Der zweite Brief an Timotheus (1)
Kapitel 1

Stanley Bruce Anstey

© SoundWords, online seit: 18.06.2020, aktualisiert: 09.10.2021

Die moralischen und geistlichen Eigenschaften, die der Mensch Gottes an einem Tag des Niedergangs braucht

In den Grüßen und Ermutigungen, die Paulus an Timotheus richtet, beschreibt er sorgfältig die moralischen und geistlichen Eigenschaften, die der Diener des Herrn in einer Zeit des öffentlichen Niedergangs im christlichen Bekenntnis braucht. Dieser Überblick gibt uns ein anschauliches Bild davon, wie ein Diener des Herrn in schwierigen Zeiten, so wie in diesen letzten Tagen der Kirchengeschichte, sein sollte.

Verse 1.2

2Tim 1,1.2: 1 Paulus, Apostel Christi Jesu durch Gottes Willen, nach Verheißung des Lebens, das in Christus Jesus ist, 2 Timotheus, meinem geliebten Kind: Gnade, Barmherzigkeit, Friede von Gott, dem Vater, und Christus Jesus, unserem Herrn!

Die Verse 1 und 2 enthalten die Anrede und den Gruß des Apostels. Nachdem er sein Apostelamt bestätigt hat, spricht er von der „Verheißung des Lebens, das in Christus Jesus ist“. Dies erwähnt er, wie wir glauben, um Timotheus zu ermutigen. Angesichts des Niedergangs und des Abweichens konnte Timotheus Mut fassen, dass es Dinge gab, die durch das Versagen des Menschen nicht berührt werden konnten. Es war etwas, worauf er sich getrost stützen konnte. Zwar ist alles, was mit dem Zeugnis der Kirche zusammenhängt, durch den Niedergang und das Versagen verdorben worden, aber nichts davon kann durch die Untreue des Menschen berührt werden, denn alles, was wir „in Christus Jesus“ haben, bleibt in Ewigkeit bestehen. Die Verheißung des Lebens ist das Erste in einer Reihe von Dingen, die Paulus im Brief erwähnt, die alle Versäumnisse und Verfehlungen der Gläubigen überdauern werden. Diese Dinge sind:

  • „Leben“ in Christus Jesus (2Tim 1,1)
  • „heilige Berufung“ in Christus Jesus (2Tim 1,9)
  • „gesunde Worte“ (die Wahrheit) in Christus Jesus (2Tim 1,13)
  • „Gnade“ in Christus Jesus (2Tim 2,1)
  • „Errettung“ in Christus Jesus (2Tim 2,10)
  • „gottseliges“ Leben in Christus Jesus (2Tim 3,12)
  • „Glaube“ an Christus Jesus (2Tim 3,15)

Paulus erinnert Timotheus daran, dass es einen frischen Strom von „Gnade, Barmherzigkeit und Frieden“ von Gott, dem Vater, und dem Herrn Jesus Christus geben würde für den Weg, auf dem zu gehen er berufen war. In ähnlicher Weise brauchen auch wir „Gnade“, um an einem Tag des Niedergangs und Versagens weiterzumachen, und wir können uns darauf verlassen, dass Gott uns diese Gnade geben wird (Jak 4,6).

Auch für uns gibt es „Barmherzigkeit“, wenn wir auf dem Weg versagen. Es ist oft bemerkt worden, dass der Apostel, wenn er sich an Versammlungen wendet, sagt, dass es „Gnade und Frieden“ von Gott für sie gibt, aber wenn er sich an einzelne Personen wendet, fügt er eine dritte Sache hinzu: „Barmherzigkeit“. Für Einzelpersonen gibt es Barmherzigkeit, um versagende Christen wiederzustellen. Im Gegensatz dazu gibt es für Versammlungen, die als verantwortliches kollektives Zeugnis in dieser Welt sind, keine Barmherzigkeit im Sinne von Wiederherstellung (Röm 11,13-27; Off 3,15), wenn sie versagen und es ihnen an kollektiver Buße mangelt (so wie es im christlichen Bekenntnis der Fall war). Stattdessen wird der Leuchter von der Stelle, an der er örtlich gestanden hat, durch ein regierungsmäßiges Handeln Gottes entfernt (Off 2,5). Dies gilt auch für das christliche Bekenntnis als Ganzes. Weil die Kirche in ihrem weltweiten Zeugnis versagt hat, wird sie nicht wiederhergestellt werden zu ihrer früheren Herrlichkeit, wie sie in der Apostelgeschichte zu sehen ist. Dies ist eine ernste Sache; es wird keine Wiederherstellung des christlichen Zeugnisses geben – nur Gericht. Der einzelne Gläubige kann durch Barmherzigkeit wiederhergestellt werden, nicht aber das öffentliche Zeugnis der Versammlung als Haus Gottes und Leib Christi.

Gott gibt auch „Frieden“. Es gibt einige sehr entmutigende Dinge, denen der Diener des Herrn in seinem Dienst begegnen wird. Der Herr gibt Frieden in solchen Umständen, damit wir nicht von all der Verwirrung und der Unordnung aufgerieben oder überwältigt werden.

Ein reines Gewissen

Vers 3

2Tim 1,3: Ich danke Gott, dem ich von meinen Voreltern her mit reinem Gewissen diene, wie unablässig ich deiner gedenke in meinen Gebeten Nacht und Tag.

Wie bereits erwähnt, führt der Geist Gottes, der den Brief inspiriert hat, Paulus dazu, bestimmte Eigenschaften hervorzuheben, wenn er Timotheus ermutigt – diese Eigenschaften muss ein Diener des Herrn an einem Tag des Niedergangs haben. Das Erste, was Paulus nennt, ist ein „reines Gewissen“. Es ist absolut notwendig, dass wir jederzeit ein gutes Gewissen vor Gott haben; ohne dieses werden wir niemals weitermachen können. Ein „reines Gewissen“ zu haben, bedeutet nicht, dass ein Mensch nie versagt, sondern dass er sich selbst richtet, wenn er versagt, so dass er die Gemeinschaft mit dem Herrn aufrechterhält. Es ist bezeichnend, dass Paulus das reine Gewissen mit dem Gebet verbindet, wenn er sagt: „Ich gedenke deiner unablässig in meinen Gebeten Nacht und Tag.“ Siehe auch Hebräer 13,18.

Ein gutes Gewissen ist im Leben des Dieners des Herrn sehr wichtig. Das ist vielleicht der Grund, warum der Apostel es zuerst erwähnt. Wenn wir zulassen, dass irgendetwas auf unserem Gewissen lastet und ungerichtet bleibt, wird sich das direkt auf unser Gebetsleben auswirken. Wir werden nicht die Kühnheit haben, in die Gegenwart Gottes zu gehen, und infolgedessen wird unser Gebetsleben nachlassen. Wir werden auch nicht den Mut haben, vor den Menschen zu stehen, um Christus zu bekennen. Wenn der Diener des Herrn gegen den Strom des Bösen, der in das christliche Bekenntnis eingedrungen ist, für Ihn einstehen soll, muss er darauf achten, selbst ein „reines Gewissen“ zu haben. Wenn wir also etwas getan haben, was mit dem Namen des Herrn unvereinbar ist, müssen wir es sofort verurteilen.

Darüber hinaus bedeutet ein „reines Gewissen“ nicht, dass wir die ganze Wahrheit verstehen und in ihr wandeln, sondern dass wir versuchen, dem Licht, das wir in Verbindung mit der Wahrheit haben, zu entsprechen. Auf diese Weise können wir dann mit gutem Gewissen vor Gott und den Menschen stehen. Paulus führt sich selbst als Beispiel an. Sogar als er die himmlische Offenbarung der Wahrheit im Evangelium noch nicht kannte, handelte er nach dem Licht, das er hatte. Sogar als er sich noch im Judentum befand, versuchte er, ein gutes Gewissen zu bewahren, indem er sich nicht erlaubte, irgendein bekanntes Gesetz zu verletzen (Apg 23,1; 24,16; Phil 3,6). Das Gewissen von Paulus entsprach damals jedoch nicht dem Licht der himmlischen Offenbarung des Christentums, und er billigte sogar das Böse, die Versammlung zu verfolgen. Er rechtfertigt sein Unrecht hier nicht, sondern er erwähnt es vielmehr, um zu zeigen, dass er bei dem, was er tat, mit gutem Gewissen handelte und sich daher keiner vorsätzlichen Unredlichkeit schuldig machte. Es geht ihm darum, dass der Diener des Herrn mit gutem Gewissen in dem Licht wandeln muss, das er hat. Das zeigt auch, dass das Gewissen kein ausreichender Führer für die Seele ist; wir müssen auch das Licht der Wahrheit Gottes haben.

Echte Zuneigungen für die Heiligen Gottes

Vers 4

Der Apostel sagt weiter:

2Tim 1,4: [Ich bin] voll Verlangen, dich zu sehen, indem ich mich an deine Tränen erinnere, damit ich mit Freude erfüllt sein möge.

Hier berührt er eine weitere Eigenschaft, die der Diener des Herrn unbedingt braucht: die zärtlichen Gefühle Christi. Timotheus’ Tränen waren der Beweis für ein Herz, das mit dem Mitgefühl Christi erfüllt ist. Er liebte Paulus und das Volk des Herrn aufrichtig. Timotheus vergoss Tränen für das Volk Gottes und wünschte ihr Wohl und ihren Segen. Paulus sagte zu den Philippern, dass er „keinen Gleichgesinnten“ hatte, „der von Herzen für das Eure besorgt sein wird“ (Phil 2,20). Das ist so dringend nötig, damit ein Diener dem Herrn dienen kann.

Jeder Diener muss eine aufrichtige Sorge für die Heiligen Gottes haben, sonst wird sein Dienst nicht sehr wirksam sein. Unser Dienst für den Herrn wird bald seinen Schwung verlieren, wenn er nicht aus echter Liebe zu Ihm und zu seinem Volk geschieht. Wenn es aus einem anderen Grund geschieht – sei es, dass wir auf Popularität oder Geld aus sind, oder aus anderen Gründen –, ist das ein völlig falscher Grundsatz. Es ist bezeichnend, dass der Herr in seinem irdischen Dienst nicht „bezahlte Knechte“ rief, sondern solche, die aus Liebe zu ihrem Meister und aus Liebe zum Volk Gottes arbeiten würden (Mk 1,20).

Timotheus’ „Tränen“ flossen wegen aufrichtiger Zuneigung für das Volk Gottes. Weil er sich so sehr um das Volk des Herrn sorgte, muss er über den traurigen Zustand des christlichen Zeugnisses betrübt gewesen sein. Viele hatten sich vom Apostel Paulus und von seinen Lehren abgewandt, und böse Menschen setzten sich mit ihren üblen Lehren durch, so dass das Haus Gottes in Unordnung geriet (2Tim 1,15; 2,16-20; 4,3.4.10.14). Dieses Empfinden ist gut und notwendig für den Diener des Herrn an einem Tag des Niedergangs. Wenn wir überhaupt ein Feingefühl dafür haben, was richtig ist, dann sollten wir den zerbrochenen Zustand der Dinge, so wie er sich heute zeigt, empfinden und darüber trauern (Mt 5,6). Was das Volk des Herrn berührt, berührt den Herrn selbst, und der Diener, der in Gemeinschaft mit dem Herrn steht, wird es sicher auch empfinden. Darüber hinaus müssen wir uns unseren Anteil am Niedergang und Versagen eingestehen. Nur aus dieser Haltung der wahren Demütigung über den Zustand der Dinge können wir in der jetzigen Zeit vom Herrn gebraucht werden.

Ungeheuchelter Glaube

Vers 5

Der Apostel drückt nun sein Vertrauen in den Glauben von Timotheus aus. Er sagt:

2Tim 1,5: Ich habe den ungeheuchelten Glauben in dir in Erinnerung, der zuerst in deiner Großmutter Lois und deiner Mutter Eunike wohnte, ich bin aber überzeugt, auch in dir.

Dass Lois und Eunike erwähnt werden, bedeutet nicht, dass Timotheus christlich erzogen worden war. Seine Großmutter und seine Mutter waren gläubig, da sie gottesfürchtige Jüdinnen in der jüdischen Religion waren, aber sie kannten das Evangelium nicht, bis Paulus dieses Gebiet Region besuchte (Apg 14,6.7). In Apostelgeschichte 16,1 heißt es, dass seine Mutter Eunike an das Evangelium „glaubte“, aber Lois wird nicht erwähnt, so dass wir annehmen können, dass sie zu diesem Zeitpunkt vielleicht schon gestorben war. Timotheus hatte zwar keine christliche Erziehung, aber er hatte sicherlich eine gottesfürchtige Erziehung genossen und war in den Grundsätzen des Glaubens unterrichtet worden. Dass die beiden Frauen erwähnt werden, zeigt: Glaube und Erlösung können nicht von den Eltern geerbt werden. Gott liebt es, ganze Familien zu retten und zu segnen (Apg 16,31).

Paulus spricht hier von ihrem Glauben, um zu zeigen, dass dieser Glaube an einem Tag des Niedergangs unerlässlich ist. Er spricht nicht nur von einem Glauben, der an das Evangelium glaubt, sondern von einem Glauben, der für jeden Schritt auf dem Weg notwendig ist. An anderer Stelle werden wir daran erinnert, dass der Gerechte aus Glauben leben wird (Heb 10,38). Wir haben den Glauben nie mehr nötig als in Tagen der Schwachheit und des Versagens. Der Feind unserer Seelen versucht unerbittlich, unseren Glauben zu erschüttern und uns dazu zu bewegen aufzugeben. Sein Plan ist es, in Tagen des Zeugnisses eines Überrestes „die Heiligen der höchsten Örter zu vernichten“ (Dan 7,25). Er will, dass wir unsere Hände sinken lassen [und uns ergeben] und denken, es habe keinen Sinn, weiterzumachen. Aber Glauben befähigt den Gläubigen, sich über die Umstände des Tages zu erheben und auszuharren – trotz all der entmutigenden Dinge, die ihm im christlichen Zeugnis begegnen können. Paulus war überzeugt, dass Timotheus diesen Glauben hatte, um an einem solchen Tag zu dienen.

Paulus nennt Timotheus’ Glauben „ungeheuchelt“. Das bedeutet, dass Timotheus ihn nicht vortäuscht; sein Glaube war nicht äußerlich aufgesetzt. Das heißt, Timotheus war aufrichtig. In diesen Tagen der Heuchelei und Anmaßung wünscht Gott Echtheit in seinem Volk – besonders in denen, die weiter fortfahren würden, um Ihm zu dienen. „Siehe, du hast Gefallen an der Wahrheit im Innern“ (Ps 51,8).

Darüber hinaus bedarf es des Glaubens, damit wir dem Herrn auf dem Arbeitsfeld vertrauen. Um das Wort zu verkünden, muss der Diener Glauben haben und darauf vertrauen, dass der Heilige Geist in den Seelen wirkt. Wenn uns im Dienst der Glaube fehlt, nehmen wir vielleicht Zuflucht zu fleischlichen Mitteln, um Ergebnisse zu erzielen. Auf weltliche Hilfsmittel, Sensationshascherei und dergleichen greift man oft zurück, wenn der schlichte Glaube fehlt; doch der „ungeheuchelte Glaube“ im Dienst stützt sich allein auf das Wort Gottes. Daher braucht der Diener des Herrn Glauben, um den Weg der Absonderung zu gehen und um dem Herrn für die Ergebnisse im Dienst zu vertrauen.

Die Wahrung eines reinen Gewissens (2Tim 1,3), echte Liebe und Fürsorge für das Volk Gottes (2Tim 1,4) sowie ungeheuchelter Glaube (2Tim 1,5) sind drei wesentliche Voraussetzungen, um dem Herrn auf dem Weg der Absonderung an einem Tag des Niedergangs zu dienen.

Geistliche Kraft zur Anwendung unserer Gabe

Vers 6

Nachdem Paulus seine Liebe und sein Vertrauen in Timotheus zum Ausdruck gebracht hat, ermahnt und ermutigt er ihn im Hinblick auf den Dienst für den Herrn. Er sagt:

2Tim 1,6: Aus diesem Grund erinnere ich dich daran, die Gnadengabe Gottes anzufachen.

Angesichts der allgemeinen Untreue besteht die Gefahr, dass man denkt, es sei hoffnungslos, seine Gabe auszuüben. Vielleicht hatte Timotheus diesen Gedanken und ließ seine Gabe ungenutzt liegen. Paulus gibt ihm deshalb dieses notwendige Wort.

Wenn wir diesen Vers mit 1. Timotheus 1,18 und 1. Timotheus 4,14 verbinden, erfahren wir, dass eine Reihe von „Weissagungen“ unter den Heiligen ergangen waren, die verkündeten, dass der Herr Timotheus erwecken würde, um ihn in seinem Dienst zu gebrauchen. Durch einen formellen Akt des Apostels verlieh der Herr ihm eine besondere Gabe. Die „Ältestenschaft“ [1Tim 4,14] erkannte Timotheus’ Gabe an, drückte ihre Gemeinschaft mit ihr aus und ermutigte ihn, sie auszuüben. Hier nun ermahnt Paulus ihn dazu, indem er ihm sagt, er solle die Gabe, die er hatte, „anfachen“ und sie zum Segen des Volkes Gottes einsetzen. Seine Gabe war vielleicht die Vermittlung von Lehre und Ermahnung (1Tim 4,13). Welch ein riesiges Bedürfnis nach dieser Gabe besteht auch heute in der Kirche!

Alle geistlichen Gaben kommen von Christus, dem verherrlichten Haupt der Gemeinde, durch den Heiligen Geist, wenn wir gerettet werden. Im Fall von Timotheus war Paulus der Kanal, durch den der Geist Gottes die Gabe weitergab. Geistliche Gaben werden heute nicht auf diese Weise gegeben, einfach weil es keine lebenden Apostel mehr gibt. Dennoch hat jedes Glied des Leibes Christi eine geistliche Gabe erhalten, die es an dem Platz einsetzen soll, wo Gott es in den Leib gesetzt hat. Die Gabe kommt direkt von Christus im Himmel durch den Geist Gottes und nicht durch eine vermittelnde Person auf der Erde. Timotheus’ Fall war eine Ausnahme.

Aus 1. Timotheus 4,14 und unserem Vers in 2. Timotheus 1,6 sehen wir – was die Ausübung der Gabe betrifft – zwei negative Tendenzen im Volk des Herrn. Erstens: Wenn die Dinge in der Versammlung in relativ guter Ordnung sind, so wie wir das im ersten Timotheusbrief sehen, neigen wir dazu, unsere Gabe zu „vernachlässigen“. Das mag daran liegen, dass wir sehen, wie andere ihre Gabe nutzbringend ausüben, und wir glauben nicht, dass wir gebraucht werden. Und wenn dann die Dinge in der Gemeinde in Unordnung sind, so wie wir das im zweiten Timotheusbrief sehen, und es viel Gleichgültigkeit und Weltlichkeit gibt, neigen wir dazu, unsere Gabe gar nicht auszuüben, weil wir meinen, unsere Gabe würde sowieso nicht angenommen. Beide Gedanken sind jedoch falsch. Wir dürfen unsere Gabe nicht „vernachlässigen“, wenn die Umstände im Gemeindeleben relativ gut sind, und wir müssen unsere Gabe „anfachen“, wenn die Dinge in der Gemeinde in einem schlechten Zustand sind. Das ist notwendig, weil so wenige darin geübt sind, den Heiligen in den Dingen Gottes zu dienen. Der Gebrauch der geistlichen Gabe ist umso mehr nötig, je dunkler die Tage werden. Die Not war noch nie so groß wie heute.

Wir glauben nicht, dass Timotheus mit seiner Neigung, seine Gabe ungenutzt zu lassen, allein stand. Heute sind viele mit anderen Dingen beschäftigt und machen sich keine Gedanken darüber, ihre Gabe einzusetzen, um dem Volk des Herrn zu dienen. Oftmals wird es in örtlichen Versammlungen einem oder zweien überlassen, den Dienst des Wortes Gottes auszuüben. Es ist sicher nicht die Zeit, unsere Gabe in der Erde (Mt 25,18), unter dem Scheffel oder unter dem Bett zu verbergen (Mk 4,21). Timotheus’ Schwierigkeit war vielleicht seine natürliche Zaghaftigkeit; unsere ist wahrscheinlich ein Mangel an Hingabe. J.N. Darby sagte, wenn es mehr Hingabe gäbe, würden mehr Gaben unter uns offenbar werden. Er meinte damit nicht, dass eine geistliche Gabe durch die Hingabe einer Person entsteht, sondern dass ihre Gabe, die in ihr schlummert, für alle offenbar würde. Je mehr wir unsere Gabe ausüben, desto mehr wird sie sich entwickeln und desto mehr werden wir im Dienst des Herrn wirksam sein. Unter normalen Bedingungen sollte die Wirksamkeit des Dieners in dem Maße zunehmen, wie er in den göttlichen Dingen reift. Wenn wir anfangen, Ihm zu dienen, können wir „dreißigfach“ hervorbringen, aber wenn wir weitermachen und unsere Gabe in Abhängigkeit vom Herrn gebrauchen, wird unsere Gabe wirksamer werden und „sechzigfach“ und „hundertfach“ hervorbringen (Mk 4,20).

Unsere Gabe an einem Tag des Niedergangs einzusetzen, erfordert geistliche Energie. Paulus war nicht mehr bei Timotheus, um ihn aufzurütteln. Deshalb sollte Timotheus seine Gabe selbst anfachen. Wenn die Tage an Schwachheit zunehmen, können auch wir nicht erwarten, dass jemand kommt und uns aufrüttelt; da könnten wir lange warten!

Fleischliche Energie ist nicht das, was im Dienst für den Herrn gebraucht wird. Es gibt viele, die eifrig und tatkräftig sind, aber die Wahrheit nicht kennen. Der bloße Besitz der Gabe, um mit dem Wort Gottes zu dienen, reicht für einen wirksamen Dienst nicht aus. Es bedarf der Übung und auch der Einsicht in die Wahrheit, und es braucht Zeit, um sich die Wahrheit anzueignen. Es muss auch den Ruf des Herrn geben, und wenn Er uns zu einer Arbeit ruft, müssen wir unsere Gabe in Abhängigkeit von Ihm gebrauchen. Timotheus hatte gute Voraussetzungen dafür, und er hatte eine echte Fürsorge für die Heiligen (Phil 2,20.21). Er hatte auch ein Verständnis für die Wahrheit der Lehre des Paulus (2Tim 3,10). Nun erinnerte Paulus ihn daran, dass er tatsächlich zum Werk berufen war (1Tim 4,14) und dass er seine Gabe in Abhängigkeit vom Herrn einsetzen sollte.

Mutig sein

Vers 7

Timotheus war offenbar ein schüchterner Mann und ein wenig zurückhaltend (1Kor 16,10.11). Paulus spricht nun diese Schwäche an und versucht, ihm zu helfen, sie zu überwinden. Er sagt:

2Tim 1,7: Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Furchtsamkeit gegeben, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.

Wir müssen bei der Verteidigung der Wahrheit so kühn wie ein Löwe sein. Wenn der Diener jedoch furchtsam oder schüchtern ist, können wir sicher sein, dass das nicht der Geist ist, den Gott gibt, denn Er gibt uns nicht „den Geist der Furchtsamkeit [Angst, Feigheit]“.

Paulus erinnert Timotheus daran, dass, wenn Gott einem Menschen die Gabe gibt, am Wort zu dienen, Er ihm auch drei andere Dinge mitgibt, um ihn zu befähigen, seine persönlichen Schwächen wie zum Beispiel Angst zu überwinden. Er gibt mit der Gabe den Geist der „Kraft“, um diese Gabe auszuüben. Kraft ist eigentlich keine Gabe, sondern vielmehr das, was der Geist Gottes im Menschen hervorbringt und was ihn befähigt, seine Gabe wirksam einzusetzen. Natürlich muss man in einem richtigen Seelenzustand sein, um diese Macht zu erkennen. Wenn jemand nicht in Abhängigkeit von Gott wandelt, wird diese Macht nicht da sein. Hierin liegt ein weitverbreitetes Problem in vielen Versammlungen heute. Die Gabe ist vorhanden, aber viele, die die Gabe besitzen, um am Wort Gottes zu dienen, haben nicht die geistliche Übung, sie zu gebrauchen, so dass sie brachliegt. Das Ergebnis ist, dass die Gemeinde als Ganzes leidet.

Eine andere Sache, die Gott mit einer geistlichen Gabe schenkt, ist „Liebe“. Die Gabe muss in Liebe ausgeübt werden (1Kor 13,1-3). Die Vernachlässigung unserer Gabe könnte auf einen Mangel an Liebe zu den Seelen zurückgeführt werden. Wenn aber echte Liebe zu den Seelen in uns wohnt, werden wir nach ihrem Wohl und Segen streben und genötigt sein, unsere Gabe auf jede erdenkliche Weise auszuüben, um ihnen zu dienen. Wir müssen unsere Augen von unseren Schwächen abwenden und mit Mitgefühl auf Seelen blicken, die verzweifelt Hilfe brauchen. Die Liebe zu ihnen wird uns helfen, unsere persönlichen Hemmungen zu überwinden und Seelen zu erreichen versuchen.

Dann gibt Gott auch „Besonnenheit“. Das ist Weisheit, wenn wir wissen, wie wir unsere Gabe ausüben können. Dem Diener kann es in seinem Dienst an Weisheit mangeln und er kann das Gute zunichtemachen, das er hätte erreichen können. Wir müssen wissen, wann wir sprechen und was wir sagen sollen, damit wir die Heiligen im allerheiligsten Glauben auferbauen und sie nicht herunterziehen. Glücklicherweise stellt Gott diese Weisheit bereit – wenn wir in Gemeinschaft mit Ihm wandeln.

Diese drei Dinge – Kraft, Liebe und Besonnenheit – sind uns von Gott gegeben, um uns zu helfen, Furcht und Ängstlichkeit im Dienst zu überwinden. Der Feind unserer Seelen wird Furcht benutzen, um uns davon abzuhalten, unsere Gabe auszuüben, aber wenn es echten Glauben gibt, der dem Herrn vertraut, können wir diese Schwäche überwinden. Paulus konnte sagen: „So glauben auch wir, darum reden wir auch“ (2Kor 4,13). Er wusste, dass es der Kühnheit bedurfte, um die Wahrheit in der Gegenwart von Feinden zu sprechen, aber wir fürchten uns oft davor, die Wahrheit zu sagen, wenn wir in der Gegenwart unserer Brüder sind, die uns lieben! Manche haben die größten Schwierigkeiten, in einer Bibelstunde mit einem hilfreichen Kommentar das Wort zu ergreifen, und das ist nicht gut. Dass ein Bruder in den Gemeindestunden, wo er eine Hilfe sein könnte, stumm bleibt, ist das Letzte, was wir heute brauchen. Die Versammlung wird der Hilfe und Nahrung beraubt werden, wenn „der Geist der Furchtsamkeit [Angst; Feigheit]“ in uns überwiegt.

Die Bereitschaft, für das Evangelium zu leiden

Verse 8.9

2Tim 1,8.9: 8 So schäme dich nun nicht des Zeugnisses unseres Herrn noch meiner, seines Gefangenen, sondern leide Trübsal mit dem Evangelium, nach der Kraft Gottes; 9 der uns errettet hat und berufen mit heiligem Ruf, nicht nach unseren Werken, sondern nach seinem eigenen Vorsatz und der Gnade, die uns in Christus Jesus vor ewigen Zeiten gegeben.

Wenn Timotheus den Mut hatte, den der Geist gibt, und seine Gabe treu ausübte, konnte er mit Leiden rechnen. Daher ermahnt Paulus ihn, sich „des Zeugnisses unseres Herrn“ nicht zu schämen. Dem Zeugnis des Herrn wurde viel „widersprochen“ (Apg 28,22), und damit in Verbindung gebracht zu werden, war ganz klar eine Schande. Wir können dem Leid um Christi willen nicht entfliehen, solange wir in dieser Welt sind; es gehört sozusagen dazu. Timotheus sollte der Schande nicht ausweichen, sondern sie gemeinsam mit dem Apostel ertragen.

An einem Tag des Niedergangs und Versagens besteht die Neigung, sich für das christliche Zeugnis zu „schämen“, weil es darin versagt hat, den Herrn und die himmlische Offenbarung der Wahrheit zu repräsentierten. Wenn wir an die Schmach denken, die Christen durch ihr schlechtes Verhalten über das Zeugnis gebracht haben (und wir haben alle unseren Anteil daran gehabt), können wir gut verstehen, warum sich ein Mensch schämen würde. In den ersten Kapiteln der Apostelgeschichte bestand nicht die Gefahr, dass sich jemand für das Zeugnis des Herrn schämte. In jenen frühen Tagen zeigte sich die Macht Gottes in Zeichen und Wundern, und im Evangelium gab es viel Segen. Aber in den letzten Tagen, wenn über den Namen Christi in der Öffentlichkeit viel Unehre verbreitet wird, brauchen wir diese Ermahnung. Wir befinden uns an einem Tag, an dem das Zeugnis nur noch bei einem Überrest zu finden ist. Es ist ein Tag der Schwachheit und der „kleinen Dinge“, aber wir dürfen ihn nicht verachten (Sach 4,10).

Timotheus sollte willig sein, an der „Trübsal mit dem Evangelium“ teilzunehmen. Für jemand, der von Natur aus ängstlich und zaghaft war, war das keine angenehme Perspektive. Wir sind natürlich froh, Teilhaber der Segnungen des Evangeliums zu sein, und viele sind bereit, an der Arbeit des Evangeliums teilzuhaben, aber relativ wenige sind bereit, Teilhaber der Trübsale des Evangeliums zu sein. Das ist durchaus verständlich, aber diese Dinge gehören alle zusammen. Timotheus sollte sich weder vor der Botschaft des Evangeliums noch vor ihrem wichtigsten Botschafter, Paulus, fürchten. Dies wird erwähnt, weil es einen eindeutigen Vorbehalt im Zusammenhang mit dem Apostel gab. Viele schämten sich, mit ihm in Verbindung gebracht zu werden, und wünschten, nicht mehr mit ihm identifiziert zu werden (2Tim 1,15). Timotheus sollte diese Trübsal ertragen, aber das würde nur „nach der Kraft Gottes“ möglich sein. Gott allein stärkt uns durch seine Kraft, so dass wir fähig sind, für den Namen des Herrn zu leiden (Kol 1,11).

In den Versen 9 bis 11 berührt Paulus die Erhabenheit des Evangeliums, das „uns errettet“ und „uns berufen hat mit heiligem Ruf“. Es geht hier um Folgendes: Wenn der Diener die Tragweite der Botschaft erkennt, die weiterzugeben er das Vorrecht hatte, wäre er eher bereit, dafür zu leiden. Paulus erwähnt die beiden großen Themen des Evangeliums: Das erste Thema ist, dass Gott „uns errettet hat“, das zweite, dass Er „uns berufen hat mit heiligem Ruf“. Errettung und Berufung sind zwei verschiedene Dinge, dennoch sind sie im Evangelium untrennbar miteinander verbunden. „Uns errettet hat“: Das weist auf die einfache Wahrheit hin, dass wir von der Strafe für unsere Sünden erlöst worden sind. Es betont die Seite der Dinge, die mit dem zu tun hat, wovor wir errettet worden sind. „Uns berufen hat mit heiligem Ruf“: Das ist eher die positive Seite des Evangeliums. Es betont, wozu wir errettet worden sind. Es betont den Vorsatz Gottes, Christus zu verherrlichen, und die geistlichen Segnungen, die wir droben in Ihm in der Herrlichkeit haben (Eph 1,3). Wir haben:

  • eine heilige Berufung (2Tim 1,9)
  • eine himmlische Berufung (Heb 3,1)
  • eine Berufung nach oben (Phil 3,14)

Leider begnügen sich viele Christen damit, den ersten Teil zu kennen [unsere Errettung], nehmen sich aber keine Zeit, um zu verstehen, was ihre Berufung in Christus beinhaltet. Wenn diese Seite des Evangeliums nicht verstanden wird, wird viel verpasst, weil jede Lehre unseren Weg in irgendeiner Weise beeinflusst. Es war dieser zweite Teil des Evangeliums, der Paulus ins Gefängnis brachte. Die Lehre, dass Sünder aus den Nationen, die an sein Evangelium glaubten, im Himmel mehr als Abraham, Isaak und Jakob gesegnet werden würden, machte die Juden wütend. Sie konnten das nicht ertragen und hetzten die römischen Behörden gegen Paulus auf, die ihn ins Gefängnis warfen und schließlich hinrichteten.

Errettung und Berufung sind „nicht nach unseren Werken“, sondern allein durch souveräne Gnade. Gottes Plan, uns zu retten und uns in höchstem Maße zu segnen, war „nach seinem eigenen Vorsatz“, und Er erwählte uns in Christus „vor ewigen Zeiten“. Lange bevor wir jemals gesündigt oder eine einzige Schuld auf uns geladen hatten, hatte Gott einen festen Vorsatz, uns ewig zu segnen. Kein Übel oder Versagen oder Zusammenbruch des christlichen Zeugnisses kann daran etwas ändern.

Vers 10

2Tim 1,10: [Die Gnade] ist jetzt aber offenbart worden durch die Erscheinung unseres Heilandes Jesus Christus, der den Tod zunichtegemacht, aber Leben und Unverweslichkeit ans Licht gebracht hat durch das Evangelium.

Wenn Leiden zum Tod führen würden, dann gibt es eine Auferstehung. Das zeigt, dass das Leiden für den Herrn in der Heiligen Schrift nie geringgeschätzt wird. Die Verkündigung des Evangeliums könnte zum Märtyrertod führen. Und wenn das der Fall ist, dann – so betont Paulus – hat der Herr über den Tod triumphiert, so dass der Gläubige nichts zu befürchten hat. Christus hat „den Tod zunichtegemacht“. Es sollte besser „aufgehoben“ heißen, nicht „zunichtegemacht [bzw. abgeschafft]“, denn der Tod ist immer noch hier in der Schöpfung. Jeden Tag sterben Menschen. Aber der Tod ist für den Gläubigen in dem Sinne für nichtig erklärt worden, dass all seine schreckliche Macht gebrochen ist. Vor dem Tod und der Auferstehung Christi herrschte der Tod über die Menschen wie ein gefürchteter Feind. Die Furcht vor dem Tod brachte die Menschen in Knechtschaft (Heb 2,15). Als aber Christus von den Toten auferstand, brach Er die „Schmerzen/Wehen“ des Todes (Apg 2,24; W. Kellys Übersetzung). Für den Gläubigen ist die Furcht weggenommen worden. Der Tod ist seines „Stachels“ beraubt worden (1Kor 15,55).

Das Evangelium hat „Leben und Unverweslichkeit ans Licht gebracht“. Leben ist für die Seele und Unverweslichkeit ist für den Leib. Die Tatsachen über den Tod und das, was danach kommt, sind uns mitgeteilt worden, damit wir mit Sicherheit wissen, was dem Gläubigen, der stirbt, bevorsteht. Wir haben jetzt ewiges „Leben“ durch den Glauben an das Evangelium (Joh 3,15.16.36; 5,24; 6,47; 20,31). Aber auf jeden Gläubigen, der für den Glauben an das Evangelium oder auf andere Weise stirbt, wartet auch die Verheißung der „Unverweslichkeit“ für den Leib. Alle, die im Herrn sterben, haben die Gewissheit, den Zustand der Unverweslichkeit zu erlangen. Dies wird bei der „ersten Auferstehung“ (Off 20,4.5) geschehen – auch „die Auferstehung der Gerechten“ (Lk 14,14; Apg 24,15) genannt –, wenn der Herr kommt (bei der Entrückung). Zu diesem Zeitpunkt werden sie verherrlicht werden. Gläubige, die auf der Erde leben, wenn der Herr zur Entrückung kommt, werden dann ebenfalls verherrlicht werden. Sie werden „Unsterblichkeit“ anziehen (1Kor 15,53.54), aber das wird hier nicht erwähnt, weil Paulus hier vom Sterben für den Glauben an das Evangelium spricht.

Zu Zeiten des Alten Testaments wussten die Menschen sehr wenig über den Tod und das, was danach kommt. Das Evangelium hat viel Licht über dieses Thema gebracht. Daher wissen wir viel mehr über den Zustand der entkörperten Geister der Gerechten und können deshalb viel genauer und konkreter über sie sprechen. Sie sind im Paradies mit Christus, was weit besser ist (Lk 23,43; Phil 1,23). Diese Dinge zu wissen, sollte den Diener des Herrn ermutigen, das Evangelium ohne Furcht zu verkünden. Das war eine notwendige Ermahnung für Timotheus und für viele von uns, die in dieser Beziehung Schwierigkeiten haben.

Verse 11.12a

2Tim 1,11.12a: 11 Ich bin zu dem [Evangelium] bestellt worden als Herold und Apostel und Lehrer der Nationen. 12 Aus diesem Grund leide ich dies auch; aber ich schäme mich nicht.

Es war Paulus’ Auftrag, diese Dinge unter den Heiden zu entfalten. Er ließ nicht zu, dass irgendetwas die Erfüllung dieses Dienstes für den Herrn gegenüber den nichtjüdischen Nationen behinderte (Apg 22,21; Gal 2,7-9). Er spricht davon als von einer dreifachen Aufgabe: „Herold {o. Prediger}“, „Apostel“ und „Lehrer“. Aber alles hatte Leiden zur Folge. Er sagte: „Aus diesem Grund leide ich dies auch.“ Timotheus würde nicht alleine um der Wahrheit willen leiden.

Bei all den Leiden, die der Apostel ertragen musste, sehen wir nicht den geringsten Groll. Er war weder niedergeschlagen noch „beschämt“. Er unterwarf sich dem Ganzen in dem Wissen, dass es Teil des Dienstes war, die Wahrheit zu tragen.

Geistliche Einsicht, um für „jenen Tag“ zu leben

Vers 12b

Dann sagt Paulus:           

2Tim 1,12b: Denn ich weiß, wem ich geglaubt habe, und bin überzeugt, dass er mächtig ist, das ihm von mir anvertraute Gut auf jenen Tag zu bewahren.

Er sagt nicht: „Ich weiß, an was ich geglaubt habe“, sondern: „wem ich geglaubt habe“. Dies zeigt, dass das Christentum nicht so sehr eine Religion ist – das heißt eine Reihe von Glaubensbekenntnissen und Überzeugungen –, sondern vielmehr eine Beziehung zu einer göttlichen Person: zu dem Sohn Gottes. Wenn wir dies vor unserer Seele bewahren, wird sich Leiden lohnen. Es ist etwas, was wir für Ihn tun können (Phil 1,29). Der Diener muss es als ein Vorrecht betrachten.

Eine andere Sache, die Paulus befähigte, die Härte der Ablehnung und des Leidens zu ertragen, war seine Ausrichtung auf „jenen Tag“, der vor ihm lag. Als er im Gefängnis saß und auf seine Hinrichtung wartete, sah sein „Ausblick“ nie trüber aus; aber als er erkannte, dass er kurz davor war, zum Herrn gebracht zu werden, sah sein „Aufblick“ nie heller aus! Während seines ganzen Dienstes hatte Paulus nur zwei Tage vor sich: „diesen Tag“ des derzeitigen Dienstes (Apg 20,26) und „jenen Tag“ der zukünftigen Belohnung und des Regierens im Reich Gottes (2Tim 1,12.18; 4,8). Er erwähnt dies als ein Beispiel, dem Timotheus folgen sollte. Der Diener muss sein Auge auf „jenen Tag“ gerichtet halten und im Hinblick auf jenen Tag dienen. Das wird ihm helfen, die Nöte „dieses Tages“ zu ertragen.

Paulus hatte sein Leben und seinen Dienst als „Anzahlung“ in der Himmelsbank „anvertraut“ im Hinblick auf den kommenden Tag. Er war zuversichtlich, alles dem Herrn zu überlassen als etwas, was er dem Herrn anvertraut hatte in dem Wissen, dass Er es richtig bewerten und entsprechend belohnen würde. Der Feind konnte nichts mit einem Mann anfangen, dessen Hoffnungen und Freuden außerhalb der Szene lagen, in der er [der Feind] sich bewegte. Selbst wenn sie ihn ins Gefängnis sperrten und drohten, ihm das Leben zu nehmen, schreckte ihn nichts davon ab, sich auf „jenen Tag“ zu konzentrieren. Das war etwas, was auch Timotheus vor seiner Seele haben musste.

Die Sorge um die Lehre des Paulus

Verse 13.14

2Tim 1,13.14: 13 Halte fest das Bild gesunder Worte, die du von mir gehört hast, in Glauben und Liebe, die in Christus Jesus sind. 14 Bewahre das schöne anvertraute Gut durch den Heiligen Geist, der in uns wohnt.

Noch etwas ist wesentlich, was der Diener des Herrn tun muss: Er muss die Lehre des Paulus beachten. Paulus sagt zu Timotheus: „Halte fest das Bild gesunder Worte, die du von mir gehört hast.“ Das ist besonders an einem Tag des Niedergangs nötig, wenn viele bekennende Christen dieses Bild aufgeben. Die Lehre des Paulus verleiht der gegenwärtigen Haushaltung ihren besonderen Charakter. Die Berufung und Ordnung der Kirche als der Leib Christi finden sich nur in den Botschaften, die dem Paulus offenbart wurden. Wenn wir das Wesen und die Berufung der Kirche verstehen wollen und wissen wollen, wie sie zu Gottesdienst und Dienst zusammenkommen soll, müssen wir uns den Briefen des Paulus zuwenden. Deshalb musste Timotheus ein Bild bzw. einen Überblick über die Lehre des Paulus haben.

Viele haben geglaubt, dass Paulus in dieser Ermahnung dem Timotheus sagen wollte, er solle sich seine Lehre aneignen, aber darum geht es Paulus hier nicht. Im dritten Kapitel lobt er Timotheus dafür, dass er dies bereits getan hat, indem er sagt: „Du hast genau erkannt meine Lehre“ (2Tim 3,10). Hier aber ermahnt er Timotheus, noch einen Schritt weiter zu gehen und seine Lehre in „ein Bild“ zu fassen. In der Fußnote zur Übersetzung von J.N. Darby heißt es, dass dieses Wort im griechischen Original „eine systematische, in groben Zügen dargelegte Darstellung irgendeines Systems der Lehre … eine Skizze“ ist. Das bedeutet: Paulus wollte, dass Timotheus die Wahrheit nicht nur kennt, sondern dass sie auch in seiner Seele in geordneter Weise verankert ist, so dass er eine genaue Kenntnis davon hat.

Wir fragen vielleicht: „Warum sollte dies notwendig sein?“ Wir glauben, dass es aus mindestens zwei Gründen notwendig ist. Erstens, damit Timotheus in der Lage ist, das „anvertraute Gut“ der Wahrheit zu „bewahren“, wie der nächste Vers (2Tim 1,14) zeigt. Dies ist unsere erste Verantwortung in Bezug auf die Wahrheit: sie zu bewahren und nichts von ihr zu verlieren. Leider ist genau das in den ersten Jahrhunderten der Geschichte der Kirche geschehen. Die Gläubigen hatten größtenteils kein „Bild gesunder Worte“ und es wurde auch nicht bewahrt. In der Kirchengeschichte dauerte es nicht lange, bis die Lehre des Paulus – was ihre Kenntnis und ihre Praxis betrifft – verlorenging. In den letzten 150 Jahren[1] ist die Lehre des Paulus wiederbelebt worden, aber es besteht leider die Gefahr, dass sie wieder verlorengeht! Und zwar aus dem gleichen Grund: Wir haben keinen guten Überblick [kein Bild] über die gesunde Lehre. Wenn wir sie in geordneter Form festhalten, werden wir sie besser „bewahren“ können. Beachten wir, dass es heißt: „Bewahre … durch den Heiligen Geist.“ Wir sollen sie nicht in der Kraft des Fleisches bewahren. Wir sollen nicht versuchen, die Wahrheit zu verteidigen, indem wir Wortstreit führen, sondern indem wir in der Kraft des Geistes in ihr wandeln.

Ein zweiter Grund, warum Paulus wollte, dass Timotheus „ein Bild gesunder Worte“ hat, war, dass er dieses Bild wirksamer an andere weitergeben konnte. In 2. Timotheus 2,2 fährt Paulus mit den Worten fort: „Was du von mir in Gegenwart vieler Zeugen gehört hast, das vertraue treuen Leuten an, die tüchtig sein werden, auch andere zu lehren.“ Dies war die andere Verantwortung von Timotheus. In diesen Dingen gibt es eine moralische Ordnung: Zuerst muss man die Wahrheit lernen, indem man ihr durch sorgfältiges Studium nachgeht und ihr „genau folgt“ (1Tim 4,6; vgl. 2Tim 3,10); dann muss man ein gutes „Bild gesunder Worte“ bekommen (2Tim 1,13), damit man es „bewahren“ (2Tim 1,14) und treuen Leuten „anvertrauen“ kann, die auch fähig sind, andere zu lehren (2Tim 2,2). Es gibt einige, die die Lehre des Paulus recht gut verstehen, und dafür sind wir dankbar. Aber sie haben Schwierigkeiten, sie anderen zu erklären, und das liegt wahrscheinlich daran, dass sie kein gesundes Bild davon haben. Wenn wir ein produktiver Diener des Herrn sein wollen, die die Lehre des Paulus weitergeben, müssen wir einen guten Überblick über die Lehre des Paulus haben.

Nachdem wir festgestellt haben, dass es notwendig ist, die Lehre des Paulus wertzuschätzen, könnten wir uns fragen, was genau seine Lehre umfasst. Einfach gesagt, es sind die Dinge, die er in den vierzehn inspirierten Briefen lehrte, die er geschrieben hat. Genauer gesagt handelt es sich um den Inhalt von vier Offenbarungen [Geheimnissen], die er vom Herrn empfangen hatte. (Wir sagen nicht, dass er nur vier Offenbarungen vom Herrn empfing, sondern dass die Summe seiner Lehre in vier Offenbarungen enthüllt wird, die er in seinen Briefen erwähnt.) Es sind folgende Offenbarungen:

  • Gal 1,11.12: Ich tue euch aber kund, Brüder, dass das Evangelium, das von mir verkündigt worden ist, nicht nach dem Menschen ist. Denn ich habe es weder von einem Menschen empfangen noch erlernt, sondern durch Offenbarung Jesu Christi. (Siehe auch 1Kor 15,1.)

Dies hat zu tun mit der Stellung des Gläubigen „in Christus“ und mit all den damit verbundenen Segnungen, die damit einhergehen, an diesem Ort der Annahme zu sein. Es scheint, dass er dies „mein Evangelium“ nennt (Röm 2,16 usw.).

  • Eph 3,2-7: Wenn ihr nämlich gehört habt von der Verwaltung der Gnade Gottes, die mir in Bezug auf euch gegeben ist, dass mir durch Offenbarung das Geheimnis kundgetan worden ist – wie ich es zuvor in kurzem beschrieben habe, woran ihr beim Lesen mein Verständnis in dem Geheimnis des Christus wahrnehmen könnt –, das in anderen Geschlechtern den Söhnen der Menschen nicht kundgetan worden ist, wie es jetzt offenbart worden ist seinen heiligen Aposteln und Propheten im Geist: dass die aus den Nationen Miterben seien und Miteinverleibte und Mitteilhaber der Verheißung in Christus Jesus durch das Evangelium, dessen Diener ich geworden bin nach der Gabe der Gnade Gottes, die mir gegeben ist nach der Wirksamkeit seiner Kraft. (Siehe auch Kol 1,24-27.)

Diese Offenbarung hat mit der Wahrheit über Christus und der Versammlung zu tun. Paulus nennt dies das „große Geheimnis“ (Eph 5,32). Es enthüllt das Wesen der Einheit, die zwischen Christus, dem Haupt des Leibes, und den vielen Gliedern auf der Erde besteht, die mit dem Heiligen Geist versiegelt worden sind. Es umfasst auch die praktischen Anordnungen für die Ordnung in der Versammlung und für das Zeugnis.

  • 1Kor 11,23-26: Ich habe von dem Herrn empfangen, was ich auch euch überliefert habe, dass der Herr Jesus in der Nacht, in der er überliefert wurde, Brot nahm, und als er gedankt hatte, es brach und sprach: Dies ist mein Leib, der für euch ist; dies tut zu meinem Gedächtnis. Ebenso auch den Kelch nach dem Mahl und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut; dies tut, sooft ihr trinkt, zu meinem Gedächtnis. Denn sooft ihr dieses Brot esst und den Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.

  • 1Kor 10,16.17: Der Kelch der Segnung, den wir segnen, ist er nicht die Gemeinschaft des Blutes des Christus? Das Brot, das wir brechen, ist es nicht die Gemeinschaft des Leibes des Christus? Denn ein Brot, ein Leib sind wir, die Vielen, denn wir alle nehmen teil an dem einen Brot.

Dies war eine Offenbarung, die Paulus in Bezug auf die lehrmäßige Bedeutung des Abendmahls des Herrn erhalten hatte: Das Brot drückt die Einheit des (geheimnisvollen) Leibes Christi aus und die Teilnahme daran ist ein Bekenntnis, dass wir Glieder dieses Leibes sind.

  • 1Thes 4,15-17: Dieses sagen wir euch im Wort des Herrn, dass wir, die Lebenden, die übrigbleiben bis zur Ankunft des Herrn, den Entschlafenen keineswegs zuvorkommen werden. Denn der Herr selbst wird mit gebietendem Zuruf, mit der Stimme eines Erzengels und mit der Posaune Gottes vom Himmel herabkommen, und die Toten in Christus werden zuerst auferstehen; danach werden wir, die Lebenden, die übrigbleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden in Wolken dem Herrn entgegen in die Luft; und so werden wir allezeit bei dem Herrn sein. (Siehe auch 1. Korinther 15,51-57.)

Diese besondere Offenbarung hat damit zu tun, dass wir die Einzelheiten über das Kommen des Herrn (die Entrückung) und die Auferstehung der Heiligen erfassen.

Es ist interessant, zu sehen, dass der Herr die Wahrheit, die in jeder dieser Offenbarungen enthüllt wurde, zuerst selber in seinem Dienst im Keim gab. Er gab den Samen dieser Offenbarungen, überließ es aber Paulus (wenn der Geist Gottes kommen und uns „alles“ lehren würde; Joh 14,26), die volle lehrmäßige Bedeutung dessen darzulegen. Sie konnten es erst erfassen, nachdem der Geist gekommen war, um in den Heiligen zu wohnen (Joh 16,12.13).

In Johannes 8,32 sagt der Herr: „Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.“ Und auch in Johannes 14,20 sagt Er: „An jenem Tag werdet ihr erkennen, dass ich in meinem Vater bin und ihr in mir und ich in euch.“ Dies ist die Linie der Wahrheit im Römerbrief: Hier wird die volle Befreiung des Gläubigen („freigemacht“, Röm 6,18) im Evangelium Gottes verkündet und auch die Annahme des Gläubigen „in Christus“ mit den damit verbundenen Segnungen wird gelehrt (Röm 8,1.10). Und dann ist der Herr in Matthäus 16,18 der Erster, der die Bildung der Versammlung ankündigt mit den Worten: „Auf diesen Felsen werde ich meine Versammlung bauen, und die Pforten des Hades werden sie nicht überwältigen.“ Dann in Matthäus 26,26-30 ist der Herr derjenige, der das Abendmahl einsetzt. Und in Johannes 14,3 ist Er auch der Erste, der von seiner Wiederkunft (der Entrückung) spricht: „Wenn ich hingehe und euch eine Stätte bereite, so komme ich wieder und werde euch zu mir nehmen, damit, wo ich bin, auch ihr seiet.“ Er ist auch der Erste, der von der Auferstehung aus den Toten spricht: „Als sie von dem Berg herabstiegen, gebot er ihnen, dass sie niemand erzählen sollten, was sie gesehen hatten, außer wenn der Sohn des Menschen aus den Toten auferstanden wäre. Und sie hielten das Wort fest, indem sie sich miteinander besprachen: Was ist das, aus den Toten auferstehen?“ (Mk 9,9.10). Die Juden wussten von der Auferstehung (Heb 6,2; Joh 11,24), aber bis dahin hatten sie noch nichts von der Auferstehung „aus den Toten“ gehört.

Einsicht in die Zeiten

Vers 15

Paulus spricht nun über den Charakter des Tages, an dem Timotheus zum Dienst berufen wurde. Wenn sein Dienst für den Herrn wirksam sein sollte, musste Timotheus „Einsicht in die Zeiten“ haben (1Chr 12,33). Paulus erinnert ihn unmissverständlich an die Abweichung, die im christlichen Zeugnis im Gange ist. Er sagt:

2Tim 1,15: Du weißt dies, dass alle, die in Asien sind, sich von mir abgewandt haben, unter welchen Phygelus ist und Hermogenes.“

Asien war das Gebiet, wo Paulus den größten Teil seines Wirkens verbracht hatte. In der Tat war der Versammlung in Ephesus, der Hauptstadt Asiens, die höchste Wahrheit geschenkt worden. Der Apostel hatte ihnen die Einzelheiten des großen Geheimnisses von Christus und der Gemeinde offenbart. Dennoch wandten sie sich nun von ihm ab! Das muss schmerzhaft gewesen sein für Paulus.

Das Problem war, dass die Gläubigen sich für ihn und für die Wahrheit, die er lehrte, schämten. Sie waren nicht bereit, die Schande zu tragen, die damit verbunden war, dass sie sich mit dem verworfenen Diener des Herrn identifizierten. Das sie sich von Paulus abgewandt hatten, bedeutet nicht, dass sie Christus aufgegeben hatten und Abtrünnige waren. Sie bekannten sich weiterhin als Christen, versuchten aber, sich von den Extremen zu distanzieren, die er ihrer Meinung nach in seinen Lehren angenommen hatte. Vielleicht rechtfertigten sie ihr Handeln damit, dass sie glaubten, ihre Vorstellung vom Christentum sei ausgewogener.

„Phygelus und Hermogenes“ werden besonders genannt, weil sie wahrscheinlich die Führer dieser Bewegung in Asien waren. Paulus hatte die Ältesten in Ephesus genau davor gewarnt: „Aus euch selbst werden Männer aufstehen, die verkehrte Dinge reden, um die Jünger abzuziehen hinter sich her“ (Apg 20,30). Timotheus musste genau wissen, wer die einflussreichen Männer dieser Bewegung waren; deshalb nennt Paulus sie beim Namen. Wenn Namen in der Heiligen Schrift den Charakter einer Person bezeichnen sollen, dann bedeutet Phygelus so viel wie „kleiner Flüchtling“ und legt vielleicht nahe, dass er versuchte, dem unliebsamen Stigma, mit Paulus identifiziert zu werden, zu entkommen. Hermogenes bedeutet „glücklich geboren“ und legt vielleicht nahe, dass er keinen echten Sinn für göttliche Leitung in seiner Seele hatte. Ebenso müssen auch wir Einsicht in die Zeiten haben. Wir müssen die „Lage“ der christlichen Landschaft kennen – wir müssen wissen, welche Aspekte der Wahrheit untergraben und angegriffen werden, und wir müssen uns entsprechend vorbereiten. Wir müssen wissen, wo wir uns in der Kirchengeschichte befinden: Wir befinden uns nicht in den Pfingsttagen, als die Wahrheit von den Christen wohlwollend aufgenommen wurde. Wir befinden uns in den letzten Tagen der Kirchengeschichte, in denen man sich weitgehend von Paulus „abgewandt“ hat. Es ist wahr, dass die meisten christlichen Gemeinschaften Paulus’ Briefe regelmäßig in ihren Gottesdiensten und Bibelstunden betrachten. Aber vieles von dem, was Paulus über die Lehre und die Praxis der Versammlung gelehrt hat, wird übergangen und nicht praktiziert. Was Paulus über Liebe und Ehe, christliche Moral usw. geschrieben hat, wird gerne angenommen, aber was er über Fragen der Absonderung geschrieben hat, wird oft wegdiskutiert.

Die meisten Christen legen die Schriften des Paulus durch die Brille ihrer kirchlichen und konfessionellen Voreingenommenheit aus und denken, dass Paulus die heute vorherrschenden klerikalen Prinzipien der kirchlichen Ordnung befürwortet. Da ihre Meinung durch ihre Kirchenzugehörigkeit gefärbt ist, verpassen sie unbeabsichtigt vieles von dem, was er gelehrt hat – obwohl sie seine Briefe regelmäßig lesen! Einiges von dem, was er geschrieben hat, wird rundheraus abgelehnt: die Kopfbedeckung (1Kor 11); das Verbot für die Schwestern, in der Versammlung das Wort zu verkündigen (1Kor 14,34.35); die Unterscheidung zwischen Israel und der Kirche und ihre jeweiligen Berufungen und Bestimmungen (Röm 9–11); die jederzeit mögliche Entrückung der Versammlung (1Thes 4,15-18) usw. Diese Dinge zu lehren und zu praktizieren wird heute im modernen Christentum als extrem und radikal angesehen, in Wirklichkeit ist es aber eine Abkehr von der Lehre des Paulus.

Das traurige Ergebnis: Vieles von dem, was Paulus gelehrt hat, ist verlorengegangen und im Mainstream-Christentum heute unbekannt. Zahlreiche Punkte in seinen Briefen sind den Christen weitgehend unbekannt: Sie berühren die Soteriologie (die Lehre von der Erlösung), die Ekklesiologie (die Lehre von der Kirche [Lehre und Praxis]), die Eschatologie (die Lehre von den zukünftigen Dingen) und noch viele andere Punkte, zu viele um sie hier aufzulisten. Leider hat sich die Kirche insgesamt von dem entfernt, was Paulus über viele dieser Dinge wirklich gelehrt hat.

Sich mit Paulus identifizieren

Verse 16-18

2Tim 1,16-18: 16 Der Herr gebe dem Haus des Onesiphorus Barmherzigkeit, denn er hat mich oft erquickt und sich meiner Kette nicht geschämt, 17 sondern als er in Rom war, suchte er mich fleißig und fand Mich 18 Der Herr gebe ihm, dass er vonseiten des Herrn Barmherzigkeit finde an jenem Tag! Und wie viel er in Ephesus diente, weißt du am besten.

Schließlich spricht Paulus von der Art Gesinnung, die in den letzten Tagen nötig ist. Er tut dies, indem er auf das Beispiel von „Onesiphorus“ hinweist, der sich der Kette des Apostels „nicht geschämt hat“. Er suchte Paulus eifrig auf und nahm bereitwillig die Schande in Kauf, mit Paulus identifiziert zu werden. Onesiphorus steht im Gegensatz zu denen, die sich von Paulus abwandten.

Rom war eine große Stadt mit vielen Gefängnissen. Auf der Suche nach Paulus in dieser riesigen Stadt herumzulaufen, erforderte viel Kraft und Entschlossenheit vonseiten des Onesiphorus. Paulus schätzte seine Ausdauer sehr; Onesiphorus gab nicht auf, bis er Paulus fand. Es wird nicht gesagt, dass dieser Mann ein großes Werk für das Evangelium getan hätte. Was den göttlichen Bericht betrifft, so wird uns nicht gesagt, dass irgendjemand durch ihn gerettet wurde, aber dieser Akt der Freundlichkeit und Güte gegenüber Paulus ist für ewig im Wort Gottes festgehalten. Es zeigt, dass Gott kleine Dinge schätzt, die in unseren Augen unbedeutend scheinen.

Paulus wünscht sich sehr, dass der Herr Onesiphorus für seine Treue belohnt und sich seiner erbarmt. Wir können dankbar sein, dass der Herr in diesen letzten Tagen nicht das geringste Maß an Treue vergisst. Alles, was wir für seinen Namen tun, wird für „jenen Tag“ der Belohnung und des öffentlichen Sichtbarwerdens in der kommenden Welt (dem 1000-jährigen Reich) aufbewahrt.

Was Paulus und seine Lehre betrifft, so bewegt sich alles im christlichen Zeugnis in die eine oder in die andere Richtung: Entweder wenden wir uns von ihm ab (2Tim 1,15) oder wir kommen eifrig zu ihm (2Tim 1,17). Da sich die Masse von Paulus abwandte, war die Zuneigung einiger weniger, wie Onesiphorus, für den Apostel umso wertvoller. Es braucht dieselbe Art von Gesinnung, um heute die Lehre des Paulus weiterzutragen und zu verbreiten.

Eine Zusammenfassung der moralischen und geistlichen Anforderungen an den Menschen Gottes

  • ein reines Gewissen (2Tim 1,3)
  • echte Fürsorge für die Heiligen Gottes (2Tim 1,4)
  • ungeheuchelter Glaube (2Tim 1,5)
  • geistliche Energie, damit wir unsere Gabe ausüben (2Tim 1,6)
  • Mut (2Tim 1,7)
  • Bereitschaft, für das Evangelium zu leiden (2Tim 1,8-12a)
  • geistliches Sehvermögen, damit wir für „jenen Tag“ leben (2Tim 1,12b)
  • Liebe zur Lehre des Paulus (2Tim 1,13.14)
  • Einsicht in die Zeiten (2Tim 1,15)
  • eine Gesinnung, die sich mit Paulus identifiziert (2Tim 1,16-18)

Übersetzt aus The First Epistle of Paul to Timothy. The Order of God’s House
Christian Truth Publishing, 2008

Übersetzung: Stephan Isenberg

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Anmerkungen

[1] Anm. d. Red.: Der Artikel wurde im Jahr 2008 geschrieben.

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