Die moralische Herrlichkeit des Herrn Jesus (7)
In seiner Haltung zur Verschwendung

John Gifford Bellett

© SoundWords, online seit: 02.01.2006, aktualisiert: 17.11.2022

Leitverse: Matthäus 26,6-15; Johannes 6,13

Joh 6,13: Sie sammelten nun und füllten zwölf Handkörbe mit Brocken von den fünf Gerstenbroten, die denen, die gegessen hatten, übriggeblieben waren.

„Aufbewahren hat seine Zeit, und Fortwerfen hat seine Zeit“, sagt der Prediger Salomo (Pred 3,6). Der Herr Jesus wusste zur passenden Zeit aufzubewahren und zur passenden Zeit fortzuwerfen. Wie freigebig das Herz und die Hand im Dienst Gottes auch sein mögen, es wird in diesem Dienste doch nie eine Vergeudung oder Verschwendung geben. „Von dir kommt alles“, sagt David zum Herrn, „und aus deiner Hand haben wir dir gegeben“ (1Chr 29,14).

Das Vieh auf tausend Bergen ist sein, der Erdkreis und seine Fülle ist sein (Ps 50). Der Pharao aber bezeichnete den Wunsch der Kinder Israel, ihrem Gott zu opfern, als Trägheit; und die Jünger betrachteten die dreihundert Denare[1], die zur Salbung des Leibes Jesu verwendet wurden, als Verschwendung (Mt 26,6-15; Joh 12,1-8). Aber dem Herrn das Seine zu geben – die Ehre oder das Opfer, die Liebe des Herzens, die Arbeit der Hände oder die Güter des Hauses –, das ist weder Trägheit noch Verschwendung. Die Rückerstattung dieser Dinge an Gott ist unsere erste Pflicht. Hierbei möchte ich daher noch einen Augenblick verweilen.

Aus Ägypten auszugehen, ist nicht Trägheit, und ein Fläschchen kostbarer Salbe auf das Haupt Jesu auszuschütten, ist nicht Verschwendung. Und dennoch sehen wir, dass eine gewisse Art zu kalkulieren, die sich unter den Kindern dieser Welt und leider nur zu oft auch unter den Heiligen Gottes findet, Dinge dieser Art so nennt. Wenn jemand irdische Vorteile ausschlägt und günstige Gelegenheiten für sein Fortkommen in dieser Welt versäumt, weil das Herz verstanden hat, in Gemeinschaft mit einem verworfenen Heiland seinen Weg zu gehen, dann ist die Zahl derer nicht gering, die das als „Trägheit“ und „Verschwendung“ betrachten. Man hätte, meinen sie, die Vorteile, die man besaß, festhalten und die günstigen Gelegenheiten ergreifen und ausnutzen sollen, um sie dann für den Herrn zu verwerten. Doch alle, die eine solche Sprache führen, befinden sich in einem groben Irrtum. Nach ihrer Meinung sollte die äußere Stellung sowie der damit verbundene irdische und menschliche Einfluss als ein Vorrecht betrachtet, ja sogar als eine „Gabe zum Nutzen, zur Erbauung und zum Segen“ für andere angewendet werden (vgl. 1Kor 12,1-11; 14,1-5.12-19). Aber ein von den Menschen verworfener Christus wird, wenn wir Ihn in geistlicher Weise erkannt haben, uns eine ganz andere Belehrung geben. Die Stellung in dieser Welt, die weltlichen Vorrechte und die so sehr empfohlenen günstigen Gelegenheiten bilden jenes Ägypten, das Moses verließ: „Er weigerte sich, ein Sohn der Tochter Pharaos zu heißen.“ Die Schätze Ägyptens waren nach seinem Urteil kein Reichtum; er konnte im Dienst des Herrn keinen Gebrauch von ihnen machen. Und so verließ er sie, und der Herr begegnete ihm und bediente sich seiner später, und zwar nicht, um Ägypten mit seinen Schätzen in Kredit zu bringen, sondern um sein Volk aus dem Diensthaus Ägyptens zu befreien.

Diese Verzichtleistung auf alles, wovon Mose uns ein so schönes Beispiel liefert, muss allerdings in der Erkenntnis eines verworfenen Heilandes und im Glauben an Ihn stattfinden; denn sonst würde sie ihres eigentümlichen Charakters, ihrer wahren Schönheit und Wirklichkeit entbehren. Wenn man auf einen bloßen religiösen Grundsatz hin handelt, um sich eine Gerechtigkeit zu erwirken oder ein Verdienst zu schaffen, so kann man mit Recht behaupten, dass dies schlechter ist als Trägheit und Verschwendung. In diesem Fall hat Satan viel eher einen Vorteil über uns erlangt, als dass wir einen Sieg über die Welt davongetragen hätten. Aber wenn jene Verzichtleistung im Glauben und aus Liebe zu dem verworfenen Herrn geschieht, in dem Bewusstsein und der Erkenntnis des Verhältnisses unseres Herrn zu der Welt, dem gegenwärtigen bösen Zeitlauf, wie es heißt, dann ist es ein angenehmes Opfer für Gott, ein wahrer Gottesdienst. Den Menschen auf Kosten der Wahrheit und der Grundsätze zu dienen, ist kein Christentum, wenn auch diejenigen, die so handeln, „Wohltäter“ genannt werden mögen. Wahres Christentum hat ebenso die Ehre Gottes wie das Glück der Menschen im Auge; und in dem Maße, wie wir dies aus dem Gesicht verlieren, werden wir bemüht sein, viele Dinge, die wirklich der Ausdruck eines heiligen, geweihten und verständigen Dienstes für Christus sind, als Trägheit und Verschwendung zu betrachten. Dass es so ist, zeigt uns die Rechtfertigung, die der Herr für die Frau hatte, die ihre kostbare Salbe auf sein Haupt ausschüttete (Mt 26).

Wir haben in all unserem Tun auf die Ehre Gottes Rücksicht zu nehmen, mögen auch die Menschen ihre Anerkennung allem versagen, was nicht gerade der guten Ordnung in der Welt dienlich und dem Wohl des Nächsten förderlich ist. Jesus entsprach in jeder Beziehung den Rechten Gottes in dieser selbstsüchtigen Welt, wiewohl Er, wie wir wohl wissen, die Ansprüche des Nächsten an seine Person völlig anerkannte. Er wusste zur passenden Zeit „fortzuwerfen“ und zur passenden Zeit „aufzubewahren“. „Was machet ihr der Frau Mühe? Denn sie hat ein gutes Werk an mir getan“, sagte Er, als die Frau von den Jüngern getadelt wurde, weil sie das Fläschchen kostbarer Salbe über Ihn ausgeschüttet hatte; aber nach der Speisung von Tausenden rief Er denselben Jüngern zu: „Sammelt die übriggebliebenen Brocken, damit nichts umkomme“ (Joh 6,12). Das war in der Tat eine Beobachtung der göttlichen Regel: „Aufbewahren hat seine Zeit, und Fortwerfen hat seine Zeit.“

Wenn einerseits der freigebige Dienst des Herzens oder der Hand, der zur Ehre Gottes geschieht, keine Verschwendung ist, so sind andererseits die Krümchen der Speise des Menschen geheiligt und dürfen nicht weggeworfen werden. Derselbe Herr, der bei der einen Gelegenheit den Aufwand von dreihundert Denaren rechtfertigte, erlaubte in dem anderen Falle nicht, dass die Brocken von fünf Gerstenbroten am Boden liegen bleiben. In seinen Augen waren diese Stücke heilig. Sie waren die Lebensspeise, das Kraut des Feldes, das Gott dem Menschen zu seinem Unterhalt gegeben hatte; und das Leben ist eine geheiligte Sache. Gott ist der Gott der Lebendigen. Er hatte einst zu dem Menschen gesagt: „Ich habe euch gegeben alles samenbringende Kraut … und jeden Baum, an dem samenbringende Baumfrucht ist: Es soll euch zur Speise sein“ (1Mo 1,29); und darum wollte Jesus es geheiligt wissen. Ferner wurde denen, die unter Gesetz waren, das Gebot gegeben: „Wenn du eine Stadt viele Tage belagern wirst, indem du Krieg gegen sie führst, um sie einzunehmen, so sollst du ihre Bäume nicht verderben, indem du die Axt gegen sie schwingst (denn du kannst davon essen), und sollst sie nicht abhauen; denn ist der Baum des Feldes ein Mensch, dass er vor dir in Belagerung kommen sollte? Nur die Bäume, von denen du weißt, dass sie keine Bäume sind, von denen man isst, die darfst du verderben und abhauen“ (5Mo 20,19.20). Es würde Verschwendung und Entweihung gewesen sein, wenn mit dem, was Gott zur Unterhaltung des Lebens gegeben hatte, Missbrauch getrieben worden wäre; darum wollte Jesus in Reinheit, ja in der vollkommenen Ausführung der Anordnung Gottes, nicht ein einziges Krümchen am Boden liegen lassen. „Sammelt die übriggebliebenen Brocken, damit nichts umkomme.“

Dies sind nur geringfügige Dinge, könnte man einwenden. Aber wir sehen daraus, dass alle Umstände des menschlichen Lebens, in denen Jesus sich befunden hat, wie flüchtig und unscheinbar sie auch scheinen mögen, durch einen Strahl jener moralischen Herrlichkeit geschmückt wurden, der stets den Weg erleuchtete, den seine heiligen Füße betraten. Das menschliche Auge war unfähig, seine Spuren zu verfolgen; aber alles stieg zu Gott empor als ein duftender Wohlgeruch, als ein angenehmes Schlachtopfer, ein Opfer der Ruhe, das Speisopfer des Heiligtums.


Aus The Moral Glory of the Lord Jesus Christ

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Anmerkungen

[1] Anm. d. Red.: Der Jahreslohn eines Arbeiters.


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