia hier eine Bedeutung, die etwas ins Aktive geht: „Die Aufseher müssen mit der gesunden Lehre ermahnen“, so dass es einen Unterschied zu didachè gibt: „Das Wort ist in Übereinstimmung mit dem, was gelehrt wird.“

Damit er imstande ist, sowohl mit der gesunden Lehre zu ermahnen

Es war notwendig, an diesem zuverlässigen Wort festzuhalten, weil der Aufseher dadurch zu zwei Tätigkeiten imstande sein würde, die in seiner Aufseherschaft vorkommen konnten: das Ermahnen mit der gesunden Lehre und das Überführen der Widersprechenden. Der Codex Alexandrinus liest hier versehentlich: „um die zu ermahnen (trösten), die in allerlei Bedrängnis sind“, wahrscheinlich durch eine Verwechslung mit 2. Korinther 1,4 „der uns tröstet in all unserer Bedrängnis, damit wir die trösten können, die in allerlei Bedrängnis sind, durch den Trost, mit dem wir selbst von Gott getröstet werden;“. Eigentlich steht hier: „ermahnen in der gesunden Lehre“. Die Lehre wird hier „gesund“ genannt, wie es in den Briefen an Timotheus und Titus öfters der Fall ist (vgl. 1Tim 1,10 „Hurer, Knabenschänder, Menschenräuber, Lügner, Meineidige und wenn etwas anderes der gesunden Lehre entgegen ist,“; 2Tim 4,3 „Denn es wird eine Zeit sein, da sie die gesunde Lehre nicht ertragen werden, sondern nach ihren eigenen Begierden sich selbst Lehrer aufhäufen werden, indem es ihnen in den Ohren kitzelt;“; Tit 2,1 „Du aber rede, was der gesunden Lehre geziemt:“). Ebenso begegnen wir den Ausdrücken „gesunde Worte“ (1Tim 6,3; 2Tim 1,13 „Halte fest das Bild gesunder Worte, die du von mir gehört hast, in Glauben und Liebe, die in Christus Jesus sind.“), „gesund im Glauben“ (Tit 1,13; 2,2) und dem eigentlichen Grundwort in Titus 2,8 „gesunde, nicht zu verurteilende Rede, damit der von der Gegenpartei beschämt wird, da er nichts Schlechtes über uns zu sagen hat.“ („ein gesundes, unanfechtbares Wort“). Letzteres ist das im Neuen Testament üblicherweise benutzte Wort für „gesund“, auch für Kranke, die geheilt wurden. In anderen Fällen kommt es von dem Tätigkeitswort „gesund sein“. Im übertragenen Sinn bedeutet es hier, dass das Wort, das die Apostel lehrten, rein war, ohne Einmischung fremder, menschlicher Gedanken und unbeeinflusst durch Schwätzer und Betrüger, wie es sie in Kreta gab. Mit diesem gesunden, unberührten Wort, dieser Lehre, musste ermahnt werden, damit die Gläubigen in diesem Wort blieben und dadurch auch im Glauben gesund wären (Tit 1,13; 2,2 (1:13) Dieses Zeugnis ist wahr; aus diesem Grund weise sie streng zurecht, damit sie gesund seien im Glauben“ „(2:2) dass die alten Männer nüchtern seien, würdig, besonnen, gesund im Glauben, in der Liebe, im Ausharren;“).

Wir haben bereits gesehen, dass diese Worte durchaus keinen „Lehrauftrag“ für die Aufseher enthielten und sicherlich nicht in der Zusammenkunft als Gemeinde. Es konnte vorkommen, dass der Aufseher gleichzeitig die Gabe des Lehrers hatte, aber diese Gabe hatte nichts mit seinem Amt zu tun. Aus 1. Timotheus 5,17 „Die Ältesten, die wohl vorstehen, lass doppelter Ehre für würdig erachtet werden, besonders die, die in Wort und Lehre arbeiten.“ können wir deutlich erkennen, dass es Älteste gab, die in Wort und Lehre arbeiteten, sowie Älteste, die dazu keine Gabe hatten. Es mussten zwar alle Ältesten die Fähigkeit haben, zu lehren, wie es unser Vers und 1. Timotheus 3,2 „Der Aufseher nun muss untadelig sein, der Mann einer Frau, nüchtern, besonnen, bescheiden, gastfrei, lehrfähig;“ besagt, aber dabei handelt es sich nicht um den Auftrag, in den Zusammenkünften zu lehren (was die Gabe des Lehrers beinhaltet), sondern nur die Befähigung, (nicht als Lehrer, sondern) als Lehrling das selbst Gelernte auszuarbeiten und an andere im Rahmen von persönlichen hirtendienstlichen Gesprächen und Verwaltungsaufgaben weiterzugeben. Die Fähigkeit, mit der gesunden Lehre zu ermahnen, beinhaltet also Folgendes: Wo es die hirtendienstliche oder verwaltende Aufgabe des Ältesten es notwendig machte, musste er imstande sein, seine persönlichen Lebenserfahrungen, die er in den Wegen Gottes erworben hatte, an die Gläubigen zu übermitteln, die ihm und seinen Mitaufsehern anvertraut worden waren.

Als auch die Widersprechenden zu überführen

Der Aufseher kam jedoch nicht nur mit aufrichtigen Gläubigen in Berührung, sondern auch mit Widersprechenden – entweder draußen oder drinnen –, die gegen die gesunde Lehre angingen und das zuverlässige Wort abstritten; vergleiche dasselbe Wort in Apostelgeschichte 13,45 „Als aber die Juden die Volksmengen sahen, wurden sie von Eifersucht erfüllt und widersprachen dem, was von Paulus geredet wurde, und lästerten.“; Lukas 20,27 „Es kamen aber einige der Sadduzäer herzu, die einwenden, es gebe keine Auferstehung, und fragten ihn“; Judas 1 „Judas, Knecht Jesu Christi und Bruder des Jakobus, den in Gott, dem Vater, geliebten und in Jesus Christus bewahrten Berufenen:“,11 und anderen Stellen. Auch in Titus 2,9 „Die Knechte ermahne, sich ihren eigenen Herren unterzuordnen, in allem wohlgefällig zu sein, nicht widersprechend,“ kommt das Wort vor. Daraus sehen wir, dass es bereits damals in der Christenheit Personen gab, die gegen die Wahrheit angingen, wie wir sie vor allem im zweiten Timotheusbrief finden (2Tim 2,16–3,9). Welch eine Verantwortung für die Aufseher, die Anwesenheit dieser Menschen zu erkennen und besonders auch ihr verderbliches Geschwätz zu widerlegen. Das Wort für „widerlegen“ bedeutet eigentlich: den überzeugenden Beweis von etwas liefern, insbesondere jemandes Schuld oder Unrecht. Wir finden diese Bedeutung deutlich in Johannes 8,46; 16,8 (8:46) Wer von euch überführt mich der Sünde? Wenn ich die Wahrheit sage, warum glaubt ihr mir nicht?“ „(16:8) Und wenn er gekommen ist, wird er die Welt überführen von Sünde und von Gerechtigkeit und von Gericht.“; 1. Korinther 14,24 „Wenn aber alle weissagen, und irgendein Ungläubiger oder Unkundiger kommt herein, so wird er von allen überführt, von allen beurteilt;“ und Jakobus 2,9 „Wenn ihr aber die Person anseht, so begeht ihr Sünde und werdet von dem Gesetz als Übertreter überführt.“. Vergleiche auch Hebräer 11,1 „Der Glaube aber ist eine Verwirklichung dessen, was man hofft, eine Überzeugung von Dingen, die man nicht sieht.“ („Überzeugung“ oder „Beweis“ [siehe Anmerkung zu Heb 11,1: „ein Überführtsein“]). Wenn wir diese Grundbedeutung beachten, verstehen wir auch die Textstellen viel besser, wo das Wort durch „bestrafen“ („überführen“) übersetzt wird: Matthäus 18,15 „Wenn aber dein Bruder gegen dich sündigt, so geh hin, überführe ihn zwischen dir und ihm allein. Wenn er auf dich hört, hast du deinen Bruder gewonnen.“; Lukas 3,19 „Weil aber Herodes, der Vierfürst, wegen Herodias, der Frau seines Bruders, und wegen alles Bösen, das Herodes getan hatte, von ihm zurechtgewiesen worden war,“ („zurechtweisen“); Johannes 3,20 „Denn jeder, der Böses tut, hasst das Licht und kommt nicht zu dem Licht, damit seine Werke nicht bloßgestellt werden;“ („bloßgestellt“, „gestraft“, vgl. Anmerkung); Epheser 5,11.13 „Und habt nicht Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis, vielmehr aber straft sie auch;“ „Alles aber, was bloßgestellt wird, wird durch das Licht offenbar gemacht;“; 1. Timotheus 5,20 „Die sündigen, überführe vor allen, damit auch die Übrigen Furcht haben.“ („überführen“); Titus 1,13 „Dieses Zeugnis ist wahr; aus diesem Grund weise sie streng zurecht, damit sie gesund seien im Glauben“ („weise sie streng zurecht“, „überführe sie scharf“, vgl. Anmerkung); Titus 2,15 „Dies rede und ermahne und überführe mit allem Nachdruck. Lass niemand dich verachten!“ („überführe“); Hebräer 12,5 „und habt die Ermahnung vergessen, die zu euch als zu Söhnen spricht: „Mein Sohn, achte nicht gering des Herrn Züchtigung, noch ermatte, wenn du von ihm gestraft wirst.“; Offenbarung 3,19 „Ich überführe und züchtige, so viele ich liebe. Sei nun eifrig und tu Buße!“ („überführe“) und 2. Timotheus 4,2 „Predige das Wort, halte darauf zu gelegener und ungelegener Zeit; überführe, weise ernstlich zurecht, ermahne mit aller Langmut und Lehre.“ („überführe“). Wenn wir das auf unseren Vers anwenden, sehen wir, dass die Aufseher imstande sein mussten, die Lügen der Widersprechenden öffentlich an den Pranger zu stellen, so dass alle Gläubigen ihre wirkliche Natur erkennen konnten. Chrysostomos schreibt: „Wer nicht weiß, wie er mit Widersprechenden streiten muss, und nicht imstande ist, ihre Argumente zu widerlegen, ist weit vom Lehrermandat entfernt.“ Um dazu in der Lage zu sein, war es notwendig, dass die Ältesten im Glauben und in der Lehre gesund waren. Und es gab noch etwas Weitergehendes: Wenn solche Irrlehrer in das christliche Zeugnis eingedrungen waren, mussten die treuen Gläubigen sich von solchen Personen reinigen, „wegreinigen“, damit sie Gefäße zur Ehre sein könnten, nützlich dem Hausherrn, zu jedem guten Werk bereitet. Das steht in 2. Timotheus 2,14-22. Direkt im Anschluss daran wird davon gesprochen, die Widersacher in Sanftmut zurechtzuweisen, damit sie sich bekehren würden (2Tim 2,25 „der in Sanftmut die Widersacher zurechtweist, ob ihnen Gott nicht etwa Buße gebe zur Erkenntnis der Wahrheit“). Es ist also nötig, die Widersprechenden zu widerlegen und zu strafen, wobei wir dabei sehr wachsam sein müssen, um im Hinblick auf die falsche Lehre rein zu bleiben. Deshalb ist es notwendig, dass wir uns persönlich von solchen Menschen zurückziehen (Röm 16,17.18 (17) Ich ermahne euch aber, Brüder, auf die zu achten, die Zwiespalt und Ärgernis anrichten, entgegen der Lehre, die ihr gelernt habt, und wendet euch von ihnen ab. (18) Denn solche dienen nicht unserem Herrn Christus, sondern ihrem eigenen Bauch, und durch süße Worte und schöne Reden verführen sie die Herzen der Arglosen.“; 1Tim 6,11.20 „Du aber, o Mensch Gottes, fliehe diese Dinge; strebe aber nach Gerechtigkeit, Gottseligkeit, Glauben, Liebe, Ausharren, Sanftmut des Geistes.“ „O Timotheus, bewahre das anvertraute Gut, indem du dich von den ungöttlichen, leeren Geschwätzen und Widersprüchen der fälschlich so genannten Kenntnis wegwendest,“; 2Tim 3,5 „die eine Form der Gottseligkeit haben, deren Kraft aber verleugnen; und von diesen wende dich weg.“) und, wenn es unvermeidbar ist, jede Gemeinschaft mit ihnen aufgeben (2Tim 2,20-22 (20) In einem großen Haus aber sind nicht allein goldene und silberne Gefäße, sondern auch hölzerne und irdene, und die einen zur Ehre, die anderen aber zur Unehre. (21) Wenn nun jemand sich von diesen reinigt, so wird er ein Gefäß zur Ehre sein, geheiligt, nützlich dem Hausherrn, zu jedem guten Werk bereitet. (22) Die jugendlichen Begierden aber fliehe; strebe aber nach Gerechtigkeit, Glauben, Liebe, Frieden mit denen, die den Herrn anrufen aus reinem Herzen.“; 2Joh 1 „Der Älteste der auserwählten Frau und ihren Kindern, die ich liebe in der Wahrheit; und nicht ich allein, sondern auch alle, die die Wahrheit erkannt haben,“,9-11). Mehr denn je gilt das für unsere Zeit, wo die gesunde Lehre nicht mehr ertragen wird, sondern wo man sich selbst nach seinen eigenen Begierden Lehrer aufhäuft, um seine Ohren verwöhnen zu lassen. Und man wendet das Ohr von der Wahrheit ab und wendet sich den Fabeln zu (2Tim 4,3.4 (3) Denn es wird eine Zeit sein, da sie die gesunde Lehre nicht ertragen werden, sondern nach ihren eigenen Begierden sich selbst Lehrer aufhäufen werden, indem es ihnen in den Ohren kitzelt; (4) und sie werden die Ohren von der Wahrheit abkehren, sich aber zu den Fabeln hinwenden.“). Mehr denn je ist es heute notwendig, die Schrift zu kennen und mit ihr zu lehren, zu widerlegen (dasselbe Wort wie in unserem Vers, „überführen“, vgl. 2Tim 3,16 „Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit,“), zurechtzuweisen und zu unterweisen in der Gerechtigkeit (2Tim 3,16 „Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit,“).

(b) Warnungen angesichts der falschen Lehrer (Tit 1,10-16)

Tit 1,10.11: Denn es gibt viele Widerspenstige, Schwätzer und Betrüger, besonders die aus der Beschneidung, denen man den Mund stopfen muss, die ganze Häuser umkehren, um schändlichen Gewinnes willen [Dinge] lehrend, die sich nicht geziemen [gelehrt zu werden].

Denn es gibt viele Widerspenstige

Nun wird herausgestellt, warum eine formale Autorität auf Kreta so nützlich war und warum die Aufseher die Widersprechenden widerlegen können mussten. Hier steht „Denn“: „Denn es gibt viele Widerspenstige.“ Es gab dort nicht nur einzelne Quertreiber, sondern viele, und darüber hinaus nicht außerhalb des christlichen Zeugnisses, sondern in den Gemeinden selbst. Es ging um Personen, die getauft waren und bekannten, Christen zu sein, aber nun öffentlich der Wahrheit widerstanden, so wie sie durch Gott offenbart worden war. Welch ein Kummer muss das für Paulus gewesen sein, dass solche Menschen bereits so frühzeitig in das Zeugnis eingedrungen waren. Er war nicht nur um die  Gemeinden besorgt, weil sie noch so jung und unerfahren waren und noch wenig von der Wahrheit verstanden, sondern jetzt auch deshalb, weil es Personen in ihrer Mitte gab, die die Gemeinden zu verderben drohten. Es geht hier nicht um die Frage, ob diese Personen jetzt errettet waren oder nicht. Das tut nichts zur Sache, denn darüber urteilt Gott. Die Gläubigen hatten es mit der äußerlichen Offenbarung dieser Personen zu tun, die entgegen der Lehre Zwietracht und Ärgernis anrichteten (Röm 16,17.18 (17) Ich ermahne euch aber, Brüder, auf die zu achten, die Zwiespalt und Ärgernis anrichten, entgegen der Lehre, die ihr gelernt habt, und wendet euch von ihnen ab. (18) Denn solche dienen nicht unserem Herrn Christus, sondern ihrem eigenen Bauch, und durch süße Worte und schöne Reden verführen sie die Herzen der Arglosen.“). Ihnen sollten sie sich entziehen, denn solche Menschen dienten nicht unserem Herrn Christus, sondern ihrem eigenen Bauch und durch süße Worte und schöne Reden verführten sie die Herzen der Arglosen (vgl. Röm 16,18 „Denn solche dienen nicht unserem Herrn Christus, sondern ihrem eigenen Bauch, und durch süße Worte und schöne Reden verführen sie die Herzen der Arglosen.“ mit Tit 1,11 „denen man den Mund stopfen muss, die ganze Häuser umkehren, indem sie schändlichen Gewinnes wegen lehren, was sich nicht geziemt.“; vgl. auch Phil 3,17.18 (17) Seid zusammen meine Nachahmer, Brüder, und seht hin auf die, die so wandeln, wie ihr uns zum Vorbild habt. (18) Denn viele wandeln, von denen ich euch oft gesagt habe, nun aber auch mit Weinen sage, dass sie die Feinde des Kreuzes des Christus sind:“). Die Beschreibung dieser Personen stimmt mit denen der Bekenner in 2. Timotheus 3,5-9 (5) die eine Form der Gottseligkeit haben, deren Kraft aber verleugnen; und von diesen wende dich weg. (6) Denn aus diesen sind, die sich in die Häuser schleichen und Weiblein gefangen nehmen, die, mit Sünden beladen, von mancherlei Begierden getrieben werden, (7) die allezeit lernen und niemals zur Erkenntnis der Wahrheit kommen können. (8) In der Weise aber, wie Jannes und Jambres Mose widerstanden, so widerstehen auch diese der Wahrheit, Menschen, verdorben in der Gesinnung, unbewährt hinsichtlich des Glaubens. (9) Aber sie werden nicht weiter fortschreiten, denn ihr Unverstand wird allen offenbar werden, wie auch der von jenen es wurde.“ überein.

Widerspenstige, Schwätzer und Betrüger

Diese Widersprechenden werden in unserem Vers auf drei Weisen umschrieben: als Widerspenstige, als Schwätzer und als Betrüger.

  1. Manche fassen „Widerspenstige“ attributiv auf und übersetzen: „Denn es gibt viele widerspenstige Schwätzer und Betrüger.“ Diese Auffassung wird dadurch unterstrichen, dass einige weniger bedeutende Handschriften zwischen „viele“ und „widerspenstige“ das Wörtchen „und“ einfügen, so dass wir dann lesen müssen: „Es gibt viele und widerspenstige Schwätzer und Betrüger.“ Dem Wort „widerspenstig“ sind wir bereits in Titus 1,6 „Wenn jemand untadelig ist, der Mann einer Frau, der gläubige Kinder hat, die nicht eines ausschweifenden Lebens beschuldigt werden oder zügellos sind.“ begegnet, wo wir gesehen haben, dass es „nicht unterwürfig“ bedeutet. Hier geht es also um Menschen in der Gemeinde, die sich weder der Autorität der älteren Brüder unterwarfen noch der des Apostels Paulus und seines abgesandten Titus und die sich außerdem nicht dem Wort Gottes unterwarfen, der durch Gott offenbarten gesunden Lehre, sondern die ihre eigenen ungesunden Gedanken darüberstellten.
  2. Zweitens waren es Schwätzer, was wörtlich „eitle Sprecher“ bedeutet. Es ist dasselbe Grundwort wie „leeres Geschwätz“ in 1. Timotheus 1,6 „wovon einige abgeirrt sind und sich zu leerem Geschwätz gewandt haben;“. Es waren redegewandte Menschen, die durch ihre Beredsamkeit diejenigen irreführten, die unfähig und unwissend waren. Aber wie schön ihre Worte auch klangen – sie waren eitel, leer, inhaltslos und dienten nur dazu, die Leere dieser Redner zu verschleiern und dem Fleisch der anderen zu schmeicheln. Tatsächlich ist diese eitle Rhetorik für das Fleisch anziehend, und Paulus warnte auch davor, dass es eine Zeit geben würde, in der die Menschen die gesunde Lehre nicht mehr ertragen, sondern sich selbst nach ihren eigenen Begierden Lehrer aufhäufen würden, um ihre Ohren verwöhnen zu lassen. Weiter würden sie das Ohr von der Wahrheit abkehren und sich zu den Fabeln hinwenden (2Tim 4,3.4 (3) Denn es wird eine Zeit sein, da sie die gesunde Lehre nicht ertragen werden, sondern nach ihren eigenen Begierden sich selbst Lehrer aufhäufen werden, indem es ihnen in den Ohren kitzelt; (4) und sie werden die Ohren von der Wahrheit abkehren, sich aber zu den Fabeln hinwenden.“). Vergleiche damit Titus 1,13.14 (13) Dieses Zeugnis ist wahr; aus diesem Grund weise sie streng zurecht, damit sie gesund seien im Glauben (14) und nicht achten auf jüdische Fabeln und Gebote von Menschen, die sich von der Wahrheit abwenden.“.
  3. Brüder, die keine geistliche Einsicht besaßen, konnten durch dieses Geschwätz irregeleitet werden, und darum werden diese Schwätzer hier als Drittes Betrüger genannt. Es waren keine Menschen, die aufrichtig meinten, dass sie das Recht auf ihrer Seite hatten, sondern in der Tat Bauernfänger, die die Gläubigen in Verwirrung bringen wollten, indem sie verderbliche Systeme einführten. Das griechische Wort bedeutet eigentlich „im Gemüt betrügen“ (es kommt auch in Gal 6,3 „Denn wenn jemand meint, etwas zu sein, da er doch nichts ist, so betrügt er sich selbst.“ vor), das heißt innerlich verwirren.

Besonders die aus der Beschneidung

Diese Betrüger kamen insbesondere aus der Beschneidung, das heißt aus den Juden. „Besonders“ können wir auf zwei Arten auffassen, nämlich quantitativ, das heißt, dass die meisten dieser Betrüger Juden waren, oder auch qualitativ, das heißt, dass die schlimmsten dieser Betrüger Juden waren. „Aus der Beschneidung“ heißt: Christen, die ursprünglich beschnittene Juden waren. Es ist ein technischer Ausdruck, dem wir mehr im Neuen Testament begegnen, um Juden zu bezeichnen (Apg 10,45; 11,2 (10:45) Und die Gläubigen aus der Beschneidung, so viele mit Petrus gekommen waren, gerieten außer sich, dass auch auf die Nationen die Gabe des Heiligen Geistes ausgegossen worden war;“ „(11:2) Als Petrus aber nach Jerusalem hinaufkam, stritten die aus der Beschneidung mit ihm“; Röm 15,8 „Denn ich sage, dass Christus ein Diener der Beschneidung geworden ist um der Wahrheit Gottes willen, um die Verheißungen der Väter zu bestätigen;“; Kol 4,11 „und Jesus, genannt Justus, die aus der Beschneidung sind. Diese allein sind Mitarbeiter am Reich Gottes, die mir ein Trost gewesen sind.“; auch in Röm 3,30; 4,9.12 (3:30) denn es ist der eine Gott, der die Beschneidung aus Glauben und die Vorhaut durch den Glauben rechtfertigen wird.“ „(4:9) Diese Glückseligkeit nun, beruht sie auf der Beschneidung oder auch auf der Vorhaut? Denn wir sagen, dass dem Abraham der Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet wurde.“ „(4:12) und Vater der Beschneidung, nicht allein für die aus der Beschneidung, sondern auch für die, die in den Fußstapfen des Glaubens wandeln, den unser Vater Abraham hatte , als er in der Vorhaut war.“; Gal 2,7-9.12 (7) sondern im Gegenteil, als sie sahen, dass mir das Evangelium der Vorhaut anvertraut war, wie Petrus das der Beschneidung (8) (denn der, der in Petrus für das Apostelamt der Beschneidung gewirkt hat, hat auch in mir in Bezug auf die Nationen gewirkt), (9) und als sie die Gnade erkannten, die mir gegeben ist, gaben Jakobus und Kephas und Johannes, die als Säulen angesehen wurden, mir und Barnabas die Rechte der Gemeinschaft, damit wir unter die Nationen, sie aber unter die Beschneidung gingen;“ „Denn bevor einige von Jakobus kamen, hatte er mit denen aus den Nationen gegessen; als sie aber kamen, zog er sich zurück und sonderte sich ab, da er sich vor denen aus der Beschneidung fürchtete.“). In Philipper 3,3 „Denn wir sind die Beschneidung, die wir durch den Geist Gottes dienen und uns Christi Jesu rühmen und nicht auf Fleisch vertrauen;“ wird der Ausdruck auf die wahren Gläubigen angewendet, da die echte Beschneidung schließlich die des Herzens ist (vgl. Röm 2,28.29 (28) Denn nicht der ist ein Jude, der es äußerlich ist, noch ist die äußerliche Beschneidung im Fleisch Beschneidung; (29) sondern der ist ein Jude, der es innerlich ist, und Beschneidung ist die des Herzens, im Geist, nicht im Buchstaben; dessen Lob nicht von Menschen, sondern von Gott ist.“; Kol 2,11 „in dem ihr auch beschnitten worden seid mit einer nicht mit Händen geschehenen Beschneidung, in dem Ausziehen des Leibes des Fleisches, in der Beschneidung des Christus,“; Jer 4,4; 9,26; 5Mo 30,6 „Und der HERR, dein Gott, wird dein Herz und das Herz deiner Nachkommen beschneiden, damit du den HERRN, deinen Gott, liebst mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele, damit du am Leben bleibst.“). Hier im Titusbrief geht es um christliche Juden, die selbst nie ganz vom Gesetz befreit waren und die versuchten, den Christen aus den Nationen ein gesetzliches System aufzuerlegen. Diese Personen haben wir bereits in der Einleitung dieser Betrachtung beschrieben. Das Gefährliche dieser Judaisten war, dass sie bei ihrem betrügerischen Geschwätz an den schlechten Charakter der Kreter appellierten (Tit 1,12 „Es hat einer von ihnen, ihr eigener Prophet, gesagt: „Kreter sind immer Lügner, böse, wilde Tiere, faule Bäuche.““). Nichts verleitet die gottesdienstliche Welt mehr als ein gesetzliches System, das sich auf die Fähigkeit im Menschen gründet, Gott zu gefallen, das aber tatsächlich nur seine verdorbene Natur ans Licht bringt. Je schlechter der Charakter und je geringer die Selbsterkenntnis, desto leichter dringt solch ein System ein. Alle großen Gottesdienste der Welt werden dadurch gekennzeichnet wie auch die römisch-katholische Kirche, viele Sekten, die modernen und freisinnigen Kirchen und in gewisser Hinsicht auch der extreme Calvinismus. Alleine die evangelischen Kirchen, die sich rein erhalten haben (wie viele von ihnen mag es noch geben?), stellen hier eine Ausnahme dar.

Denen man den Mund stopfen muss

Wie in der Apostelgeschichte und unter anderem im Galaterbrief fühlten sich auch die Judenchristen in Kreta über die anderen Gläubigen erhaben, weil sie das Gesetz kannten, beschnitten waren und im Gegensatz zu den anderen das Gesetz hielten. Sie wollten diese Dinge jetzt auch den anderen auferlegen, um sie auf diese Weise in ihrem System zu fangen und Einfluss über sie zu gewinnen. Sie waren wie die Pharisäer, die den Menschen schwere Lasten auferlegten, sie selbst aber nicht mit ihrem Finger bewegen wollten (Mt 23,4 „Sie binden aber schwere und schwer zu tragende Lasten zusammen und legen sie auf die Schultern der Menschen, sie selbst aber wollen sie nicht mit ihrem Finger bewegen.“). Es war allgemein ein ernstes Übel bei den Juden, dass sie meinten, sich als Führer der blinden Völker aufschwingen zu müssen, als Licht derer, die in Finsternis sind, als Erzieher der Törichten, als Lehrer der Unmündigen, ohne dass sie verstanden, dass sie selbst nichts anderes als blinde Leiter waren, finster, unverständig und unmündig (Röm 2,17-24; Mt 15,14 „Lasst sie; sie sind blinde Leiter der Blinden. Wenn aber ein Blinder einen Blinden leitet, werden beide in eine Grube fallen.“). Wie viel schlimmer war es, wenn es dabei um Juden ging, die bekannt hatten, Christen geworden zu sein! Diesen Menschen musste man den Mund stopfen – wir würden sagen: ihnen Schweigen auferlegen. Wörtlich steht hier: etwas auf den Mund tun, das heißt Zaumzeug oder einen Maulkorb anlegen (folglich nicht dasselbe wie in Röm 3,19 „Wir wissen aber, dass alles, was das Gesetz sagt, es zu denen redet, die unter dem Gesetz sind, damit jeder Mund verstopft werde und die ganze Welt dem Gericht Gottes verfallen sei.“, wo es wörtlich heißt: den Mund zustopfen, schließen), was damit tatsächlich den Gedanken beinhaltet: Schweigen auferlegen.

Das geschah auf zweierlei Weise: erstens aufgrund der formalen Autorität von Titus und der Aufseher und zweitens dadurch, dass diesen Widersprechenden öffentlich der Mund gestopft werden musste, indem ihr Geschwätz von der Schrift und den neuen offenbarten Wahrheiten aus widerlegt wurde (Tit 1,9.13 „anhängend dem zuverlässigen Wort nach der Lehre, damit er fähig sei, sowohl mit der gesunden Lehre zu ermahnen als auch die Widersprechenden zu überführen.“ „Dieses Zeugnis ist wahr; aus diesem Grund weise sie streng zurecht, damit sie gesund seien im Glauben“). Gegenüber solchen Personen durfte es kein Pardon geben, denn es ging um die Ehre Gottes und um das Wohl der Gemeinde. Es ist völlig fehl am Platz, zu sagen, dass wir solche Personen liebhaben müssen, wenn wir damit meinen, dass wir ihre Lehre ertragen sollen. Wenn wir diese Menschen, die bekennen, Brüder zu sein, wirklich lieben, müssen wir unsere Liebe auf eine Art zeigen, die der eines Vaters gleicht, der seine Kinder liebt, nämlich indem er Zucht über sie ausübt, damit sie dadurch umkehren (vgl. denselben Grundsatz in einem anderen Fall in 1Kor 5,5 „einen solchen dem Satan zu überliefern zum Verderben des Fleisches, damit der Geist errettet werde am Tag des Herrn [Jesus].“ und 2Kor 2,5-9 (5) Wenn aber jemand traurig gemacht hat, so hat er nicht mich traurig gemacht, sondern in gewissem Maß (damit ich nicht beschwere) euch alle. (6) Genügend ist einem solchen diese Strafe, die von den Vielen ist, (7) so dass ihr im Gegenteil vielmehr vergeben und ermuntern solltet, damit nicht etwa ein solcher durch die übermäßige Traurigkeit verschlungen werde. (8) Darum ermahne ich euch, ihm gegenüber Liebe zu üben. (9) Denn dazu habe ich auch geschrieben, um eure Bewährung zu erkennen, ob ihr in allem gehorsam seid.“; vgl. auch 1Tim 1,20 „unter denen Hymenäus ist und Alexander, die ich dem Satan überliefert habe, damit sie durch Zucht unterwiesen würden, nicht zu lästern.“ und 2Tim 2,25.26 (25) der in Sanftmut die Widersacher zurechtweist, ob ihnen Gott nicht etwa Buße gebe zur Erkenntnis der Wahrheit (26) und sie wieder nüchtern werden aus dem Fallstrick des Teufels, die von ihm gefangen sind, für seinen Willen.“). Wir sollen die Brüder lieben, aber ihre (und unsere eigenen) verkehrten Taten hassen. Die Liebe freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sondern freut sich mit der Wahrheit (1Kor 13,6 „sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sondern sie freut sich mit der Wahrheit,“). Dies ist die Liebe Gottes, dass wir seine Gebote halten (1Joh 5,2.3 (2) Hieran erkennen wir, dass wir die Kinder Gottes lieben, wenn wir Gott lieben und seine Gebote halten. (3) Denn dies ist die Liebe Gottes, dass wir seine Gebote halten, und seine Gebote sind nicht schwer.“). Das bestimmt unsere Haltung zu Mitchristen. Die Weisheit, die von oben ist, ist erstens rein, dann friedsam (Jak 3,17 „Die Weisheit von oben aber ist erstens rein, dann friedsam, milde, folgsam, voll Barmherzigkeit und guter Früchte, unparteiisch, ungeheuchelt.“). Was diese Dinge angeht, sollen wir besonders nach Gerechtigkeit und Glauben streben, danach erst nach Liebe und Frieden (2Tim 2,22 „Die jugendlichen Begierden aber fliehe; strebe aber nach Gerechtigkeit, Glauben, Liebe, Frieden mit denen, die den Herrn anrufen aus reinem Herzen.“). Gewiss sollen wir sanftmütig sein, wenn wir die Widersacher zurechtweisen, aber das wird erst gesagt, nachdem vorgestellt wurde, dass wir uns von den Gefäßen zur Unehre reinigen sollen (2Tim 2,19-26).

Die ganze Häuser umkehren

Mehr noch als diese Personen sollen wir die ganze Gemeinde lieben, weil sie durch deren Lehre geschädigt wird. Schließlich kehren sie ganze Häuser um, indem sie Dinge lehren, die sich nicht geziemen. Sie kehren den Glauben ganzer Familien um (vgl. dasselbe Wort in 2Tim 2,18 „die von der Wahrheit abgeirrt sind, indem sie sagen, dass die Auferstehung schon geschehen sei, und den Glauben einiger zerstören.“ und im buchstäblichen Sinne in Joh 2,15 „Und er machte eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle zum Tempel hinaus, sowohl die Schafe als auch die Rinder; und das Geld der Wechsler schüttete er aus, und die Tische warf er um;“), das heißt, sie ruinieren diese Familien, indem sie in Bezug auf die gesunde Lehre Verwirrung säen. Ganze Häuser bringen sie durcheinander und führen die Familien in Zweifel und Uneinigkeit. Natürlich geht es dabei um Familien, die aus Mangel an geistlichem Leben, Erkenntnis, Unvermögen und vielleicht Weltförmigkeit bereits nicht mehr fest standen. Denn es zieht sich wie ein roter Faden durch die Schrift, dass ein Abweichen von der Lehre nur dann möglich ist, nachdem man sittlich abgewichen ist, das heißt, dass einer Irrlehre immer ein sittliches Abweichen zugrunde liegt. Aus 1. Timotheus 1,18.19 (18) Dieses Gebot vertraue ich dir an, mein Kind Timotheus, gemäß den vorher über dich ergangenen Weissagungen, damit du durch diese den guten Kampf kämpfst, (19) indem du den Glauben bewahrst und ein gutes Gewissen, das einige von sich gestoßen und so, was den Glauben betrifft, Schiffbruch erlitten haben;“ sehen wir deutlich, dass, wenn jemand bezüglich des Glaubens (mit Artikel, d.h. in Bezug auf das Glaubensgut, die Wahrheit) Schiffbruch erleidet, es daher kommt, dass derjenige [den] Glauben (ohne Artikel, d.h. den praktischen Glauben) und ein gutes Gewissen von sich gestoßen hat.

Aus unserem Vers geht erneut die große Verantwortlichkeit des Familienhauptes hervor. Wenn ein Vater in den geistlichen Dingen und gegenüber der Wahrheit untreu ist,  muss er damit rechnen, dass seine Kinder es auch sein werden. Wenn hier steht, dass ganze Häuser umgekehrt werden, wird deutlich, dass dies größtenteils auf die Rechnung des Familienhauptes geht. Bei der Besprechung von Titus 1,6 „Wenn jemand untadelig ist, der Mann einer Frau, der gläubige Kinder hat, die nicht eines ausschweifenden Lebens beschuldigt werden oder zügellos sind.“ haben wir gesehen, dass es nach den Gedanken des Herrn ist, dass jemand mit seinem ganzen Haus errettet wird. Leider ist es jedoch so, dass man im Allgemeinen auch mit seinem ganzen Haus verlorengeht (vgl. 4Mo 16,27.30 „Und sie erhoben sich ringsum weg von der Wohnung Korahs, Dathans und Abirams. Und Dathan und Abiram traten heraus und standen am Eingang ihrer Zelte mit ihren Frauen und ihren Söhnen und ihren kleinen Kindern“ „wenn aber der HERR ein Neues schafft und der Erdboden seinen Mund auftut und sie verschlingt mit allem, was ihnen angehört, und sie lebendig in den Scheol hinabfahren, so werdet ihr erkennen, dass diese Männer den HERRN verachtet haben.“; Jos 7,24 „Da nahm Josua, und ganz Israel mit ihm, Achan, den Sohn Serachs, und das Silber und den Mantel und die goldene Stange und seine Söhne und seine Töchter und seine Rinder und seine Esel und sein Kleinvieh und sein Zelt und alles, was er hatte, und sie brachten sie hinauf in das Tal Achor.“), und es ist eine große Gnade, wenn jemand als Kind einer ungläubigen Familie errettet wird (4Mo 26,11 „Aber die Söhne Korahs starben nicht.“). Genauso wie von den Aufsehern verlangt werden konnte, dass ihre Kinder gläubig waren, lastet auf den ungeistlichen Ältesten die volle Verantwortung, wenn die Kinder aufgrund ihres Abweichens verlorengehen.

Um schändlichen Gewinnes willen [Dinge] lehrend, die sich nicht geziemen

Die Widersprechenden lehrten Dinge, die sich nicht geziemten gelehrt zu werden, weil sie der gesunden Lehre Gottes zuwiderliefen. Sie machten viele Gläubige durch ihr Geschwätz genauso ungesund und beschmutzt, wie sie es bereits selbst waren (vgl. Tit 1,13-16 (13) Dieses Zeugnis ist wahr; aus diesem Grund weise sie streng zurecht, damit sie gesund seien im Glauben (14) und nicht achten auf jüdische Fabeln und Gebote von Menschen, die sich von der Wahrheit abwenden. (15) Den Reinen ist alles rein; den Befleckten aber und Ungläubigen ist nichts rein, sondern befleckt ist sowohl ihre Gesinnung als auch ihr Gewissen. (16) Sie geben vor, Gott zu kennen, aber in den Werken verleugnen sie ihn und sind abscheulich und ungehorsam und zu jedem guten Werk unbewährt.“). Sie unterschieden sich recht stark von den Aufsehern, die nicht auf schändlichen Gewinn aus waren und mit der gesunden Lehre ermahnten. Aber diesen Betrügern ging es um schändlichen Gewinn, während sie ungesundes Geschwätz von sich gaben. Nicht nur das, was sie sagten war falsch, sondern auch warum sie es sagten. Ihre Beweggründe waren verdorben. Man konnte vielleicht noch der Meinung sein, dass diese Irrlehrer selbst an ihr ungesundes Gerede glaubten, aber die schändliche Geldsucht, die sie antrieb, zeigt, dass sie unehrliche Betrüger waren (Tit 1,10 „Denn es gibt viele zügellose Schwätzer und Betrüger, besonders die aus der Beschneidung,“). Aufrichtigen Gläubigen geht es nie ums Geld. Abraham weigerte sich, die Geschenke der Welt anzunehmen, damit niemand sagen konnte, dass er Abraham reich gemacht hatte (1Mo 14,21-24 (21) Und der König von Sodom sprach zu Abram: Gib mir die Seelen, und die Habe nimm für dich. (22) Und Abram sprach zum König von Sodom: Ich hebe meine Hand auf zu dem HERRN, zu Gott, dem Höchsten, der Himmel und Erde besitzt: (23) Wenn vom Faden bis zum Schuhriemen, ja, wenn ich irgendetwas nehme von dem, was dein ist! – damit du nicht sagst: Ich habe Abram reich gemacht. (24) Nichts für mich! Nur was die Knaben verzehrt haben, und der Anteil der Männer, die mit mir gezogen sind: Aner, Eskol und Mamre, die mögen ihren Anteil nehmen!“). Petrus lehnte das Bestechungsgeld Simons ab, der meinte, die Gabe Gottes durch Geld erwerben zu können (Apg 8,18-20 (18) Als aber Simon sah, dass durch das Auflegen der Hände der Apostel der [Heilige] Geist gegeben wurde, bot er ihnen Geld an (19) und sagte: Gebt auch mir diese Gewalt, damit jeder, dem irgend ich die Hände auflege, den Heiligen Geist empfange. (20) Petrus aber sprach zu ihm: Dein Geld fahre samt dir ins Verderben, weil du gemeint hast, dass die Gabe Gottes durch Geld zu erwerben sei!“). Paulus nahm von fast keiner einzigen Gemeinde Geld an – obwohl er ein Recht darauf hatte –, damit er ihnen gegenüber frei war (1Kor 9; Phil 4; 1Thes 2).

Tit 1,12-14: Einer aus ihnen, ihr eigener Prophet, hat gesagt: Kreter [sind] immer Lügner, böse Biester, faule Bäuche. Dieses Zeugnis ist wahr. Strafe sie deshalb scharf, damit sie im Glauben gesund seien, sich nicht abgebend mit jüdischen Fabeln und Geboten von Menschen, die sich von der Wahrheit abwenden.

Einer aus ihnen, ihr eigener Prophet hat gesagt

Die Widersacher (von denen die Juden die schlimmsten ausmachten) waren nicht nur in sich selbst verdorben, sondern sie fanden darüber hinaus einen schädlichen Widerhall in dem schlechten Volkscharakter der Kreter, der leider auch bei den gläubigen Kretern nicht immer unterdrückt wurde. Dass die Kreter von Natur aus schlechte Charakterzüge aufwiesen, war keine Behauptung von Paulus, sondern wurde durch ihren eigenen Propheten beteuert. Dieser war nicht etwa ein Prophet Gottes, sondern wurde von seinen eigenen Volksgenossen als ein Prophet anerkannt und war als solcher für sie vertrauenswürdig und mit Autorität versehen. Er war einer „aus ihnen“, nämlich einer von den vielen in Titus 1,10 „Denn es gibt viele zügellose Schwätzer und Betrüger, besonders die aus der Beschneidung,“, sofern es nicht um Juden, sondern um echte Kreter ging. Dieser Prophet war Epimenides, der um 600 v.Chr. auf Kreta lebte, das heißt zur Zeit Nebukadnezars. Er wohnte in Phaestus (nach anderen in Knossos) auf Kreta. Er scheint durch die Athener gesandt worden zu sein, um die Reinigung dieser Stadt durchzuführen. Er kam somit aus Athen, wo er derjenige gewesen zu sein scheint, der den Athenern dazu riet, den Altar für den unbekannten Gott zu bauen (Apg 17,23 „Denn als ich umherging und die Gegenstände eurer Verehrung betrachtete, fand ich auch einen Altar, an dem die Aufschrift war: Dem unbekannten Gott. Was ihr nun, ohne es zu kennen, verehrt, das verkündige ich euch.“). Auch Cicero und Apuleius nennen ihn einen Propheten. Des Weiteren war er Philosoph und Staatsmann und dabei ein ethischer Dichter. Die angeführte Strophe ist ein Hexameter aus dem wahrscheinlich einzigen verbliebenen Fragment. Seine ethischen Philosophien stellen ihn in eine Reihe mit den heidnischen Moralisten, die in Römer 2,1-16 verurteilt werden. Paulus führt häufiger Strophen alter heidnischer Dichter an, wie von Aratus in Apostelgeschichte 17,28 „Denn in ihm leben und weben und sind wir, wie auch einige eurer Dichter gesagt haben: „Denn wir sind auch sein Geschlecht.““ und Menander in 1. Korinther 15,33 „Lasst euch nicht verführen: Böser Verkehr verdirbt gute Sitten.“.

Kreter [sind] immer Lügner, böse Biester, faule Bäuche

Epimenides’ Darstellung seiner Volksgenossen war nicht besonders sachte. Als Erstes sagt er von ihnen, dass sie immer Lügner seien. Diese Lügenhaftigkeit der Kreter war im Altertum tatsächlich sprichwörtlich. Die Kreter, Kappadozier und Zilizier (drei Namen mit einem K im Griechischen) galten als die bösesten und verdorbensten Völker überhaupt im griechischen Altertum. Auch Livius und Plutarchus stellten den Kretern ein schlechtes Zeugnis aus. Es gab damals sogar ein Tätigkeitswort krètizo, das wörtlich bedeutet: „wie ein Kreter handeln“, womit „lügen“ gemeint ist.[4] Die ersten drei Worte der Strophe von Epimenides („Kreter immer Lügner“) kommen auch bei Callimachus in der Hymne an Zeus vor. Weiter werden die Kreter „böse Biester“ benannt. Ein „Biest“ ist ein wildes Tier (vgl. z.B. Mk 1,13 „Und er war vierzig Tage in der Wüste und wurde von dem Satan versucht; und er war unter den wilden Tieren, und die Engel dienten ihm.“), was hier noch durch „böse“ verstärkt wird. Der Prophet nennt sie so wegen ihrer Empfindungslosigkeit in Bezug auf Ordnung und Autorität sowie wegen ihrer streitsüchtigen und ungehobelten Art. An anderer Stelle schreibt Epimenides: „Die Abwesenheit wilder Tiere in Kreta wird durch seine menschlichen Bewohner wettgemacht.“ Darüber hinaus sind sie „faule Bäuche“, wobei das Wort „Bauch“ eine Andeutung eines gierigen Vielfraßes ist (vgl. Röm 16,18 „Denn solche dienen nicht unserem Herrn Christus, sondern ihrem eigenen Bauch, und durch süße Worte und schöne Reden verführen sie die Herzen der Arglosen.“; Phil 3,19 „deren Ende Verderben, deren Gott der Bauch und deren Ehre in ihrer Schande ist, die auf das Irdische sinnen.“). „Faul“ ist eigentlich „müßig“ (vgl. Mt 20,3.6 „Und als er um die dritte Stunde ausging, sah er andere auf dem Markt müßig stehen;“ „Als er aber um die elfte Stunde ausging, fand er andere dastehen und spricht zu ihnen: Was steht ihr hier den ganzen Tag müßig?“; 1Tim 5,13 „Zugleich aber lernen sie auch, müßig zu sein, indem sie in den Häusern umherlaufen; nicht allein aber müßig, sondern auch geschwätzig und vorwitzig, indem sie reden, was sich nicht geziemt.“) oder auch „träge“ (2Pet 1,8). Im übertragenen Sinne wird es in Matthäus 12,36 „Ich sage euch aber: Von jedem unnützen Wort, das die Menschen reden werden, werden sie Rechenschaft geben am Tag des Gerichts;“ und in Jakobus 2,20 „Willst du aber erkennen, o nichtiger Mensch, dass der Glaube ohne die Werke tot ist?“ verwendet. Obwohl viele Kreter zum Glauben gekommen waren, hatten sie wie alle Gläubigen das Fleisch noch in sich, wozu auch diese schlechten Volksmerkmale gehörten. Wenn sie nicht ihre Glieder, die auf der Erde sind, töteten (Kol 3,5-11) und sich der Sünde für tot hielten (Röm 6,11 „So auch ihr, haltet dafür, dass ihr der Sünde tot seid, Gott aber lebend in Christus Jesus.“), liefen sie große Gefahr, sich diesen verkehrten Eigenschaften preiszugeben, wodurch sie eine leichte Beute falscher Verführer werden würden, die ihrerseits selbst auch Lügner („Betrüger“, Tit 1,10 „Denn es gibt viele zügellose Schwätzer und Betrüger, besonders die aus der Beschneidung,“), Biester („Widerspenstige“, Tit 1,10 „Denn es gibt viele zügellose Schwätzer und Betrüger, besonders die aus der Beschneidung,“) und Bäuche waren („schändlicher Gewinn“, Tit 1,11 „denen man den Mund stopfen muss, die ganze Häuser umkehren, indem sie schändlichen Gewinnes wegen lehren, was sich nicht geziemt.“).

Dieses Zeugnis ist wahr. Strafe sie deshalb scharf, damit sie im Glauben gesund seien

Das Zeugnis des Epimenides war wahr. Obwohl er kein Prophet Gottes war, erkannte Gott sein Zeugnis an. Und „deshalb“ war es nötig, dass Titus sie streng strafen sollte. Dieses Wort „strafen“ (auch in Tit 2,15 „Dies rede und ermahne und überführe mit allem Nachdruck. Lass niemand dich verachten!“) ist dasselbe wie „überführen“ in Titus 1,9 „anhängend dem zuverlässigen Wort nach der Lehre, damit er fähig sei, sowohl mit der gesunden Lehre zu ermahnen als auch die Widersprechenden zu überführen.“. Ich habe übersetzt: „scharf strafen“, was wörtlich „abgeschnitten“ bedeutet – mit anderen Worten: abrupt, prompt, abgerissen. Vergleiche „Strenge“ in Römer 11,22 „Sieh nun die Güte und die Strenge Gottes: gegen die, die gefallen sind, Strenge; gegen dich aber Güte Gottes, wenn du an der Güte bleibst; sonst wirst auch du ausgeschnitten werden.“ und in 2. Korinther 13,10 „Deswegen schreibe ich dies abwesend, damit ich anwesend nicht Strenge gebrauchen muss, nach der Gewalt, die der Herr mir gegeben hat zur Auferbauung und nicht zur Zerstörung.“. Das Wort erinnert an die Arbeit eines Chirurgen, der das bösartige Gewebe „wegschneidet“. So musste Titus durch sein Strafen das „krebsartig um sich fressende Wort“ (2Tim 2,16-18) radikal „wegschneiden“. Dieser Auftrag war so wichtig, dass er nicht den Ältesten, sondern Titus direkt gegeben wurde. In der Tat hing von der Überführung dieser Verführer das Wohl der Gemeinde ab. Dieses Übel musste mit den stärksten Mitteln bekämpft werden, damit es sich unter den Gläubigen nicht weiter ausbreiten konnte. „Ein wenig Sauerteig durchsäuert den ganzen Teig“ (Gal 5,9; 1Kor 5,6.7 (6) Euer Rühmen ist nicht gut. Wisst ihr nicht, dass ein wenig Sauerteig den ganzen Teig durchsäuert? (7) Fegt den alten Sauerteig aus, damit ihr ein neuer Teig seiet, wie ihr ungesäuert seid. Denn auch unser Passah, Christus, ist geschlachtet worden.“). Natürlich sollten die Widersacher mit Sanftmütigkeit zurechtgewiesen werden, denn es konnte sein, dass Gott ihnen Buße zur Erkenntnis der Wahrheit gab (2Tim 2,25 „der in Sanftmut die Widersacher zurechtweist, ob ihnen Gott nicht etwa Buße gebe zur Erkenntnis der Wahrheit“). Die Liebe zum Herrn und zur Gemeinde musste jedoch an erster Stelle stehen, weshalb die Zurechtweisung streng sein musste. Andererseits musste das Ziel immer darin bestehen, den anderen zu gewinnen, „damit er im Glauben gesund sei“. Das Ziel jeder gemeindlichen Zuchtmaßnahme muss zuerst darin bestehen, die Heiligkeit des Tisches des Herrn aufrechtzuerhalten, und zweitens darin, den Abgewichenen zu gewinnen (vgl. 1Kor 5,5 „einen solchen dem Satan zu überliefern zum Verderben des Fleisches, damit der Geist errettet werde am Tag des Herrn [Jesus].“; 2Kor 2,5-11; Gal 6,1 „Brüder, wenn auch ein Mensch von einem Fehltritt übereilt würde, so bringt ihr, die Geistlichen, einen solchen wieder zurecht im Geist der Sanftmut, wobei du auf dich selbst siehst, dass nicht auch du versucht werdest.“; 2Thes 3,14.15 (14) Wenn aber jemand unserem Wort durch den Brief nicht gehorcht, den bezeichnet und habt keinen Umgang mit ihm, damit er beschämt werde; (15) und erachtet ihn nicht als einen Feind, sondern weist ihn zurecht als einen Bruder.“; Jak 5,19.20 (19) Meine Brüder, wenn jemand unter euch von der Wahrheit abirrt, und es führt ihn jemand zurück, (20) so wisse er, dass der, der einen Sünder von der Verirrung seines Weges zurückführt, eine Seele vom Tod erretten und eine Menge von Sünden bedecken wird.“), damit er die Wahrheit erkennt und im Glauben gesund ist. Bei „Glauben“ steht hier der Artikel, das heißt, dass es hier um das geht, was geglaubt wird: um  die Glaubenswahrheit. Die positive Seite besteht in der Rückkehr zur Wahrheit, die negative Seite im Abstehen von den Lügen (jüdischen Fabeln und menschlichen Geboten).

Sich nicht abgebend mit jüdischen Fabeln

Die jüdische Theologie bestand jahrhundertelang (und eigentlich bis heute, solange die Decke auf ihrem Herzen liegt, 2Kor 3,14-16 (14) Aber ihr Sinn ist verhärtet worden, denn bis auf den heutigen Tag bleibt beim Lesen des alten Bundes dieselbe Decke unaufgedeckt, die in Christus weggetan wird. (15) Aber bis auf den heutigen Tag, wenn irgend Mose gelesen wird, liegt die Decke auf ihrem Herzen. (16) Wenn es aber zum Herrn umkehren wird, so wird die Decke weggenommen.)“) tatsächlich genau aus diesen beiden Elementen, die in Vers 14 erwähnt werden. Zuerst aus „jüdischen Fabeln“, das heißt aus jüdischen Phantasien und Ausschmückungen der Geschichte des Alten Testaments. Paulus vergleicht diese „ausgeklügelten Fabeln“ (vgl. 2Pet 1,16 „Denn wir haben euch die Macht und Ankunft unseres Herrn Jesus Christus nicht kundgetan, indem wir ausgeklügelten Fabeln folgten, sondern als solche, die Augenzeugen seiner herrlichen Größe geworden sind.“) mit dem Geplauder alter Frauen (1Tim 4,7 „Die ungöttlichen und altweibischen Fabeln aber weise ab, übe dich aber zur Gottseligkeit;“) und warnt auch Timotheus davor. Zu diesen jüdischen Erdichtungen gehören auch die „endlosen Geschlechtsregister“ (1Tim 1,4), bei denen es sich nicht um die biblischen Geschlechtsregister wie in 1. Chronika 1–8 handelt, die zum inspirierten Wort Gottes gehören. Demgegenüber geht es hier um Phantasien über den Ursprung geistlicher Wesen wie Engel und Dämonen, einer starken Vermischung jüdischen Aberglaubens und heidnischer Philosophie (der Emanationslehre, die besagt, dass alle Dinge aus einem Ursprung, der Gottheit, hervorgegangen ist), die später in die Kabbala mündete, der geheimen Mystik der Juden des Mittelalters. Das Wort „Geschlechtsregister“ ist etwas verwirrend. Wörtlich ist es „Genealogie“, das heißt die Kenntnis über die Entstehung, über die Abstammung.

Und Geboten von Menschen, die sich von der Wahrheit abwenden

Das zweite Element besteht in den Geboten von Menschen, die sich von der Wahrheit abwenden, womit folglich unbekehrte Juden gemeint sind. So wie die Fabeln einen Gegensatz zur Wahrheit bilden, so stehen die menschlichen Gebote denen von Gott gegenüber. Das Alte Testament steht voll von Geboten, aber das sind Gebote, die durch Gott auferlegt worden waren. Die jüdischen Schriftgelehrten hatten sich jedoch darauf konzentriert, diese Gebote zu zerfasern und auszuschmücken und ihnen vor allem viele neue hinzuzufügen. Sie hatten sich auf den Stuhl Moses gesetzt und legten schwere und schwer zu tragende Lasten auf die Schultern der Menschen (vgl. Mk 2,24; 3,2; 7,2 (2:24) Und die Pharisäer sprachen zu ihm: Siehe, warum tun sie am Sabbat, was nicht erlaubt ist?“ „(3:2) Und sie belauerten ihn, ob er ihn am Sabbat heilen würde, um ihn anklagen zu können.“ „(7:2) und sie sahen einige seiner Jünger mit unreinen, das ist ungewaschenen Händen Brot essen.“), wollten sie aber selbst nicht mit ihrem Finger bewegen (Mt 23,2-4 (2) und sprach: Die Schriftgelehrten und die Pharisäer haben sich auf den Stuhl Moses gesetzt. (3) Alles nun, was irgend sie euch sagen, tut und haltet; aber tut nicht nach ihren Werken, denn sie sagen es und tun es nicht. (4) Sie binden aber schwere und schwer zu tragende Lasten zusammen und legen sie auf die Schultern der Menschen, sie selbst aber wollen sie nicht mit ihrem Finger bewegen.“). Schon im Alten Testament hatte Gott vor diesen Menschengeboten gewarnt (Jes 29,13 „Und der Herr hat gesprochen: Weil dieses Volk sich mit seinem Mund naht und mich mit seinen Lippen ehrt und sein Herz fern von mir hält und ihre Furcht vor mir angelerntes Menschengebot ist:“; Mk 7,7 „Vergeblich aber verehren sie mich, indem sie als Lehren Menschengebote lehren.““), denn während sie das Gebot Gottes aufgaben, hielten sie die Überlieferungen der Menschen (Mk 7,5-13). Vergleiche auch Kolosser 2,16.20-23 „So richte euch nun niemand wegen Speise oder wegen Trank oder hinsichtlich eines Festes oder Neumondes oder von Sabbaten,“ „(20) Wenn ihr mit Christus den Elementen der Welt gestorben seid, was unterwerft ihr euch Satzungen, als lebtet ihr noch in der Welt? (21) Berühre nicht, koste nicht, betaste nicht! (22) (Dinge, die alle zur Zerstörung durch den Gebrauch bestimmt sind), nach den Geboten und Lehren der Menschen (23) (die zwar einen Schein von Weisheit haben, in eigenwilligem Gottesdienst und in Demut und im Nichtverschonen des Leibes, und nicht in einer gewissen Ehre), zur Befriedigung des Fleisches.“ und 1. Timotheus 4,1-3 (1) Der Geist aber sagt ausdrücklich, dass in späteren Zeiten einige von dem Glauben abfallen werden, indem sie achten auf betrügerische Geister und Lehren von Dämonen, (2) durch die Heuchelei von Lügenrednern, die betreffs des eigenen Gewissens wie mit einem Brenneisen gehärtet sind, (3) verbieten, zu heiraten, und gebieten, sich von Speisen zu enthalten, die Gott geschaffen hat zur Annahme mit Danksagung für die, die glauben und die Wahrheit erkennen.“.

Diese Phantasien und falschen Überlieferungen bildeten eine große Gefahr in der Christenheit. Die Gebote und Einrichtungen von Menschen gehen aus dem Fleisch hervor, das weder die völlige Verdorbenheit des natürlichen Menschen noch die Gnade Gottes gegenüber dem Sünder anerkennt. Sie stellten den Menschen in den Mittelpunkt und redeten ihm ein, dass er durch die Einhaltung der Gebote die Seligkeit ererben könnte. Kamen diese Ermahnungen und Belehrungen auch noch von solchen, die einen Schein von Gottseligkeit hatten, in Wirklichkeit aber von der Wahrheit abgewichen waren, dann bildeten sie eine ernsthafte Bedrohung für die Gläubigen. Paulus warnte in seinem letzten Brief vor einer Zeit, in der die Menschen die gesunde Lehre nicht mehr ertragen würden, sondern sich nach ihren eigenen Begierden selbst Lehrer aufhäufen würden, um ihre Ohren verwöhnen zu lassen. Sie würden die Ohren von der Wahrheit abkehren und sich zu den Fabeln hinwenden (2Tim 4,3.4 (3) Denn es wird eine Zeit sein, da sie die gesunde Lehre nicht ertragen werden, sondern nach ihren eigenen Begierden sich selbst Lehrer aufhäufen werden, indem es ihnen in den Ohren kitzelt; (4) und sie werden die Ohren von der Wahrheit abkehren, sich aber zu den Fabeln hinwenden.“). Leider haben in vielen Kirchen menschliche Einrichtungen tatsächlich zu Unrecht einen großen Platz eingenommen, während namentlich in der römischen Kirche die Überlieferungen (Fabeln) eine große Rolle spielen, worauf vor allem 1. Timotheus 4,1-3 (1) Der Geist aber sagt ausdrücklich, dass in späteren Zeiten einige von dem Glauben abfallen werden, indem sie achten auf betrügerische Geister und Lehren von Dämonen, (2) durch die Heuchelei von Lügenrednern, die betreffs des eigenen Gewissens wie mit einem Brenneisen gehärtet sind, (3) verbieten, zu heiraten, und gebieten, sich von Speisen zu enthalten, die Gott geschaffen hat zur Annahme mit Danksagung für die, die glauben und die Wahrheit erkennen.“ abzielt.

Tit 1,15.16: Alles [ist] rein für den Reinen; für den Verunreinigten und Ungläubigen jedoch [ist] nichts rein, sondern sowohl ihr Verstand als auch ihre Gewissen ist verunreinigt. Sie geben vor, Gott* zu kennen, aber mit den Werken verleugnen sie [ihn], sind abscheulich und ungehorsam und zu jedem guten Werk ungeeignet.

Alles [ist] rein für den Reinen

Wie arglistig ist doch das Herz des Menschen (Jer 17,9 „Arglistig ist das Herz, mehr als alles, und verdorben ist es; wer mag es kennen?“)! Es ist für das Fleisch viel einfacher, äußerliche Gebote aufzustellen, die man erfüllen kann, als nach einem reinen Herzen zu streben. Und selbst wenn Gott dann (wie hier) sagt, dass es für denjenigen, der innerlich rein ist, keine Dinge gibt, die den Nutzer nach zeremoniellen Gesetzen unrein machen, verdreht der Mensch solch ein Wort zu seinem eigenen Verderben, indem er daraus schließt, dass ihm alles erlaubt sei, weil ihn ja überhaupt keine verkehrte Tat verunreinigen würde. Damit zeigt er jedoch nur, wie sehr sein Gewissen bereits verunreinigt ist! Nein, im Christentum ist nichts äußerlich: keine Gebote, keine Riten und Zeremonien, kein äußerlicher Prunk, nichts, was vor Augen ist (2Kor 10,7 „Seht ihr auf das, was vor Augen ist? Wenn jemand bei sich selbst darauf vertraut, dass er Christi sei, so bedenke er dies wiederum bei sich selbst, dass, wie er Christi ist, so auch wir.“). Lediglich Taufe und Abendmahl sind äußerliche Symbole, die jedoch von innerlichen Dingen sprechen. Gott möchte Wirklichkeit, Er möchte Wahrheit im Innern (Ps 51,8 „Siehe, du hast Gefallen an der Wahrheit im Innern, und im Verborgenen wirst du mir Weisheit kundtun.“). Der Herr sieht das Herz an (1Sam 16,7 „Aber der HERR sprach zu Samuel: Blicke nicht auf sein Aussehen und auf die Höhe seines Wuchses, denn ich habe ihn verworfen; denn der HERR sieht nicht auf das, worauf der Mensch sieht; denn der Mensch sieht auf das Äußere, aber der HERR sieht auf das Herz.“). Bei Ihm zählt nicht in erster Linie die äußerliche Stellung, die jemand einnimmt (obwohl er jemand gemäß der Stellung beurteilt, die er einnimmt und auf die er sich beruft), sondern das, was im Herzen vorhanden ist. Paulus zeigt das zum Beispiel deutlich mit Bezug auf die Stellung der Juden (Röm 2,17–3,20). Es geht um den inneren geistlichen Zustand. Man wird nicht rein, indem man die zeremoniellen Gesetze befolgt, die die jüdischen Verführer einführen wollten, das heißt nicht aufgrund von Gesetzeswerken (Röm 3,20.27.28 „Darum, aus Gesetzeswerken wird kein Fleisch vor ihm gerechtfertigt werden; denn durch Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde.“ „(27) Wo ist nun der Ruhm? Er ist ausgeschlossen worden. Durch was für ein Gesetz? Der Werke? Nein, sondern durch das Gesetz des Glaubens. (28) Denn wir urteilen, dass ein Mensch durch Glauben gerechtfertigt wird, ohne Gesetzeswerke.“; Gal 2,16.21; 3,2.5.11; 5,3.4 (2:16) aber wissend, dass der Mensch nicht aus Gesetzeswerken gerechtfertigt wird, sondern nur durch den Glauben an Jesus Christus, auch wir haben an Christus Jesus geglaubt, damit wir aus Glauben an Christus gerechtfertigt würden und nicht aus Gesetzeswerken, weil aus Gesetzeswerken kein Fleisch gerechtfertigt werden wird.“ „(2:21) Ich mache die Gnade Gottes nicht ungültig; denn wenn Gerechtigkeit durch Gesetz kommt, dann ist Christus umsonst gestorben.“ „(3:2) Dies allein will ich von euch lernen: Habt ihr den Geist aus Gesetzeswerken empfangen oder aus der Kunde des Glaubens?“ „(3:5) Der euch nun den Geist darreicht und Wunderwerke unter euch wirkt, ist es aus Gesetzeswerken oder aus der Kunde des Glaubens?“ „(3:11) Dass aber durch Gesetz niemand vor Gott gerechtfertigt wird, ist offenbar, denn „der Gerechte wird aus Glauben leben“.“ „(5:3) Ich bezeuge aber wiederum jedem Menschen, der beschnitten wird, dass er das ganze Gesetz zu tun schuldig ist. (5:4) Ihr seid abgetrennt von Christus, so viele ihr im Gesetz gerechtfertigt werden wollt; ihr seid aus der Gnade gefallen.“; Phil 3,9 „und in ihm gefunden werde, indem ich nicht meine Gerechtigkeit habe, die aus dem Gesetz ist, sondern die, die durch den Glauben an Christus ist – die Gerechtigkeit aus Gott durch den Glauben;“), sondern durch den Glauben an Christus, der uns durch das Wasser des Wortes abgewaschen hat (1Kor 6,11 „Und solches sind einige von euch gewesen; aber ihr seid abgewaschen, aber ihr seid geheiligt, aber ihr seid gerechtfertigt worden in dem Namen des Herrn Jesus und durch den Geist unseres Gottes.“; Eph 5,26 „damit er sie heiligte, sie reinigend durch die Waschung mit Wasser durch das Wort,“; Heb 10,22 „so lasst uns hinzutreten mit wahrhaftigem Herzen, in voller Gewissheit des Glaubens, die Herzen besprengt und so gereinigt vom bösen Gewissen und den Leib gewaschen mit reinem Wasser.“). Durch diese Waschung – und nur dadurch –, die durch die Kraft seines Blutes geschieht (Heb 9,14 „wie viel mehr wird das Blut des Christus, der durch den ewigen Geist sich selbst ohne Flecken Gott geopfert hat, euer Gewissen reinigen von toten Werken, um dem lebendigen Gott zu dienen!“; 1Joh 1,7 „Wenn wir [aber] in dem Licht wandeln, wie er in dem Licht ist, so haben wir Gemeinschaft miteinander, und das Blut Jesu [Christi], seines Sohnes, reinigt uns von aller Sünde.“; Off 1,5; 7,14 (1:5) und von Jesus Christus, der der treue Zeuge ist, der Erstgeborene der Toten und der Fürst der Könige der Erde! Dem, der uns liebt und uns von unseren Sünden gewaschen hat in seinem Blut“ „(7:14) Und ich sprach zu ihm: Mein Herr, du weißt es. Und er sprach zu mir: Dies sind die, die aus der großen Drangsal kommen, und sie haben ihre Gewänder gewaschen und haben sie weiß gemacht in dem Blut des Lammes.“), kann ein Mensch wirklich rein werden (vgl. weiter Joh 3,5; 13,10; 15,3 (3:5) Jesus antwortete: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, so kann er nicht in das Reich Gottes eingehen.“ „(13:10) Jesus spricht zu ihm: Wer gebadet ist, hat nicht nötig, sich zu waschen, ausgenommen die Füße, sondern ist ganz rein; und ihr seid rein, aber nicht alle.“ „(15:3) Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe.“; 1Pet 1,22.23 (22) Da ihr eure Seelen gereinigt habt durch den Gehorsam gegen die Wahrheit zur ungeheuchelten Bruderliebe, so liebt einander mit Inbrunst aus reinem Herzen, (23) die ihr nicht wiedergeboren seid aus verweslichem Samen, sondern aus unverweslichem, durch das lebendige und bleibende Wort Gottes;“; Jak 1,18 „Nach seinem eigenen Willen hat er uns durch das Wort der Wahrheit gezeugt, damit wir eine gewisse Erstlingsfrucht seiner Geschöpfe seien.“ und Tit 3,5 „errettete er uns, nicht aus Werken, die, in Gerechtigkeit vollbracht, wir getan hatten, sondern nach seiner Barmherzigkeit durch die Waschung der Wiedergeburt und die Erneuerung des Heiligen Geistes,“).

Der Gläubige ist nicht mehr unter dem Gesetz (Röm 6,14; 7,4 (6:14) Denn die Sünde wird nicht über euch herrschen, denn ihr seid nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade.“ „(7:4) Also seid auch ihr, meine Brüder, dem Gesetz getötet worden durch den Leib des Christus, um eines anderen zu werden, des aus den Toten Auferweckten, damit wir Gott Frucht brächten.“; 1Kor 9,20 „Und ich bin den Juden geworden wie ein Jude, damit ich die Juden gewinne; denen, die unter Gesetz sind, wie unter Gesetz (obwohl ich selbst nicht unter Gesetz bin), damit ich die, die unter Gesetz sind, gewinne;“; Gal 5,18 „Wenn ihr aber durch den Geist geleitet werdet, so seid ihr nicht unter Gesetz.“), denn das ist in sich selbst unvollkommen und bringt nur Zorn, Tod, Verdammnis und Fluch. Wir sind dem Gesetz gestorben (Röm 7,4.6 „Also seid auch ihr, meine Brüder, dem Gesetz getötet worden durch den Leib des Christus, um eines anderen zu werden, des aus den Toten Auferweckten, damit wir Gott Frucht brächten.“ „Jetzt aber sind wir von dem Gesetz losgemacht, da wir dem gestorben sind, in dem wir festgehalten wurden, so dass wir in dem Neuen des Geistes dienen und nicht in dem Alten des Buchstabens.“; Gal 2,19 „Denn ich bin durch das Gesetz dem Gesetz gestorben, damit ich Gott lebe; ich bin mit Christus gekreuzigt,“) und daher von ihm befreit (Röm 7,6; 8,2 (7:6) Jetzt aber sind wir von dem Gesetz losgemacht, da wir dem gestorben sind, in dem wir festgehalten wurden, so dass wir in dem Neuen des Geistes dienen und nicht in dem Alten des Buchstabens.“ „(8:2) Denn das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesus hat mich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes.“; Gal 3,13; 4,5 (3:13) Christus hat uns losgekauft von dem Fluch des Gesetzes, indem er ein Fluch für uns geworden ist (denn es steht geschrieben: „Verflucht ist jeder, der am Holz hängt!“),“ „(4:5) damit er die, die unter Gesetz waren, loskaufte, damit wir die Sohnschaft empfingen.“). Christus ist jetzt unsere Lebensregel geworden (vgl. Gal 3,24-27 (24) Also ist das Gesetz unser Erzieher gewesen auf Christus hin, damit wir aus Glauben gerechtfertigt würden. (25) Da aber der Glaube gekommen ist, sind wir nicht mehr unter einem Erzieher; (26) denn ihr alle seid Söhne Gottes durch den Glauben an Christus Jesus. (27) Denn so viele ihr auf Christus getauft worden seid, ihr habt Christus angezogen.“), und was wahr ist in Ihm, ist auch wahr in uns (1Joh 2,8 „Wiederum schreibe ich euch ein neues Gebot, das, was wahr ist in ihm und in euch, weil die Finsternis vergeht und das wahrhaftige Licht schon leuchtet.“; vgl. 1Joh 3,3; 4,17 (3:3) Und jeder, der diese Hoffnung zu ihm hat, reinigt sich selbst, wie er rein ist.“ „(4:17) Hierin ist die Liebe mit uns vollendet worden, damit wir Freimütigkeit haben an dem Tag des Gerichts, dass, wie er ist, auch wir sind in dieser Welt.“). Konnte Er etwa unrein werden, als Er mit ungewaschenen Füßen aß (Lk 7,44 „Und sich zu der Frau wendend, sprach er zu Simon: Siehst du diese Frau? Ich bin in dein Haus gekommen; du hast mir kein Wasser auf [meine] Füße gegeben, diese aber hat meine Füße mit Tränen benetzt und mit ihren Haaren getrocknet.“), einen Aussätzigen (Mt 8,3 „Und er streckte seine Hand aus, rührte ihn an und sprach: Ich will; werde gereinigt! Und sogleich wurde er von seinem Aussatz gereinigt.“) oder Toten (Mk 5,41 „Und als er das Kind bei der Hand ergriffen hatte, spricht er zu ihm: Talitha kumi!, das ist übersetzt: Mädchen, ich sage dir, steh auf!“) berührte? Genauso unmöglich ist es, dass ein Gläubiger verunreinigt wird durch bestimmte Speisen (z.B. Schweinefleisch) oder Verhaltensweisen (z.B. Essen aus ungewaschenen Schüsseln). Eine äußerliche zeremonielle Verunreinigung kann seine innerliche Reinheit nicht wegnehmen. Das sagt der Herr auch selbst deutlich: „Es gibt nichts, was von außerhalb des Menschen in ihn eingeht, das ihn verunreinigen kann, sondern was von ihm ausgeht, ist es, was den Menschen verunreinigt“ (Mk 7,15; vgl. Mt 15,10-20; Lk 6,40-45; 11,34-44). Und dem Petrus wurde gesagt: „Was Gott gereinigt hat, halte du nicht für gemein“ Apg 10,15 „Und wieder erging die Stimme zum zweiten Mal an ihn: Was Gott gereinigt hat, halte du nicht für gemein!“).

Dass die Gläubigen vom Gesetz freigemacht worden sind, hat vor allem Bezug auf die Zehn Gebote, die dazu dienten, die Sünde zu erkennen und die Übertretung überströmen zu lassen (Röm 5,13.20; 7,7.8.13 (5:13) (denn bis zu dem Gesetz war Sünde in der Welt; Sünde aber wird nicht zugerechnet, wenn kein Gesetz da ist.“ „(5:20) Das Gesetz aber kam daneben ein, damit die Übertretung überströmend würde. Wo aber die Sünde überströmend geworden ist, ist die Gnade noch überreichlicher geworden,“ „(7:7) Was sollen wir nun sagen? Ist das Gesetz Sünde? Das sei ferne! Aber die Sünde hätte ich nicht erkannt als nur durch Gesetz. Denn auch von der Begierde hätte ich nichts gewusst, wenn nicht das Gesetz gesagt hätte: „Du sollst nicht begehren.“ (7:8) Die Sünde aber, durch das Gebot Anlass nehmend, bewirkte jede Begierde in mir; denn ohne Gesetz ist die Sünde tot.“ „(7:13) Gereichte nun das Gute mir zum Tod? Das sei ferne! Sondern die Sünde, damit sie als Sünde erschiene, indem sie mir durch das Gute den Tod bewirkte, damit die Sünde überaus sündig würde durch das Gebot.“; Gal 3,19 „Warum nun das Gesetz? Es wurde der Übertretungen wegen hinzugefügt (bis der Nachkomme käme, dem die Verheißung gemacht war), angeordnet durch Engel in der Hand eines Mittlers.“; 1Tim 1,8.9 (8) Wir wissen aber, dass das Gesetz gut ist, wenn jemand es gesetzmäßig gebraucht, (9) indem er dies weiß, dass für einen Gerechten das Gesetz nicht bestimmt ist, sondern für Gesetzlose und Zügellose, für Gottlose und Sünder, für Unheilige und Ungöttliche, für Vaterschläger und Mutterschläger, für Menschenmörder,“).  Aber der Gläubige ist gemäß dem Beschluss von Apostelgeschichte 15 auch von allen zeremoniellen Gesetzen befreit, die in Israel galten. Die einzigen Ausnahmen sind die, dass der Gläubige sich von den Verunreinigungen der Götzen und von der Hurerei und vom Erstickten und vom Blut enthalten soll (Apg 15,20 „sondern ihnen schreibe, dass sie sich enthalten von den Verunreinigungen der Götzen und von der Hurerei und vom Erstickten und vom Blut.“), aber dabei handelt es sich auch nicht um spezifische Verordnungen für Israel, sondern um allgemeingültige Grundsätze der Schöpfungsordnung Gottes. Die zeremoniellen Gebräuche sind dort, wo die Wirklichkeit gekannt wird, nutzlos (Kol 2,16.17.20-23 (16) So richte euch nun niemand wegen Speise oder wegen Trank oder hinsichtlich eines Festes oder Neumondes oder von Sabbaten, (17) die ein Schatten der zukünftigen Dinge sind, der Körper aber ist des Christus.“ „(20) Wenn ihr mit Christus den Elementen der Welt gestorben seid, was unterwerft ihr euch Satzungen, als lebtet ihr noch in der Welt? (21) Berühre nicht, koste nicht, betaste nicht! (22) (Dinge, die alle zur Zerstörung durch den Gebrauch bestimmt sind), nach den Geboten und Lehren der Menschen (23) (die zwar einen Schein von Weisheit haben, in eigenwilligem Gottesdienst und in Demut und im Nichtverschonen des Leibes, und nicht in einer gewissen Ehre), zur Befriedigung des Fleisches.“). Das Gesetz war nur ein Schatten (Heb 10,1 „Denn da das Gesetz einen Schatten der zukünftigen Güter, nicht der Dinge Ebenbild selbst hat, so kann es niemals mit denselben Schlachtopfern, die sie alljährlich ununterbrochen darbringen, die Hinzunahenden vollkommen machen.“), die Wirklichkeit aber ist Christi.

Man darf den Text nicht missbrauchen! Hier steht nicht, dass alles rein ist, was nach Ansicht des Reinen rein ist, sondern dass es für den Reinen rein ist; damit ist der Gebrauch selbst gemeint. Das bedeutet: An sich gibt es keine bestimmten Dinge, die den Gläubigen nach gewissen Gesetzen verunreinigen, was aber durchaus nicht heißt, dass wir alles verwenden könnten! Wir sollen unsere Freiheit nicht zu einem Anlass für das Fleisch gebrauchen (Gal 5,13 „Denn ihr seid zur Freiheit berufen worden, Brüder; nur gebraucht nicht die Freiheit zu einem Anlass für das Fleisch, sondern durch die Liebe dient einander.“), denn wir haben die Freiheit nicht zu einem Deckmantel der Bosheit, sondern als Knechte Gottes (1Pet 2,16 „als Freie und nicht als solche, die die Freiheit zum Deckmantel der Bosheit haben, sondern als Knechte Gottes.“)! Das macht alles aus. Der Reine freut sich ausschließlich über das Reine, und obwohl alle Dinge an sich rein sind, wird er nur dann von ihnen Gebrauch machen, wenn es nützlich und erbaulich ist (1Kor 10,23 „Alles ist erlaubt, aber nicht alles ist nützlich; alles ist erlaubt, aber nicht alles erbaut.“), kein Anstoß für den Bruder (Röm 14,14-21!), aus Glauben (Röm 14,23 „Wer aber zweifelt, wenn er isst, ist verurteilt, weil er es nicht aus Glauben tut. Alles aber, was nicht aus Glauben ist, ist Sünde.“) und vor allem zur Ehre Gottes (Röm 14,6-8 (6) Wer den Tag achtet, achtet ihn dem Herrn. Und wer isst, isst dem Herrn, denn er danksagt Gott; und wer nicht isst, isst dem Herrn nicht und danksagt Gott. (7) Denn keiner von uns lebt sich selbst, und keiner stirbt sich selbst. (8) Denn sei es, dass wir leben, wir leben dem Herrn; sei es, dass wir sterben, wir sterben dem Herrn. Sei es nun, dass wir leben, sei es, dass wir sterben, wir sind des Herrn.“; 1Kor 10,31 „Ob ihr nun esst oder trinkt oder irgendetwas tut, tut alles zur Ehre Gottes.“; Kol 3,23.24 (23) Was irgend ihr tut, arbeitet von Herzen, als dem Herrn und nicht den Menschen, (24) da ihr wisst, dass ihr vom Herrn die Vergeltung des Erbes empfangen werdet; ihr dient dem Herrn Christus.“). Obwohl also an sich nichts unrein ist, kann es uns bei verkehrtem Gebrauch (nämlich wenn der Herr es nicht möchte), der aus einem verkehrten geistlichen Zustand hervorgeht, zur Sünde sein.

Für den Verunreinigten und Ungläubigen jedoch [ist] nichts rein

Bei den Verunreinigten und Ungläubigen (was hier vor allem auf die jüdischen Verführer abzielt) ist alles umgekehrt. Der Unreine ersetzt die innerliche Reinheit des Herzens (die allein alle Dinge rein macht) durch Verordnungen in Bezug auf sein äußeres Verhalten. Er macht das sogar gerne, denn indem er bestimmte Dinge außerhalb von sich selbst unrein nennt, kann er seine eigene innerliche Unreinheit vergessen. Chrysostomos schrieb: „Wenn die Seele unrein ist, denkt sie, dass alles unrein ist.“ Aber es nützt dem Unreinen nichts, wenn er sich und anderen etwas vortäuscht. Er ist innerlich völlig verunreinigt, so dass selbst das, was nach zeremoniellen Gesetzen rein ist, durch ihn unrein wird. Sein unreiner Mund, der eine böse Sprache spricht (Röm 3,10-18; Jak 3,10-12 (10) Aus demselben Mund geht Segen und Fluch hervor. Dies, meine Brüder, sollte nicht so sein. (11) Die Quelle sprudelt doch nicht aus derselben Öffnung das Süße und das Bittere? (12) Kann etwa, meine Brüder, ein Feigenbaum Oliven hervorbringen oder ein Weinstock Feigen? Auch kann Salziges nicht süßes Wasser hervorbringen.“), macht auch reine Speisen unrein (vgl. Mt 15,18-20 (18) Was aber aus dem Mund ausgeht, kommt aus dem Herzen hervor, und das verunreinigt den Menschen. (19) Denn aus dem Herzen kommen hervor böse Gedanken, Mord, Ehebruch, Hurerei, Dieberei, falsche Zeugnisse, Lästerungen; (20) diese Dinge sind es, die den Menschen verunreinigen, aber mit ungewaschenen Händen essen verunreinigt den Menschen nicht.“). Für ihn ist nichts rein. Er braucht sich nicht zurückzuhalten, weil er nicht unreiner wird, wenn er nach seinem Lebensgrundsatz – nämlich zu übertreten – lebt, denn alles, was er tut oder denkt, ist unrein, obwohl er sich einbildet, durch die Einhaltung bestimmter Zeremonien Gott zu gefallen (Lk 11,39-44). Alles, was an ihnen noch schön aussieht, ist in den Augen Gottes ein Gräuel (Spr 15,8; 21,4 (15:8) Das Opfer der Gottlosen ist dem HERRN ein Gräuel, aber das Gebet der Aufrichtigen sein Wohlgefallen.“ „(21:4) Stolz der Augen und Überheblichkeit des Herzens, die Leuchte der Gottlosen, sind Sünde.“). Selbst das Edelste in ihm, sein Verstand und sein Gewissen, ist verunreinigt.

Sondern sowohl ihr Verstand als auch ihr Gewissen ist verunreinigt

Das Wort für „Verstand“ (noes) wird so übersetzt, wenn es „Kennen“ und „Verstehen“ ausdrückt (z.B. Lk 24,45: „Verständnis“), aber mit „Sinn“ wiedergegeben, wenn es Entscheidungen oder Absichten ausdrückt (z.B. 1Kor 2,16 „denn „wer hat den Sinn des Herrn erkannt, der ihn unterweise?“ Wir aber haben Christi Sinn.“), und durch „Gesinnung“ übersetzt, wenn es sittliches Empfinden zum Ausdruck bringen soll (z.B. Röm 14,5 „Der eine hält einen Tag vor dem anderen, der andere aber hält jeden Tag gleich. Jeder sei in seinem eigenen Sinn völlig überzeugt.“; in der CSV-Edition auch hier mit „Sinn“ wiedergegeben; mit „Gesinnung“ übersetzt in Eph 4,23 „aber erneuert werdet in dem Geist eurer Gesinnung“; 2Thes 2,2 „dass ihr euch nicht schnell in der Gesinnung erschüttern noch erschrecken lasst, weder durch Geist noch durch Wort, noch durch Brief, als durch uns, als ob der Tag des Herrn da wäre.“; 1Tim 6,5 „beständige Zänkereien von Menschen, die an der Gesinnung verdorben sind und die Wahrheit verloren haben, die meinen, die Gottseligkeit sei ein Mittel zum Gewinn.“; 2Tim 3,8 „In der Weise aber, wie Jannes und Jambres Mose widerstanden, so widerstehen auch diese der Wahrheit, Menschen, verdorben in der Gesinnung, unbewährt hinsichtlich des Glaubens.“; Tit 1,15 „Den Reinen ist alles rein; den Befleckten aber und Ungläubigen ist nichts rein, sondern befleckt ist sowohl ihre Gesinnung als auch ihr Gewissen.“). Als Teil des Ungläubigen ist es stets verfinstert und verdorben (Kol 2,18 „Niemand bringe euch um den Kampfpreis, der seinen eigenen Willen tut in Demut und Anbetung der Engel, indem er auf Dinge eingeht, die er [nicht] gesehen hat, grundlos aufgebläht von dem Sinn seines Fleisches“; 2Tim 3,8 „In der Weise aber, wie Jannes und Jambres Mose widerstanden, so widerstehen auch diese der Wahrheit, Menschen, verdorben in der Gesinnung, unbewährt hinsichtlich des Glaubens.“; Röm 1,28 „Und weil sie es nicht für gut befanden, Gott in Erkenntnis zu haben, hat Gott sie hingegeben in einen verworfenen Sinn, zu tun, was sich nicht geziemt;“; Eph 4,17 „Dies nun sage und bezeuge ich im Herrn, dass ihr fortan nicht wandelt, wie auch die Nationen wandeln, in Eitelkeit ihres Sinnes,“; 1Tim 6,5 „beständige Zänkereien von Menschen, die an der Gesinnung verdorben sind und die Wahrheit verloren haben, die meinen, die Gottseligkeit sei ein Mittel zum Gewinn.“) und muss deshalb erneuert werden (Röm 12,2 „Und seid nicht gleichförmig dieser Welt, sondern werdet verwandelt durch die Erneuerung eures Sinnes, dass ihr prüfen mögt, was der gute und wohlgefällige und vollkommene Wille Gottes ist.“; Eph 4,23 „aber erneuert werdet in dem Geist eurer Gesinnung“). Das Gewissen (suneidèsis, wörtlich „Mitwissen“) ist das, was „weiß“ und unterscheidet, was die Beweggründe des Menschen sind, sowie beurteilt, was er tut und denkt (vgl. Röm 2,15 „solche, die das Werk des Gesetzes geschrieben zeigen in ihren Herzen, wobei ihr Gewissen mitzeugt und ihre Gedanken sich untereinander anklagen oder auch entschuldigen)“). Aber gerade von denen, die sich (wie hier) mit verkehrten Belehrungen abgeben und anderen Gebote auferlegen, wird gesagt, dass das Gewissen mit einem Brenneisen gehärtet ist (1Tim 4,2 „durch die Heuchelei von Lügenrednern, die betreffs des eigenen Gewissens wie mit einem Brenneisen gehärtet sind,“). Es muss gereinigt werden (Heb 9,14; 10,22 (9:14) wie viel mehr wird das Blut des Christus, der durch den ewigen Geist sich selbst ohne Flecken Gott geopfert hat, euer Gewissen reinigen von toten Werken, um dem lebendigen Gott zu dienen!“ „(10:22) so lasst uns hinzutreten mit wahrhaftigem Herzen, in voller Gewissheit des Glaubens, die Herzen besprengt und so gereinigt vom bösen Gewissen und den Leib gewaschen mit reinem Wasser.“). Besonders in den Hirtenbriefen wird auf ein gutes und reines Gewissen hingewiesen (1Tim 1,5.19; 3,9 (1:5) Das Endziel des Gebotes aber ist: Liebe aus reinem Herzen und gutem Gewissen und ungeheucheltem Glauben,“ „(1:19) indem du den Glauben bewahrst und ein gutes Gewissen, das einige von sich gestoßen und so, was den Glauben betrifft, Schiffbruch erlitten haben;“ „(3:9) die das Geheimnis des Glaubens in reinem Gewissen bewahren.“; 2Tim 1,3 „Ich danke Gott, dem ich von meinen Voreltern her mit reinem Gewissen diene, wie unablässig ich deiner gedenke in meinen Gebeten Nacht und Tag,“).

Sie geben vor, Gott* zu kennen

Das Schlimme ist, dass sie den anderen Gebote auferlegen, wobei sie selbst völlig unrein sind (vgl. Mt 23,4 „Sie binden aber schwere und schwer zu tragende Lasten zusammen und legen sie auf die Schultern der Menschen, sie selbst aber wollen sie nicht mit ihrem Finger bewegen.“; Lk 11,46 „Er aber sprach: Auch euch Gesetzgelehrten wehe! Denn ihr belastet die Menschen mit schwer zu tragenden Lasten, und selbst rührt ihr die Lasten nicht mit einem eurer Finger an.“), äußerlich allerdings fromm auftreten. Sie geben vor, Gott (hier ohne Artikel, was damit das Wesen, den Charakter Gottes ausdrückt) zu kennen (oida = „mit Einsicht kennen“, „verstehen“), verleugnen Ihn aber mit (oder: in) ihren Werken. Was für ein Gegensatz: mit Worten vorgeben, dieselbe Person zu kennen (erkennen), und mit den Werken verleugnen (verkennen). Das sind die Menschen, die eine Form der Gottseligkeit haben, deren Kraft aber verleugnen (2Tim 3,5 „die eine Form der Gottseligkeit haben, deren Kraft aber verleugnen; und von diesen wende dich weg.“). Besonders in den letzten (das heißt unseren) Tagen würde es viele solche Menschen geben (2Tim 3,1 „Dies aber wisse, dass in den letzten Tagen schwere Zeiten eintreten werden;“), aber auch schon damals wirkte das Geheimnis der Gesetzlosigkeit bereits (2Thes 2,7 „Denn schon ist das Geheimnis der Gesetzlosigkeit wirksam; nur ist jetzt der da, der zurückhält, bis er aus dem Weg ist,“). Sie geben vor, Gott zu kennen – in gewissem Sinn kennen sie Gott, so wie alle Völker Gott in gewissem Sinn kennen (Röm 1,21 „weil sie, Gott kennend, ihn weder als Gott verherrlichten noch ihm Dank darbrachten, sondern in ihren Überlegungen in Torheit verfielen und ihr unverständiges Herz verfinstert wurde.“) –, aber dann ist es ginosko, „kennenlernen“; „erfahren“; das heißt durch die Werke Gottes in der Schöpfung (Röm 1,20 „denn das Unsichtbare von ihm wird geschaut, sowohl seine ewige Kraft als auch seine Göttlichkeit, die von Erschaffung der Welt an in dem Gemachten wahrgenommen werden –, damit sie ohne Entschuldigung seien,“) und durch die Überlieferungen, die unter den Nachkommen Noahs verbreitet waren. Dadurch kann sich kein Mensch des Bewusstseins entziehen, dass es Gott gibt, das heißt als Person (deshalb steht in Röm 1,21 „weil sie, Gott kennend, ihn weder als Gott verherrlichten noch ihm Dank darbrachten, sondern in ihren Überlegungen in Torheit verfielen und ihr unverständiges Herz verfinstert wurde.“ der Artikel vor Gott). Aber wenn es darum geht, Einsicht und Verständnis in Bezug auf das Wesen Gottes zu haben (hier steht oida und Gott ohne Artikel), gilt, dass die Heidenvölker Gott nicht „kennen“ (Gal 4,8; 2Thes 1,8 „in flammendem Feuer, wenn er Vergeltung gibt denen, die Gott nicht kennen, und denen, die dem Evangelium unseres Herrn Jesus [Christus] nicht gehorchen;“), denn den Charakter Gottes kann man erstens nur durch eine besondere Offenbarung (die von Gott ausgeht) verstehen und zweitens dadurch, dass man das Evangelium annimmt (das ist unsere Seite), so dass man den Heiligen Geist empfängt.

Aber mit den Werken verleugnen sie [ihn]

Die Betrüger in unserem Vers behaupten jetzt, das Wesen Gottes zu verstehen, zeigen aber durch ihre bösen Werke (vgl. Tit 1,10.11 (10) Denn es gibt viele zügellose Schwätzer und Betrüger, besonders die aus der Beschneidung, (11) denen man den Mund stopfen muss, die ganze Häuser umkehren, indem sie schändlichen Gewinnes wegen lehren, was sich nicht geziemt.“), dass sie überhaupt kein Verständnis davon haben, wer Gott ist. Diesen Tätern der Gesetzlosigkeit wird der Herr einmal sagen müssen: „Ich habe euch niemals gekannt“ (Mt 7,23; ginosko, d.h.: „Ich bin niemals mit euch in Verbindung gekommen“), und: „Ich kenne euch nicht“ (Mt 25,12; oida, d.h.: „Ich weiß nicht, wer ihr seid, ihr steht außerhalb meines Blickfelds“). Sie sind „abscheulich“, was meistens mit „grauenvoll“ übersetzt wird. Es sind Menschen, die tun, was ein Gräuel in den Augen Gottes ist (vgl. Hiob 15,16 „wie viel weniger der Abscheuliche und Verderbte, der Mann, der Unrecht trinkt wie Wasser!“; Ps 14,1.3 „Dem Vorsänger. Von David.Der Tor spricht in seinem Herzen: Es ist kein Gott! Sie haben Böses getan, sie haben abscheuliche Taten verübt; da ist keiner, der Gutes tut.“ „Alle sind abgewichen, sie sind allesamt verdorben; da ist keiner, der Gutes tut, auch nicht einer.“; Lk 16,15 „Und er sprach zu ihnen: Ihr seid es, die sich selbst vor den Menschen als gerecht hinstellen, Gott aber kennt eure Herzen; denn was unter Menschen hoch ist, ist ein Gräuel vor Gott.“; Off 21,8.27 „Den Feigen aber und Ungläubigen und mit Gräueln Befleckten und Mördern und Hurern und Zauberern und Götzendienern und allen Lügnern – ihr Teil ist in dem See, der mit Feuer und Schwefel brennt, welches der zweite Tod ist.“ „Und nicht wird in sie eingehen irgendetwas Gemeines und was Gräuel und Lüge tut, sondern nur die, die geschrieben sind in dem Buch des Lebens des Lammes.“). Außerdem sind sie ungehorsam (vgl. Tit 3,3 „Denn einst waren auch wir unverständig, ungehorsam, irregehend, dienten mancherlei Begierden und Vergnügungen, führten unser Leben in Bosheit und Neid, verhasst und einander hassend.“), was dem „widerspenstig“ in Titus 1,10 „Denn es gibt viele zügellose Schwätzer und Betrüger, besonders die aus der Beschneidung,“ entspricht. Johannes sagt deutlich: Wenn jemand von Gott sagt: „Ich kenne ihn“ (ginosko), aber seine Gebote nicht hält, ist er ein Lügner und in diesem ist die Wahrheit nicht (1Joh 2,3-6 (3) Und hieran wissen wir, dass wir ihn kennen, wenn wir seine Gebote halten. (4) Wer sagt: Ich kenne ihn, und hält seine Gebote nicht, ist ein Lügner, und in diesem ist die Wahrheit nicht. (5) Wer aber irgend sein Wort hält, in diesem ist wahrhaftig die Liebe Gottes vollendet. Hieran wissen wir, dass wir in ihm sind. (6) Wer sagt, dass er in ihm bleibe, ist schuldig, selbst auch so zu wandeln, wie er gewandelt ist.“).

Sind abscheulich und ungehorsam

Das Bekenntnis eines Menschen ist wertlos, wenn es nicht mit guten Werken untermauert wird. Gott möchte Wahrheit im Inneren. Für Ihn ist es so, dass eine erneuerte Gesinnung auch ein Gefallen am Guten hervorbringt sowie eine Abscheu des Bösen, während aus einem ungereinigten, verdorbenen Herzen nur böse Werke oder höchstens tote Werke hervorkommen können (Heb 6,1; 9,14 (6:1) Deshalb, das Wort von dem Anfang des Christus verlassend, lasst uns fortfahren zum vollen Wuchs und nicht wiederum einen Grund legen mit der Buße von toten Werken und mit dem Glauben an Gott,“ „(9:14) wie viel mehr wird das Blut des Christus, der durch den ewigen Geist sich selbst ohne Flecken Gott geopfert hat, euer Gewissen reinigen von toten Werken, um dem lebendigen Gott zu dienen!“). Wie kann beispielsweise eine Person aufgrund ihres eigenen Bekenntnisses jemals zum Tisch des Herrn zugelassen werden, ohne dass dieses Bekenntnis dadurch überprüft wird, indem nach Frucht gesucht wird, die der Buße würdig ist (Mt 3,8 „Bringt nun der Buße würdige Frucht,“)? Denn an der Frucht wird der Baum erkannt. Der gute Mensch bringt aus dem guten Schatz Gutes hervor und der schlechte das Gegenteil (Mt 12,33-35 (33) Entweder macht den Baum gut und so seine Frucht gut, oder macht den Baum faul und so seine Frucht faul; denn an der Frucht wird der Baum erkannt. (34) Ihr Otternbrut! Wie könnt ihr Gutes reden, da ihr böse seid? Denn aus der Fülle des Herzens redet der Mund. (35) Der gute Mensch bringt aus dem guten Schatz Gutes hervor, und der böse Mensch bringt aus dem bösen Schatz Böses hervor.“). Man sammelt von Dornen keine Feigen noch liest man von einem Dornbusch eine Traube (Lk 6,43-45 (43) Denn es gibt keinen guten Baum, der faule Frucht bringt, noch andererseits einen faulen Baum, der gute Frucht bringt; (44) denn jeder Baum wird an seiner eigenen Frucht erkannt; denn von Dornen sammelt man keine Feigen, noch liest man von einem Dornbusch eine Traube. (45) Der gute Mensch bringt aus dem guten Schatz des Herzens das Gute hervor, und der böse bringt aus dem bösen das Böse hervor; denn aus der Fülle des Herzens redet sein Mund.“). Der Glaube an sich ist, wenn er keine Werke hat, tot (Jak 2,17.18 (17) So ist auch der Glaube, wenn er keine Werke hat, in sich selbst tot. (18) Aber es wird jemand sagen: Du hast Glauben, und ich habe Werke; zeige mir deinen Glauben ohne die Werke, und ich werde dir meinen Glauben aus meinen Werken zeigen.“). Die Quelle sprudelt doch nicht aus derselben Öffnung das Süße und das Bittere? Kann etwa ein Feigenbaum Oliven hervorbringen oder ein Weinstock Feigen? Ebenso wenig kann eine salzige Quelle süßes Wasser geben. Lasst den Weisen deshalb seine Werke aus einem guten Wandel zeigen (Jak 3,11-13 (11) Die Quelle sprudelt doch nicht aus derselben Öffnung das Süße und das Bittere? (12) Kann etwa, meine Brüder, ein Feigenbaum Oliven hervorbringen oder ein Weinstock Feigen? Auch kann Salziges nicht süßes Wasser hervorbringen. (13) Wer ist weise und verständig unter euch? Er zeige aus dem guten Wandel seine Werke in Sanftmut der Weisheit.“). Aber bei diesen abscheulichen Personen fehlen nicht nur die Werke, sondern sie sind nicht einmal zu irgendeinem guten Werk imstande bzw. sie sind zu jedem guten Werk „unbewährt“ – wie dieses von Paulus oft verwendete Wort meistens übersetzt wird. Es ist das Gegenteil des verwandten Wortes „bewährt“ (vgl. 2Kor 13,5-7 (5) so prüft euch selbst, ob ihr im Glauben seid, untersucht euch selbst; oder erkennt ihr euch selbst nicht, dass Jesus Christus in euch ist? – es sei denn, dass ihr etwa unbewährt seid. (6) Ich hoffe aber, dass ihr erkennen werdet, dass wir nicht unbewährt sind. (7) Wir beten aber zu Gott, dass ihr nichts Böses tun mögt; nicht damit wir bewährt erscheinen, sondern damit ihr tut, was recht ist, wir aber wie Unbewährte seien.“). Es geht um diejenigen, die sich gegen die Wahrheit stellen (vgl. Tit 1,14 „und nicht achten auf jüdische Fabeln und Gebote von Menschen, die sich von der Wahrheit abwenden.“), Menschen, verdorben am Verstand (vgl. Tit 1,15 „Den Reinen ist alles rein; den Befleckten aber und Ungläubigen ist nichts rein, sondern befleckt ist sowohl ihre Gesinnung als auch ihr Gewissen.“) und, was den Glauben angeht, unbewährt (vgl. Tit 1,13.16 „Dieses Zeugnis ist wahr; aus diesem Grund weise sie streng zurecht, damit sie gesund seien im Glauben“ „Sie geben vor, Gott zu kennen, aber in den Werken verleugnen sie ihn und sind abscheulich und ungehorsam und zu jedem guten Werk unbewährt.“; 2Tim 3,8 „In der Weise aber, wie Jannes und Jambres Mose widerstanden, so widerstehen auch diese der Wahrheit, Menschen, verdorben in der Gesinnung, unbewährt hinsichtlich des Glaubens.“). Auch zur Zeit Hesekiels gab es Menschen, die fromm auftraten, Interesse am Wort des Herrn vortäuschten, aber nicht danach handelten. In ihrem Mund befanden sich angenehme Worte, aber ihr Herz ging Bosheit nach (Hes 33,30-33 (30) Und du, Menschensohn, die Kinder deines Volkes unterhalten sich über dich an den Wänden und in den Türen der Häuser; und einer redet mit dem anderen, jeder mit seinem Bruder, und spricht: Kommt doch und hört, was für ein Wort von dem HERRN ausgeht. (31) Und sie kommen scharenweise zu dir und sitzen vor dir als mein Volk und hören deine Worte, aber sie tun sie nicht; sondern sie tun, was ihrem Mund angenehm ist, ihr Herz geht ihrem Gewinn nach. (32) Und siehe, du bist ihnen wie ein liebliches Lied, wie einer, der eine schöne Stimme hat und gut zu spielen versteht; und sie hören deine Worte, doch sie tun sie nicht. (33) Wenn es aber kommt – siehe, es kommt! –, so werden sie wissen, dass ein Prophet in ihrer Mitte war.“).

Und zu jedem guten Werk ungeeignet

Wenn ein Mensch für gute Werke geeignet sein möchte, muss er dazu erst durch Christus von den bösen und toten Werken gereinigt werden (vgl. Tit 2,14 „der sich selbst für uns gegeben hat, damit er uns von aller Gesetzlosigkeit loskaufte und sich selbst ein Eigentumsvolk reinigte, das eifrig sei in guten Werken.“; Heb 9,14 „wie viel mehr wird das Blut des Christus, der durch den ewigen Geist sich selbst ohne Flecken Gott geopfert hat, euer Gewissen reinigen von toten Werken, um dem lebendigen Gott zu dienen!“) und muss in Ihm geschaffen werden zu guten Werken, die Gott zuvorbereitet hat, damit wir in ihnen wandeln sollen (Eph 2,10 „Denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, damit wir in ihnen wandeln sollen.“). Darüber hinaus muss er jedoch als Gläubiger auch praktisch von der Ungerechtigkeit abstehen, ja sich wegreinigen von allen, die das nicht tun (2Tim 2,21 „Wenn nun jemand sich von diesen reinigt, so wird er ein Gefäß zur Ehre sein, geheiligt, nützlich dem Hausherrn, zu jedem guten Werk bereitet.“). Nur dann kann er ein Gefäß zur Ehre sein, geheiligt, nützlich dem Hausherrn, zu jedem guten Werk bereitet. Weiter ist es notwendig, sich ständig durch die Heilige Schrift überführen und unterweisen zu lassen, damit der Mensch Gottes vollkommen sei, zu jedem guten Werk völlig geschickt (2Tim 3,16.17 (16) Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit, (17) damit der Mensch Gottes vollkommen sei, zu jedem guten Werk völlig geschickt.“), kurzum: damit man im Glauben und in der Lehre gesund ist. Wir werden den Formulierungen „gutes Werk“ bzw. „gute Werke“ noch mehrfach in diesem Brief begegnen und dann näher besprechen. 


De brief van Paulus aan Titus,
Winschoten (Uit het Woord der Waarheid) o.J. (ca. 1970)

Übersetzung: Stephan Keune

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Anmerkungen

[1] Ein Sternchen nach dem Wort Gott bedeutet, dass das entsprechende Wort im Grundtext keinen Artikel hat.

[2] Anm. d. Red.: Die NGB-Übersetzung ist eine Übersetzung der Niederländischen Bibelgesellschaft aus dem Jahr 1951.

[3] Anm. d. Übs.: Im holländischen Original steht „Rentmeister“ statt „Verwalter“.

[4] Anm. d. Übs.: Vergleichbar mit dem deutschen Wort „türken“, das für „fälschen“ bzw. „vortäuschen“ steht.

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