Der Brief des Paulus an die Römer (4)
Kapitel 4

Stanley Bruce Anstey

© SoundWords, online seit: 17.08.2023, aktualisiert: 28.12.2023

Die Gerechtigkeit des Glaubens

In Kapitel 4 vertieft Paulus den Zusammenhang zwischen dem Glauben und der Rechtfertigung. Dabei führt er eine neue Formulierung ein: „Gerechtigkeit des Glaubens“ bzw. „Glaubensgerechtigkeit“ (Röm 4,11.13). Diese Formulierung unterscheidet sich von der Formulierung „Gottes Gerechtigkeit“, die er in Kapitel 3 mehrfach verwendet (Röm 3,5.21.22).

  • „Gottes Gerechtigkeit“ hat damit zu tun, dass Gott gemäß seiner Heiligkeit und Liebe zum Segen der Menschen handelt, indem Er den Segen für die Menschen sichert. Dies geschah am Kreuz ein für alle Mal.
  • Die „Gerechtigkeit des Glaubens“ hat damit zu tun, dass Gott die Menschen für gerecht erklärt, die an das glauben, was Gottes Gerechtigkeit gesichert hat. Dies geschieht auch heute noch, wenn Menschen zu Christus kommen und gerettet werden. (Tatsächlich rechnet Gott den Menschen seit Anbeginn der Zeit Gerechtigkeit zu – wo und wann immer Menschen Glauben hatten. Abraham ist ein Beispiel dafür.)

Die Gerechtigkeit des Glaubens – nicht durch Werke (V. 1-8)

Paulus geht es in Kapitel 4 unmittelbar darum, zu zeigen, dass das Evangelium, das den Segen verheißt auf dem Grundsatz des Glaubens „ohne Werke“, mit den alttestamentlichen Schriften völlig übereinstimmt. Die „Gerechtigkeit des Glaubens“ ist also nichts Neues. Sie ist vielmehr seit jeher der Grundsatz, nach dem Gott die Menschen segnet. Paulus wusste, dass er diesen Punkt in seiner Entfaltung der Wahrheit des Evangeliums schnell feststellen musste, um nicht das Ohr der Juden zu verlieren, die das Evangelium natürlich als etwas ansahen, das das Gesetz untergrub und das, was sie im Judentum hatten.

Um zu verdeutlichen, dass „die Gerechtigkeit des Glaubens“ nichts Neues ist, wählt Paulus zwei bekannte Gläubige des Alten Testamentes aus (Abraham und David) und untersucht, wie sie gesegnet wurden. Sie waren keine unbedeutenden Personen in der jüdischen Haushaltung; Abraham ist der größte Patriarch der Nation, und David ist der größte König der Nation. In diesen Versen zeigt Paulus, dass sie beide durch den Glauben an Gottes Wort, unabhängig von Werken, für gerecht befunden wurden.

Beachten wir, dass Paulus in Kapitel 3 den „Glauben an Jesus Christus“ (Röm 3,22) und den „Glauben an sein Blut“ (Röm 3,25), das heißt an die Person und das Werk Christi, betont. Nun aber betont Paulus in Kapitel 4 den Glauben an Gott, der „Jesus, unseren Herrn, aus den Toten auferweckt hat“ (Röm 4,24.25). In diesem Kapitel liegt der Schwerpunkt auf dem Glauben an Gott, indem man Ihn beim Wort nimmt (Röm 4,3.5.17.24). Dies ist notwendig für die Gewissheit des Gläubigen.

Auch Abraham und David veranschaulichen (typologisch) die beiden Seiten der Rechtfertigung.

  • „Abraham“ veranschaulicht die positive Seite der Rechtfertigung: Er er erlangte eine gerechte Stellung vor Gott (Röm 4,1-5).
  • „David“ veranschaulicht die negative Seite der Rechtfertigung: Er wurde von jedem Sündenvorwurf gegen ihn freigesprochen (Röm 4,6-8).

Abraham (V. 1-5)

Verse 1-3

Röm 4,1-3: 1 Was sollen wir nun sagen, dass Abraham, unser Vater nach dem Fleisch, gefunden habe? 2 Denn wenn Abraham aus Werken gerechtfertigt worden ist, so hat er etwas zum Rühmen – aber nicht vor Gott. 3 Denn was sagt die Schrift? „Abraham aber glaubte Gott, und es wurde ihm zur Gerechtigkeit gerechnet.“

Paulus beginnt mit Abraham als Beweis dafür, dass ein Mensch durch den Glauben von Gott gesegnet werden kann, ohne dafür zu wirken. Er sagt: Wenn Abraham nach dem Grundsatz der „Werke“ für gerecht erklärt worden wäre, gäbe es etwas in seinem Segen, das er für sich in Anspruch nehmen könnte, und so könnte er sich dessen „rühmen“.

Wurde Abraham durch Glauben oder durch Werke gerecht? Paulus beruft sich auf die Heilige Schrift, um die Antwort zu finden, und fragt: „Was sagt die Schrift?“ Damit nimmt er die Frage aus dem Bereich der menschlichen Meinung heraus und bezieht sie direkt auf das, was Gott in seinem Wort dazu sagt. Paulus wendet sich 1. Mose 15 zu und zeigt, dass Gott Abraham die Verheißung seines „Wortes“ gab (Röm 4,4.5), und Abraham „glaubte“ daran (Röm 4,5a), und es wurde ihm „zur Gerechtigkeit gerechnet“ (Röm 4,5b). Damit ist die Sache klar: Abraham tat keinerlei Werke, und doch wurde er allein durch den Glauben an Gottes Wort als gerecht anerkannt. Achtung: Es heißt nicht, dass Abraham an Gott glaubte, was bedeuten würde, dass er an die Existenz Gottes glaubte. Das tat er natürlich, aber es heißt vielmehr, dass er „Gott glaubte“. Das bedeutet: Abraham glaubte, was Gott zu ihm gesagt hatte – er glaubte Gottes Wort. Für Paulus war es wichtig, diesen Punkt festzustellen, denn am Ende des Kapitels zeigt er, dass die Gewissheit und der Friede des Gläubigen auf dem Glauben an Gottes Wort über das vollbrachte Werk Christi am Kreuz beruhen. 

Verse 4.5

Röm 4,4.5: 4 Dem aber, der wirkt, wird der Lohn nicht nach Gnade zugerechnet, sondern nach Schuldigkeit. 5 Dem aber, der nicht wirkt, sondern an den glaubt, der den Gottlosen rechtfertigt, wird sein Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet; …

Paulus fährt fort zu erklären, dass  die Werke sofort aus dem Spiel sind, wenn der Segen aus Gnade kommt (die unverdiente Gunst Gottes). Er sagt: „Dem aber, der wirkt, wird der Lohn nicht nach Gnade zugerechnet, sondern nach Schuldigkeit.“ Das heißt, wenn der Mensch sich die Rechtfertigung durch Werke verdienen könnte, dann stünde Gott in der Schuld des Menschen, und Er würde dem, der erfolgreich wirkt, den Segen des Heils schulden! Dies wäre jedoch das genaue Gegenteil von Gnade. Paulus betont, dass die Segnungen des Evangeliums dem zuteilwird, „der nicht wirkt, sondern an den glaubt, der den Gottlosen rechtfertigt“. Unabhängig davon, wie gut jemandes Absichten sind, können Werke wie das Konfirmationsgelübde, die Taufe, die Mitgliedschaft in der Kirche, der Besuch der Kirche, der Versuch, die zehn Gebote zu halten, das Spenden für wohltätige Zwecke und das Verrichten guter Taten, ein aufrichtiges Leben als guter Nachbar usw. die Rechtfertigung nicht verdienen. Die Segnungen des Evangeliums werden nicht nach diesem Grundsatz erlangt.

Dies unterstreicht die Schönheit des Evangeliums: Gott kann den Sünder rechtfertigen, der einfach nur glaubt. Das ist etwas völlig anderes als das Gesetz. Es konnte nur die Gerechten rechtfertigen, nicht aber die Gottlosen (1Kön 8,32). Abraham wurde „gerechtfertigt“, aber nicht im vollen neutestamentlichen Sinne der Rechtfertigung, die beinhaltet, dass er in Christus in eine neue Stellung vor Gott gebracht wird (Gal 2,17: „in Christus gerechtfertigt“). Der Grundsatz des Glaubens, aufgrund dessen alttestamentliche Gläubige und neutestamentliche Gläubige gesegnet werden, ist jedoch dasselbe, worauf Paulus hier hinauswill. J.N. Darby sagt:

Es gibt einen Unterschied zwischen Gottes Vergebung im Sinne der Nichtanrechnung nach Römer 4 und der  Vergebung in Gottes Regierungswegen auf der Erde […]. Aber der Unterschied ist sehr real, weil die rechtfertigende Vergebung, die im Alten Testament unbekannt ist, ein für alle Mal und für immer vollständig ist, wie Hebräer 9 und 10 feststellt: „kein Gewissen von Sünden mehr“ (Heb 10,2).[1]

Paulus erklärt dann, dass dieser Grundsatz des Glaubens nicht nur für Abraham gilt, sondern für alle, die im Glauben zu Gott kommen: Diesem „wird sein Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet“. „Gerechnet“ bedeutet so viel wie: „denken, dass es so ist“, oder: „in Erwägung ziehen“. Das Wort heißt im Griechischen logizomai und wird in diesem Abschnitt elfmal verwendet.[2] Bei jeder der elf Erwähnungen des Wortes „gerechnet“ in diesem Kapitel ist immer Gott der Handelnde. Das ist wichtig, zu sehen; hier geht es um die Rechnung Gottes, nicht um die des Gläubigen. Wir werden in Gottes Augen „in die Stellung von Gerechten gesetzt“ (made righteous = „gerechtfertigt“, „für gerecht erklärt“; Röm 5,19). (In Römer 6,11 wird der Gläubige aufgefordert, in Bezug auf bestimmte Tatsachen, die Paulus in diesem Abschnitt darlegt, zu „rechnen {sich für etwas zu halten}“, aber hier in Kapitel 4 geht es um Gottes Rechnung.)

Die „Gerechtigkeit des Glaubens“ ist also eine göttliche Abrechnung mit dem Gläubigen. Sie hat mit dem zu tun, was in Gottes Augen mit jemand geschieht, der glaubt. Sie hat nichts mit den Gedanken und Gefühlen des Gläubigen über seine Rechtfertigung zu tun. Ein häufiger Fehler von Neubekehrten besteht darin, in sich selbst nach bestimmten Gefühlen zu suchen, die ihrer Meinung nach mit der Errettung einhergehen sollten. Das Problem bei dieser Art der Selbstbeobachtung ist, dass es zu Zweifeln und Entmutigung führen kann, wenn der Gläubige sich nicht so fühlt, wie er glaubt, dass er gerettet ist, und manchmal zu der Befürchtung, dass er nie wirklich gerettet war.

„Für gerecht erklärt“ zu werden bedeutet nicht, dass Gott den gottlosen Sünder zu einem gerechten und gottesfürchtigen Menschen macht, sondern dass Er den Sünder, der glaubt, in seinem Denken oder in seiner Berechnung „für gerecht hält“. W. Scott sagt:

Es bedeutet einfach, jemand für gerecht zu halten oder betrachten … Ein Mensch, der in sich selbst falsch ist, wird für richtig gehalten.[3]

Wenn Paulus das Evangelium entfaltet, stellt er uns also zuerst Gottes Seite der Rechtfertigung des Gläubigen vor Augen. Das ist wichtig; um eine feste Gewissheit zu haben, muss der Gläubige wissen, wie Gott ihn sieht.

David (V. 6-8)

Verse 6-8

Röm 4,6-8: … 6 wie denn auch David die Glückseligkeit des Menschen ausspricht, dem Gott Gerechtigkeit ohne Werke zurechnet: 7 „Glückselig die, deren Gesetzlosigkeiten vergeben und deren Sünden bedeckt sind! 8 Glückselig der Mann, dem der Herr Sünde nicht zurechnet!“

Wir können den gleichen Grundsatz des Glaubens am Beispiel Davids sehen. In seinem Fall war es in Bezug auf seine Sünden. Gott sagte ihm durch den Propheten Nathan: „So hat auch der HERR deine Sünde weggetan“ (2Sam 12,13). David glaubte Gottes Wort und schrieb daraufhin Psalm 32, den Paulus zitiert: „Glückselig der, dessen Übertretung vergeben, dessen Sünde zugedeckt ist! Glückselig der Mensch, dem der HERR die Ungerechtigkeit nicht zurechnet“ (Ps 32,1.2).

David spricht davon, dass seine „Übertretung vergeben“ und seine „Sünden zugedeckt“ sind. Übertretungen sind die bösen Absichten hinter den sündigen Taten, die wir begangen haben (Ps 41,7; 66,18; 78,37.38; Jes 32,6; 59,7; Mt 23,28; Apg 8,22.23). Es ist also wunderbar, zu sehen, dass Gott sich bei der Segnung des gläubigen Sünders mit seinem ganzen Fall befasst – von der Vorstellung seiner bösen Absichten bis hin zu seinen bösen Taten. Er kümmert sich nicht nur um seine Sünden, sondern vergibt auch die bösen Absichten seines Herzens (Heb 10,17)! Wie bereits erwähnt, geht die Vergebung im Christentum über das hinaus, was die Gläubigen des Alten Testaments kannten – für sie war es eine rein regierungsmäßige Angelegenheit –, da die Erlösung nun vollbracht ist und der Geist Gottes vom Himmel gesandt wurde, um in den Gläubigen zu wohnen. Sie lebten in der Angst, dass ihre Sünden von Gott im Gericht heimgesucht würden (Ps 25,7), aber im Christentum haben wir ein gereinigtes Gewissen in Bezug auf unsere Sünden, was sie nicht hatten (Heb 9,14; 10,2).

David, der vor dem Kreuz lebte, wusste außerdem nur, dass Sünden bedeckt wurden – das heißt noch ein Jahr lang in der Schwebe gehalten wurden, wie der Versöhnungstag zeigt (3Mo 16). Heute, nachdem das Werk Christi vollbracht ist, haben wir durch das Evangelium eine umfassendere Offenbarung darüber, was Gott mit unseren Sünden getan hat. Wir wissen, dass unsere Sünden auf ewig „vergeben“ (Lk 24,47; Apg 2,38; 5,31; 10,43; 13,38; 26,18; Eph 1,7; Kol 1,14; Heb 9,22; 1Joh 2,12), „abgeschafft“ (Heb 9,26) und „weggenommen“ (1Joh 3,5) worden sind. Paulus zitiert diesen Psalm nicht, um zu zeigen, dass unsere Sünden bedeckt sind, sondern um uns zu lehren, was der Glaube an Gottes Wort bewirkt: Er gibt nicht nur die Gewissheit, dass der Gläubige gerechtfertigt ist, sondern macht ihn auch zu einer „gesegneten“ (glücklichen) Seele. Und das alles ist das Ergebnis des Glaubens an Gottes Wort. Dies ist wesentlich für die Gewissheit des Gläubigen, dass er gerechtfertigt ist. Paulus baut darauf auf, wie wir in den Versen 24 bis 25 sehen werden.

Also versichert das Alte Testament, dass Gott die Menschen durch den Glauben „ohne Werke“ für gerecht erklärt, aber das Neue Testament zeigt, wie Gott das tut: durch Gottes Gerechtigkeit. Es ist wichtig, die lehrmäßige Bedeutung der Aussage zu verstehen, die Paulus hier macht. Die Gerechtigkeit wird nicht denen angerechnet, die versuchen, sie sich zu erarbeiten – zum Beispiel durch gute Taten –, sondern denen, die Gott glauben.

Die Gerechtigkeit des Glaubens – nicht durch Rituale (V. 9-12)

Verse 9-12

Röm 4,9-12: 9 Diese Glückseligkeit nun, beruht sie auf der Beschneidung oder auch auf der Vorhaut? Denn wir sagen, dass dem Abraham der Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet wurde. 10 Wie wurde er ihm denn zugerechnet? Als er in der Beschneidung oder als er in der Vorhaut war? Nicht in der Beschneidung, sondern in der Vorhaut. 11 Und er empfing das Zeichen der Beschneidung als Siegel der Gerechtigkeit des Glaubens, den er hatte, als er in der Vorhaut war, damit er Vater aller wäre, die in der Vorhaut glauben, damit auch ihnen die Gerechtigkeit zugerechnet werde; 12 und Vater der Beschneidung, nicht allein für die aus der Beschneidung, sondern auch für die, die in den Fußstapfen des Glaubens wandeln, den unser Vater Abraham hatte, als er in der Vorhaut war.

Paulus kommt nun auf den Brauch, das Ritual der Beschneidung zu sprechen. Hat sie irgendeinen Verdienst vor Gott, wenn es darum geht, für gerecht erklärt zu werden? Und können die unbeschnittenen Heiden gerecht sein, ohne beschnitten zu sein?

Um diese Frage zu beantworten, beruft sich Paulus erneut auf Abraham. Wann wurde er für gerecht erklärt? Als er unbeschnitten war oder als er beschnitten wurde? Paulus antwortet mit der (rhetorischen) Frage: „Als er in der Beschneidung oder als er in der Vorhaut war?“ Die Schrift berichtet also, dass Abraham für gerecht erklärt wurde, als er sich noch auf unbeschnittenem heidnischem Boden befand. Er „empfing das Zeichen der Beschneidung“ an seinem Körper als „Siegel der Gerechtigkeit des Glaubens, den er hatte“, dreizehn Jahre zuvor! Das zeigt: Seine Beschneidung hatte nichts damit zu tun, dass er von Gott für gerecht befunden wurde. Abraham ist also ein Beweis dafür, „damit auch ihnen (den Heiden) die Gerechtigkeit zugerechnet werde“. Die unbeschnittenen Heiden können also ebenso wie die beschnittenen Juden durch den Glauben für gerecht erklärt werden. Mit dieser Feststellung zeigt Paulus, dass Abraham tatsächlich „Vater aller ist, die in der Vorhaut glauben“.

Paulus macht deutlich, dass Abraham der „Vater der Beschneidung war, nicht allein für die aus der Beschneidung, sondern auch für die, die in den Fußstapfen des Glaubens wandeln, den unser Vater Abraham hatte, als er in der Vorhaut war“. Er spricht natürlich nicht von der Vaterschaft Abrahams im wörtlichen Sinne, sondern in einem geistlichen Sinne. Paulus hat bereits in Römer 2,28.29 gezeigt, dass diejenigen, die in der Abstammungslinie Abrahams stehen und das äußere „Zeichen der Beschneidung“ an ihrem Körper haben, die Nachkommenschaft Abrahams sind, aber wenn sie nicht Abrahams Glauben haben, sind sie (geistlich gesehen) nicht seine Kinder. Daher haben alle (auch die Heiden), die in „dem Glauben unseres Vaters Abraham“ wandeln, ihn geistlich als ihren Vater.

Auch hier ist es wichtig, dass wir den lehrmäßigen Punkt, der hier hervorgehoben wird, nicht übersehen. Paulus hat gezeigt, dass der Ritus der Beschneidung einem Menschen keinen gerechten Status vor Gott verleihen kann. Aber der Grundsatz, den er in Bezug auf den Beschneidungsritus aufgestellt hat, gilt für alle religiösen Riten und Ordnungen jeglicher Art – ob jüdisch oder christlich. Ob es sich nun um die Beschneidung, die Taufe, die Sakramente, das Konfirmationsgelübde usw. handelt – was auch immer an Äußerlichkeiten im Namen der Religion getan wird –, all das wird nicht dazu führen, dass Gott einen Menschen als gerecht ansieht. Was Paulus damit sagen will, ist klar und einfach: Ein Mensch wird nur auf der Grundlage des Glaubens für gerecht befunden.

Die Gerechtigkeit des Glaubens – nicht durch Gesetzestreue (V. 13-16)

Verse 13-16

Röm 4,13-16: 13 Denn nicht durch Gesetz wurde dem Abraham oder seiner Nachkommenschaft die Verheißung zuteil, dass er der Welt Erbe sein sollte, sondern durch Glaubensgerechtigkeit. 14 Denn wenn die vom Gesetz Erben sind, so ist der Glaube zunichtegemacht und die Verheißung aufgehoben. 15 Denn das Gesetz bewirkt Zorn; wo aber kein Gesetz ist, da ist auch keine Übertretung. 16 Darum ist es aus Glauben, damit es nach Gnade sei, damit die Verheißung der ganzen Nachkommenschaft fest sei, nicht allein der vom Gesetz, sondern auch der vom Glauben Abrahams, der unser aller Vater ist …

Paulus fährt fort, über das Gesetz zu sprechen. Hat das Halten des Gesetzes irgendeinen Verdienst, damit Gott einen Menschen für gerecht hält? Paulus beantwortet diese Frage, indem er sagt, dass „die Verheißung“, dass er (Abraham) „der Welt Erbe sein sollte“, nicht „durch das Gesetz“, „sondern durch Glaubensgerechtigkeit“ erfolgte. Der Beweis dafür ist, dass das Gesetz erst vierhundertdreißig Jahre nachdem Abraham für gerecht erklärt worden war, gegeben wurde! Das Gesetz hatte also nichts damit zu tun. (Der genaue Ausdruck „der Welt Erbe“ findet sich nicht im Alten Testament, aber die Wahrheit davon steht in 1. Mose 17,5.) Beachte auch, dass Gott nicht zu Abraham sagte: „Ich will dich zum Vater vieler Völker machen.“ Er sagte: „Zum Vater einer Menge Nationen habe ich dich gemacht.“ Er erklärte es also als eine vollendete Tatsache, und Abraham glaubte Gott diesbezüglich.

Paulus liefert einen weiteren Beweis dafür, dass die Gesetzestreue nichts mit dem Segen Abrahams (und seiner Kinder) als „der Welt Erbe“ zu tun haben kann. Er stellt fest: Wenn der Segen auf der Grundlage der Gesetzestreue ererbt werden könnte, dann wäre der „Glaube zunichtegemacht“ und „die Verheißung aufgehoben“. Das heißt, es gäbe keine Notwendigkeit für den Glauben, und auch niemand würde jemals die Verheißung erben, weil niemand (außer Christus) das Gesetz halten kann! Auf dieser Grundlage würde der Segen, der Abraham in Bezug auf seine Nachkommenschaft verheißen wurde, niemals von ihnen verwirklicht werden; Abrahams Kinder würden den Segen niemals erhalten. Wenn der Segen auf dem Prinzip der Gesetzestreue beruht, könnte Gott, der schon vor der Erlassung des Gesetzes wusste, dass niemand es halten kann, beschuldigt werden, ein Versprechen gegeben zu haben, das Er niemals würde halten müssen! Daher habe Er Abraham ein leeres Versprechen gegeben. Das kann nicht sein, denn es stellt unseren wahren und treuen Gott in ein schlechtes Licht und stellt seinen Charakter in Frage.

Paulus spricht dann davon, was das Gesetz bewirkt, wenn es nicht eingehalten wird. Er sagt: „Das Gesetz bewirkt Zorn.“ Das heißt, es verflucht denjenigen, der unter seinen Verpflichtungen steht und seine Anforderungen nicht vollkommen erfüllt. Es konnte nicht segnen, aber es konnte verfluchen – wie Paulus in Römer 3,20 sagt: „Denn durch Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde.“ Der Zweck des Gesetzes ist es, den Menschen unmissverständlich klarzumachen, dass sie Sünder sind. Es vergrößerte die Sünde, indem es ihr den besonderen Charakter einer „Übertretung“ verlieh und die Sünden, die Menschen begehen, zu vorsätzlichen Verstößen gegen das Gesetz machte. Das Gesetz vergrößerte also nur die Schuld des Menschen, indem es ihm seine wahre Sündhaftigkeit vor Augen führte.

Paulus schließt: „Darum ist es aus Glauben, damit es nach Gnade sei.“ Der verheißene Segen wurde nach dem Prinzip der souveränen Gnade gegeben, und er wird von Abrahams Kindern durch souveräne Gnade verwirklicht werden. Der verheißene Segen entspringt der Güte des Herzens Gottes, und er wird durch seine Gnade verwirklicht werden – die Leistung des Menschen hat damit nichts zu tun. Das Gesetzessystem und der Grundsatz der Gnade sind eigentlich völlig gegensätzlich: Gnade geschieht durch den Glauben und ist eine Sache des Glaubens; Gesetzestreue ist eine Sache des Tuns.

Paulus kommt daher zu dem Schluss, dass Abraham tatsächlich „unser aller Vater“ ist. Dies ist nicht wegen des Gesetzes so, sondern wegen des Glaubens – unabhängig davon, ob jemand Jude oder Heide ist.

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Paulus zeigt in Kapitel 4 Folgendes:

  • Werke sind nicht das Mittel, um vor Gott als gerecht zu gelten (Röm 4,1-8).
  • Riten sind nicht das Mittel, mit dem ein Mensch vor Gott als gerecht gilt (Röm 4,9-12).
  • Das Halten des Gesetzes ist nicht das Mittel, um vor Gott als gerecht zu gelten (Röm 4,13-16).

Der Gott der Auferstehung (V. 17-25)

Das unmittelbare Ziel von Paulus in diesem Kapitel war es, zu zeigen, dass das Prinzip des Glaubens im Evangelium mit Gottes Art und Weise, die Menschen im Alten Testament zu segnen, übereinstimmt, und er hat dies bewiesen, indem er uns auf Abraham und David hingewiesen hat. Er hat auch schlüssig dargelegt, dass man durch den Glauben, und nur durch den Glauben, von Gott für gerecht erklärt wird. Doch Paulus’ Ziel in diesem Kapitel ist es, im Gläubigen ein solides Fundament des Verständnisses zu schaffen, auf dem sein Glaube mit voller Gewissheit ruhen kann, was seine Rechtfertigung betrifft. Um dies zu erreichen, stellt Paulus im letzten Teil des Kapitels Gott als den Gott der Auferstehung vor. J.N. Darby bemerkt dies und sagt:

In Kapitel 4 geht es um den Glauben an den Gott der Auferstehung.[4]

Die Auferstehung – das Siegel der göttlichen Anerkennung von Christi vollendetem Werk

In Kapitel 3 konzentrierte sich Paulus auf den Glauben an das, was am Kreuz geschah, aber jetzt, im letzten Teil von Kapitel 4, betont er den Glauben an das, was Gott am Grab tat, als Er den Herrn Jesus von den Toten auferweckte (Röm 4,24.25). Die Auferstehung ist der Schlussstein des Evangeliums. Sie ist Gottes Anerkennung und Zustimmung zu Christi vollbrachtem Werk – sein Siegel der Zustimmung oder sein „Amen“ zu dem, was Christus am Kreuz vollbracht hat (1Pet 1,21). Gott war mit dem Werk Christi nicht nur zufriedengestellt, sondern Er wurde durch das, was Christus am Kreuz tat, verherrlicht. Das Verständnis und der Glaube an diese Tatsache legen die Grundlage für eine solide Gewissheit in der Seele des Gläubigen. Zur Gewissheit unserer Rechtfertigung gehört also nicht nur der Glaube an den Herrn Jesus (Röm 3,26), sondern auch der Glaube an Gottes Zeugnis über das vollbrachte Werk Christi (Röm 4,24.25).

Das ganze gesegnete Werk ist getan,
Gott ist hocherfreut über den Sohn.
Er hat Ihn aus den Toten auferweckt
und Ihn als Haupt über alles gesetzt
.[5]

Leben aus dem Tod von Abrahams und Saras Körper – das Prinzip der Auferstehung (V. 17-22)

Verse 17-22

Röm 4,17-22: 17 (wie geschrieben steht: „Ich habe dich zum Vater vieler Nationen gesetzt“) vor dem Gott, dem er glaubte, der die Toten lebendig macht und das Nichtseiende ruft, wie wenn es da wäre; 18 der gegen Hoffnung auf Hoffnung geglaubt hat, damit er ein Vater vieler Nationen würde, nach dem, was gesagt ist: „So wird deine Nachkommenschaft sein.“ 19 Und nicht schwach im Glauben, sah er nicht seinen eigenen, schon erstorbenen Leib an, da er fast hundert Jahre alt war, und das Absterben des Mutterleibes der Sara, 20 und zweifelte nicht an der Verheißung Gottes durch Unglauben, sondern wurde gestärkt im Glauben, Gott die Ehre gebend, 21 und war der vollen Gewissheit, dass er, was er verheißen hatte, auch zu tun vermag. 22 Darum ist es ihm auch zur Gerechtigkeit gerechnet worden.

Um die Notwendigkeit zu verdeutlichen, dem Zeugnis Gottes über das große Werk Christi zu glauben, fährt Paulus fort, Abraham als Beispiel zu verwenden. So wie Abraham an den Gott der Auferstehung glaubte, so muss auch der Christ an den Gott der Auferstehung glauben. Er sagt: „vor dem Gott, dem er glaubte, der die Toten lebendig macht“. Im Fall von Abraham und Sara war es nicht so, dass sie körperlich tot waren, sondern dass ihre Fähigkeit, Leben zu zeugen, aufgrund ihres hohen Alters tot war. Doch Gott überwand diesen „erstorbenen Leib“ und schenkte ihnen Leben aus dem Zustand des Todes in ihrem Körper, so dass sie einen Sohn (Isaak) bekamen. Dies veranschaulicht das Prinzip der Auferstehung.

Gott nannte es: der „das Nichtseiende ruft, wie wenn es da wäre“. Dies bezieht sich darauf, dass Abraham und Sara eine unzählige Nachkommenschaft hatten, die zu diesem Zeitpunkt nicht existierte. Abraham wusste, dass er und seine Frau in diesem Sinne tot waren, aber er glaubte Gott trotzdem. Paulus sagt: „der gegen Hoffnung auf Hoffnung geglaubt hat“. Er zweifelte nicht an dem, was Gott sagte – er war „nicht schwach im Glauben“ –, sondern glaubte Gottes Wort. Er glaubte, was Gott sagte, und er „sah nicht seinen eigenen, schon erstorbenen Leib an, da er fast hundert Jahre alt war, und das Absterben des Mutterleibes der Sara, und zweifelte nicht an der Verheißung Gottes durch Unglauben, sondern wurde gestärkt im Glauben, Gott die Ehre gebend“. Abrahams Glaube gab also „Gott die Ehre“. Das zeigt, dass der Glaube Gott ehrt und dass Gott den Glauben ehrt (1Sam 2,30; Joh 3,33). Der Gott, an den Abraham glaubte, ist derselbe Gott, an den wir glauben sollen.

Es ist wichtig, zu sehen, dass Paulus nicht betont, wie viel Glauben wir haben, sondern auf wen wir unseren Glauben setzen. Es geht um die Glaubwürdigkeit der Person, auf die wir unseren Glauben setzen. Das praktische Ergebnis von Abrahams Glauben an Gott ist, dass er „volle Gewissheit“ hatte und überzeugt war, dass das, was Gott „verheißen“ hatte, „auch zu tun vermag“. Dies war die Grundlage für seine Gewissheit.

Gottes Anerkennung von Christi vollendetem Werk – die Grundlage der Gewissheit des Gläubigen (V. 23.24)

Verse 23.24

In den letzten drei Versen von Kapitel 4 wendet Paulus das Prinzip, das er bei Abraham aufgestellt hat, auf den Gläubigen des heutigen Evangeliums an. Es geht um Folgendes: Wenn der Glaube an das, was Gott gesagt hat, Abraham Sicherheit gab, dann wird der Glaube an das, was Gott über seine Annahme des vollbrachten Werkes Christi am Kreuz gesagt hat, auch dem Gläubigen Sicherheit in Bezug auf seine Rechtfertigung geben! Paulus sagt:

Röm 4,23.24: 23 Es ist aber nicht allein seinetwegen geschrieben, dass es ihm zugerechnet worden ist, 24 sondern auch unsertwegen, denen es zugerechnet werden soll, die wir an den glauben, der Jesus, unseren Herrn, aus den Toten auferweckt hat, …

Wir sollen also aus dem, was Gott in der Heiligen Schrift über Abrahams Glauben aufgezeichnet hat, lernen und es auf unseren eigenen Fall im Zusammenhang mit dem Evangelium anwenden. Es gibt einen Unterschied: Der Gegenstand von Abrahams Glauben war eine Verheißung von etwas, was sich in der Zukunft erfüllen sollte, aber der Gegenstand unseres Glaubens ist etwas, das sich bereits erfüllt hat. Das heißt, Abraham glaubte, dass Gott den Toten (seinem Körper und dem seiner Frau) Leben geben würde, während wir glauben, dass Gott durch die Auferweckung Christi, des Erlösers, Leben von den Toten und Rechtfertigung gegeben hat. Das Prinzip, um das es geht, ist dasselbe.

Unsere Gewissheit beruht also auf Wissen und Glauben. Wir müssen wissen, was Gott über das Werk Christi am Kreuz in Bezug auf unsere Sünden denkt. Dann müssen wir auch glauben, was Gott darüber sagt – das heißt, sein Zeugnis darüber. Dies ist es, was dem Gläubigen die Gewissheit seiner Rechtfertigung gibt. Die Grundlage für die Gewissheit unserer Seele liegt nicht darin, dass wir das vollbrachte Werk Christi anerkennen – auch wenn wir das gerne tun –, sondern darin, dass wir verstehen, dass Gott es anerkannt hat! Das Opfer des Herrn Jesus Christus am Kreuz war ein Opfer, das nicht für uns, sondern für Gott dargebracht wurde. Er „hat sich selbst ohne Flecken Gott geopfert“ (Heb 9,14). Es war das, was die Ansprüche der göttlichen Gerechtigkeit gegen die Sünde erfüllte. Alles, was wir tun müssen, ist, zu glauben, dass Gott mit der Zahlung Christi für unsere Sünden zufrieden ist. Wenn es für Gott genug ist, sollte es auch für uns genug sein.

G. Cutting hatte eine Illustration, die diesen Punkt unterstreicht. Er sagte, dass bei einer gewöhnlichen Schuld der Gläubiger der Einzige ist, der das Recht hat, auf dem Konto „BEZAHLT“ zu schreiben. Es wäre völlig wertlos, wenn der Schuldner dies täte, denn er hat keine Befugnis, die Schuld für beglichen zu erklären. Wenn der Schuldner dies täte, würde dies weder den Gläubiger befriedigen noch dem Schuldner Ruhe verschaffen. Die Gewissheit des Schuldners kann nur eine Folge davon sein, dass er weiß, dass der Gläubiger befriedigt ist. Auch im Zusammenhang mit der Schuld unserer Sünden können wir nur dann Gewissheit erlangen, dass sie beglichen ist, wenn wir sehen, dass sie mit Gott abgerechnet wurde. Wir müssen sehen, dass Gott mit der Zahlung, die Christus für uns geleistet hat, vollkommen zufrieden ist. Die Gewissheit, die wir tief im Inneren unserer Seele erlangen können, besteht also darin, dass wir sehen, dass die ganze Frage bei Gott geklärt ist. Das ist Gottes Heilmittel für Menschen, die Probleme mit Zweifeln an ihrer Erlösung haben.

Indem Paulus Christus „unseren Herrn“ nennt, schließt er seine Himmelfahrt in die Herrlichkeit ein, denn bei seiner Himmelfahrt wurde er „sowohl zum Herrn als auch zum Christus gemacht“ (Apg 2,36). (Der Ausdruck „Jesus [Christus], unser Herr“ wird in diesem Brief zehnmal verwendet. Er bezieht sich auf sein Kommen in die Welt, um die Erlösung durch seinen Tod, seine Auferstehung und seine Himmelfahrt zur Rechten Gottes zu vollenden.) Das ist wichtig; es gibt dem Gläubigen einen weiteren Beweis dafür, dass seine Sünden ausgetilgt sind. Wenn Christus am Kreuz unsere Sünden auf sich nahm (Jes 53,6), nun aber wieder in den Himmel aufgenommen wurde, müssen unsere Sünden fort sein, denn Gott könnte niemals zulassen, dass die Sünde an einen Platz seiner Herrlichkeit gelangt. Was für eine wunderbare Nachricht ist das für den Gläubigen! Wenn wir den auferstandenen und aufgefahrenen Christus sehen, werden wir uns auch als gerechtfertigt ansehen. J.N. Darby sagt:

Die Rechtfertigung wurde nicht am Kreuz vollendet, aber das Werk, durch das wir gerechtfertigt werden, wurde vollbracht; aber ich erhalte die Gewissheit davon erst dann, wenn ich Christus in der Auferstehung sehe.[6]

Stellvertretung (V. 25)

Vers 25

Paulus fügt hinzu:

Röm 4,25: … der unserer Übertretungen wegen hingegeben und unserer Rechtfertigung wegen auferweckt worden ist.

Dies unterstreicht den stellvertretenden Aspekt des Werkes Christi, das heißt die Seite der Gläubigen an dem, was am Kreuz vollbracht wurde. Er hat dort „unseren“ Platz unter dem Gericht Gottes eingenommen und als unser großer Sündenträger für unsere „Übertretungen“ gebüßt (1Pet 3,18: „der Gerechte für die Ungerechten, damit er uns zu Gott führe“). Römer 3,25 beschreibt Gottes Seite des Werkes Christi am Kreuz; es betont die Sühnung. Römer 4,25 beschreibt die Seite des Gläubigen am Werk Christi am Kreuz; es betont die Stellvertretung. Dies sind die beiden Teile der Sühnung.

Die Stellvertretung gilt nicht für alle Menschen auf der Welt, sondern nur für die „vielen“, die glauben (Jes 53,11.12; Mt 20,28; 26,28; Joh 17,2; Röm 5,19; Heb 2,10; 9,28). In der Regel beziehen sich die Worte „viele“, „wir“, „unser“ und „wir“ immer dann, wenn sie im Zusammenhang mit dem verwendet werden, was Christus in seinem Tod vollbracht hat, auf die stellvertretende Seite seines Werkes (Röm 4,25; 1Kor 15,3; 1Pet 2,24; Off 1,5). In Jesaja 53 wird das stellvertretende Werk Christi zehnmal erwähnt (vgl. Vers 5 viermal; Verse 6.8.10.11 jeweils einmal; Vers 12 zweimal).

Christus für uns angenommen

Der letzte Teil von Vers 25 besagt, dass die Auferstehung Christi zu „unserer Rechtfertigung“ war. Das würde seine Himmelfahrt einschließen, denn Rechtfertigung hat nicht nur damit zu tun, dass der Gläubige von jeder Anklage, die gegen ihn erhoben wurde, freigesprochen wird (Apg 13,39), sondern sie beinhaltet auch, dass er in eine neue Position vor Gott gebracht wird, in der Christus hinaufgestiegen ist. Die Schrift sagt, dass wir „in Christus gerechtfertigt“ sind (Gal 2,17). „In Christus“ bezieht sich auf die neue Stellung, die uns durch Christi Himmelfahrt als Mensch zur Rechten Gottes gesichert wurde. J.N. Darby sagt:

Gott hat ihn [Christus] sofort in sich selbst verherrlicht. Das wird durch seine Auferstehung bezeugt, und wir können hinzufügen: durch seine Himmelfahrt. Er ist zu unserer Rechtfertigung auferweckt worden und erscheint für uns vor Gott.[7]

Daher wurde nicht nur das Sühnungswerk Christi angenommen (bezeugt durch seine Auferstehung), sondern auch Christus selbst wurde angenommen (bezeugt durch seine Himmelfahrt). Letzteres zeigt sich darin, dass Gott Ihn an den höchsten Platz im Himmel gesetzt hat: zu seiner Rechten (Eph 1,20.21; 1Pet 1,21). Dort steht Er nun als verherrlichter Mensch, auf dem die ganze Gunst Gottes ruht. Das Erstaunliche daran ist, dass von den Gläubigen gesagt wird, sie seien „in Christus“ (Joh 14,20; Röm 8,1; 1Kor 1,30; 2Kor 5,17), was bedeutet, dass sie an Christi Stelle vor Gott sind! Seine Annahme ist also der Maßstab für unsere Annahme!

Wie bei dem Brandopfer in 3. Mose 1, wodurch der Opfernde „wohlgefällig [bzw. angenommen]“ wurde, so ist auch das Opfer Christi für den Gläubigen vor Gott angenommen worden. Mehr noch: Indem der Opfernde seine Hand auf den Kopf des Tieres legte, als es getötet und Gott dargebracht wurde, wurde er in dem ganzen Wert des Opfers angenommen. In gleicher Weise sind wir „begnadigt [od. angenehm gemacht] in dem Geliebten“ (Eph 1,6). Dies ist ein Triumph der Gnade Gottes. Gläubige Männer und Frauen, die einst verdorbene Sünder waren, sind nun vor Gott wie sein eigener Sohn angenommen! Der Apostel Johannes drückt diese Tatsache so aus: „dass, wie er ist, auch wir sind in dieser Welt“ (1Joh 4,17). Das ist eine unglaubliche Wahrheit; sie sollte unsere Herzen zum Lobpreis bringen!

O Gott der unvergleichlichen Gnade.
Wir singen deinem Namen.
Wir stehen angenommen an dem Platz,
den nur Christus beanspruchen konnte.[8]

Gläubige, denen es an Gewissheit mangelt, fragen sich oft, ob sie genug geglaubt haben oder ob sie auf die richtige Weise geglaubt haben. Das führt zu viel Selbstbeobachtung, Selbstzweifeln und Entmutigung – bis hin zur Frage, ob sie wirklich gerettet sind. Der Blick auf sich selbst ist jedoch nicht der Ort, wo Frieden und Heilsgewissheit zu finden sind. Wir müssen Christus dort betrachten, wo Er zur Rechten Gottes steht. Wenn Er dort angenommen worden ist und wir an seiner Stelle vor Gott stehen, dann sind auch wir angenommen! Er ist unsere Gerechtigkeit vor Gott (1Kor 1,30; 2Kor 5,21). Wer im Glauben auf dieser großen Wahrheit ruht, wird keine Zweifel an seinem Seelenheil haben.

Drei Dinge, an die man glauben muss, um sicher zu sein

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir eine solide Gewissheit über unsere Rechtfertigung haben, wenn wir verstehen und glauben, was Gott über drei Dinge gesagt hat:

  • Was am Kreuz geschah
    Wir sollen im Glauben annehmen, dass Christus dort das Gericht für unsere Sünden getragen hat (Jes 53,6; 1Pet 2,24).
  • Was am Grab geschah
    Wir sollen im Glauben annehmen, dass die göttliche Gerechtigkeit durch das Lösegeld, das Christus am Kreuz für unsere Sünden geleistet hat, voll befriedigt ist und dass Gott dieses vollbrachte Werk mit seiner Auferweckung von den Toten besiegelt hat (Apg 2,24; 1Pet 1,21).
  • Was gegenwärtig im Himmel im Hinblick auf die Annahme Christi geschieht
    Wir sollen im Glauben annehmen, dass seine Annahme vor Gott die unsere ist (1Joh 4,17; Eph 1,6).

Was Gott mit den Sünden der Gläubigen getan hat

Um dem Gläubigen einen festen Frieden bezüglich seiner Sünden zu geben, hat sich Gott in seinem Wort viel Mühe gegeben, um zu zeigen, dass die Sünden des Gläubigen weg sind – und zwar für immer weg. Er verwendet verschiedene Bilder und Ausdrücke (von denen viele das Teil Israels am Tag seiner Erlösung sein werden), um die Seligkeit dieser großen Tatsache zu beschreiben, so dass es für den Gläubigen, der das Zeugnis des Wortes Gottes annimmt, keine legitime Frage geben kann. Einige der Dinge, die Gott mit unseren Sünden getan hat, sind:

  • Er hat uns von unseren Sünden gereinigt (Heb 1,3).
  • Er entfernt unsere Sünden so weit, wie der Osten vom Westen entfernt ist (Ps 103,12).
  • Er löscht unsere Sünden aus (Jes 44,22; Ps 51,3).
  • Er wirft unsere Sünden hinter seinen Rücken (Jes 38,17).
  • Er wirft sie in das tiefste Meer (Mich 7,19).
  • Er nimmt unsere Sünden weg (1Joh 3,5).
  • Er wäscht unsere Sünden ab (Off 1,5).
  • Er reinigt uns von unseren Sünden (1Joh 1,7).
  • Er vergibt uns unsere Sünden (Röm 4,7; Eph 1,7).
  • Er denkt nicht mehr an unsere Sünden (Heb 10,17).

Engl. Originaltitel: „The Righteousness of Faith: Romans 4“
in Outline of the Epistle to the Romans: God’s Righteousness Declared in the Gospel
Quelle: www.bibletruthpublishers.com

Übersetzung: Stephan Isenberg

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Anmerkungen

[1] J.N. Darby, Letters from J.N. Darby, Bd. 2, Nr. 177, S. 274. Online: https://stempublishing.com.

[2] Leider übersetzt die KJV das Wort nicht immer mit reckoned. Manchmal wird es mit „gezählt“ oder „angerechnet“ übersetzt. Anm. d. Red.: Unter anderem übersetzen folgende deutsche Bibeln mit „angerechnet“: Einheitsübersetzung 2016 (EÜ), Gute Nachricht Bibel 2018 (GNB), Neue evangelistische Übersetzung (NeÜ), Schlachter 2000 (SCHL), Zürcher (ZB).

[3] W. Scott, Doctrinal Summaries, London (Pickering & Inglis), S. 14. Online: www.brethrenarchive.org.

[4] J.N. Darby, „How are we saved? Romans 1–8“ in Collected Writings, Bd. 21, S. 196. Online: https://stempublishing.com.

[5] Anm. d. Red.: Übersetzt aus dem Lied „Glory unto Jesus be“ von Archibald J. Rutherford: All that blessed work is done, | God’s well-pleased with His Son; | He has raised Him from the dead, | set Him over all as Head.

[6] J.N. Darby, „How are we saved? Romans 1–8“ in Collected Writings, Bd. 21, S. 195. Online: https://stempublishing.com.

[7] J.N. Darby, „Further remarks upon Righteousness and Law: with answers to different objections“ in Collected Writings, Bd. 10, S. 143. Online: https://stempublishing.com.

[8] Anm. d. Red.: Übersetzt aus dem Lied „O God of matchless grace“ von Hannah Kilham Burlingham (1842–1901): O God of matchless grace, | we sing unto Thy name; | we stand accepted in the place | that none but Christ could claim.

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