Auserwählung, Vorherbestimmung und Vorkenntnis
Gottes ewiger Ratschluss

Arend Remmers

© CSV, online seit: 01.01.2001, aktualisiert: 29.10.2022

Leitverse: Epheser 1; Römer 8–9

Gottes ewiger Ratschluss

Die biblischen Begriffe Vorkenntnis, Auserwählung und Vorbestimmung erinnern uns immer wieder daran, dass das Erlösungswerk des Herrn Jesus am Kreuz von Golgatha auf einen Plan Gottes zurückgeht, dessen Ursprung in der Ewigkeit liegt. In diesem ewigen Ratschluss kommt nicht nur die göttliche Allwissenheit dessen zum Ausdruck, der das Ende bereits am Anfang verkünden kann (Jes 46,10), sondern auch sein bestimmter, unumstößlicher Wille (Apg 2,23; Eph 1,11) und sein ewiger Vorsatz (Eph 3,11). Die Quelle von allem ist der Reichtum seiner Gnade, in der Er vor den Zeiten der Zeitalter mit uns beschäftigt war und die in Christus vollkommen offenbart wurde (2Tim 1,9.10). Der Ratschluss Gottes ist so ewig wie Er selbst, wie wir aus den vom Heiligen Geist in diesem Zusammenhang gewählten Ausdrucksweisen „ewiger Vorsatz“ (Eph 3,11), „ehe die Welt war“ (Joh 17,5), „vor den Zeitaltern“ (1Kor 2,7), „vor ewigen Zeiten“ (2Tim 1,9; Tit 1,2) und dem dreimaligen „vor Grundlegung der Welt“ (Joh 17,24; Eph 1,4; 1Pet 1,20) entnehmen dürfen.

Bei der Beschäftigung mit dem ewigen Ratschluss Gottes, des Vaters, tritt zuerst sein Sohn vor unsere Blicke. Er ist ja der Mittelpunkt und Ausführende aller seiner Gedanken. Als das Wort, das im Anfang war, ist Er wie der Vater in seiner Existenz ohne Anfang, ohne Ende und von Ewigkeit her der vollkommene Ausdruck Gottes, die Ausstrahlung seiner Herrlichkeit und der Abdruck seines Wesens (Joh 1,1; Heb 1,3). Um uns einen Blick in die göttliche Herrlichkeit zu gestatten, in der der Gnadenratschluss Gottes seinen Ursprung hat, wird hier und da im Wort Gottes der Vorhang ein wenig gehoben. Insbesondere die drei erwähnten Stellen im Neuen Testament, in denen die Worte „vor Grundlegung der Welt“ vorkommen, gewähren uns tiefe Einblicke in die unermesslichen Ewigkeiten, bevor irgendetwas erschaffen war. Einzig Gott war da in der vollkommenen Herrlichkeit des unzugänglichen Lichts, und ewige, göttliche Liebe und Glückseligkeit waltete in der Dreieinheit zwischen dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist (1Tim 6,15.16; 1Joh 1,5; 4,8). Hier ist die Quelle des Ratschlusses Gottes mit uns Menschen, dessen Ausführender sein eigener Sohn als Mensch auf der Erde wurde, damit ehemals Verlorene für ewig in der Herrlichkeit des Vaterhauses sein können.

Der Sohn des Vaters: Geliebt vor Grundlegung der Welt

Die erste der drei Stellen finden wir in den Schriften des Apostels Johannes. In seinem Evangelium teilt er uns die an den Vater gerichteten Worte des Herrn Jesus mit: „Du hast mich geliebt vor Grundlegung der Welt“ (Joh 17,24). In gedrängter Kürze offenbaren sie uns die ewige, göttliche Zuneigung des Vaters zu Ihm, der ja „der Sohn seiner Liebe“ genannt wird (Kol 1,13). Nur Er kannte und genoss diese Liebe von Ewigkeit her, und Er allein war ihrer auch vollkommen würdig.

Bereits das erste Vorkommen des Begriffes „Liebe“ im Alten Testament weist uns durch ein Vorbild in ergreifender Weise auf die ewige Liebe des Vaters zu seinem eingeborenen Sohn hin, wenn Gott zu Abraham sagt: „Nimm deinen Sohn, deinen einzigen, den du lieb hast, den Isaak, und ziehe hin in das Land Morija, und opfere ihn daselbst als Brandopfer auf einem der Berge, den ich dir sagen werde“ (1Mo 22,2). Gott hat jedoch getan, was Abraham erspart geblieben ist: Er hat seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern Ihn für uns alle hingegeben (Röm 8,32). In der Fülle der Zeit kam Er auf die Erde und offenbarte der von Sünde und Feindschaft gegen Gott erfüllten Menschheit die Liebe seines Vaters. Er sprach zu ihnen von der Liebe seines Vaters zu Ihm, und der Vater bestätigte dies durch öffentliche Bekundungen vom Himmel: „Dieser ist mein geliebter Sohn“ (Joh 3,35; 5,20; Mt 3,17; 17,5). Aber Er offenbarte durch sein Kommen auch die Liebe Gottes zu sündigen Menschen, die dieser Liebe in keiner Weise würdig waren.

Den sichtbaren Höhepunkt der Offenbarung der Liebe Gottes zu uns Verlorenen bildeten die Hingabe und der Tod seines geliebten Sohnes am Kreuz (Röm 5,8; 1Joh 4,10). Darüber hinaus zeigt uns Gottes Wort jedoch in ganz besonderer Weise seine Liebe zu den Erlösten. In ihr kommt sein Wohlgefallen an denen zum Ausdruck, die an seinen geliebten Sohn glauben. Sie steht daher auf einer ganz anderen, wir dürfen wohl sagen, höheren Ebene als seine Liebe zu Sündern. Es ist die Liebe des Vaters zu seinen Kindern. Von ihr sagt der Herr Jesus in Johannes 17,23: „… damit die Welt erkenne, dass du mich gesandt und sie geliebt hast, wie du mich geliebt hast.“

Das Lamm Gottes: Zuvorerkannt vor Grundlegung der Welt

Bei Petrus finden wir die Worte „vor Grundlegung der Welt“ das zweite Mal: „Indem ihr wisst, dass ihr … erlöst worden seid … mit dem kostbaren Blut Christi, als eines Lammes ohne Fehl und ohne Flecken; der zwar zuvorerkannt ist vor Grundlegung der Welt, aber offenbart worden ist am Ende der Zeiten um euretwillen“ (1Pet 1,18-20). Petrus hatte bereits unmittelbar nach der Herabsendung des Heiligen Geistes am Pfingsttag zu den Juden gesagt: „Diesen, hingegeben nach dem bestimmten Ratschluss und nach Vorkenntnis Gottes, habt ihr durch die Hand von Gesetzlosen an das Kreuz geschlagen und umgebracht“ (Apg 2,23). Von Ewigkeit her war das Herz des Vaters auch mit dem Werk seines geliebten Sohnes beschäftigt, durch das Er einmal auf der Erde vollkommen verherrlicht werden würde.

Was für ein Licht wirft diese Vorkenntnis Gottes auf die Opfer des Alten Testaments! Als Er den Israeliten gebot, das Lamm für das erste Passahfest auszuwählen und zu schlachten, hatte Er seinen geliebten Sohn vor Augen, der einmal in der Fülle der Zeit das wahre Passahlamm werden sollte (2Mo 12; 1Kor 5,7). Als Er dann das tägliche Brandopfer anordnete, zu dem morgens und abends je ein Lamm dargebracht werden sollte, damit Er in der Mitte seines irdischen Volkes wohnen konnte, verband Er damit den Gedanken an seinen geliebten Sohn (2Mo 29,38-46). Und so könnten wir fortfahren in der Aufzählung und Betrachtung der verschiedenen Opfer des Alten Testaments.

Sein Sohn war nicht nur der ewige Gegenstand seiner Liebe, sondern auch von Ihm selbst zuvorerkannt als das Lamm ohne Fehl und ohne Flecken, das einmal zu unserer Rettung und Segnung offenbart werden sollte. Deutlicher könnte es nicht zum Ausdruck kommen, dass das Erlösungswerk nicht eine Reaktion Gottes auf die Sünde ist, sondern auf seine ewige Vorkenntnis zurückgeht. Die Vorkenntnis Gottes, des Vaters, bezieht sich jedoch nicht nur auf seinen geliebten Sohn, sondern erstreckt sich, wie wir noch sehen werden, auch auf diejenigen, die an Ihn glauben.

Die Gläubigen: Auserwählt vor Grundlegung der Welt

Außer Johannes und Petrus wurde auch Paulus dazu berufen, uns Mitteilungen über den Ratschluss Gottes vor Grundlegung der Welt zu geben. Bei ihm stehen diese Worte jedoch in Beziehung zu Menschen, die Gott, der Vater, zu herrlichen Segnungen ausersehen hat: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern in Christus, wie er uns auserwählt hat in ihm vor Grundlegung der Welt, dass wir heilig und untadelig seien vor ihm in Liebe“ (Eph 1,3.4). Unsere Auserwählung „in Christus“ geschah im Blick darauf, dass wir an Ihn und sein Werk glauben würden. Von Ihm, dem Sohn, könnte jedoch nicht gesagt werden, dass Er in Ewigkeit vom Vater auserwählt wurde. Er, der eingeborene Sohn im Schoß des Vaters, war ja der Einzige, der für die Ausführung seines Ratschlusses und Vorsatzes zur Verfügung stand. Deshalb sagt uns Gottes Wort auch, dass Er vor Grundlegung der Welt als das Lamm ohne Fehl und ohne Flecken zuvorerkannt war.

Nachdem wir nun anhand der Heiligen Schrift einen kleinen Rückblick getan und gesehen haben, dass Gott in Christus bereits von Ewigkeit her Gedanken der Gnade mit uns hat, wollen wir uns mit den einzelnen Seiten seines Ratschlusses beschäftigen, die sich in seiner Vorkenntnis, seiner Auserwählung und seiner Vorbestimmung zeigen.

Gott hat uns zuvorerkannt

Nicht nur der ewige Sohn war als das Lamm zuvorerkannt vor Grundlegung der Welt, sondern auch wir sind von dem allwissenden Gott von Ewigkeit her zuvorerkannt. Erfüllt uns diese Tatsache nicht mit Anbetung? Bevor Er die Welt erschuf, ehe ein Mensch auf der Erde lebte und bevor die Sünde auftrat, hat Er jeden Einzelnen derer, die einmal an seinen Sohn glauben würden, erkannt. Er kannte in seiner Allwissenheit auch jeden anderen Menschen, doch die Vorkenntnis, von der die Bibel spricht, bezieht sich nur auf Gläubige. Sie allein sind „auserwählt nach Vorkenntnis Gottes“, wie es in 1. Petrus 1,2 heißt. Nach Römer 8,29 sind wir „zuvorerkannt“ und dann auch „zuvorbestimmt zur Sohnschaft“. Deshalb dürfen wir wohl sagen, dass die Vorkenntnis Gottes zwar nicht zeitlich, wohl aber folgerichtig unserer ewigen Auserwählung und Vorbestimmung vorausgeht. Er wusste, wann wir geboren werden würden, wer und wie wir als in Sünde geborene Menschen sein würden, aber Er wusste auch, dass wir uns bekehren und an seinen Sohn glauben würden! Die Vorkenntnis Gottes hatte ein bestimmtes, herrliches Ziel, das seinem Ratschluss und Vorsatz vollkommen entsprach.

Auserwählt in Christus

Mit der Vorkenntnis Gottes ist die Auserwählung aller derer verbunden, die einmal vereint mit dem Herrn Jesus, ihrem Erlöser und Herrn, in der Herrlichkeit ewige Freude in Gemeinschaft mit Gott, dem Vater, genießen werden. Denn wie Petrus gleich zu Anfang seines ersten Briefes schreibt, geschah unsere Auserwählung „nach Vorkenntnis Gottes“. Der eingeborene Sohn im Schoß des Vaters war zwar von Ihm als das Lamm zuvorerkannt, das Ihn durch das Sühnungswerk vollkommen verherrlichen und sein Blut als Preis geben sollte. Aber Er wurde nicht auserwählt, denn wer anders als Er hätte den Ratschluss des Vaters erfüllen können?

Als Mensch auf der Erde wurde Er jedoch bereits im Alten Testament als der Auserwählte Gottes angekündigt: „Siehe, mein Knecht, den ich stütze, mein Auserwählter, an welchem meine Seele Wohlgefallen hat“ (Jes 42,1; vgl. Mt 12,18; Lk 23,35; 1Pet 2,4.6). Er war von allen Menschen seit Adam der Einzige, dessen ganzes Leben eine einzige Verherrlichung Gottes war, der von den Menschen verworfene, bei Gott aber auserwählte und kostbare lebendige „Stein“. Gott hatte auch die Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob sowie Israel zu seinem irdischen Volk auserwählt. Diese Auserwählung bezog sich auf ihr Verhältnis zu den anderen Völkern auf dieser Erde (vgl. 5Mo 7,6-8; Jes 43,20; Apg 13,17). Ebenso wird der zukünftige gläubige Überrest Israels aus den Auserwählten des irdischen Gottesvolkes bestehen, die die Segnungen des Tausendjährigen Reiches auf der Erde genießen werden (Mt 24,22.24.31). Die Bibel spricht sogar von auserwählten Engeln (1Tim 5,21), die im Gegensatz zu denen gesehen werden, die sich gegen Gott empört haben. Doch im Brief an die Epheser, der die persönlichen und gemeinsamen Segnungen derer beschreibt, die an den Herrn Jesus glauben, wird uns mitgeteilt, dass wir bereits vor Grundlegung der Welt auserwählt sind (Eph 1,4).

Die herrliche Darstellung am Anfang des Epheserbriefes beginnt mit dem Lobpreis Gottes, des Vaters, der uns in Christus mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern gesegnet hat. In Ihm, den der Vater vor Grundlegung der Welt liebte und als Opferlamm zuvorerkannte, sind auch wir vor Grundlegung der Welt auserwählt. Unsere Segnungen sind also nicht nur das Ergebnis der Barmherzigkeit Gottes gegenüber verlorenen Sündern, sondern beruhen auf einen Beschluss, den Er bereits gefasst hatte, ehe die Welt existierte und ehe einer von uns geboren war oder auch nur eine einzige Sünde begangen hatte. Er hat uns dazu auserwählt, in vollkommener Übereinstimmung mit seinem Wesen, das Licht und Liebe ist, ewig bei Ihm zu sein. Ursprung und Ziel dieser göttlichen Auserwählung liegen also außerhalb der Schöpfung. Unsere ewige Auserwählung in Verbindung mit Christus steht offenbar in einem gewissen Gegensatz zu der Auserwählung des irdischen Volkes Gottes für diese Erde. Das Tausendjährige Reich, in dem Israel als Volk die hervorragende Rolle spielen wird, ist „bereitet von Grundlegung der Welt an“ (Mt 25,34), während wir auserwählt sind „vor Grundlegung der Welt“.

Wer sind nun diejenigen, die Gott auserwählt hat? Nach Jakobus 2,5 sind es die weltlich Armen, die in der Welt verachtet sind, und nach 1. Korinther 1,26-29 ist es das Törichte, das Schwache, das Unedle und das Verachtete der Welt. Das heißt natürlich nicht, dass es nicht auch andere Fälle gäbe. Aber diese Aussagen des Wortes Gottes machen es doch sehr deutlich, dass nicht die Eigenschaften oder Fähigkeiten der Auserwählten zu ihrer Annahme bei Gott führten, sondern dass es einzig und allein seine unumschränkte souveräne Gnade war, die sie dazu auserwählt hat, in alle Ewigkeit heilig und untadelig vor Ihm zu sein in Liebe. Doch die Auserwählung hat nicht nur für die Ewigkeit Bedeutung, sondern ist bereits in der Gegenwart eine große Ermunterung, zum Beispiel wenn Gläubige in Gottes Wort als „Auserwählte“ oder „Miterwählte“ bezeichnet werden (Röm 16,13; 1Pet 5,13). Paulus erinnert Titus daran, dass die Auserwählten Gottes einen wunderbaren Glauben besitzen (Tit 1,1), und die Römer ermuntert er mit dem Zuruf: „Wer wird wider Gottes Auserwählte Anklage erheben?“ (Röm 8,33). Als „Auserwählte Gottes, als Heilige und Geliebte“ werden wir nun ermahnt, während unseres Erdenlebens uns so zu verhalten, dass die Wesenszüge des Herrn Jesus praktisch zum Ausdruck kommen: „Zieht nun an …: herzliches Erbarmen, Güte, Demut, Sanftmut, Langmut, einander ertragend und euch gegenseitig vergebend, wenn einer Klage hat gegen den anderen; wie auch der Christus euch vergeben hat, so auch ihr. Zu diesem allen aber zieht die Liebe an, die das Band der Vollkommenheit ist“ (Kol 3,12-14). Petrus, der die Gläubigen dazu ermahnt, allen Fleiß anzuwenden, um in ihrem Wandel die Kennzeichen wahren Glaubens zu offenbaren, fügt mahnend und zugleich erklärend hinzu, gerade dadurch ihre Berufung und Auserwählung fest zu machen, das heißt zu bestätigen (2Pet 1,5-10). Und wie anders konnte Paulus wissen, dass die Gläubigen in Thessalonich auserwählt waren, als dadurch, dass sie dies in der Praxis ihres Glaubenslebens bewiesen, indem sie das Werk des Glaubens, die Bemühung der Liebe und das Ausharren der Hoffnung offenbarten (1Thes 1,3.4)?

Zuvorbestimmt zur Sohnschaft

Der ewige Ratschluss Gottes besteht jedoch nicht nur in seiner Vorkenntnis und Auserwählung derer, die an seinen Sohn glauben sollten, sondern er umfasst auch ihre Vorbestimmung zu einem wunderbaren ewigen Teil. Ja, Gott hat alles, was damit zusammenhängt, bis ins Einzelne vorher festgelegt. Der Herr Jesus wurde nicht nur gekreuzigt, weil sein eigenes Volk Ihn nicht annehmen und weil Pilatus, der römische Statthalter, es nicht mit ihnen verderben wollte und deshalb nicht vor der Verurteilung eines Unschuldigen zurückschreckte, sondern weil Gottes Hand und Ratschluss es so zuvorbestimmt hatte (Apg 4,28). Auch die großen und herrlichen Segnungen, die Gott in Christus für die Seinen von Ewigkeit her bereitgehalten hat, die aber in den Zeiten vor dem Kreuz nicht bekannt waren, nennt der Apostel Paulus in 1. Korinther 2,7 „Gottes Weisheit in einem Geheimnis, die verborgene, die Gott vor allen Zeitaltern zu unserer Herrlichkeit zuvorbestimmt hat“. Und wenn wir an uns selbst denken, lesen wir in Epheser 1,11, dass wir „zuvorbestimmt sind nach dem Vorsatz dessen, der alles wirkt nach dem Rat seines Willens“.

Wozu sind wir, die Gläubigen der jetzigen Zeit, nun von Gott zuvorbestimmt? Nicht zur Vergebung der Sünden und nicht zur Errettung vom ewigen Gericht. So groß und herrlich dies an sich bereits ist, ist es doch nichts anderes als die Vorbedingung zu unserem wirklichen ewigen Teil, das der Apostel Paulus uns an zwei Stellen in seinen Briefen erklärt. In Epheser 1,5 schreibt er, dass der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus „uns zuvorbestimmt hat zur Sohnschaft durch Jesus Christus für sich selbst nach dem Wohlgefallen seines Willens“, und in Römer 8,29, dass Er uns „zuvorbestimmt hat, dem Bild seines Sohnes gleichförmig“ zu sein. Ganz einfach ausgedrückt besagen diese gewaltigen Worte nichts Geringeres, als dass Gott solch ein Wohlgefallen an seinem geliebten Sohn hat, dass Er sein Haus, das Vaterhaus im Himmel, für alle Ewigkeit mit Erlösten füllen möchte, die Ihm gleichen! Der ewige Sohn im Schoß des Vaters ist das Vorbild für diese Stellung von Söhnen, wie das Wort Sohnschaft auch wiedergegeben werden kann. Was für eine anbetungswürdige Gnade ist unwürdigen, verlorenen Sündern doch dadurch zuteilgeworden! Schon jetzt dürfen wir durch das neue Leben, das wir empfangen haben, und durch den neuen Menschen, den wir angezogen haben, der Stellung nach Ihm ähnlich sein (vgl. Kol 3,3.4.9.10). Damit ist die Verantwortung verbunden, schon jetzt dieser erhabenen Stellung entsprechend zu leben (vgl. 2Kor 6,17.18). Doch wenn unser Herr kommt, um uns heimzuholen, dann werden wir auch unseren Leib der Niedrigkeit für ewig mit einem Leib vertauschen, der seinem Leib der Herrlichkeit gleichförmig ist (Phil 3,21)!

Nicht über das Wort Gottes hinausgehen

Die Tiefe und Tragweite dieser wunderbaren Segnungen, die von Ewigkeit her für uns bereitet sind, vermögen wir in unserer schwachen menschlichen Erkenntnis wohl kaum zu begreifen. Dennoch dürfen wir uns damit beschäftigen und unseren Gott und Vater durch den Herrn Jesus dafür preisen. Doch dadurch, dass man weitergeht, als Gottes Wort es zulässt, werden die Vorkenntnis, die Auserwählung und die Vorbestimmung manchmal in einen falschen Zusammenhang gestellt. Wir dürfen jedoch nicht über das, was Gottes Wort uns offenbart, hinausgehen. Darin finden wir zwar wunderbare Aussagen über die ewigen Gedanken Gottes bezüglich derjenigen, die einmal bei Ihm in der Herrlichkeit sein werden, aber keine einzige Stelle über eine ewige Vorbestimmung anderer Menschen zur Verdammnis! Alle, die verlorengehen, werden ihre gerechte Strafe für ihre Sünden empfangen, jedoch nicht aufgrund einer Vorbestimmung Gottes (vgl. Off 20,11-15). Für den Verstand des natürlichen Menschen scheint hierin ein Widerspruch zu liegen, mit dem er sich nicht abfinden kann. Doch für den Glauben gibt Gottes Wort in Jesaja 55,8.9 eine einfache Antwort: „Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der HERR. Denn wie der Himmel höher ist als die Erde, so sind meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken.“ Die Weisheit Gottes steht unendlich hoch über unserer schwachen Erkenntnis. Doch gibt Er uns in seinem Wort Einblicke in seinen Ratschluss, den Er in der Ewigkeit vor Erschaffung der Welt bezüglich derer, die Er einmal erlösen wollte, gefasst hat. Wenn wir uns damit beschäftigen, werden wir mit dem Apostel Paulus zu dem Schluss kommen:

„O Tiefe des Reichtums, sowohl der Weisheit als auch der Erkenntnis Gottes! Wie unerforschlich sind seine Gerichte und unergründlich seine Wege! Denn wer hat den Sinn des Herrn erkannt, oder wer ist sein Mitberater gewesen? Oder wer hat ihm zuvor gegeben, und es wird ihm vergolten werden? Denn von ihm und durch ihn und für ihn sind alle Dinge; ihm sei die Herrlichkeit in Ewigkeit! Amen“ (Röm 11,33-36).


Originaltitel: „Zuvorerkannt, auserwählt und zuvorbestimmt“
aus Ermunterung und Ermahnung, Jg. 51, 1997, S. 236ff., 271ff.

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