Aktuelle Meinungsverschiedenheiten unter Christen – wie gehe ich damit um?
Philipper 2,5

Gerd Pohl

© G. Pohl, online seit: 24.01.2022, aktualisiert: 19.10.2022

Leitvers: Philipper 2,5 „[Denn] diese Gesinnung sei in euch, die auch in Christus Jesus war,“

Die Zeit, in der wir gerade leben, und das, was wir alles erleben, deckt wohl sehr deutlich auf, wie viele Meinungsverschiedenheiten es unter Christen geben kann und wie schlecht wir in der Lage sind, damit umzugehen. Es gibt wohl keine christliche Gemeinde, die kein Problem damit hätte. Haben wir vielleicht falsche Denkansätze statt guter Lösungen?

Es geht um meine Einstellung, mein Denken

Im Philipperbrief zeigt Paulus auf eine liebevolle und sehr vertraute Art und Weise den davon betroffenen Philippern eine einfache, aber durchaus nicht einfach umzusetzende Lösung für solche Probleme.

Zuallererst lobt er ihre Ermutigung, ihren liebevollen Zuspruch, ihre vom Geist Gottes bewirkte Gemeinschaft und ihr Mitgefühl und herzliches Erbarmen (Phil 2,1 „Wenn es nun irgendeine Ermunterung gibt in Christus, wenn irgendeinen Trost der Liebe, wenn irgendeine Gemeinschaft des Geistes, wenn irgend innerliche Gefühle und Erbarmungen,“), das sie insbesondere dem Apostel Paulus erwiesen hatten.[1]

Nun würden sie ihm noch eine Freude machen, wenn sie das auch untereinander tun würden (Phil 2,2 „so erfüllt meine Freude, dass ihr gleich gesinnt seid, dieselbe Liebe habend, einmütig, eines Sinnes,“). Sie sollten dieselbe Denkeinstellung haben („gleich gesinnt“, dasselbe denkend), keine Unterschiede in der Liebe zu jedem Einzelnen („dieselbe Liebe habend“), Übereinstimmung in den Empfindungen („einmütig“) und die gleiche Ausrichtung im Denken („eines Sinnes“, das eine denkend; Phil 2,2 „so erfüllt meine Freude, dass ihr gleich gesinnt seid, dieselbe Liebe habend, einmütig, eines Sinnes,“). Ganz und gar unpassend wären Egoismus, Rivalität („Streitsucht“, Konkurrenzdenken) und das Streben nach eigener Ehre („eitler Ruhm“), denn das wäre genau das Gegenteil eines niedrigen Denkens über mich selbst („Demut“), das den anderen als überragender und vortrefflicher („höher“) einschätzt (Phil 2,3 „nichts aus Streitsucht oder eitlem Ruhm tuend, sondern in der Demut einer den anderen höher achtend als sich selbst;“). Für Einmütigkeit und Harmonie ist es unerlässlich, aufrichtig und ehrlich nicht meinen eigenen, sondern den Vorteil und das Wohl des anderen zu suchen (Phil 2,4 „ein jeder nicht auf das Seine sehend, sondern ein jeder auch auf das der anderen.“).

Genaugenommen geht es zuerst einmal gar nicht darum, über alles die gleiche Meinung zu haben. Das ist bei der Unterschiedlichkeit von uns Menschen fast gar nicht möglich. Sondern es geht darum, eine demütige innere Einstellung und Haltung sowie eine gesunde Denkausrichtung nach richtigen Denkmustern einnehmen, die den oder die anderen und ihr Wohl im Blick hat. Übereinstimmung und Harmonie wäre dann die segensreiche Folge davon.

Das Beispiel unseres Herrn für das richtige Denken

Phil 2,5: Diese Gesinnung sei in euch, die auch in Christus Jesus war.

Diese beeindruckenden Worte über die Erniedrigung und darauffolgende Erhöhung unseres einzigartigen Herrn sind zuerst deshalb aufgeschrieben worden, damit wir die Einstellung und Denkweise unseres Herrn kennenlernen, um sie in zwischenmenschlichen Konflikten anzuwenden. Wir werden nicht aufgefordert, den gleichen Weg wie unser Herr zu gehen. Das sollen und können wir auch nicht. Aber von der Denkausrichtung unseres Herrn sollen wir lernen und uns prägen lassen. Er war in der allerhöchsten Stellung, Gott gleich. Er hätte für immer in dieser Position bleiben können,  benutzte es aber nicht zu seinem Vorteil (als Vergleich: nicht wie ein Raubtier oder Bankräuber seine Beute festhält, um diese für sich auszunutzen), sondern sein Denken war auf die Ehre Gottes und den Nutzen der anderen ausgerichtet, zu deiner und meiner Rettung. Dies ging nur auf dem Weg der Erniedrigung.

Ein Beispiel: Wenn wir in unserem Leben manchmal eine undankbare und unangenehme Aufgabe ausführen müssen, versuchen wir, ihr zuerst aus dem Weg zu gehen; meist tun wir sie letztendlich aber mit starken Widerwillen. Unser Herr ging seinen Weg aber von Anfang an mit vollem Wissen und festem Sinn (Denken). Er wurde Mensch und verzichtete darauf, aus seiner Gottgleichheit irgendwelche Vorrechte für sich selbst zu ziehen. Er verzichtete darauf, Herrschaft auszuüben, und war bereit, nur zu dienen. Als Mensch aber kam Er nicht einmal als König, sondern als ganz einfacher, niedriger Zimmermann. Der Befehlende wurde ein Hörender, gehorsam. Er hätte nicht sterben müssen, aber Er gab sein Leben hin. Er starb nicht einen normalen Tod, sondern den am Kreuz, den der Schande, als Verbrecher. Er war bereit, selbst seinen Ruf aufzugeben (Phil 2,6-8 (6) der, da er in Gestalt Gottes war, es nicht für einen Raub achtete, Gott gleich zu sein, (7) sondern sich selbst zu nichts machte und Knechtsgestalt annahm, indem er in Gleichheit der Menschen geworden ist, und, in seiner Gestalt wie ein Mensch erfunden, (8) sich selbst erniedrigte, indem er gehorsam wurde bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz.“).

Durch diesen entschieden verfolgten Weg der Erniedrigung ist Gott verherrlicht worden und können jetzt verlorene Menschen wie du und ich gerettet werden. Deswegen war es für unseren Herrn mehr als verdient, dass Er – aus den Toten auferweckt – jetzt als Mensch den höchsten Ehrenplatz von Gott bekam. Nur unser Herr hat jetzt den Namen und das Ansehen erlangt, das nur Ihm als einzigen Menschen zu Recht zusteht.

Im Gegensatz dazu wollen sich viele gern „einen Namen machen“ (1Mo 11,4). Wir Menschen haben den umgekehrten Weg gewählt. Wir streben gern eine höhere Position an, möchten sogar sein wie Gott (1Mo 3,5 „sondern Gott weiß, dass an dem Tag, da ihr davon esst, eure Augen aufgetan werden und ihr sein werdet wie Gott, erkennend Gutes und Böses.“), aber wir sind tief in Sünde gefallen. Ebenso erging es dem König von Babel, wohl ein Hinweis auf Satan. Er wollte sich dem Höchsten gleichmachen und wurde hinabgestürzt (Jes 14,12-15 (12) Wie bist du vom Himmel gefallen, du Glanzstern, Sohn der Morgenröte; zur Erde gefällt, Überwältiger der Nationen! (13) Und du sprachst in deinem Herzen: „Zum Himmel will ich hinaufsteigen, hoch über die Sterne Gottes meinen Thron erheben und mich niedersetzen auf den Versammlungsberg im äußersten Norden. (14) Ich will hinauffahren auf Wolkenhöhen, mich gleichmachen dem Höchsten. (15) Doch in den Scheol wirst du hinabgestürzt, in die tiefste Grube.“). Wie verhängnisvoll.

Herr Jesus, Dir sei Dank dafür. Du bist wirklich der Herr, vor dem wir uns jetzt schon ehrfürchtig verneigen dürfen (Phil 2,9-11 (9) Darum hat Gott ihn auch hoch erhoben und ihm den Namen gegeben, der über jeden Namen ist, (10) damit in dem Namen Jesu jedes Knie sich beuge, der Himmlischen und Irdischen und Unterirdischen, (11) und jede Zunge bekenne, dass Jesus Christus Herr ist, zur Verherrlichung Gottes, des Vaters.“).

Falsche Denkmuster

Wenn ich diese Einstellung meines Herrn auf mich wirken lasse, warum suche ich dann immer noch so oft meine eigene Ehre? Warum nehme ich mich und meine Sicht auf viele Dinge so wichtig? Warum möchte ich immer Recht behalten? Warum gehe ich davon aus, dass grundsätzlich nur eine Meinung richtig und die andere falsch sein muss, wenn es in einer bestimmten Sache zwei Meinungen gibt? Weil ich dann natürlich recht habe, da ich ja meine Sicht aufrichtig aus Gottes Wort gewonnen habe, und folgerichtig muss der andere oder müssen die anderen falschliegen?[2] Warum meine ich, für meine Sichtweise kämpfen zu müssen?[3] Warum meine ich, sogar scheinbar demütig so lange warten zu müssen, bis der andere endlich seinen Irrtum einsieht? Warum denke ich immer noch, der andere müsste doch auch endlich einmal diese Bibelstelle (Phil 2,3 „nichts aus Streitsucht oder eitlem Ruhm tuend, sondern in der Demut einer den anderen höher achtend als sich selbst;“) begreifen und mich und meine Sicht auf die Dinge höher achten? Und so weiter.

Paulus fordert die Philipper auf, nicht auf ihn als eventuellen Vermittler zu warten (Phil 2,12 „Daher, meine Geliebten, wie ihr allezeit gehorsam gewesen seid, nicht allein als in meiner Anwesenheit, sondern jetzt viel mehr in meiner Abwesenheit, bewirkt euer eigenes Heil mit Furcht und Zittern;“), sondern selbst aktiv zu werden („bewirkt“). Das „eigene Heil“ (Rettung) ist hier für die Philipper die aktive Lösung dieser Konflikte, an denen sie arbeiten sollten. Es muss aber „mit Furcht und Zittern“ geschehen. Ich muss mir immer bewusstmachen, dass gerade ich trotz aller Aufrichtigkeit das Problem in der Lösung der Differenzen sein könnte. Letztlich ist es Gott, der die gute Absicht und die Lösung schafft (Phil 2,13 „denn Gott ist es, der in euch wirkt sowohl das Wollen als auch das Wirken, zu seinem Wohlgefallen.“). Aber Gott tut nicht das, was ich tun muss. Gott tut es nicht, wenn ich nicht will. Gott tut es nicht, wenn ich nicht bereit bin, mein Denken verändern (Röm 12,2 „Und seid nicht gleichförmig dieser Welt, sondern werdet verwandelt durch die Erneuerung eures Sinnes, dass ihr prüfen mögt, was der gute und wohlgefällige und vollkommene Wille Gottes ist.“) und mich in sein Bild umgestalten (2Kor 3,18 „Wir alle aber, mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn anschauend, werden verwandelt nach demselben Bild von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, als durch den Herrn, den Geist.“) zu lassen.

Zeugnis nach außen und gute Vorbilder im Denken

Wenn wir uns darauf besinnen, wie unser Herr ist – einzigartig – und was Er aus uns gemacht hat, warum begegnen wir einander dann immer noch mit Unwillen und Zweifeln an den Motiven des anderen (Phil 2,14 „Tut alles ohne Murren und zweifelnde Überlegungen,“)? Wie dachte Paulus über die Philipper (Phil 1,7 „wie es für mich recht ist, dass ich dies über euch alle denke, weil ihr mich im Herzen habt und sowohl in meinen Fesseln als auch in der Verteidigung und Bestätigung des Evangeliums ihr alle meine Mitteilnehmer der Gnade seid.“; denken = gesinnt sein)? Er betrachtete sie, wie sie am Tag Christi vollkommen vor dem Herrn stehen würden,  und war absolut zuversichtlich, dass der Herr sie sicher bis dahin führt (Phil 1,6 „indem ich eben darin guter Zuversicht bin, dass der, der ein gutes Werk in euch angefangen hat, es vollenden wird bis auf den Tag Jesu Christi;“).

Wahrscheinlich ist es uns viel zu wenig bewusst, dass der Umgang von uns Christen auch in unserer Umgebung wahrgenommen wird. Gerade in unserem Verhalten und Umgang miteinander sollen wir wie Lichter scheinen in dieser Welt (Phil 2,15.16 (15) damit ihr untadelig und lauter seid, unbescholtene Kinder Gottes inmitten eines verdrehten und verkehrten Geschlechts, unter dem ihr scheint wie Lichter in der Welt, (16) darstellend das Wort des Lebens, mir zum Ruhm auf den Tag Christi, dass ich nicht vergeblich gelaufen bin noch auch vergeblich gearbeitet habe.“).

Unser Herr ist ein einmaliges Vorbild für unser Denken. Das könnte uns etwas abschrecken, weil wir meinen, es sowieso nie zu erreichen, und dann fangen wir gar nicht erst an. Deswegen dürfen wir uns auch an guten, wenn auch nicht perfekten menschlichen Vorbildern orientieren. Der große Apostel Paulus betrachtete seinen Dienst „nur“ als Beigabe („Trankopfer“) im Vergleich zum Dienst der Philipper (Phil 2,17 „Aber wenn ich auch als Trankopfer über das Opfer und den Dienst eures Glaubens gesprengt werde, so freue ich mich und freue mich mit euch allen.“). Wie demütig! Timotheus, den er zu ihnen senden wollte, war gekennzeichnet als einer, der von Herzen um das Wohl anderer besorgt war (Phil 2,20.21 (20) Denn ich habe keinen Gleichgesinnten, der von Herzen für das Eure besorgt sein wird; (21) denn alle suchen das Ihre, nicht das, was Jesu Christi ist.“). Welch gewinnende Einstellung! Epaphroditus war sehr besorgt um seine Mitgeschwister in Philippi und wagte sogar sein Leben für andere im Dienst für den Herrn (Phil 2,25-30). Welch ein Vorbild!

Die Denkweise unseres Herrn ist die einzige Lösung

Suchen wir uns solche guten Vorbilder, die es zum Glück auch heute immer noch gibt, oder orientieren wir uns lieber an solchen, die gern die Ersten sein wollen und immer recht haben müssen (3Joh 9-11 (9) Ich schrieb etwas an die Versammlung, aber Diotrephes, der gern unter ihnen der Erste sein will, nimmt uns nicht an. (10) Deshalb, wenn ich komme, will ich an seine Werke erinnern, die er tut, indem er mit bösen Worten gegen uns schwatzt; und sich hiermit nicht begnügend, nimmt er die Brüder nicht an und wehrt auch denen, die es wollen, und stößt sie aus der Versammlung. (11) Geliebter, ahme nicht das Böse nach, sondern das Gute. Wer Gutes tut, ist aus Gott; wer Böses tut, hat Gott nicht gesehen.“)? Ermutigen wir einander immer wieder, von der Denkhaltung und zielstrebigen Einstellung unseres Herrn zu lernen und uns prägen zu lassen! Dasselbe oder das eine zu denken (Phil 2,2 „so erfüllt meine Freude, dass ihr gleich gesinnt seid, dieselbe Liebe habend, einmütig, eines Sinnes,“) bedeutet also, so zu denken wie unser Herr. Ob wir es glauben oder nicht. Ob es der Einstellung unserer Zeit entspricht oder nicht.

Um Einigkeit in der Gemeinde zu erreichen, hilft nicht strenges Regime und hartes Durchgreifen, denn Druck erzeugt Gegendruck. Nur eine demütige Gesinnung und die Bereitschaft, den unteren Weg zu gehen, kann Harmonie in der Gemeinde erreichen. Und das Schwerste dabei: Es geht nur, wenn ich den Anfang mache. Ich allein bin aufgefordert, in dieser demütigen Einstellung über meine Geschwister zu denken und ihnen so zu begegnen – unabhängig davon, wie die anderen denken. Bin ich wirklich dazu bereit? Wärst auch du dazu bereit? Es wäre ein Segen für unsere Gemeinden.

Herr Jesus, schenke heute noch viele solcher Christen, die bereit sind, in Niedriggesinntheit und der Denkeinstellung, die Du uns vorgelebt hast, einen Dienst zum Segen an anderen in den Gemeinden und unter den Christen zu tun, zu Deiner Ehre. Amen!

Anmerkungen

[1] Die Philipper hatten Paulus finanziell unterstützt durch eine Gabe, die Epaphroditus überbrachte (Phil 2,25; 4,14.18 (2:25) Ich habe es aber für nötig erachtet, Epaphroditus, meinen Bruder und Mitarbeiter und Mitstreiter, aber euren Abgesandten und Diener meines Bedarfs, zu euch zu senden,“ „(4:14) Doch habt ihr recht getan, dass ihr an meiner Drangsal teilgenommen habt.“ „(4:18) Ich habe aber alles empfangen und habe Überfluss; ich bin erfüllt, da ich von Epaphroditus das von euch Gesandte empfangen habe, einen duftenden Wohlgeruch, ein angenehmes Opfer, Gott wohlgefällig.“).

[2] Es könnten genauso gut beide falschliegen. Es könnten auch beide richtigliegen, wenn man zum Beispiel nur von unterschiedlichen Voraussetzungen ausgeht und einfach nur aneinander vorbeiredet.

[3] Eigentlich bräuchte es nicht erwähnt werden. Hier geht es natürlich um Angelegenheiten im zwischenmenschlichen Bereich und um Gewissensfragen. Bei grundsätzlichen Elementen unseres Glaubens und der Lehre müssen wir selbstverständlich „kämpfen“ (Jud 3). Aber erheben wir deshalb nicht manchmal sehr gern Dinge des erstgenannten Bereiches in den zweiten, um doch das Recht herzuleiten, dafür eifern zu müssen?


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