Der gegenwärtige und der zukünftige Zeitlauf (15)
4. Die Schöpfung

Botschafter

© SoundWords, online seit: 01.11.2006, aktualisiert: 30.01.2017

Im gegenwärtigen Zeitlauf seufzt die ganze Schöpfung und liegt in Geburtswehen; sie ist der Eitelkeit unterworfen (nicht mit Willen, sondern um deswillen, der sie unterworfen hat) auf Hoffnung (Röm 8,18-22). Denn in der Tat, als der Mensch durch seinen Ungehorsam das Band, das ihn mit Gott verband, samt der ganzen Schöpfung, deren Haupt er war, gebrochen hatte, wurde ihm gesagt: „Verflucht sei der Acker um deinetwillen, mit Kummer sollst du dich darauf nähren dein Leben lang. Dornen und Disteln soll er dir tragen, und sollst das Kraut auf dem Felde essen. Im Schweiß deines Angesichtes sollst du dein Brot essen, bis du wieder zur Erde kehrest, davon du genommen bist. Denn du bist Staub und zum Staube sollst du wiederkehren“ (1Mo 3,16-19). Dies ist der Ursprung des Seufzens und sehnsüchtigen Harrens der Schöpfung. Von diesem Augenblick an bedeckte sich die Erde, welche den Menschen mit herrlichen Früchten ernährte, mit Domen und Disteln; und er erhielt von ihr seine Nahrung nur dadurch, dass er sie im Schweiße seines Angesichtes bebaute. Die Tiere, welche vorher zu Adam kamen, und welchen er Namen gab, flohen bei seinem Anblick oder machten ihm den Krieg, als ihrem Tyrannen. Die Ermüdung, die sein Leib erlitt, der Schweiß, der von seinem Angesicht rann, erinnerte ihn, dass er in sich die Krankheit und den Tod trage; denn von da an war das Leben für den Menschen nur noch ein Kampf gegen den Tod. Er trat in dasselbe unter Tränen und Seufzen ein, und so ging er auch hinaus.

Die Wehen der Schöpfung wuchsen noch durch die sich einander folgenden Empörungen des Menschen. Man kann zum Beispiel nicht bezweifeln, dass die Sintflut den Zustand der Schöpfung tief eingreifend verändert habe, indem sie die Kraft der belebten Wesen verminderte und ihr Leben abkürzte. Während die Gewächse bis dahin der Nahrung des Menschen genügten, so wurden ihm damals auch die Tiere übergeben, damit er sich von ihrem blutigen Fleische nähre. Wenn, wie es wahrscheinlich ist, es damals zum ersten Mal regnete, so musste es auch zu der Zeit sein, dass die Gewitter, die Überschwemmungen anfingen, welche seitdem so oft die Erde verheert haben. Und wie viel Demütigungen und Ermüdungen hat nicht die Verwirrung der Sprachen, die Folge der Empörung des Menschen zu Babel, gekostet? Wie viel Kriege hat sie nicht verursacht durch die Trennung der Familien in besondere sich einander beneidende Nationen? Sind es endlich nicht die Sünden Sodoms, Ninives, Israels insbesondere, welche die schönsten Gegenden der Erde in Einöden verwandelt haben?

Ja, die ganze Schöpfung harrt und seufzt. Es seufzen die Tiere, die sich einander zerreißen, die die Menschen ihrerseits mit einer unersättlichen Begierde verfolgen, um ihren Geiz oder ihre Esslust zu befriedigen; sie sind seine Arbeits- und Leidensgenossen und haben oft nichts anderes als eine barbarische Behandlung und Verwünschungen zum Lohn. Es seufzen die Pflanzen, obschon noch in ihren Wundern die Herrlichkeit des Schöpfers verkündigend, haben sie dennoch ihre erste Schönheit verloren und leiden heute an geheimnisvollen Krankheiten. Es seufzt die Erde, die anfangs verflucht und seitdem so oft wegen der Sünde ihrer Bewohner Veränderungen erlitt, die seit den Tagen Abels so oft das Blut des Menschen durch Bruderhand vergossen, getrunken hat, die noch jeden Tag unseren Schweiß und unsere Tränen aufnimmt und die sich zuletzt öffnet als eine große Begräbnisstätte, um in ihrem Busen unser Verderbnis zu verbergen. Alles miteinander seufzt; aber nicht um zu seufzen, hat der Schöpfer, der die Liebe ist, alles geschaffen; und auch war gewiss die ganze Schöpfung nicht in diesem Zustand, als Er ansah, was Er gemacht hatte, und siehe, es war alles gut! Alles seufzt in der Hoffnung, einmal von der Knechtschaft des Verderbens befreit zu werden, um an der Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes teilzunehmen. 

Und auch wir, die Ursache des Seufzens, wir, welche durch unseren gebrechlichen Leib dieser Schöpfung, welche seufzt, angehören, die wir aber durch den Geist die verständigen Dolmetscher ihrer unverständlichen Seufzer sind; auch wir seufzen in uns selbst, erwartend die Kindschaft, nämlich die Erlösung unseres Leibes. Dann werden unsere Seufzer aufhören, wenn Der, „welchen wir vom Himmel erwarten, unseren niedrigen Leib verwandelt haben wird, um ihn seinem verherrlichten Leibe ähnlich zu machen.“ Dann wird auch die Befreiung der Schöpfung nahe sein; denn die Macht, durch welche Er das letzte Teilchen unseres verweslichen Leibes verherrlicht haben wird, wird Er auch bald nachher gebrauchen, „um sich alle Dinge zu unterwerfen“ (Phil 3,20.21). Nachdem der mächtige und himmlische Boas die Ruth, die Moabitin, genommen hat, wird er nicht zögern, auch ihr Erbe zu kaufen. „Dann“, das heißt im zukünftigen Zeitlauf, nachdem der Herr die Erde mit der Rute seines Mundes geschlagen und den Bösen durch den Hauch seines Mundes getötet hat, „werden die Wölfe bei den Lämmern wohnen und die Pardel bei den Böcklein; Kälber und junge Löwen und Mastvieh werden beieinander sein und ein kleiner Knabe wird sie treiben. Kühe und Bären werden miteinander weiden, dass ihre Jungen beisammen liegen; und der Löwe wird Stroh essen wie das Rindvieh. Und ein Säugling wird spielen am Loch der Otter; und ein Entwöhnter wird seine Hand in die Höhle des Basilisken stecken“ (Jes 11,6-8). „Zur selben Zeit“, sagt der Herr in Betreff seiner Auserwählten, „will ich ihnen einen Bund machen mit den Tieren auf dem Felde, mit den Vögeln in der Luft und mit allem, was sich auf der Erde regt. Ich will Bogen und Schwert und Krieg aus dem Lande zerbrechen und machen, dass sie sicher wohnen“ (Hos 2,18). Die Schlange allein scheint dieser Erneuerung fremd bleiben zu müssen, um ein ewiges Zeugnis der Verführung zu sein, deren Werkzeug sie war (Jes 65,25). „Die Wüste und die dürren Plätze werden sich freuen; und die Einöde wird frohlocken und wie eine Rose blühen. Sie wird lieblich blühen und sich erfreuen mit Frohlocken und Jauchzen“ (Jes 35,1.2). „Die Berge und Hügel werden sich vor euch freuen mit Gesang und alle Bäume des Feldes in die Hände klatschen. Anstatt der Dornen werden Tannen wachsen, und Myrten anstatt der Hecken. Und dieses wird dem Herrn zu einem Namen, zu einem ewigen Zeichen sein, das nicht ausgerottet werden wird“ (Jes 55,12.13).

Selbst der Tod, diese Quelle der Trauer und des Seufzens, wird er nicht in diesem Zeitlauf, wenigstens für die Gerechten, abgeschafft werden? Dies ist wahrscheinlich, wenn man bemerkt, dass nur vom Tod des Gottlosen ausdrücklich die Rede ist, welcher, wenn er hundertjährig stirbt, noch jung sein wird; hingegen in Bezug auf die Gerechten: „Es wird kein Einwohner sagen: Ich bin schwach“, und: „Es werden weder Kinder noch Alte mehr sein, die ihre Tage nicht erfüllen sollen … Die Tage meines Volkes werden einem Baume gleich sein und das Werk ihrer Hände wird alt werden“ (Jes 33,24; 35,10; 65,19-22). Wir wissen aber, dass die Bäume bis tausend Jahre leben, ein Zeitabschnitt, welchem schon die ersten Menschen nahe kamen, ohne ihn jedoch zu erreichen. Dies ist auch wahrscheinlich der Sinn der Worte Jesu an Martha: „Ich bin die Auferstehung und das Leben; wer an mich glaubt, wird leben, wenn er auch gestorben ist; und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird in Ewigkeit nicht sterben“ (Joh 11,25.26). Die, welche an den Herrn geglaubt haben, und zur Zeit der Einführung des zukünftigen Zeitlaufes leben, werden während der ganzen Dauer dieses Zeitlaufes nicht sterben, und die, welche gestorben sind, werden in diesem Augenblick wieder auferstehen, wie es der Herr anderwärts gesagt hat: „Die aber für würdig gehalten werden, jenes Zeitlaufes und der Auferstehung aus den Toten teilhaftig zu sein, … können nicht mehr sterben, denn sie sind den Engeln gleich und sind Söhne Gottes, weil sie Söhne der Auferstehung sind“ (Lk 20,35.36).

Wie dem auch sei, so sind dies „die Zeiten der Erquickung vom Angesicht des Herrn“ für eine ermüdete Schöpfung (Apg 3,19). So wird sie befreit werden von der Knechtschaft des Verderbnisses, um in der Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes zu sein. Denn während heute Satan und seine Engel, die Beherrscher dieser finsteren Welt, von oben herab ihren bösen Einfluss ausüben, so wird dann die ihrem Haupte vereinigte Versammlung bzw. Gemeinde in den himmlischen Örtern der Kanal der Segnungen sein, welche dieser über die ganze Schöpfung verbreiten wird. Dann wird man singen: „Lobet den Herrn vom Himmel, lobet ihn in der Höhe! Lobet ihn, alle seine Engel, lobet ihn, alle seine Heerscharen! Lobet ihn, Sonne und Mond, lobet ihn, alle ihr leuchtenden Sterne! Lobet ihn, ihr höchsten Himmel, und ihr Wasser, die über dem Himmel sind! Diese alle sollen den Namen des Herrn loben, denn er hat geboten, und sie sind erschaffen worden! Und er hat sie befestigt, dass sie immer und ewig währen. Er hat eine Ordnung gemacht, die nicht vergehen wird. Lobet den Herrn von der Erde, ihr Walfische und alle Tiefen! Feuer und Hagel, Schnee und Dampf, samt dem Sturmwind, der seinen Befehl ausrichtet; Berge und alle Hügel, die fruchtbaren Bäume und alle Zedernbäume; die Tiere und alles Vieh, die kriechenden Tiere und das Geflügel! Ihr Könige auf Erden und alle Völker, ihr Fürsten und alle Richter auf Erden! Ihr Jünglinge und Jungfrauen, ihr Alten und Jungen. Diese sollen loben den Namen des Herrn; denn sein Name allein ist hoch, seine Herrlichkeit ist über die Erde und den Himmel!“ (Ps 148).

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Originaltitel: „Der gegenwärtige und der zukünftige Zeitlauf“
aus Botschafter des Heils in Christo, 1857, S. 169–172
aus dem Französischen übersetzt
von der Redaktion sprachlich leicht angepasst


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