Der Brief des Paulus an die Römer (10)
Kapitel 10

Stanley Bruce Anstey

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Die Verantwortung des Menschen und die gegenwärtige Verwerfung Israels (Röm 10)

Es wäre keine ausgewogene Darstellung dieses Themas, wenn Paulus seine Ausführungen an dieser Stelle beenden würde. In Kapitel 9 hat er die Souveränität Gottes bei der Errettung betont; jetzt, in Kapitel 10, spricht er über die andere Seite des Themas: die Verantwortung des Menschen. Diese beiden Linien der Wahrheit durchziehen die ganze Heilige Schrift Seite an Seite. Es mag den Anschein haben, als würden sie irgendwo „da draußen“ in den Wegen Gottes zusammenlaufen, aber das tun sie nie. Sie sind wie die beiden Schienen auf einem langen, geraden Stück Eisenbahngleis. Wenn man das Gleis hinunterschaut, scheint es, als würden die Schienen am Horizont zusammenlaufen, aber das tun sie natürlich nicht. So verhält es sich mit der Souveränität Gottes und der Verantwortung des Menschen. Gott möchte, dass wir diese beiden unterschiedlichen Wahrheiten, wie sie in der Heiligen Schrift zu finden sind, verstehen und genießen, ohne zu versuchen, sie miteinander in Einklang zu bringen.

Die Verantwortung Israels ist es, zu glauben (Röm 10,1-4)

Paulus beendete das vorangegangene Kapitel, indem er feststellt: „Wer an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden“ (Röm 9,33). Dies bringt die Verantwortung des Menschen ins Spiel. Um die Erlösung zu empfangen, müssen wir dem Zeugnis Gottes im Evangelium über das vollbrachte Werk Christi am Kreuz glauben. Paulus setzt dieses Thema nun in Kapitel 10 fort. Immer wieder betont er in diesem Kapitel, dass der Mensch dem Zeugnis Gottes glauben muss, um von Gott gesegnet zu werden.

Vers 1

Röm 10,1: Brüder! Das Wohlgefallen meines Herzens und mein Flehen für sie zu Gott ist, dass sie errettet werden.

Paulus weiß, dass die Juden ihn als Verräter und Feind des Volkes Israel betrachten, und bekräftigt seine Liebe und Sorge für Israel. Das „Wohlgefallen seines Herzens und sein Flehen für sie zu Gott“ war, dass Israel „errettet“ würde. Die Tatsache, dass sie nicht errettet wurden (abgesehen von einigen wenigen wie ihm selbst), zeigt, dass sie als natürliche Nachkommen Abrahams nicht gerettet wurden! Wenn das der Fall gewesen wäre, hätte er nicht dafür beten müssen. Wie bereits erwähnt, besteht die Verantwortung des Menschen darin, Gottes Zeugnis im Evangelium über seinen Sohn zu glauben. Aber genau das taten die Juden nicht. Anstatt Christus anzunehmen, stolperten sie über den „Stein des Anstoßes“ (Röm 9,32)!

Vers 2

Röm 10,2: Denn ich gebe ihnen Zeugnis, dass sie Eifer für Gott haben, aber nicht nach Erkenntnis.

Paulus nennt zwei Gründe für ihr Versagen: Erstens hatten sie „Eifer“ für ihre nationale Religion, der sie veranlasste, an ihren Formen und Zeremonien festzuhalten und nicht zu sehen, dass diese Dinge tatsächlich auf Christus hinwiesen (siehe Hebräerbrief). Das Festhalten an den Formen des Judentums legte einen Schleier über ihre Herzen, und „bis auf den heutigen Tag, wenn irgend Mose gelesen wird, liegt die Decke auf ihrem Herzen“ und sie sind nicht in der Lage, „das Ende dessen anzuschauen, was weggetan werden sollte“ (vgl. 2Kor 3,13-15). Das „Ende“ des Gesetzesbundes ist Christus und sein vollbrachtes Werk am Kreuz. Die Vorbilder und Schatten im Gesetz wiesen alle auf Ihn hin, aber sie sahen Ihn nicht. Das zeigt, dass es zwar gut ist, „Eifer für Gott zu haben“, aber unser Eifer muss darauf ausgerichtet sein „im Guten zu eifern“ (Gal 4,18). Im Fall der Juden war ihr Eifer nicht „nach Erkenntnis“. Sie erkannten nicht, dass die Heilige Schrift auf Christus hinweist.

Vers 3

Röm 10,3: Denn da sie die Gerechtigkeit Gottes nicht erkannten und ihre eigene Gerechtigkeit aufzurichten suchten, haben sie sich der Gerechtigkeit Gottes nicht unterworfen.

Zweitens: Die Juden „erkannten die Gerechtigkeit Gottes nicht“. Sie verstanden die Bedeutung des Kreuzes nicht und lehnten deshalb das Evangelium ab. Wie in unseren Kommentaren zu Römer 3,21-31 erwähnt, hat die Gerechtigkeit Gottes damit zu tun, dass Er die Frage der Sünde am Kreuz aufgegriffen und zu seiner eigenen Ehre und zum Segen aller, die glauben, geregelt hat. Leider sahen die Juden dies im Tod Christi nicht. Sie glaubten (und glauben immer noch), dass sein Tod am Kreuz die gerechte Strafe Gottes für seine Gotteslästerung war, weil Er vorgab, der Messias zu sein; ihrer Meinung nach war Er ein Hochstapler (Jes 53,4). In ihrer Unwissenheit machten sich die Juden daran, „ihre eigene Gerechtigkeit aufzurichten“ – in dem Glauben, dass dies durch das Halten des Gesetzes erreicht werden könnte. So „haben sie sich nicht der Gerechtigkeit Gottes unterworfen“, und das führte dazu, dass sie den Segen des Heils verpassten.

Vers 4

Um mit der falschen Vorstellung aufzuräumen, dass Gerechtigkeit durch die Leistung des Menschen erreicht werden könnte, erklärt Paulus mit Nachdruck:

Röm 10,4: Denn Christus ist das Ende (des) Gesetzes, jedem Glaubenden zur Gerechtigkeit.

Der Artikel „des“ steht im Text nicht vor „Gesetz“. Das weist darauf hin, dass Paulus sich nicht speziell auf das Gesetz des Mose bezieht, sondern auf den Grundsatz, als ob die Leistung des Menschen ein Weg wäre, um zur Gerechtigkeit zu gelangen. Paulus spielt darauf an, dass die Prüfung des Menschen im Fleisch durch Gott mit dem Tod Christi zu Ende gegangen ist. Seit dem Sündenfall bis zum Tod Christi hat Gott den Menschen im Fleisch auf die Probe gestellt. In den vierzig Jahrhunderten der Menschheitsgeschichte bis zum Kreuz hat Gott das Fleisch im Menschen auf jede erdenkliche Weise geprüft (Vierzig ist die Zahl der Prüfungen in der Heiligen Schrift), und das Fleisch hat sich in jeder Hinsicht als verdorben erwiesen (Röm 3,12; 7,18). Jeder Versuch des natürlichen Menschen, auf der Grundlage menschlicher Verdienste und Leistungen Gerechtigkeit zu erlangen, ist gescheitert. Deshalb hat Gott die Prüfung beendet und im Tod Christi „die Sünde im Fleisch verurteilt“ (Röm 6,6; 8,3). Das Wort „Ende“ heißt im Griechischen teles, was „Vollendung“[1] bedeutet.

Mit den Worten „zur Gerechtigkeit“ meinte Paulus nicht, dass die Gerechtigkeit in alttestamentlichen Zeiten durch das Halten des Gesetzes erlangt wurde, sondern dass sie jetzt, da Christus gekommen ist, in Ihm zu finden ist. Das Gesetz wurde nie zu diesem Zweck gegeben (Gal 3,21)! Wenn es in alttestamentlichen Zeiten das Mittel zur Gerechtigkeit gewesen wäre, dann würde niemand, der damals lebte, jemals in den Himmel kommen, weil niemand in der Lage war, es zu halten! Jede Hoffnung, auf dieser Linie Gerechtigkeit zu erlangen, ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Mit dem Zusatz „jedem Glaubenden“ weist Paulus darauf hin, dass der einzige Weg, wie man gerecht werden kann, der Glaube ist.

Der Segen des Evangeliums ist für alle greifbar (Röm 10,5-10)

Verse 5-7

Röm 10,5-7: 5 Denn Mose beschreibt die Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz ist: „Der Mensch, der diese Dinge tut, wird durch sie leben.“ 6 Die Gerechtigkeit aus Glauben aber spricht so: Sage nicht in deinem Herzen: „Wer wird in den Himmel hinaufsteigen?“, das ist, um Christus herabzuführen; 7 oder: „Wer wird in den Abgrund hinabsteigen?“, das ist, um Christus aus den Toten heraufzuführen; …

Paulus stellt dann „die Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz ist“, der „Gerechtigkeit aus Glauben“ gegenüber. Er zeigt, dass das mosaische Gesetz eine leistungsorientierte Sache war, und zitiert 3. Mose 18,5, um dies zu beweisen: „Der Mensch, der diese Dinge tut, wird durch sie leben.“ Die Betonung liegt hier auf dem Tun, das heißt auf der menschlichen Leistung. „Die Gerechtigkeit aus Glauben“ verlangt dagegen nicht, dass der Mensch etwas tut, sondern lediglich, dass er „das Wort des Glaubens“ glaubt (Röm 10,8).

Paulus leitet dann einen Grundsatz aus dem Gesetz ab, um zu zeigen, dass der Segen Gottes wirklich nur auf der Grundlage des Glaubens zu haben ist. Er zitiert aus 5. Mose 30,10-14, wo es darum geht, dass Israel in seiner Verantwortung, das Gesetz zu halten, versagen würde und jede Möglichkeit, aufgrund menschlicher Leistung bei Gott Verdienste zu erwerben, verloren wäre. Mose sagte dem Volk, dass der HERR sie auch dann noch im Rahmen des gesetzlichen Systems segnen würde, wenn sie sich im Glauben („mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele“) an Ihn wenden würden. Sie bräuchten nichts zu tun, um diese Gunst zu verdienen. Sie müssten nicht in den Himmel steigen oder das Meer überqueren, denn die gesetzlichen Gebote stünden direkt vor ihnen – in ihrem Mund und in ihrem Herzen – und warteten darauf, dass sie sie befolgten. Alles, was sie tun müssten, wäre, sich im Glauben an den HERRN zu wenden, und Er würde neu mit ihnen beginnen.

Auch wenn 5. Mose 30 mit dem Gesetz zu tun hat, nimmt Paulus diesen Grundsatz der Gnade, der für diejenigen wirkt, die ihr Versagen anerkennen und sich im Glauben an den Herrn wenden, und passt ihn an das Evangelium an. Er will damit sagen, dass Gott nach dem Grundsatz des Glaubens segnet, unabhängig davon, ob dies im Rahmen des gesetzlichen Bundes oder des von Ihm verkündeten Evangeliums geschieht. Paulus nimmt sich dann die Freiheit, den Abschnitt im fünften Buch Mose auszulegen, indem er die beiden großen Tatsachen des Evangeliums – die Menschwerdung Christi und die Auferstehung Christi – mit einem Einschub hinzufügt. Er sagt, dass der Mensch sich nicht darum zu kümmern braucht, „wer in den Himmel hinaufsteigt (das ist, um Christus herabzuführen)“ oder „wer in den Abgrund hinabsteigt (das ist, um Christus aus den Toten heraufzuführen)“, denn es ist bereits geschehen. Christus ist bereits herabgestiegen und das höchste Opfer für die Sünde geworden, und Er ist von den Toten auferstanden und sitzt zur Rechten Gottes.

Vers 8

Röm 10,8: … doch was sagt sie? „Das Wort ist dir nahe, in deinem Mund und in deinem Herzen“; das ist das Wort des Glaubens, das wir predigen, …

Das Evangelium verlangt also nicht, dass wir etwas menschlich Unmögliches tun, sondern dass wir einfach nur glauben. So wie das Gesetz dem Israeliten sehr „nahe“ war (in seinem Herzen und in seinem Mund), sagt Paulus, so ist auch „das Wort des Glaubens, das wir predigen“, im Evangelium. Der Unterschied: Das alte Gebot war ein Wort, das mit dem zu tun hatte, was der Mensch tun sollte, aber das Wort im Evangelium handelt von dem, was Christus getan hat! Das Evangelium berichtet von einem Werk, das vollbracht wurde (Joh 19,30; Heb 10,12). Da das Wort der Wahrheit „dir nahe ist, in deinem Munde und in deinem Herzen“ (die Juden hörten das Wort Gottes täglich in ihren Häusern und in ihren Synagogen), war die Rettung für jeden von ihnen greifbar. Kein Jude konnte also sagen: „Gott hat mir das Heil zu schwer gemacht.“

Verse 9.10

Röm 10,9.10: … 9 dass, wenn du mit deinem Mund Jesus als Herrn bekennst und in deinem Herzen glaubst, dass Gott ihn aus den Toten auferweckt hat, du errettet werden wirst. 10 Denn mit dem Herzen wird geglaubt zur Gerechtigkeit, mit dem Mund aber wird bekannt zum Heil.

Da alles für uns durch Christi Kommen, seinen Tod und seine Auferstehung getan wurde, ist alles, was ein Mensch tun muss, „Jesus als Herrn“ zu bekennen und in seinem Herzen zu „glauben, dass Gott ihn aus den Toten auferweckt hat“, und so wird er „errettet“ werden. Glauben „in deinem Herzen“, von dem Paulus hier spricht, bedeutet, aufrichtig zu glauben; es ist keine rein verstandesmäßige Sache. Das zeigt, dass Gott Wahrheit im Inneren möchte (Ps 51,8). In diesem Vers gibt es drei „soll“ [engl. shalt], die zusammengehören und dem Gläubigen die Gewissheit der Errettung geben: Wenn wir bekennen und in unserem Herzen glauben, „sollen“ wir gerettet werden. So einfach ist das![2] Dies ist die große Verheißung Gottes im Evangelium. Gott hat noch nie jemand enttäuscht, der auf Christus vertraut hat, um gerettet zu werden.

Viele evangelikale Christen glauben, dass diese Verse besagen würden, dass ein Mensch nur dann wirklich gerettet werden könnte, wenn er sich öffentlich zu seinem Glauben an Christus bekennt. Folglich drängen Prediger auf ihren Versammlungen und Evangelisationen auf ein öffentliches Bekenntnis. Sie richten einen „Altarruf“ an ihre Zuhörer, damit jeder, der gerettet werden möchte, vortritt und seinen Glauben öffentlich bekennt. Wenn wir jedoch das Bekenntnis vor den Menschen zu einer notwendigen Bedingung für die ewige Errettung der Seele von der Strafe ihrer Sünden machen, dann beruht der Segen des Evangeliums nicht nur auf dem Grundsatz des Glaubens; er wird zu Glaube und Werken! Das steht im Widerspruch zu den Grundlagen des Evangeliums (Röm 3,26-31). Außerdem würde es bedeuten, dass ein Mensch nicht gerettet werden kann, wenn er irgendwo allein ist – weil er niemand hat, dem er sein Bekenntnis vorlegen kann! Was ist, wenn er stirbt, bevor er die Gelegenheit hat, jemand von seinem Glauben an Christus zu erzählen? Wir können doch nicht annehmen, dass eine solche Person nicht wirklich gerettet ist und nicht in den Himmel kommt?

„Bekennen“ bedeutet in diesem Vers „zustimmen“ (nach Strong) oder „Zustimmung ausdrücken“. Die Frage ist, mit wem man seine Zustimmung ausdrückt. A. Roach sagt, dass im Licht von Philipper 2,11 („Jede Zunge bekenne, dass Jesus Christus Herr ist, zur Verherrlichung Gottes, des Vaters“) und Römer 14,11 („Jede Zunge wird Gott bekennen“) dieses Bekenntnis vor Gott und nicht vor Menschen abgelegt werden muss. Der Gläubige bekennt vor Gott, dass „Jesus Christus der Herr ist“. H.A. Ironside sagt:

Das Bekenntnis hier ist natürlich nicht notwendigerweise dasselbe wie dort, wo unser Herr sagt: „Jeder nun, der sich vor den Menschen zu mir bekennen wird, zu dem werde auch ich mich bekennen vor meinem Vater, der in den Himmeln ist.“ Es handelt sich vielmehr um das Bekenntnis der Seele zu Gott selbst, dass sie Jesus als Herrn annimmt.[3]

In Vers 9 erwähnt Paulus den „Mund“ vor dem „Herzen“, was der Reihenfolge in 5. Mose 30 entspricht, aber in Vers 10 kehrt er die Reihenfolge um. Vers 9 hebt die Tatsachen hervor, und Vers 10 betont die Reihenfolge, die in der Seele des Gläubigen stattfindet. Der Glaube im Herzen bringt das Bekenntnis des Mundes hervor; er ist ein Beweis für das, was im Herzen wahr ist. So geht die innere Aufnahme des Wortes durch den Glauben dem äußeren Ausdruck des Bekenntnisses voraus. Es handelt sich nicht um zwei getrennte Schritte zum Heil, sondern um zwei Seiten ein und derselben Sache.

Im normalen Verlauf des christlichen Wachstums und der Entwicklung wird das Bekenntnis vor den Menschen auf den Glauben an Christus folgen. Wer wirklich an den Herrn Jesus glaubt, wird seinen Glauben vor seinen Mitmenschen bekennen. Das sollte ganz natürlich geschehen, denn das Evangelium ist eine Nachricht, die zu gut ist, um sie für sich zu behalten (vgl. 2Kön 7,9)! Die Schrift ermutigt uns, darüber zu sprechen: „So sollen die Erlösten des HERRN sagen, die er aus der Hand des Bedrängers erlöst hat“ (Ps 107,2). Das Bekenntnis vor den Menschen ist gut, aber es ist keine Bedingung dafür, dass ein Mensch auf ewig von der Strafe seiner Sünden gerettet wird. Der Neubekehrte mag anfangs zögern, Christus zu bekennen, aber sein ewiges Wohlergehen hängt nicht davon ab. Paulus hat bereits gelehrt, dass der Segen des Heils allein auf dem Grundsatz „des Glaubens“ beruht (Röm 1,17; 3,30; 4,16; 5,1); er würde sich hier selbst widersprechen, wenn er die Bedingung des Bekenntnisses vor den Menschen daran knüpfen würde.

Der Segen des Evangeliums wird allen angeboten (Röm 10,11-15)

Verse 11-13

Röm 10,11-13: 11 Denn die Schrift sagt: „Jeder, der an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden.“ 12 Denn es ist kein Unterschied zwischen Jude und Grieche, denn derselbe Herr von allen ist reich für alle, die ihn anrufen; 13 „denn jeder, der irgend den Namen des Herrn anruft, wird errettet werden.“

Paulus fährt fort, anhand der Heiligen Schrift zu zeigen, dass Gottes Segen nicht auf die Juden beschränkt ist. Er zitiert Jesaja: „Jeder, der an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden“ (vgl. Jes 28,16). „Wer“ ist ein sehr großes Wort, das nicht nur Juden, sondern auch Heiden einschließt. Dass Gott dieses Wort im Zusammenhang mit der Errettung verwendet, beweist, dass Er beabsichtigt, den Segen auf die Heiden auszudehnen. Daher werden auch die Heiden, die an die Botschaft des Evangeliums glauben, nach demselben Grundsatz des Glaubens gesegnet wie die Juden, „denn“, wie Paulus sagt, „es ist kein Unterschied zwischen Jude und Grieche“, wenn es darum geht, gerettet zu werden (vgl. Apg 15,9-11). In Römer 3 hat er gezeigt, dass es „keinen Unterschied“ zwischen Juden und Heiden gibt, was ihr Verderben und die Notwendigkeit eines Erlösers betrifft. Nun zeigt er in diesem Kapitel, dass es „keinen Unterschied“ zwischen Juden und Heiden gibt, was die Gnade Gottes ihnen gegenüber betrifft. Als weiteren Beweis dafür zitiert er den Propheten Joel: „Jeder, der irgend den Namen des Herrn anruft, wird errettet werden“ (vgl. Joel 3,5).

Verse 14.15

Röm 10,14.15: 14 Wie werden sie nun den anrufen, an den sie nicht geglaubt haben? Wie aber werden sie an den glauben, von dem sie nicht gehört haben? Wie aber werden sie hören ohne einen Prediger? 15 Wie aber werden sie predigen, wenn sie nicht gesandt sind? – wie geschrieben steht: „Wie lieblich sind die Füße derer, die das Evangelium des Guten verkündigen!“

Paulus fragt dann, wie es möglich ist, dass jemand unter den Heiden den Namen des Herrn anruft, wenn sie noch nie von Ihm gehört haben. Er zeigt, dass es notwendig ist, Christus unter den Heiden zu verkünden, damit sie Ihn anrufen und gerettet werden können. Er sagt: „Wie aber werden sie an den glauben, von dem sie nicht gehört haben? Wie aber werden sie hören ohne einen Prediger? Wie aber werden sie predigen, wenn sie nicht gesandt sind?“ Er zitiert Jesaja 52,7, um den Grundsatz der Verkündigung der Wahrheit im Evangelium zu unterstützen: „Wie lieblich sind die Füße derer, die das Evangelium des Guten verkündigen!“ Die jüdischen Schriften ermutigen also tatsächlich zur Verkündigung des Evangeliums über Christus, den Messias. Genau das tat Paulus unter den Heiden! Und mit dieser Aussage rechtfertigt er sich dafür, dass er mit der guten Nachricht zu den Heiden geht.

Das Evangelium ist nicht von allen geglaubt worden (Röm 10,16-21)

Vers 16

Röm 10,16: Aber nicht alle haben dem Evangelium gehorcht. Denn Jesaja sagt: „Herr, wer hat unserer Verkündigung geglaubt?“

Leider wurden die Juden, abgesehen von einem Überrest, ihrer Verantwortung für den Glauben an das Evangelium nicht gerecht. Sie weigerten sich nicht nur, das Evangelium anzunehmen, sondern sie widersetzten sich auch der guten Nachricht, die zu den Heiden ausging. Paulus berichtet den Thessalonichern: „Ihr seid Nachahmer der Versammlungen Gottes geworden, die in Judäa sind in Christus Jesus, weil auch ihr dasselbe von den eigenen Landsleuten erlitten habt, wie auch jene von den Juden, die sowohl den Herrn Jesus als auch die Propheten getötet und uns durch Verfolgung weggetrieben haben und Gott nicht gefallen und allen Menschen entgegen sind, indem sie uns wehren, zu den Nationen zu reden, damit sie errettet werden, um so ihre Sünden allezeit voll zu machen; aber der Zorn ist völlig über sie gekommen“ (1Thes 2,14-16). Auch die Apostelgeschichte bezeugt diese Tatsache (vgl. Apg 22,21.22).

Paulus zitiert erneut Jesaja, um zu zeigen, dass die prophetischen Schriften des Alten Testaments voraussagten, dass das Volk seinen Messias ablehnen würde. Er sagt: „Aber nicht alle haben dem Evangelium gehorcht. Denn Jesaja sagt: ,Herr, wer hat unserer Verkündigung geglaubt?‘“ Mit den Worten „unserer Verkündigung“ sprach Jesaja im Namen seiner Prophetenkollegen, der anderen alttestamentlichen Propheten, die den Messias vorausgesagt hatten. Er beklagte, dass der Bericht über den Messias vom Volk Israel nicht geglaubt worden war, obwohl er alles enthielt, was sie über Ihn wissen mussten. Der Bericht verkündete:

  • die Zeit seines Kommens (vgl. Dan 9,26 mit Ps 102,25).
  • seinen Geburtsort (Mich 5,1).
  • seine jungfräuliche Geburt (Jes 7,14)
  • seine Sohnschaft (Ps 2,6.7)
  • sein Königtum als direkter Nachkomme Davids (2Sam 7,12-16; Jer 23,5)
  • seine Verkündigung durch einen Vorläufer (Jes 40,3; Mal 3,1)
  • die Art und Weise seines Lebens (Jes 42,1-3)
  • seine Macht, die Segnungen des Königreichs herbeizuführen (Jes 33,24; 35,5.6; 61,1-3; Ps 65,8.9; Ps 89,11; 132,15; 146,7.8; usw.)
  • seine Vorstellung vor dem Volk Israel (Sach 9,9)
  • seinen Verrat (Ps 35,8.14; 41,11; 55,14-16; 69,27; 109,6-8)
  • die Ablehnung der Juden (Ps 35,11; 69,5; 109,4.5; Jes 49,4; 50,5.6; 53,2-4; Dan 9,26; Mich 5,1.2)
  • seinen Tod (Ps 16,10; 22,2-23; 31,2-7; 102,26; Dan 9,26a)
  • seine Auferstehung (Ps 16,11; 22,23; 102,26-29)
  • seinen gegenwärtigen Platz zur Rechten Gottes (Ps 110,1)
  • die Hoffnung Israels, dass Gott Ihn zu ihrer Befreiung senden würde (Ps 80,19)
  • seine Wiederkunft – das Erscheinen (Ps 72,6; 96,13; 98,9; Jes 30,27-33; Mal 3,1.20.21)
  • seine öffentliche Herrschaft in Gerechtigkeit als König über die ganze Erde (Jes 32,1; 61,11; Ps 47,8; Sach 14,9)
  • dass Er von den Heiden gesucht und verehrt würde (Ps 47,10; 72,11; 86,9; Jes 11,10; Sach 2,15)

Die „Verkündigung“ der Propheten über das Leben und die Zeit des Messias war also in der Heiligen Schrift vorausgesagt worden. Die Juden rühmten sich, die Heilige Schrift zu kennen, aber sie waren „trägen Herzens“, diese Dinge tatsächlich zu „glauben“ (Lk 24,25.26). Die alttestamentlichen Propheten sprachen vom Messias, der zuerst leiden und dann in die Herrlichkeit seines Reiches eingehen würde (1Pet 1,11). Dieses Zeugnis wurde nicht nur den Juden gegeben, sondern auch die Heiden hörten es, denn das Evangelium wurde sowohl den Juden als auch den Heiden verkündigt (Röm 1,16).

Vers 17

Paulus spricht dann davon, wie der Segen des Evangeliums in den Seelen wirksam wird. Er sagt:

Röm 10,17: Also ist der Glaube aus der Verkündigung, die Verkündigung aber durch Gottes Wort.

Der „Glaube“ in einem Menschen ist also eine Folge davon, dass sein geistliches Gehör geöffnet wird, und dies geschieht durch die Kraft des „Wortes Gottes“, das in seiner Seele wirkt. Der Geist Gottes wendet das Wort Gottes auf die Seele an, wodurch Er dem Menschen geistliches Leben vermittelt. Dieser Vorgang wird als Neugeburt oder Lebendigmachung bezeichnet (Joh 3,3-5; Eph 2,1.5). Durch den Empfang des göttlichen Lebens beginnen die geistlichen Fähigkeiten des Menschen zu arbeiten; er wird fähig, göttliche Mitteilungen zu hören und zu empfangen – das heißt die Wahrheit des Evangeliums. Deshalb müssen wir den Verlorenen „das Wort predigen“ (2Tim 4,2). „Das Wort Gottes ist lebendig und wirksam“, und wenn wir es unter der Leitung des Geistes Gottes predigen, vermittelt es den Menschen göttliches Leben (Heb 4,12).

Vers 18

Röm 10,18: Aber ich sage: Haben sie etwa nicht gehört? O doch! „Ihr Schall ist ausgegangen zu der ganzen Erde und ihre Sprache zu den Grenzen des Erdkreises.“

Paulus zitiert dann Psalm 19, der mit dem Zeugnis der Schöpfung zu tun hat, um zu zeigen, dass Gott beabsichtigt, dass ein Zeugnis „die ganze Erde“ erreichen soll. Dazu gehören natürlich auch die Heiden, denn sie sind überall auf der Erde. Das Zeugnis der Schöpfung verkündet nicht das Evangelium von der Gnade Gottes. Paulus zitiert es nicht aus diesem Grund, sondern um zu zeigen, dass Gott möchte, dass alle Menschen ein Zeugnis von Ihm selbst erhalten. Dies unterstützt also die Bemühungen, die frohe Botschaft über alle Grenzen hinaus zu verkünden.

Verse 19-21

Röm 10,19-21: 19 Aber ich sage: Hat Israel es etwa nicht erkannt? Zuerst spricht Mose: „Ich will euch zur Eifersucht reizen über ein Nicht-Volk, über eine unverständige Nation will ich euch erbittern.“ 20 Jesaja aber erkühnt sich und spricht: „Ich bin gefunden worden von denen, die mich nicht suchten, ich bin offenbar geworden denen, die nicht nach mir fragten.“ 21 Von Israel aber sagt er: „Den ganzen Tag habe ich meine Hände ausgestreckt zu einem ungehorsamen und widersprechenden Volk.“

Paulus sagt: „Hat Israel es etwa nicht erkannt?“ Wie hätten sie nicht wissen können, dass Gott den Heiden Segen bringen wollte, wo doch ihre eigene Schrift diese Tatsache bezeugt? Er zitiert Mose, um dies zu beweisen: „Ich will euch zur Eifersucht reizen über ein Nicht-Volk, über eine unverständige Nation will ich euch erbittern“ (vgl. 5Mo 32,21). Das bedeutet, dass Gott Israel beschämt, weil es zu zögerlich war, um zu glauben – indem Er seinen Segen zu den Heiden bringt. Paulus fügt zu diesem Zweck eine weitere Aussage aus Jesaja hinzu: „Ich bin gefunden worden von denen, die mich nicht suchten, ich bin offenbar geworden denen, die nicht nach mir fragten“ (vgl. Jes 65,1; Röm 3,11). Über Israel aber sagte Jesaja: „Den ganzen Tag habe ich meine Hände ausgestreckt zu einem ungehorsamen und widersprechenden Volk“ (vgl. Jes 65,2). So zeigt Paulus anhand ihrer eigenen Schriften, dass es eine unglaubliche Umkehrung des Segens geben würde. Wenn Israel den Segen ablehnt, weil es seinen Messias nicht annimmt, wird Gott den Heiden den Segen schicken! Der Herr lehrte dies auch in vielen seiner Gleichnisse (Mt 21,42-44; 22,8-10; Lk 13,28-30; 14,16-24). Das Ergebnis war, dass viele Heiden durch den Glauben an Christus in den Segen gekommen sind, während Israel (abgesehen von einem Überrest) ihn verpasst hat!

Paulus zeigt also in diesem Kapitel, dass es eine moralische Verantwortung des Menschen gibt, dem Zeugnis Gottes im Evangelium zu glauben. Gott hat für Israel reichlich Vorkehrungen getroffen, damit es glaubt, aber der Grundsatz gilt für die gesamte Menschheit. Und wenn Israel als Nation beiseitegeschoben wurde, so liegt das nicht an Gott, sondern eindeutig an ihnen selbst. Sie haben nicht nur das Gesetz gebrochen, sondern auch ihren Messias und das Evangelium der Gnade Gottes abgelehnt.

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Im Laufe dieses zehnten Kapitels hat Paulus drei Hauptgründe angesprochen, warum die Juden den Segen Gottes verpasst haben:

  • Eifer für ihre nationale Religion (Röm 10,2)
  • Unkenntnis der Gerechtigkeit Gottes (Röm 10,3)
  • hartnäckiger Unglaube (Röm 10,16)

Übersetzt aus The Epistle of Paul to the Romans. God’s Righteousness declared in the Gospel, displayed in His dispensational ways and demonstrated in practical life“
Surrey, Kanada (Christian Truth Publishing) 2015, First Edition, Version 1.1
Quelle: www.bibletruthpublishers.com

Übersetzung: Stephan Isenberg

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Anmerkungen

[1] Siehe J.N. Darby, Collected Writings, Bd. 10, S. 22.

[2] Anm. d. Red.: Das kann durch die deutsche Übersetzung nicht nachvollzogen werden.

[3] H.A. Ironside, Lectures on Romans, S. 130–131.

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