Georg von Viebahn entstammte einer Familie, die 1728 durch König Friedrich Wilhelm I. in den preußischen Adelsstand erhoben worden war und dem Staat viele Offiziere und Beamte gestellt hatte. Er wurde am 15. November 1840 in Arnsberg in Westfalen geboren. In der oberschlesischen Stadt Oppeln, wo sein Vater zuletzt Regierungspräsident war, legte er das Abitur ab und wünschte dann, der Familientradition zu folgen und Soldat zu werden.
Von seinen Eltern war Georg von Viebahn in der Landeskirche erzogen worden. Schon im Alter von fünfzehn Jahren hatte er sich durch Mitwirkung eines gläubigen Spielkameraden, mit dem er auch später noch verbunden blieb, zum lebendigen Glauben an den Herrn Jesus bekehrt. Als er nun nach dem Abitur 1859 seine soldatische Laufbahn bei einem Berliner Garderegiment begann, war es sein ernstes Gebetsanliegen, sich immer als ein treuer Jünger des Herrn zu erweisen. Nach seiner Ausbildung und Beförderung zum Leutnant nahm er an den drei sogenannten deutschen Einigungskriegen in den Jahren 1864, 1866 und 1870/71 mit Auszeichnung teil.
Im Jahre 1869 lernte Georg von Viebahn in Hessen seine zukünftige Gattin kennen. Christine Ankersmit war die Tochter eines wohlhabenden holländischen Kaufmannes. Am 14. Mai 1872 fand in Amsterdam die Hochzeit statt. Gemeinsam forschten beide fleißig im Worte Gottes. Seine Frau hatte bereits in ihrer Jugend in England die Christen kennengelernt, die ohne besondere eigene Benennung nach Art der ersten Christen im Namen des Herrn Jesus zusammenkamen. Mit einem solchen Kreis von Brüdern kamen sie auch in Wiesbaden, ihrem ersten gemeinsamen Wohnort, zusammen, mit dem einfachen Wunsch, zu verharren „in der Lehre der Apostel, in der Gemeinschaft, im Brechen des Brotes und in den Gebeten“ (Apg 2,42).
Als Hauptmann stand Georg von Viebahn zunächst bis zum Jahre 1878 in Wiesbaden, wo seine älteste Tochter Christa und drei weitere Kinder geboren wurden. 1878 erfolgte seine Versetzung nach Hannover, wo er 1879 zum Major befördert wurde. Ende des Jahres 1883 wurde er zum Kommandeur der Königlichen Kriegsschule in Engers am Rhein ernannt. Hier ging am 3. Februar 1884 seine Gattin kurz nach der Geburt ihres sechsten Kindes heim. Drei Jahre später heiratete Georg von Viebahn dann Marie Ankersmit, die jüngere Schwester seiner ersten Frau. Aus dieser Ehe gingen drei Kinder hervor. Im Jahre 1888 wurde Georg von Viebahn zum Oberstleutnant ernannt und nach Frankfurt am Main versetzt. Ein Jahr später wurde er als Oberst und Regimentskommandeur nach Trier berufen. Seine letzte Station war Stettin; dorthin wurde er als Generalmajor und Kommandeur einer Infanterie-Brigade im Jahre 1893 versetzt.
Seit seiner Jugend war es der Wunsch dieses ernsten Mannes, seinem Herrn, den er liebte, auch in seinem Beruf mit Hingabe zu dienen, Ihn vor den Menschen zu bekennen und Brüder zu finden, die wie er den Herrn Jesus liebten und bekannten. Besonders bedrückte ihn dabei die Oberflächlichkeit, Leichtfertigkeit und geistliche Armut in weiten Kreisen des Offizierskorps. Zwar hatte er Verbindung zu einigen gläubigen Offizieren und Beamten wie Oberstleutnant Curt von Knobeisdorff, der in der Alkoholikerfürsorge stand. Obgleich er oft Spott und Hohn erntete, wenn er sich zu seinem Herrn bekannte, versuchte er doch mit Gottesfurcht und Bekennermut, seinen Kollegen und Untergebenen zu dienen und zu helfen. Als er Kommandeur der Kriegsschule war, ließ er manchen Bibelspruch an die Wände malen, wie „Rosse werden zum Streittage bereitet, aber der Sieg kommt von dem Herrn“ (Spr 21,31). Sein erstes größeres sichtbares Werk war ein christliches Soldatenheim, das er während seiner Zeit als Regimentskommandeur in Trier auf eigene Kosten ins Leben rief. Besonders lag Georg von Viebahn jedoch das Heil der Hunderttausende von jungen Männern am Herzen, die jedes Jahr zum Militärdienst einberufen wurden. So entschloss er sich, im Vertrauen auf den Herrn, ein wöchentlich erscheinendes Evangeliumsblatt herauszugeben, das kostenlos an die ihm unterstellten Truppenteile ausgehändigt werden sollte.
Am 1. Oktober 1895 erschien die erste Nummer unter dem Titel Soldatenpredigten, die vom zweiten Jahrgang an Zeugnisse eines alten Soldaten an seine Kameraden genannt wurde, in einer Auflage von 5.000 Exemplaren. Gott segnete diese kleinen, stillen Boten, die im Laufe von einundzwanzig Jahren ihres Erscheinens auf 1100 verschiedene Nummern anwuchsen und zuletzt eine Auflagehöhe von 150.000 bis 170.000 Exemplaren erreichten. Auch außerhalb des Heeres wurden diese Zeugnisse als Traktate verbreitet und sogar in verschiedene Sprachen übersetzt.
Nachdem der Herr Georg von Viebahn diese umfangreiche Arbeit gegeben hatte, wozu noch manche Reisen zum mündlichen Dienst am Evangelium kamen, trat mehr und mehr die Frage an ihn heran, ob er nicht aus dem Heeresdienst ausscheiden solle, um seine Kraft ganz in den Dienst des Herrn zu stellen. Abgesehen von dieser Arbeit war ihm schon früher der Gedanke gekommen, ob er als Christ, der sich seiner himmlischen Stellung und Berufung bewusst war, nicht gut daran tue, seinen Soldatenberuf aufzugeben. Im Frühjahr 1896 wurde es Georg von Viebahn ganz deutlich, dass jetzt für ihn die Zeit gekommen sei, aus dem Heeresdienst auszuscheiden. Nach diesem wichtigen Schritt behielt er zunächst seinen Wohnsitz in Stettin bei.
Nun traten weitere Aufgaben an Georg von Viebahn heran. Er begann, zunächst in Berlin, dann in verschiedenen anderen Garnisonstädten Evangelisationsvorträge vor Offizieren zu halten, die zum großen Segen gereichten. Vom Jahre 1899 an gab er die Vierteljahresschrift Schwert und Schild heraus, mit der er das Wort Gottes nicht nur den Fernstehenden unter den Offizieren nahebringen, sondern mehr noch denen seelsorgerlich dienen wollte, die bereits zum Glauben gekommen waren. Sehr bald wurden dieser Zeitschrift Bibellesezettel beigelegt, die in gedrängter Kürze fortlaufend tägliche Betrachtungen enthielten. Diese erschienen jedoch bald in größerer Auflage als Schwert und Schild, da sie auch in vielen bürgerlichen Häusern und Familien gelesen wurden. Unermüdlich arbeitete Georg von Viebahn an seinem Platz im Werke des Herrn. Wenn er sich auf Reisen zur Verkündigung des Evangeliums befand, war er tagsüber im mündlichen Dienst tätig; nachts, wenn seine Gastgeber schliefen, arbeitete er oft noch stundenlang an seinen Zeitschriften. Außer diesen veröffentlichte er noch manche Einzelschriften, vornehmlich über die Praxis des christlichen Lebens, von denen wohl am bekanntesten sind: Verlobung und Verheiratung der Gläubigen im Lichte des Wortes Gottes und Die Ehe der Gläubigen im Lichte des Wortes Gottes. Beachtenswert ist auch seine Schrift: Was ich bei den Christen gefunden habe, die sich nur im Namen Jesu versammeln (1902), die seine Antwort auf eine Artikelreihe in der Zeitschrift Sabbatklänge gegen „J.N. Darby und die Versammlung“ enthält.
Georg von Viebahn war auch zumeist regelmäßiger Besucher der Konferenzen der Brüder zur Betrachtung des Wortes Gottes in Elberfeld, Dillenburg und Berlin. Auf einer dieser Zusammenkünfte unterbrach er einmal einen Bruder, der zustimmend auf seine Äußerungen Bezug nahm und ihn dabei „Herr General“ nannte, mit seiner freundlichen, aber lauten und klaren Stimme: „Lassen sie den General zurücktreten und den Bruder voranmarschieren!“
Bis ins vorgerückte Alter konnte Georg von Viebahn bei rüstiger Gesundheit und in Frische des Geistes den Dienst der Evangeliumsverkündigung und der Erbauung der Gläubigen tun. Dabei bekannte er sich bis an sein Lebensende zu dem einmal eingeschlagenen schmalen Weg der Absonderung. Er vergaß dabei in seinem Herzen nicht, was er auch in seiner Arbeit bewies, dass er mit allen Gliedern des Leibes Christi eins war. Sein Biograph Emil Dönges schreibt dazu: „Dass er dabei vielen Gläubigen zu eng erschien, anderen aber auch wieder zu weit, konnte nicht ausbleiben.“ Sein eigenes Begehren und Bemühen war, auf schmalem Pfad ein weites Herz zu haben und dies auch zu betätigen. Offensichtlich von diesem Wunsche beseelt, nahm er immer wieder an den Allianzkonferenzen in Blankenburg teil, wo er – wie er selbst eingesteht, auf unbiblischem Boden – Gelegenheit zu finden meinte, viele Christen brüderlich zu begrüßen und ihnen mit dem teuren Wort Gottes zu dienen. Über seine persönliche Stellung zur Allianz schrieb er im Jahre 1910 an einen Freund:
„Ich bin nicht Mitglied der evangelischen Allianz und werde es, wie ich vertraue, niemals werden. Ich habe die evangelische Allianz, welche auf einem Bündnis verschiedener menschlich gebildeter Kirchen und Gemeinschaften beruht, niemals als gottgewollte Lösung der ersehnten Einheit der Gläubigen angesehen. Ich erkenne an, dass diese Bestrebungen an manchen Stellen durch die Treue derer, die sie vertreten, Segen hervorbrachten, aber die evangelische Allianz ist kein biblischer Boden. Deshalb spreche ich auch nicht von Allianz, sondern von der in Christo vorhandenen, von Gott gemachten Einheit des Leibes. Diese große Wahrheit von der Einheit des Leibes, der einen wahren Gemeinde oder Versammlung Jesu, ist vielen Gläubigen eine unbekannte Wahrheit, obwohl der Heilige Geist sie seit etwa sechzig Jahren neu auf den Leuchter stellte.“
Im Laufe der Zeit öffnete der Herr Georg von Viebahn mehr und mehr die Türen zum Dienst des Wortes vor Gläubigen. Es war ihm ein besonderes Anliegen, ihnen nicht nur ihre hohen Vorrechte als Kinder Gottes vorzustellen, sondern ihnen vor allem ans Herz zu legen, in Gottseligkeit und treuem Wandel im vollen Gegensatz zu den Kindern dieser Welt dazustehen. Auch dieser Dienst war nicht vergeblich; er ist von vielen dankbar anerkannt worden und hat reiche Früchte getragen.
Im ersten Jahre des Weltkrieges 1914/18 fielen zwei Söhne an der Front. Diese Verluste gingen dem gefühlvollen Manne sehr nahe. Trotz abnehmender Kräfte glaubte er zunächst noch seinen Dienst fortführen zu können. Aber im Jahre 1915 stellte sich heraus, dass er sehr ernst erkrankt war. Am 15. Dezember 1915 rief der Herr Seinen Knecht heim in die Ruhe des Volkes Gottes. Georg von Viebahn wurde in Engers, neben seiner Gattin, begraben. Viele Freunde und Bekannte hatten bereits der in Berlin anberaumten Trauerfeier beigewohnt; in Engers sprach sein Freund Dr. Emil Dönges in der Friedhofshalle und Rudolf Brockhaus am Grabe des Heimgegangenen.