Der Brief des Paulus an die Römer (5)
Kapitel 5

Stanley Bruce Anstey

© SoundWords, Online începând de la: 30.08.2022, Actualizat: 22.03.2024

DIE GROSSEN ERGEBNISSE VON RECHTFERTIGUNG UND VERSÖHNUNG (V. 1-11)

Die ersten elf Verse von Kapitel 5 behandeln das Thema, dass Gott in Gerechtigkeit handelt, um den Segen für den gottlosen Sünder, der glaubt, zu sichern. Ausgehend von dem zentralen Wort „Da wir nun …“ beschreibt Paulus die großen Ergebnisse oder Vorteile, die dem Gläubigen durch die Rechtfertigung zuteilgeworden sind.

Der Gedanke der Freude oder des Jubels zieht sich durch die elf Verse. Dies geht in der englischen King-James-Übersetzung etwas verloren. Sie verwendet drei verschiedene englische Wörter, um das griechische Wort kauchaomai wiederzugeben. Das Wort wird in der KJV übersetzt mit rejoice (Röm 5,2), glory (Röm 5,3) und joy (Röm 5,11), aber die Darby-Übersetzung hat [Anm. d. Red.: Ebenso wie die ELB-CSV] an allen drei Stellen boast („rühmen“). Andere Übersetzungen geben kauchaomai mit „sich freuen“ oder „jubeln“ wieder. Dies ist sicherlich ein passender Abschluss für das ganze Thema der Gnade Gottes, die mit unseren Sünden gehandelt hat, um uns in den Segen zu bringen.

In diesen Versen geht Paulus auf mindestens sieben große Dinge ein, die der Gläubige hat, nachdem er „gerechtfertigt worden ist aus Glauben“ (Röm 5,1). Diese Dinge sind nicht zeitlich oder von etwas abhängig, sondern beständig und ewig. Sie stehen alle im Präsens („wir haben“); das bedeutet, sie sind ein gegenwärtiger Besitz des Gläubigen – mit Ausnahme der Verse Römer 5,9b und 10b, die sich auf das beziehen, was Gott in der Zukunft für den Gläubigen tun wird. Von allen Dingen wird mit äußerster Gewissheit gesprochen.

Die ersten drei Dinge, die Paulus erwähnt, gehören zusammen und haben mit der gegenwärtigen Stellung des Gläubigen und seiner Zukunftsperspektive zu tun. Sie sagen uns, was Gott für uns in Bezug auf unsere gesamte Geschichte – Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft – getan hat:

  • Was unsere Vergangenheit betrifft, so sind wir „gerechtfertigt“ (Röm 5,1).
  • Was die Gegenwart betrifft, so „stehen“ wir in einer Stellung der „Gnade“ bei Gott (Röm 5,2a).
  • Was die Zukunft angeht, so haben wir eine „Hoffnung“ (eine aufgeschobene Gewissheit), verherrlicht zu werden (Röm 5,2b).

Frieden mit Gott (V. 1)

Vers 1

Röm 5,1: Da wir nun gerechtfertigt worden sind aus Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus, …

„Frieden mit Gott“. Dies ist ein äußerer „Friede“, der zwischen Gott und dem Gläubigen als Folge der Rechtfertigung durch den Glauben besteht. Es ist ein äußerer, bestehender Zustand des Friedens zwischen zwei Parteien, die einst entfremdet waren. Zwischen Gott und dem Menschen war durch die Sünde eine Kluft entstanden, aber für den Gläubigen ist diese Schranke beseitigt worden. Ähnlich ist es, wenn sich zwei Nationen im Krieg befinden, dann gibt es keinen Frieden. Wenn aber Frieden zwischen ihnen geschlossen wird, ist der Krieg zu Ende; die Feindseligkeiten hören auf, und aus Feinden werden Freunde. Genau das ist bei den Gläubigen durch den Glauben an den Tod und die Auferstehung des Herrn Jesus Christus geschehen. Es gibt keine Trennung mehr zwischen uns und Gott; es herrscht nun ein Zustand des Friedens.

Manche Menschen meinen, der Sünder müsste seinen Frieden mit Gott machen. Sie sagen: „Schließt euren Frieden mit Gott.“ Aber das ist nicht das, was die Bibel lehrt. Sie sagt uns, dass wir keinen Frieden mit Gott schließen können, weil wir nicht in der Lage sind, den Ansprüchen der göttlichen Gerechtigkeit das zu bieten, was für einen Frieden notwendig ist. Glücklicherweise lehrt die Bibel, dass dieser Friede für die Menschen bereits durch das vollbrachte Werk Christi am Kreuz geschaffen worden ist. In Kolosser 1,20 heißt es, dass Christus „Frieden gemacht hat durch das Blut seines Kreuzes“. Alles, was wir also tun müssen, ist, Gottes Zeugnis über diese Tatsache zu glauben, und weil wir gerechtfertigt sind, haben wir „Frieden mit Gott“.

Dieser Friede ist eine objektive Realität, kein subjektives Gefühl. Es handelt sich nicht um ein inneres friedliches Gefühl in der Seele des Gläubigen, wie es sich manche Christen vorstellen. Friedliche Gefühle können kommen und gehen, je nach den Umständen und dem Seelenzustand des Gläubigen, aber sie haben keinen Anteil an seiner Rechtfertigung und seinem Frieden mit Gott. Der Friede mit Gott ist ein dauerhafter Zustand, in dem der Gläubige bei Gott verweilt. Er ist sicher und so vollkommen wie sein Fundament – der Tod und die Auferstehung Christi. Paulus spricht hier also nicht davon, dass wir den Frieden genießen, sondern davon, dass wir Frieden mit Gott besitzen. Es ist ein Friede, der nicht abhängt von unserem Seelenzustand, das heißt von unserem Wandel. Er kann nicht durch unsere Unzulänglichkeiten und Versäumnisse auf dem Weg des Glaubens verlorengehen, denn er ist etwas ewig Feststehendes. Er ist untrennbar mit unserer Stellung vor Gott verbunden. Daher haben wir nicht mehr von diesem Frieden, wenn wir in Gemeinschaft mit dem Herrn wandeln, noch haben wir weniger davon, wenn wir es nicht tun. (Ein innerer Zustand des Friedens und der Ruhe in der Seele wird in Römer 8,6 erwähnt und ist eine Folge davon, dass der Gläubige Befreiung erfährt – aber das ist hier nicht das Thema.) Dieser Friede gehört also allen Gläubigen, auch wenn einige von ihnen ihn nicht genießen können, weil sie nicht im Glauben auf dem ruhen, was Gott über ihre Sicherheit in Christus gesagt hat. Infolgedessen können sie gelegentlich über ihre Sünden beunruhigt sein. Edward Dennett sagte:

Die Worte „Wir haben Frieden“ bedeuten nicht notwendigerweise, dass wir ihn genießen; denn es gibt zweifellos viele, die vor Gott gerechtfertigt sind und nur wenig von diesem Frieden wissen.[1]

„Frieden mit Gott“ und der „Frieden Gottes“

Der „Friede mit Gott“ (Röm 5,1) darf nicht mit dem „Frieden Gottes“ (Phil 4,7) verwechselt werden. Der „Friede mit Gott“ bezieht sich auf unsere Stellung, während der „Friede Gottes“ ein Zustand ist. Der Friede Gottes ist ein Zustand der Ruhe, in dem Gott selbst wohnt. Er möchte, dass wir täglich in diesem Frieden leben, damit unser Geist und unser Herz nicht durch die erschütternden Umstände, die wir in dieser Welt durchleben, gestört werden. Wir haben vielleicht nicht immer den „Frieden Gottes“ in unserer Seele, aber unseren „Frieden mit Gott“ können wir niemals verlieren.

Drei Aspekte unserer Stellung im Frieden

A.P. Cecil wies darauf hin, dass unsere Stellung im Frieden mit Gott aus drei Teilen besteht. Wir haben:

  • Friede mit Gott (Röm 5,1) – ein äußerer Friede mit Gott
  • Friede des Auferstehungslebens (Röm 8,6) – ein innerer Friede, der sich aus dem Wissen und der Erfahrung der Befreiung ergibt
  • Friede unter den Völkern (Eph 2,14) – ein äußerer Friede gegenüber den Mitgläubigen, die aus verschiedenen Nationalitäten gerettet und in den einen Leib Christi aufgenommen wurden

Alle drei Aspekte des Friedens gehören zu uns, sobald wir an das Evangelium glauben und mit dem Heiligen Geist versiegelt sind.

Eine neue Stellung in der Gunst Gottes (V. 2a)

Vers 2a

Paulus fährt mit einer weiteren großen Folge der Rechtfertigung fort:

Röm 5,2a: … durch den wir mittels des Glaubens auch den Zugang haben zu dieser Gnade, in der wir stehen, …

Dies bezieht sich darauf, dass der Gläubige eine neue Stellung in der Gegenwart Gottes erhält.

Das griechische Wort prosagogen, das in diesem Vers mit „Zugang“ übersetzt wird, bedeutet, dass jemand in etwas eingeführt wird. Hier in diesem Abschnitt hat es mit der formellen Einführung des Gläubigen in eine neue Stellung der „Gnade“ vor Gott zu tun. J.N. Darby merkt dazu an, dass dieser Platz der Gunst, in den wir versetzt worden sind, „unsere Annahme in der Gnade ist, die Er uns in dem Geliebten umsonst geschenkt hat“. Wir sind also in dieselbe Stellung versetzt, die Christus selbst vor Gott hat, denn wir sind „begnadigt {angenehm gemacht} in dem Geliebten“ (Eph 1,6). Paulus sagt, dass diese neue Position (Stellung), in der sich alle Gläubigen befinden, „durch den Glauben“ an den Herrn Jesus Christus eingenommen wird, das heißt, wenn ein Mensch gerettet wird. Dies geschieht ein für alle Mal und ergibt sich daraus, dass wir „in Christus gerechtfertigt“ sind (Gal 2,17).

Dieser „Zugang“ ist also nicht eine Frage der christlichen Praxis – das heißt in die Gegenwart Gottes einzutreten für die tägliche Gemeinschaft, das Gebet und die Anbetung, wie in Epheser 2,18 und 3,12 usw. gesagt wird –, sondern vielmehr der anfängliche Zugang (oder Eintritt) des Gläubigen in seine neue Stellung vor Gott. Wir „haben“ diesen Zugang jetzt schon. Im Griechischen steht das Wort haben im Perfekt, was darauf hinweist, dass Christus durch seinen Eintritt in die Gegenwart Gottes einen vollständigen und dauerhaften Zugang für uns erreicht hat. Diese neue Stellung in der Gunst Gottes, die Christus für uns erlangt hat, ist vollkommen, dauerhaft und unantastbar, weil sie an der vollkommenen und dauerhaften Annahme durch Christus gemessen wird. Unsere Stellung hat nichts mit unserem Wandel oder unserer persönlichen Treue zu tun. Ob wir der jüngste oder der älteste Christ sind, ob wir ein hingegebener oder ein nachlässiger Christ sind, wir haben alle gleichermaßen diese Stellung vor Gott. Unser Seelenzustand (Phil 2,20) hingegen schwankt, je nachdem, ob wir nach dem Geist oder nach dem Fleisch wandeln. Unser geistlicher Zustand mag manchmal gut und manchmal schlecht sein, aber unser Ansehen ändert sich nie.

Eine Hoffnung auf die Herrlichkeit Gottes (V. 2b)

Vers 2b

Paulus geht zu einer weiteren Folge der Rechtfertigung über:

Röm 5,2b: … und rühmen uns in der Hoffnung der Herrlichkeit Gottes.

Wie bereits erwähnt, hat dies mit der zukünftigen Verherrlichung des Gläubigen zu tun. Da sie durch den Glauben gerechtfertigt sind, haben Christen die „Hoffnung“, wie Christus verherrlicht zu werden (Röm 8,30). Wenn dies geschieht, werden wir vollkommen gemacht sein nach Geist, Seele und Leib. Die gefallene Sündennatur wird aus unserem Wesen getilgt werden, und wir werden körperlich so umgestaltet werden, dass wir Christus gleich sind (Phil 3,21). Dies wird jedem Christen widerfahren, ob er über seine herrliche Zukunft viel weiß oder nicht. Paulus spricht nicht davon, ob die Gläubigen in der Freude und Vorfreude auf diese herrliche Zukunft leben, sondern einfach davon, dass wir eine herrliche Zukunft haben.

„Hoffnung“ in dem Sinn, wie sie in der Heiligen Schrift verwendet wird, ist eine aufgeschobene Gewissheit. Sie ist eine Erwartung mit Gewissheit. Im modernen Sprachgebrauch sprechen wir von Hoffnung als etwas, von dem wir uns wünschen, dass es eintritt, aber wir haben keine Garantie dafür, dass es eintreten wird. Auf diese Weise verwendet die Heilige Schrift das Wort nicht; in der Heiligen Schrift ist Hoffnung immer eine Sache der Gewissheit. Die „Hoffnung der Herrlichkeit Gottes“, von der Paulus hier spricht, ist etwas, was mit Sicherheit eintreten wird – wir wissen nur nicht, wann.

Die Verherrlichung ist die wunderbare Krönung von Gottes Werk in uns und mit uns. Bevor die Gnade uns erreichte, waren wir Sünder, die die Herrlichkeit nicht erreichten (Röm 3,23). Jetzt, da wir durch seine Gnade gerechtfertigt sind, haben wir die Hoffnung, wie Christus verherrlicht zu werden. Es ist eine aufgeschobene Gewissheit, die im Plan und Ratschluss Gottes als etwas Vollendetes angesehen wird: „Welche er aber gerechtfertigt hat, diese hat er auch verherrlicht“ (Röm 8,30). Die tatsächliche Verherrlichung wird bei der Entrückung stattfinden: „Wir erwarten den Herrn Jesus Christus aus den Himmeln, der unseren Leib der Niedrigkeit umgestalten wird zur Gleichförmigkeit mit seinem Leib der Herrlichkeit“ (Phil 3,21; Röm 8,17). In Offenbarung 21,11 wird die Kirche am Ende (während des Tausendjährigen Reiches) mit Christus regieren und „die Herrlichkeit Gottes haben“. Heute haben wir dieses glorreiche Ende als Hoffnung. Als wir an das Evangelium glaubten und den Herrn Jesus Christus als unseren Retter annahmen, wurden wir in die Hoffnung auf unsere spätere Verherrlichung versetzt. Paulus bezieht sich später im Brief darauf, wenn er sagt, dass wir „in Hoffnung errettet worden sind“ (Röm 8,24). Unsere Verherrlichung ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Errettung, sie ist die letzte Phase (Röm 13,11).

Daran sehen wir, dass unsere Zukunft hell und sicher ist. Angesichts dieser wunderbaren Aussicht ist es angebracht, dass die Gläubigen „sich rühmen {sich freuen}“.

Geistliche Erziehung in der Schule Gottes (V. 3-8)

Wie bereits angedeutet, haben die ersten drei Dinge, die Paulus in Römer 5 anspricht, mit der Stellung und der Aussicht der Gläubigen zu tun. In den Versen 3 bis 8 geht er nun zu den Dingen über, die mit unserer Pilgerschaft und unserem Weg zu tun haben.

Verse 3-5

Paulus sagt:

Röm 5,3-5: 3 Nicht allein aber das, sondern wir rühmen uns auch der Trübsale, da wir wissen, dass die Trübsal Ausharren bewirkt, 4 das Ausharren aber Bewährung, die Bewährung aber Hoffnung; 5 die Hoffnung aber beschämt nicht, denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben worden ist.

In diesen Versen wird gezeigt, wie der Gläubige auf dem Weg des Glaubens durch Prüfungen und Bedrängnisse geht und aus diesen Erfahrungen geistlichen Nutzen zieht. Das zeigt: Nachdem wir durch den Glauben gerechtfertigt sind, nimmt Gott uns in seine Schule auf, wo wir in und durch die Erfahrungen des Lebens göttliche Lektionen lernen. Da Gott ein intensives Interesse an der moralischen und geistlichen Entwicklung seiner Kinder hat, beginnt Er unmittelbar nach unserer Errettung ein Werk in uns, um uns dem Bild seines Sohnes gleichförmig zu machen (Röm 8,29). Seine Liebe ist so groß, dass Er uns nicht in dem Zustand belässt, in dem Er uns vorfindet, sondern eine sittliche Erneuerung unseres Wesens anstrebt. Dabei nutzt Er den äußeren Druck der Prüfungen und Bedrängnisse des Lebens, um dies zu erreichen. Dies ist ein weiterer Vorteil, der sich aus der Rechtfertigung durch den Glauben ergibt.

Der Aspekt der geistlichen Lehre, um den es hier geht, ist nicht die intellektuelle Seite der Wahrheit; diese könnten wir aus Büchern lernen. Der schriftliche Dienst ist zwar wertvoll und nützlich für die Erbauung der Heiligen im „allerheiligsten Glauben“ (Jud 20), aber diese geistlichen Lektionen werden nicht durch dieses Mittel gelernt. Diese Lektionen haben mit der Entwicklung des christlichen Charakters zu tun und können nur durch die „Trübsal“ (Prüfungen) des Lebens gelernt werden. J.N. Darby bemerkt: 

Prüfungen können an sich keine Gnade verleihen, aber unter Gottes Hand können sie den Willen brechen und verborgene und unvermutete Übel aufdecken, und wenn sie gerichtet werden, wird das neue Leben vollständiger entwickelt und Gott hat einen größeren Platz im Herzen. Durch sie wird auch die niedrige Abhängigkeit gelehrt, und infolgedessen gibt es mehr Misstrauen gegen sich selbst und das Fleisch, und ein Bewusstsein, dass die Welt nichts ist und dass das, was ewig wahr und göttlich ist, einen größeren Platz in der Seele hat.[2]

Prüfungen haben also die Eigenschaft, uns von unseren materiellen Ressourcen und Positionen im Leben zu lösen und uns bewusster mit dem zu verbinden, was geistig und ewig ist. Durch Prüfungen lernen wir wertvolle Lektionen über uns selbst und über unseren großen Gott; wir erfahren von unserer eigenen Unzulänglichkeit und von Gottes Allgenügsamkeit. Und diese Dinge führen zu einer tieferen Wertschätzung der Liebe Gottes und zu einer innigeren Beziehung zu unserem Herrn Jesus Christus.

Die Reise der Kinder Israels durch die Wüste ist ein Beispiel für diesen Aspekt unserer geistlichen Erziehung. Tatsächlich werden diese Verse in Römer 5 oft als „Die Wüstenwanderung des Christen“ bezeichnet. Am Roten Meer führte der Herr Israel aus Ägypten heraus, aber in der Wüste führte Er Ägypten aus Israel heraus – oder zumindest war das sein Wunsch. Das Erste ist eine Handlung, das Zweite ist ein Prozess. In ähnlicher Weise hat der Herr, wenn Er uns aufnimmt und errettet, viel in uns zu tun, um Dinge zu entfernen, die mit seinem Charakter unvereinbar sind (Ps 139,3; Spr 25,4). Oft gibt es in uns weltliche Motive und Grundsätze, die uns vielleicht nicht bewusst sind, die Er aber mit göttlicher Sorgfalt und Genauigkeit durch den Druck der Prüfungen zu beseitigen unternimmt. Gott hat die Sünde, das Leid und die Schwierigkeiten nicht in die Welt gebracht, aber jetzt, wo diese Dinge da sind, benutzt Er sie, um uns in seiner Schule wichtige Lektionen zu lehren – Lektionen über Gehorsam, Abhängigkeit usw.

Du wirst in der Wüste lernen,
wer der Gott, den du geliebt,
der in Langmut, voller Gnade
seine heilge Macht ausübt.
[3]

Deshalb sagt Paulus: „Wir rühmen uns auch der Trübsale.“ Hier spricht der Glaube aus der Perspektive dessen, was die normale christliche Erfahrung ausmacht. In Wirklichkeit mag unser Zustand schlecht sein, und wir mögen uns eher beklagen als freuen, wenn uns Prüfungen begegnen, aber er spricht hier nicht von einem abnormalen christlichen Zustand. Paulus sagt: „Wir rühmen uns“, nicht weil Christen Prüfungen mögen, sondern weil wir wissen, dass alle Prüfungen und Bedrängnisse zu unserem geistlichen Vorteil dienen (Röm 8,28; 2Kor 4,17) – zu unserem geistlichen Wachstum und Fortschritt. Nach seiner göttlichen Lehre können wir aus den Erfahrungen, die wir im Leben machen, Nutzen ziehen, und deshalb können sich Christen in solchen Zeiten freuen (Jak 1,2). Da wir wissen, dass Gott diese Dinge zu unserem geistlichen Nutzen zugelassen hat, sollten wir, wenn wir auf Prüfungen stoßen, nicht sagen: „Wie komme ich da wieder heraus?“, sondern: „Was kann ich daraus lernen?“ Gott möchte, dass wir uns in den schwierigen Dingen, die in unser Leben kommen, üben und geistlichen Nutzen aus ihnen ziehen.

Paulus spricht dann von einer Kette positiver Dinge, die sich ergeben, wenn man die Prüfungen im Glauben richtig aus der Hand Gottes nimmt. Er sagt, „dass die Trübsal Ausharren bewirkt“. Ausharren bedeutet, den Weg des Glaubens beharrlich weiterzugehen, das heißt gegen alle Widerstände durchzuhalten. Weil alles am Christentum dem Lauf der Welt zuwiderläuft, muss der Christ sein Leben gegen den Strom leben, und dazu ist die wichtige Eigenschaft des „Ausharrens“ oder  der Standhaftigkeit erforderlich. Prüfungen haben die Eigenschaft, unsere Überzeugungen über die Dinge, an die wir glauben, zu vertiefen, und bereiten uns so geistlich darauf vor, Widerstände zu ertragen, wenn wir für diese Dinge eintreten.

Verse 4.5.a

Paulus fügt eine zweite Sache hinzu:

Röm 5,4.5a: … 4 das Ausharren aber Bewährung, die Bewährung aber Hoffnung; 5a die Hoffnung aber beschämt nicht, …

Wenn der Gläubige eine Prüfung mit dem Herrn aushält, macht er praktische Erfahrungen mit den Wegen Gottes. „Bewährung“ bedeutet „praktischer Beweis“. Das bezieht sich auf den Lernprozess auf dem Weg des Glaubens, durch den wir erfahrungsmäßiges Wissen über Gott und seine Wege gewinnen. Wir beweisen durch Erfahrung, dass Er so gut ist wie sein Wort. Jede Erfahrung mit Gott stärkt unser Vertrauen in Gott. Wir lernen auf praktische Weise seine Barmherzigkeit und Fürsorge kennen, und wir bewahren diese Erfahrungen, denken über sie nach und werden sie eines Tages mit in den Himmel nehmen. Ein jüngerer Bruder fragte einmal einen älteren Bruder: „Wie bewährt sich ein Mensch?“ Der ältere Bruder antwortete: „Wir bewähren uns durch Erfahrung; es gibt keinen anderen Weg.“

Paulus fügt ein Drittes hinzu: „Die Bewährung aber bewirkt Hoffnung.“ Diese Erfahrungen mit dem Herrn stärken nicht nur unseren Glauben und unser Gottvertrauen, sie richten auch unser Herz gen Himmel – auf unsere „Hoffnung“ hin. Das hat zur Folge, dass die Hoffnung in unseren Herzen heller brennt und für uns realer ist und wir so mehr im Hinblick auf sie leben. Die „Hoffnung der Herrlichkeit“ (Röm 5,2) – die Erkenntnis, dass unsere Verherrlichung in greifbarer Nähe ist – gibt uns neue Kraft, diese „kleine Zeit“ (Heb 10,37) zu ertragen. Wenn wir diese Hoffnung aus den Augen verlieren, besteht in Zeiten der Prüfung die Gefahr, dass wir aufgeben, anstatt auszuharren. Paulus sagt, dass „die Hoffnung aber nicht beschämt“, denn er weiß, dass sie fest und sicher ist, weil sein Glaube durch die Erfahrung der Prüfungen gestärkt wird.

Vers 5b

Röm 5,5b: … denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben worden ist.

Das vierte Glied in dieser Kette christlicher Eigenschaften, die Gott durch Prüfungen in seinem Volk ausbildet, ist, dass sie ein tieferes Empfinden für die Liebe Gottes in der Seele hervorrufen. Paulus sagt, dass durch diese Dinge „die Liebe Gottes in unsere Herzen ausgegossen wird durch den Heiligen Geist, der uns gegeben worden ist“. Beachte, dass er nicht von unserer Liebe zu Gott spricht, sondern von Gottes Liebe zu uns. Es ist Gottes Wunsch, dass wir ein immer tieferes Empfinden für seine Liebe in unseren Seelen haben, und diese Erfahrungen bewirken es. Beachte auch: Paulus bezieht sich nicht auf den Empfang des Heiligen Geistes durch den Gläubigen – die Versiegelung (Eph 1,13; 4,30), die Salbung (1Joh 2,20.27) und das Unterpfand (2Kor 5,5; Eph 1,14), das eintritt, wenn ein Mensch an das Evangelium glaubt (2Kor 1,22) –, sondern auf ein neues Empfinden seiner Liebe, die unsere Herzen erfüllt. Das ist es, was das christliche Leben motiviert; wir tun, was wir für den Herrn tun, weil seine Liebe uns dazu drängt (2Kor 5,14.15).

Verse 6-8

Nachdem Paulus über den Besitz der Liebe Gottes in unseren Herzen gesprochen hat (Röm 5,5), fährt er fort, über die Qualität und den Charakter dieser Liebe zu sprechen. Er vergleicht die mächtige Liebe Gottes mit der Liebe der Menschen:

Röm 5,6-8: 6 Denn Christus ist, da wir noch kraftlos waren, zur bestimmten Zeit für Gottlose gestorben. 7 Denn kaum wird jemand für einen Gerechten sterben; denn für den Gütigen könnte vielleicht noch jemand zu sterben wagen. 8 Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus, da wir noch Sünder waren, für uns gestorben ist.

Gott hat seine unglaubliche Liebe durch die Hingabe seines Sohnes bewiesen. Seine Liebe ist so groß, dass Er uns liebte, als es in uns nichts zu lieben gab. In unserem verlorenen Zustand waren wir „gottlos“ (Röm 5,6), „Sünder“ (Röm 5,8) und sogar „Feinde“ Gottes (Röm 5,10), doch Gott liebte uns und gab seinen Sohn, um uns zu erlösen! Einen größeren Beweis der Liebe kann es nicht geben! Mit der Aussage, dass Christus „für uns“ gestorben ist, konzentriert sich Paulus auf die stellvertretende Seite seines Werkes am Kreuz: Christus hat unseren Platz unter dem Gericht Gottes eingenommen (1Pet 3,18: „der Gerechte für die Ungerechten“).

Wenn Paulus diese große Liebe Gottes mit der Liebe der Menschen vergleicht, zeigt er, dass die Liebe des Menschen ein Motiv braucht, um zu wirken (Lk 6,32; Joh 15,19). In der Denkweise des natürlichen Menschen muss sich der Mensch beweisen, um der Liebe würdig zu sein. Paulus nennt einige Beispiele: Ein Mensch muss ein „Gerechter“ oder zumindest ein „Gütiger“ sein. In seltenen Fällen werden Menschen es wagen, für solche Menschen zu sterben, weil sie in ihnen etwas sehen, was ihrer Liebe würdig ist. Aber die Menschen werden einen gottlosen Mörder usw. nicht lieben oder für ihn sterben – das ist der Charakter der menschlichen Liebe. Die göttliche Liebe hingegen handelt, wenn es in ihrem Objekt nichts gibt, was liebenswert ist. Und das zeigt sich darin, dass Christus „für Gottlose gestorben“ ist. Die Liebe Gottes ist also unter den Menschen unvergleichlich und unendlich groß. Die Betrachtung und das Nachdenken über diese Liebe wird in unserem Leben eine Veränderung des Charakters bewirken: von der Gottlosigkeit zur Christusähnlichkeit (2Kor 3,18).

Daraus können wir ersehen, dass sich unsere Erziehung in der Schule Gottes von unserer Rechtfertigung stark unterscheidet:

  • Rechtfertigung ist etwas, was Gott für uns tut (Röm 5,1.2).
  • Geistliche Erziehung hat mit unserer Gleichgestaltung mit Christus zu tun und ist etwas, was Gott in uns tut (Röm 5,3-8).

Eine zukünftige Rettung vor dem kommenden Zorn (V. 9)

Vers 9

Paulus fährt fort, von einem weiteren Vorteil der Rechtfertigung zu sprechen: von der Gewissheit, vor dem Zorn, der über diese schuldige Welt kommen wird, gerettet zu werden. Er sagt:

Röm 5,9: Viel mehr nun, da wir jetzt durch sein Blut gerechtfertigt sind, werden wir durch ihn gerettet werden vom Zorn.

Dies ist ein zukünftiger Aspekt unserer Errettung, der eintreten wird, wenn der Herr kommt. Die Christen, die zu diesem Zeitpunkt auf der Erde sind, werden vor dem Gericht, das über die Welt kommen wird, „gerettet“, indem sie ganz aus ihr herausgenommen werden. Bibellehrer sprechen hier von der „Entrückung“ (1Thes 4,15-17; Phil 3,20.21). Christen, die vor diesem Zeitpunkt sterben, brauchen diese Befreiung natürlich nicht, weil sie bereits beim Herrn sind.

Römer 13,11 spricht von diesem zukünftigen Aspekt des Heils als etwas, was uns jeden Tag näher kommt: „Jetzt ist unsere Errettung näher als damals, als wir gläubig wurden.“ Der Grund dafür: Gott  hat einen Tag festgesetzt – der unserer Meinung nach in naher Zukunft liegen wird –, an dem Er seinen Sohn senden wird, um die Christen, die auf der Erde leben, zu sich zu holen. Niemand weiß, wann dieser Tag sein wird (Mt 25,13). Der kommende „Zorn“ wird von Christus selbst ausgehen (1Thes 1,10; 2Thes 1,9; Off 6,16). Daher ist der Herr Jesus:

  • der Retter vor dem kommenden Zorn für die Gläubigen und
  • der Vollstrecker des kommenden Zorns über die Ungläubigen.

Eine gegenwärtige Erlösung durch Christus in der Höhe

Vers 10

Nachdem Paulus von einer Rettung in der Vergangenheit (Röm 5,9a) und einer Rettung in der Zukunft (Röm 5,9b) gesprochen hat, spricht er nun von einer Rettung in der Gegenwart für den Gläubigen. Dies ist ein weiterer großer Vorteil der Rechtfertigung durch den Glauben:

Röm 5,10: Denn wenn wir, da wir Feinde waren, mit Gott versöhnt wurden durch den Tod seines Sohnes, so werden wir viel mehr, da wir versöhnt sind, durch sein Leben gerettet werden.

Durch eine Welt zu gehen, die sich gegen Gott und seine Grundsätze stellt, ist für den Gläubigen wie das Durchqueren eines geistlichen Minenfeldes. Überall lauern Gefahren und vieles lockt und erregt unsere gefallene sündige Natur (das Fleisch). Der Herr ist sich dessen voll bewusst und hat es unternommen, uns auf praktische Weise vor diesen Gefahren zu bewahren, während wir uns auf dem Weg zum Himmel befinden.

Um diese gegenwärtige Rettung zu bewirken, hilft uns der Herr nicht, indem Er buchstäblich vom Himmel herabkommt; Er bleibt an seinem Platz in der Höhe und verpflichtet sich, uns von dort aus zu retten. Er ist in die Höhe aufgefahren, um zu diesem Zweck drei Dinge zu bewirken:

  • Er sendet den Geist und gibt uns so die Kraft des Auferstehungslebens, das, wenn es gelebt wird, die Aktivität des Fleisches neutralisiert. (Dies wird in Römer 5,12 bis 8,17 aufgegriffen.)
  • Er ist das Ziel für das Herz des Gläubigen in einer Sphäre, die völlig außerhalb der Welt und des Fleisches liegt (Joh 17,19). In dem Maße, wie wir uns mit Ihm und seinen Dingen beschäftigen, wo Er ist, verlieren die Welt, das Fleisch und der Teufel ihren Einfluss auf unser Leben (1Joh 5,4.5).
  • Er tritt auf unserem Weg in der Wüste als unser Hohepriester für uns ein, damit wir vor den vielen geistlichen Gefahren auf dem Weg des Glaubens bewahrt werden (Heb 7,25).

Die Freude der Versöhnung

Vers 11

Paulus erwähnt einen letzten (aber deshalb nicht unwichtigen) Vorteil, der sich aus der Rechtfertigung durch den Glauben ergibt – die Freude über die Versöhnung:

Röm 5,11: Nicht allein aber das, sondern wir rühmen uns auch Gottes durch unseren Herrn Jesus Christus, durch den wir jetzt die Versöhnung empfangen haben.

Es hat eine radikale Veränderung im Denken des Gläubigen stattgefunden, wodurch er sich nun über seine Beziehung zu Gott und seine Nähe zu Ihm freut.

Eine der traurigen Folgen des Eintritts der Sünde in diese Welt ist die Entfremdung zwischen den Menschen und Gott. Es gibt falsche Gedanken und Gefühle im Herzen und „Geist“ des Menschen gegenüber Gott (Kol 1,21). Durch die Sünde sind die Menschen in ihrem gefallenen Zustand zu „Gotteshassern“ (Röm 1,30) geworden, und so haben sie eine große „Feindschaft gegen Gott“ (Röm 8,7). Daher sind die Menschen von Gott „entfremdet“ und „Feinde“ Gottes (Kol 1,21).

Dieser Zustand der Feindschaft liegt ganz und gar auf der Seite des Menschen. Es ist der Mensch, der gesündigt und sich von Gott entfernt hat. Obwohl das Herz des Menschen Gott gegenüber verdorben ist, hat sich Gottes Gesinnung dem Menschen gegenüber nicht geändert. Er ist seinen Geschöpfen weiterhin wohlgesonnen, denn Er ist der unveränderliche Gott (Mal 3,6; Heb 13,8; Jak 1,17). Daher ist Gott kein Feind des Menschen, obwohl der Mensch durch den Sündenfall ein Feind Gottes geworden ist. Es besteht also ein großer Bedarf an einer Änderung des Herzens beim Menschen, aber nicht bei Gott, denn Er hat den Menschen immer geliebt. Daher muss nicht Gott mit dem Menschen versöhnt werden, sondern der Mensch mit Gott.

Wenn Menschen erkennen, dass sie gerettet werden müssen, haben sie manchmal die falsche Vorstellung, dass sie, weil sie gesündigt haben und weit von Gott entfernt sind, etwas tun müssten, um Gottes Herz für sich zu gewinnen. Manche denken, sie müssten Tränen vergießen, andere meinen, sie müssten erst ihr Leben in Ordnung bringen und religiös werden. Aber das ist ein Missverständnis des Herzens Gottes und seines unveränderlichen Charakters. Die Wahrheit ist: Sein Herz war dem Menschen immer wohlgesonnen, auch wenn der Mensch gegen Ihn sündigte. Seit dem Tag, an dem die Sünde in die Schöpfung eintrat, bemüht sich Gott um die Befreiung und den Segen des Menschen.

Da nicht Gott mit dem Menschen versöhnt werden muss, sondern der Mensch mit Gott, wird in der Schrift nicht von Versöhnung im heutigen Sinne des Wortes gesprochen. (In unserer Zeit wird der Begriff im Zusammenhang mit zwei Parteien verwendet, die sich entfremdet haben und sich mit einem gewissen Grad an Kompromissbereitschaft dem Standpunkt des anderen annähern, so dass die Beziehungen zwischen ihnen wieder so werden können, wie sie einmal waren.) Die Versöhnung, wie sie im Evangelium dargestellt wird, sieht niemals vor, dass Gott und Mensch sich irgendwo dazwischen treffen, sondern dass der Mensch (der Gläubige) zu Gott „gebracht“ wird (1Pet 3,18; Eph 2,13). Um dieser falschen Vorstellung vorzubeugen, sagt die Schrift nie, dass Gott sich mit den Menschen versöhnt hat. Eine solche Aussage könnte den Eindruck erwecken, dass es sowohl auf der Seite Gottes als auch auf der Seite des Menschen einen Kompromiss gegeben hätte. Die Heilige Schrift sagt sorgfältig, dass die Gläubigen „mit“ Gott versöhnt sind (Röm 5,10; 2Kor 5,20; Eph 2,16; Kol 1,20). Deshalb sagt Paulus, dass „wir“ (die Gläubigen) „die Versöhnung“ empfangen; er sagt nicht, dass Gott die Versöhnung empfängt (Röm 5,11).

Der Apostel sagt, dass wir einst „Feinde“ Gottes waren. Ein Feind ist jemand, der Feindschaft und Missgunst gegenüber demjenigen hegt, den er hasst und der sich deshalb von ihm fernhält. Dies ist der Zustand des gefallenen Menschen in Bezug auf Gott. Seine Feindseligkeit gegenüber Gott wird dadurch ausgelöst, dass er ein böses Gewissen hat, das ihn als Sünder verurteilt. Es gibt ihm das Gefühl, Unrecht getan zu haben, und macht ihn unruhig, Gott zu begegnen. Die Feindschaft im Herzen des Menschen begann mit dem Sündenfall (1Mo 3,15) und hat seither dazu beigetragen, den Menschen von Gott fernzuhalten.

Obwohl ein solcher Zustand über die Menschheit herrscht, hat Gott sich vorgenommen, diesen Zustand zu beseitigen und die Menschen (Gläubigen) zu sich zurückzubringen. Im fünften Kapitel des Römerbriefs zeigt Paulus, dass Gott den ersten Schritt zur Versöhnung des Menschen getan hat, indem Er ein Opfer für die Sünde bereitgestellt hat, um einen Weg zu schaffen, auf dem der Mensch zu Ihm selbst zurückgeführt werden kann. Paulus sagt: „Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus, da wir noch Sünder waren, für uns gestorben ist“ (Röm 5,8).

Vater – Deine unumschränkte Liebe
suchte, die in Sünden fern von Dir.
Gab uns durch das Werk des Sohnes Frieden,
schenkt in Ihm uns Freiheit nun vor Dir.[4]

Paulus erklärt, wie Gott die Feindschaft im Herzen eines Sünders beseitigt: „durch den Tod seines Sohnes“ (Röm 5,10). Dies bezieht sich auf die Tatsache, dass Gottes Liebe zu den Menschen so groß ist, dass Er sogar seinen eigenen Sohn geben würde, um die Menschen zu sich zurückzubringen! Beachte: Die Schrift sagt nicht: „der Tod Christi“, und nennt auch nicht einen anderen Titel des Herrn Jesus. Sie sagt: „durch den Tod seines Sohnes“. Das unterstreicht die Zuneigung, die in seiner Beziehung zu seinem Sohn bestand. Gott hatte nur einen Sohn, den Er innig liebte, und doch gab Er ihn, um Sünder zu retten! Der Preis dieses Opfers ist also unermesslich. Wenn diese große Tatsache – dass Gott seinen geliebten Sohn geopfert hat, um die Menschen zu sich zurückzubringen – durch die Kraft des Geistes das Herz des Sünders trifft, ist sein Herz zerbrochen. Wenn Er dann durch das Evangelium erfährt, dass Gott dem Sünder sein ganzes Leben lang wohlgesonnen war (auch wenn er böse Gedanken gegen Gott hegte), ist das mehr, als sein Herz ertragen kann. Die Liebe und Barmherzigkeit Gottes ergreift das Herz des Sünders so sehr, dass die Feindschaft, die einst darin ruhte, verschwindet. Alle schlechten Gefühle und der Hass werden aus seiner Seele gespült, und die Liebe Gottes strömt in sein Herz. So ändern sich seine Gedanken über Gott, und Gottes Sohn, der sich bereitwillig hingegeben hat, wird für Ihn zur wunderbarsten und anziehendsten Person. Früher war ihm der Gedanke, Gott zu begegnen, unangenehm, aber jetzt, als Gläubiger, fühlt Er sich in seiner Gegenwart sehr wohl und ist sogar froh, dort zu sein. J.N. Darby bemerkt im Zusammenhang mit der Versöhnung:

Ich fühle mich bei Gott zu Hause. Alle seine gnädigen Gefühle sind mir zugewandt, und ich weiß es, und mein Herz ist zu Ihm zurückgekehrt.

Das Ergebnis: Der Gläubige rühmt sich (freut sich) in seiner neuen Beziehung zu Gott. Die „Freude an Gott“ – der glückliche Zustand, den die Versöhnung im Gläubigen hervorruft – ist wirklich die richtige Einstellung des Gläubigen zu Gott. Damit sind wir wirklich an einem Höhepunkt des Briefes angelangt!

Wir erfreuen uns in unserem Gott und singen von seiner Liebe.
So mächtig und frei, sie hat sein Herz bewegt!
Unser Zustand war verdorben.
Er hatte Mitgefühl und verschonte nicht seinen Sohn!
[5]

Paulus sagt: „durch den wir jetzt die Versöhnung empfangen haben“. Das bedeutet: Die Versöhnung des Gläubigen ist eine vollendete Tatsache; sie ist nicht etwas, worauf er wartet, wenn er in den Himmel kommt. […] Bei der Erlösung des Menschen empfängt Gott die Sühnung und der Gläubige die Versöhnung.

Vier Aspekte der Versöhnung

Vier Hauptbibelstellen erwähnen die Versöhnung im Neuen Testament in Bezug auf die Gläubigen:

  • Kolosser 1,20-23 stellt die Seite Gottes dar: Wir werden zu Ihm zurückgebracht in einen Zustand, in dem die ganze Gottheit sich an uns erfreuen kann, weil wir „heilig und untadelig und unsträflich“ vor Ihm stehen. Es ist alles zu seinem Wohlgefallen und zur Befriedigung seines Herzens.
  • In Römer 5,10.11 wird die Seite des Gläubigen (individuell) dargestellt: Die Feindschaft, die uns einst zu Feinden machte, ist beseitigt. Daher fühlen wir uns in Gottes Gegenwart wohl und haben so „Freude an Gott“.
  • Epheser 2,11-16 stellt die Seite der Gläubigen (kollektiv) dar: die Einheit, die zwischen den Gliedern des Leibes Christi besteht, ob sie nun einst Juden oder Heiden waren.
  • 2. Korinther 5,19-21 stellt das Zeugnis dieser großen Wahrheit für die Welt im Evangelium dar.

Der Unterschied zwischen Rechtfertigung und Versöhnung

Daran sehen wir auch, dass Versöhnung etwas anderes ist als Rechtfertigung, auch wenn beides ein Umdenken voraussetzt.

  • Rechtfertigung hat mit einem Umdenken in Gottes Denken zu tun. Gott hält den Gläubigen für gerecht.
  • Versöhnung hat mit einer Veränderung im Denken des gläubigen Sünders zu tun. Seine Gedanken der Feindschaft gegenüber Gott, die daraus resultieren, dass er ein Feind Gottes ist, werden durch die Freude an Gott ersetzt.

Die Segnungen des Evangeliums, entfaltet in den Kapiteln 3,21–5,11

So entfaltet der Apostel Paulus in diesem Unterabschnitt des Briefes (Röm 3,21–5,11) die Segnungen des Evangeliums in geordneter Weise, wobei die Versöhnung den Höhepunkt des Ganzen bildet. Dieser Teilabschnitt endet damit, dass der Gläubige in einer glücklichen Beziehung zu Gott steht und sich seiner Gesellschaft erfreut. So haben die Gerechtigkeit Gottes und die Liebe und Gnade Gottes über all das Unheil, das die Sünde im Menschen angerichtet hat, gesiegt! Der Gläubige hat:

  • Erlösung (Röm 3,24) – Wir sind freigekauft und befreit vom Gericht, von der Sünde, von Satan und vom Lauf dieser Welt.
  • Vergebung (Röm 4,7) – Die Schuld unserer Sünden ist von unserem Gewissen genommen.
  • Rechtfertigung (Röm 5,1) – Wir sind von jeder Anklage gegen uns freigesprochen worden, indem wir in Christus in eine neue Stellung vor Gott gebracht sind, in der Gott uns nicht mehr als Sünder sieht.
  • Versöhnung (Röm 5,10.11) – Wir sind mit veränderten Gedanken und Empfindungen zu Gott gebracht worden, woraufhin wir uns freuen, in seiner Gegenwart zu sein, und Er sich freut, uns dort zu haben.

DIE BEFREIUNG VON DER MACHT DER SÜNDE (Röm 5,12–8,17)

In diesem Unterabschnitt des Römerbriefes entfaltet Paulus den zweiten Aspekt der Befreiung, der im Evangelium angekündigt wird: Befreiung von der Macht der Sünde. Es geht darum, wie Gott den Gläubigen vom Wirken seiner alten Sündennatur („dem Fleisch“, Röm 7,5) befreit, so dass der Gläubige nun in der Lage ist, ein heiliges Leben zur Ehre Gottes zu führen. Dieser Abschnitt könnte daher „Gottes Weg der praktischen Heiligung“ genannt werden, weil er Gottes Weg und Gottes Kraft für ein heiliges Leben vorstellt (siehe Röm 6,19.22: „Heiligung“). Man könnte Römer 3,21 bis 5,11 und Römer 5,12 bis 8,17 voneinander abgrenzen und unterteilen in:

  • Rechtfertigung: macht einen Menschen richterlich rechtschaffen
  • Heiligung: macht einen Menschen praktisch rechtschaffen

Der Unterschied zwischen Sünden und Sünde

Bis hierhin in seinem Brief hat Paulus über „Sünden“ und Gottes Befreiung vom gerechten Urteil über die Sünden gesprochen. Aber jetzt geht er dazu über, von „Sünde“ und Gottes Befreiung von ihrer Macht zu sprechen. (H. Smith weist darauf hin, dass das Wort „Sünde“ in Römer 1 bis 5,11 nur zweimal vorkommt, aber in diesem Abschnitt des Briefes kommt es nicht weniger als 34-mal vor!) Es ist wesentlich, den Unterschied zwischen diesen beiden Begriffen zu kennen, um diesen Aspekt der Befreiung zu verstehen.

  • „Sünden“ (Plural) sind die bösen Taten, die wir getan haben. Gottes Heilmittel für begangene Sünden ist der Tod Christi für uns, das heißt der Glaube an das Blut Christi, wodurch wir erlöst (Röm 3,24; Eph 1,7), gerechtfertigt (Röm 5,9) und versöhnt (Röm 5,11; Kol 1,20-22) sind und Vergebung erhalten haben (Röm 4,7; Heb 9,22). (Beachte: Das Blut Christi wird in jedem dieser Verse erwähnt.)
  • „Sünde“ (Singular) bezieht sich auf die gefallene Natur des Menschen (das Fleisch). Gottes Heilmittel für das Wirken der Sünde im Leben des Gläubigen ist unser Tod mit Christus. Das heißt, unser Glaube wird auf den Tod Christi angewendet, wodurch wir befreit sind: Wir sind nun nicht mehr an die Sünde gebunden (Röm 6,7) und sind durch den Geist Gottes von der Macht des Wirkens der Sünde befreit (Röm 8,2).

„Sünden“ sind also böse Handlungen, und „Sünde“ ist die böse Natur. Ersteres ist das, was wir getan haben, und das Zweite ist das, was wir sind. Man könnte sagen, dass „Sünden“ Erscheinungsformen der „Sünde“ sind oder das Ergebnis der „Sünde“. Man könnte auch sagen: „Sünden“ sind die Frucht eines schlechten Baumes, und „Sünde“ ist die Wurzel dieses schlechten Baumes. Bedenken wir auch, dass „Sünde“ mehr ist als nur die alte Sündennatur;[6] Sünde ist diese böse Natur, die einen Willen hat, der fest entschlossen ist, ihre Begierden zu befriedigen. Ein weiterer Unterschied zwischen diesen beiden: „Sünden“ können durch die Gnade Gottes „vergeben“ werden (Röm 4,7), „Sünde“ jedoch wird nicht vergeben, sondern unter dem Gericht Gottes „verurteilt“ (Röm 8,3).

Angesichts dieser Unterschiede zwischen Sünden und Sünde sollten wir im Hinterkopf behalten, dass es in diesem Abschnitt nicht um die Befreiung von der Gegenwart der Sünde in uns geht. Es geht vielmehr um die Befreiung von der Macht der Sünde über uns. Wir können hier etwas Großartiges lernen: Gottes Errettung, die im Evangelium verkündet wird, verheißt nicht nur Befreiung von dem Gericht über unsere Sünden; sie verheißt auch Befreiung von der Macht der Sünde, die in unserem Leben wirkt. – Das sollte für jeden Gläubigen, der mit der Sündennatur zu kämpfen hat, eine gute Nachricht sein.

„Durch“, „mit“ und „in“ Christus

Wenn wir zu dieser neuen Unterteilung übergehen, möchte ich auf einen weiteren interessanten Unterschied hinweisen. In Römer 3,21 bis 5,11 wird uns gesagt, was wir „durch“ Christus haben (Röm 5,1.2.9-11); in Römer 5,12 bis 8,17 dagegen, was wir „in“ und „mit“ Christus haben.

Die Notwendigkeit, von Sünde befreit zu werden

Nach seiner Errettung wird der Gläubige bald feststellen, dass sich seine gefallene Sündennatur in seinem Leben auf sündige Weise bemerkbar macht. Er entdeckt also, dass er immer noch dieselbe alte fleischliche Natur hat, obwohl er nun an den Herrn Jesus Christus glaubt. Festzustellen, dass er immer noch zu allem Bösem fähig ist, kann oft ein großer Schock sein. Er muss jedoch lernen, dass Vergebung, Rechtfertigung und Versöhnung nicht bedeuten, dass Christen nicht mehr sündigen können. Vielleicht denkt er, seine gefallene Natur wäre durch seine Bekehrung zu Gott beseitigt oder verbessert worden. Doch das ist nicht der Fall. Er kann jede erdenkliche Sünde begehen, wenn er ihr in seinem Leben freien Lauf lässt. Das muss er lernen.

Als Gott uns errettet hat, hätte Er uns sofort verherrlichen können. Wir wären damit von der gefallenen Sündennatur befreit und würden nie wieder sündigen. Er hätte uns auch direkt in dem Moment in den Himmel bringen können, als wir uns entschieden haben zu glauben. Uns wären viele schmerzhafte und demütigende Erfahrungen mit dem Fleisch erspart geblieben. Mit göttlicher Weisheit hat Er sich jedoch dafür entschieden, uns in dieser Welt zu belassen, damit wir den Weg des Glaubens mit der gefallenen Sündennatur in uns gehen. Aber Er hat uns auch ein Mittel gegeben, um sie unwirksam zu machen. Die Befreiung von der Macht der Sünde wird sich in dem Maß zeigen, wie wir in der Gemeinschaft mit dem Herrn „im Geist wandeln“ (Gal 5,16). Unser Zustand und unser Wille werden also ständig im Hinblick auf unsere Bereitschaft geprüft, mit Gott in Heiligkeit zu wandeln.

Gunst und Freiheit

Es ist nicht Gottes Absicht, diejenigen, denen Er Vergebung, Rechtfertigung und Versöhnung geschenkt hat, in dieser Welt unter der Herrschaft ihrer gefallenen sündigen Natur zu lassen ohne die Kraft, aufrecht und in Freiheit vor Ihm zu wandeln. Das Evangelium bietet nicht eine Verschonung von der Strafe für die Sünde an und lässt den Gläubigen dann unter der Macht der Sünde. In diesem Abschnitt zeigt Paulus, dass Gott für den Gläubigen einen Weg der vollständigen Befreiung vom Wirken der innewohnenden sündigen Natur vorgesehen hat, so dass er befähigt wird, ein heiliges Leben zur Ehre Gottes zu führen. Daher wird uns in diesem Abschnitt, wie bereits erwähnt, Gottes Weg der praktischen Heiligung vorgestellt.

In Römer 3,21 bis 5,11 sehen wir, dass der Gläubige vor Gott in eine Stellung der „Gnade“ gestellt wird (Röm 5,2). Jetzt, in Römer 5,12 bis 8,39, wird uns aufgezeigt, wie Gott „Freiheit“ von der Sünde schafft (Röm 6,18). Es ist eine Sache, in der bevorrechtigten Stellung, in die uns die Rechtfertigung versetzt, vor Gott zu stehen. Aber es ist eine ganz andere, vor den Menschen durch die Kraft des Heiligen Geistes in Freiheit von der Sünde zu wandeln.

Sündlose Vollkommenheit

Einige missverstehen diesen Aspekt der Befreiung. Sie verstehen Paulus’ Lehre so, dass ein Gläubiger einen Zustand sündloser Vollkommenheit erreichen könnte, während er hier auf der Erde ist. Die Heilige Schrift lehrt eindeutig, dass sündlose Vollkommenheit das Teil eines jeden Christen sein wird. Aber sie wird nicht vor dem Kommen des Herrn (der Entrückung) eintreten. Erst dann wird die gefallene Sündennatur ausgerottet werden und „dieses Sterbliche wird Unsterblichkeit anziehen“ (1Kor 15,54). Wir verstehen also, dass auch kein Gläubiger von der Gegenwart der Sünde befreit werden kann, solange wir auf der Erde sind. Aber jeder kann von der Macht der Sünde befreit werden, wenn er die Prinzipien anwendet, die Paulus hier darlegt.

Ein kurzer Überblick über die Befreiung von der Macht der Sünde, wie sie in diesem Unterabschnitt vorgestellt wird

  • Römer 5,12–7,6 stellt die Lehre von der Befreiung von der Sünde vor.
  • Römer 7,7-25 ist ein Einschub und veranschaulicht den Prozess der Erfahrung, den eine Seele durchläuft, wenn sie lernt, die Lehre der Befreiung anzuwenden.
  • Römer 8,1-17 zeigt die erfreulichen Ergebnisse, die sich aus der Anwendung der Grundsätze der Befreiung durch den Glauben ergeben.

DIE LEHRE VON DER BEFREIUNG VON DER MACHT DER SÜNDE (Röm 5,12–7,6)

Die Lehre von der Befreiung beinhaltet: das Verstehen bestimmter Dinge, die im Tod Christi vollbracht wurden; im Glauben mit diesen Dingen rechnen und die Hingabe an Gott in der Sphäre des Lebens, in dem Christus für Gott lebt. Dadurch werden wir befähigt, ein geheiligtes Leben in der Kraft des Heiligen Geistes zu führen.

Der Ursprung der Sündennatur

Vers 12

Paulus beginnt seine Abhandlung über die Befreiung von der Sünde, indem er ganz an den Anfang zurückgeht. Er erklärt, wie der Mensch überhaupt von der gefallenen Sündennatur (dem Fleisch) befallen wurde. Er sagt:

Röm 5,12: Darum, so wie durch einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist und durch die Sünde der Tod und so der Tod zu allen Menschen durchgedrungen ist, weil sie alle gesündigt haben …

Paulus führt also den Ursprung der Sündennatur im Menschen auf Adams Übertretung im Garten Eden zurück. Er und seine Frau (Eva) wurden ohne Sünde, aber mit einem freien Willen geschaffen. Leider gebrauchten sie ihren Willen und entschieden sich, Gott nicht zu gehorchen. Und so wurden sie zu Sündern, die eine gefallene Sündennatur besaßen. So ist zu jener Zeit „die Sünde (die Sündennatur) in die Welt gekommen“.

Warum hat Gott zugelassen, dass die Sünde in die Welt kam?

Menschen fragen oft: „Wenn Gott allmächtig und allliebend ist, warum hat Er dann zugelassen, dass die Sünde in die Welt gekommen ist?“ Es stimmt, Er hätte eingreifen und Adam und Eva von der Sünde abhalten können. Aber Gott wusste, dass Er mehr Ehre und die Gläubigen mehr Segen (durch den Tod und die Auferstehung Christi) erhalten würden, als wenn die Sünde nie in die Welt gekommen wäre. Wir (die Gläubigen) befinden uns durch Christus in einer weitaus gesegneteren Position, als wir es als „nicht gefallenes“ Geschlecht unter Adam jemals hätten sein können. Außerdem gibt es bestimmte Aspekte und Eigenschaften Gottes, die wir nicht kennen würden, wenn die Sünde nicht hineingekommen wäre. Zum Beispiel würden wir Gott nicht als „den Gott aller Gnade“ kennen (1Pet 5,10). Wäre die Sünde nicht hineingekommen, so wäre die Gnade nicht überreichlicher geworden als die Sünde (Röm 5,20). Wir würden Gott auch nicht als Gott der „Güte“ kennen, denn in einem sündlosen Zustand würden wir nie etwas tun, was seine Güte erfordern würde (Ps 59,11.18). Wir würden Ihn auch nicht als „Gott allen Trostes“ kennen, weil wir nie Krankheit, Kummer oder Leid erleben würden, Situationen, in denen wir seinen liebevollen Trost bräuchten (2Kor 1,3.4).

Eine endgültige Antwort auf die Frage, warum Gott zugelassen hat, dass die Sünde in die Welt gekommen ist, werden wir wahrscheinlich erst im Himmel erhalten. Während wir auf diesen Tag warten, erkennt der Glaube, dass „Gottes Wege unergründlich sind“ (Röm 11,33), und akzeptiert, dass „sein Weg vollkommen ist“ (Ps 18,31). Das gibt uns Zuversicht, so dass wir diese schwierigen Fragen in seine Hand legen können. Denn wir wissen, dass „der Richter der ganzen Erde“ nie etwas anderes tun würde als „Recht üben“ (1Mo 18,25).

Wer sündigte zuerst?

Wenn wir uns den Bericht über den Sündenfall in 1. Mose 3 ansehen, kommen wir zu dem Schluss, dass es die Frau war, die die Sünde in die Welt gebracht hat. Aber Paulus sagt hier, dass es durch den „Menschen“ [Mann] geschah (Röm 5,12). Daher kann er hier nicht von den chronologischen Ereignissen gesprochen haben. Es ist klar, dass Eva [zeitlich gesehen] vor Adam sündigte und dass Satan und seine Engel wiederum vor Eva sündigten. (Letzteres zeigt sich daran, dass Satan im Garten war und Eva belogen und verführt hatte, bevor sie sündigte.) Es ist daher klar, dass Paulus von Adam als stellvertretendes Haupt des menschlichen Geschlechts spricht. Gott hatte ihn im Garten über die Schöpfung gestellt (1Mo 2,15-17), und so wurde er dafür verantwortlich gemacht, dass die Sünde in die Welt kam.[7]

Adams Natur wurde durch seinen Sündenfall verdorben und so an jede nachfolgende Generation seiner Nachkommen weitergegeben (Ps 51,7). Aber nicht nur das: Auch die Folge der Sündennatur wurde an seine Nachkommen weitergegeben: nämlich der Tod. Paulus sagt: „Durch die Sünde ist der Tod gekommen und so ist der Tod zu allen Menschen durchgedrungen.“ (Die Auswirkungen der Sünde und des Todes sind auch auf die untergeordneten Geschöpfe – die Tiere und Pflanzen usw. – übergegangen. Aber das ist hier nicht sein Thema. Siehe Römer 8,20-22.)

Hauptschaft über ein Menschengeschlecht

Paulus fügt hinzu: „weil sie alle gesündigt haben“. In der Fußnote der KJV steht übersetzt: „in dem {Adam} alle gesündigt haben“. Wenn diese alternative Lesart verwendet werden kann, wird ein Aspekt deutlich: Paulus betont nicht so sehr die Tatsache, dass alle Menschen schuldig sind, weil sie persönlich gesündigt haben (was sicherlich wahr ist; Röm 3,23). Er sagt vielmehr, dass Adams Ungehorsam ein ganzes Geschlecht von Sündern geschaffen hat (Röm 5,19). Als Adam fiel, wurde er zum Haupt eines gefallenen Menschengeschlechts (1Mo 5,3). Der Satz „Alle haben gesündigt“ steht im Griechischen im Aorist. Das weist darauf hin, dass Adams Ungehorsam ein für alle Mal Auswirkungen auf das Geschlecht hatte, das sich unter ihm entwickeln sollte. Dies zeigt erneut, dass Paulus Adam als das Oberhaupt des menschlichen Geschlechts ansieht. Später haben die Menschen bewiesen, dass sie dieselbe Natur haben wie ihr „erster Vater“, weil sie wie er gesündigt haben (Jes 43,27). J.N. Darby sagt:

Durch den Ungehorsam einen Menschen geschah es, dass die vielen (alle Menschen) zu Sündern gemacht wurden, nicht durch ihre eigenen Sünden. Sünden hat ein jeder seine eigenen – hier geht es um einen allen gemeinsamen Zustand der Sünde.[8]

Sünde (die gefallene Natur) und Tod im Menschengeschlecht sind also nicht die Folge der persönlichen Sünden, sondern das Ergebnis des Handelns Adams, des Hauptes des Geschlechts.

Ein Oberhaupt ist jemand, der eine verantwortungsvolle Position an der Spitze innehat und für und im Namen derer handelt, die ihm untergeordnet sind. Dabei kann es sich um das Staatsoberhaupt, das Oberhaupt einer Familie, das Oberhaupt eines Unternehmens usw. handeln. Wenn beispielsweise der Präsident eines Landes ein Gesetz unterzeichnet, handelt er als Staatsoberhaupt für alle Bürger des Landes. Und wenn das Gesetz verabschiedet wird, ist es für alle im Land verbindlich. Der Hebräerbrief gibt ein Beispiel für ein föderales Oberhaupt in einer Familie. Der Schreiber spricht von Abraham, der diese Rolle innehatte. Er sagt, dass Levi mit dem Zehnten, den Abraham an Melchisedek gab, auch den Zehnten an Melchisedek zahlte. Und das, obwohl Levi zu dieser Zeit noch nicht geboren war; das geschah erst etwa zweihundert Jahre später (Heb 7,9.10). Dennoch heißt es, dass Levi „noch in den Lenden des Vaters“ war (Heb 7,10), als Melchisedek den Zehnten von Abraham erhielt. Somit handelte Abraham für und im Namen von Levi (und seiner Nachkommenschaft) als das Oberhaupt der Familie.

Zwei Häupter über zwei Menschengeschlechter

In einer Klammer (Röm 5,13-17) zeigt Paulus, dass mit dem Oberhaupt sowohl Adam als auch Christus gemeint ist. Jeder von ihnen ist das Haupt eines Menschengeschlechts, und ihre Handlungen in dieser Rolle haben große Auswirkungen auf ihr Menschengeschlecht.

Verse 13.14

Röm 5,13.14: … (denn bis zu dem Gesetz war Sünde in der Welt; Sünde aber wird nicht zugerechnet, wenn kein Gesetz da ist. Aber der Tod herrschte von Adam bis auf Mose, selbst über die, die nicht gesündigt hatten in der Gleichheit der Übertretung Adams, der ein Vorbild des Zukünftigen ist.

Paulus beginnt mit Adam. Er zeigt auf, dass Adams Handlungen als Oberhaupt des menschlichen Geschlechts negative Auswirkungen für das Geschlecht hatten. Seine Nachkommen werden so angesehen, als hätten sie mit ihm gehandelt, auch wenn sie zum Zeitpunkt seines Handelns noch nicht existierten. Als Adam sündigte, erzeugte er also ein ganzes Geschlecht von Sündern (Röm 5,19). Das bedeutet nicht, dass wir für Adams Sünde verantwortlich sind. Es bedeutet auch nicht, dass wir dafür verantwortlich sind, dass wir die Sündennatur haben.

Schon bevor das Gesetz gegeben wurde, in den Tagen „von Adam bis auf Mose“ (etwa zweitausendfünfhundert Jahre), als die Menschen kein direktes Gebot von Gott hatten so wie Adam, „herrschte der Tod“. Die Menschen in jenen Tagen hatten „nicht gesündigt in der Gleichheit {Ähnlichkeit} der Übertretung Adams“, indem sie ein bekanntes Gebot übertreten hätten. Und doch waren die Auswirkungen der Sünde für sie spürbar: Sie alle starben – mit Ausnahme von Henoch (Heb 11,5). Adam hatte ein direktes (mündliches) Gebot von Gott erhalten (1Mo 2,16.17). Daher war sein Ungehorsam eine eindeutige Übertretung. Aber die Menschen in jenen frühen Tagen (bevor das Gesetz gegeben wurde) hatten kein Gesetzbuch von Gott. Ihre einzige Richtschnur war ihr Gewissen. Da es in dieser Zeit kein ausdrückliches Gebot von Gott gab, konnte den Sündern keine Übertretung „zugerechnet“ werden. Paulus will damit Folgendes sagen: Die Sünde war in der Welt, unabhängig davon, ob es ein festgelegtes Gesetz gab oder nicht. Dies kann durch die Tatsache bewiesen werden, dass der Tod in dieser Zeit über alle Menschen herrschte.

Paulus sagt dann, dass Adam „ein Vorbild des Zukünftigen ist“. Das bezieht sich auf Christus. Es zeigt, dass auch Christus ein Adam ist – das heißt das Haupt eines Menschengeschlechts. In der Tat wird Christus als Haupt seines Geschlechts „der letzte Adam“ genannt (1Kor 15,45). Er ist der „letzte“ Adam, weil von Gott keine weiteren Menschengeschlechter mehr kommen werden. Dieses neue Geschlecht unter Christus ist vollkommen. Daher besteht für Gott keine Notwendigkeit, ein weiteres Geschlecht nach diesem ins Leben zu rufen. Das Geschlecht Christi ist gänzlich neu und unterscheidet sich in seinem Charakter von dem Adams, denn Christi Geschlecht ist eine „neue Schöpfung“ Gottes (2Kor 5,17; Off 3,14). Die beiden Oberhäupter der beiden Geschlechter werden in der Heiligen Schrift durch die Fachausdrücke „in Adam“ und „in Christus“ unterschieden (1Kor 15,22).

Christus wurde durch die Auferstehung zum Haupt seines neu geschaffenen Geschlechts und ist somit „der Erstgeborene unter vielen Brüdern“ (Röm 8,29; Kol 1,18; Heb 1,6; 2,11-13; Off 1,5). Der Begriff „Erstgeborener“ bezieht sich in diesem Sinn nicht auf die Geburtsreihenfolge in einer Familie, obwohl der Herr auch hier der Erste war (Mt 1,25). Er bezieht sich auf den ersten Rang und die erste Position, auf eine herausragende Stellung unter anderen. Der Begriff „Erstgeborener“ wird in der Heiligen Schrift an mehreren Stellen in dieser Weise verwendet. (Vergleiche 1. Mose 25,25 mit 2. Mose 4,22; 1. Chronika 2,13-15 mit Psalm 89,28; 1. Mose 48,14 mit Jeremia 31,9.) Als der „Erstgeborene“ „schämt“ sich der Herr nicht, die Angehörigen seines Geschlechts seine „Brüder“ zu nennen, denn sie sind von derselben Art wie Er und passen daher vollkommen zu Ihm (1Mo 1,25; 2,21-23; Heb 2,11).

Vers 15

Paulus überlegt:

Röm 5,15a: Ist nicht aber wie die Übertretung so auch die Gnadengabe?

Die Antwort lautet: Ja. Genauso sicher wie Adams „Übertretung“ als Oberhaupt das ganze Geschlecht unter ihm betraf, so wirkt sich Christi „Gnadengabe“ als Oberhaupt seines Geschlechts auf alle unter Ihm aus. Dies ist eine große Ähnlichkeit zwischen Adam und Christus: Durch eine einzige Tat hat jeder von ihnen sein Geschlecht geprägt, obwohl beide Geschlechter zur Zeit ihrer Handlungen noch nicht existierten. Dies wird von Paulus durch die doppelte Verwendung des Wortes „viele“ unterstrichen. Das erste „viele“ in Römer 5,15 bezieht sich auf alle, die unter Adam stehen und infolge seiner Übertretung dem Tod unterliegen. Das sind alle Menschen. Das zweite „viele“ bezieht sich auf alle, die Teil der neuen Schöpfung unter Christus sind. Dies sind nur die Gläubigen.

Die Übertretung und die Gabe in Gnade im Gegensatz zueinander

Röm 5,15b: Denn wenn durch die Übertretung des einen die vielen gestorben sind, so ist viel mehr die Gnade Gottes und die Gabe in Gnade, die durch den einen Menschen, Jesus Christus, ist, zu den vielen überströmend geworden.

Paulus stellt dann den großen Unterschied dar zwischen der „Übertretung“ Adams und der „Gabe in Gnade“ durch Christus. Dies wird durch die von Paulus verwendete Formulierung „viel mehr“ unterstrichen. Adams Übertretung hat eine enorme negative Auswirkung auf seine Nachkommen, während Christus eine enorme positive Auswirkung auf sein Geschlecht hat. Paulus stellt fest, dass durch „die Übertretung des einen die vielen gestorben sind“, dass aber „die Gabe in Gnade, die durch den einen Menschen, Jesus Christus, ist, zu den vielen überströmend geworden“ ist. Dieser Gegensatz könnte nicht größer sein.

Verurteilung und Rechtfertigung im Gegensatz zueinander

Vers 16

Röm 5,16: Und ist nicht wie durch einen, der gesündigt hat, so auch die Gabe? Denn das Urteil war von einem zur Verdammnis, die Gnadengabe aber von vielen Übertretungen zur Gerechtigkeit.

Paulus bringt einen zweiten Gegensatz vor: Adams Tat hat ein „Urteil zur Verdammnis“ gebracht, Christi Tat dagegen hat die „vielen Übertretungen“ der Sünder, die glauben, zur „Rechtfertigung {richterliche Gerechtigkeit}“ gebracht. Paulus verwendet das Wort „aber“, um diese beiden Dinge miteinander zu verrechnen.

Indem er sagt: „Urteil zur Verdammnis“, zeigt er, dass diese beiden Dinge nicht gleichbedeutend sind: Das eine geht dem anderen voraus. Sein Gebrauch des Wortes „zur“ zeigt dies. Walter Scott sagt:

Urteil und Verdammnis sind nicht dasselbe. Verdammnis liegt in der Zukunft und ist endgültig. Das Urteil geht ihr voraus.

Alle Menschen unter Adam unterliegen diesem Urteil des Gerichts, aber sie sind nicht verdammt – zumindest noch nicht. Die Verdammnis ist eine endgültige und unwiderrufliche Sache, die alle treffen wird, die ohne Glauben aus dieser Welt gehen und ihre Sünden nicht bekannt haben. Einige Bibelübersetzungen geben das Wort „Gericht“ als „Urteil“ wieder[9], um darauf hinzuweisen, dass es sich um das Urteil handelt, das über einen Menschen gefällt wurde, und nicht um die tatsächliche Vollstreckung der Strafe. J.N. Darby erklärt in der Fußnote seiner Übersetzung von Lukas 20,47, dass das Wort „Gericht“ Folgendes bedeutet: „das Urteil über die Sache, die als Schuld angelastet wird, die Anklage selbst als Grund des Urteils, nicht die Tatsache der Verdammnis“. Er sagt auch:

Wir alle kennen, wenn wir überhaupt etwas wissen, den Unterschied zwischen vergangenen Sünden (oder gegenwärtigen) und der bösen Natur [Sünde], der Frucht und dem Baum. Wenn man fragt: „Ist ein Mensch wegen beidem verdammt?“, so würde ich sagen, dass er eher verloren ist als verdammt.[10]

Es ist wahr, dass die KJV-Übersetzung in Johannes 3,18 sagt: „Wer aber nicht glaubt, ist schon verdammt, weil er nicht geglaubt hat an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes.“ – aber es sollte besser „gerichtet“ statt „verdammt“ übersetzt werden.[11]

„Die Welt“, „das Fleisch“ und „der Teufel“ stehen unwiderruflich unter dem Gericht (1Kor 11,32; Röm 8,3; 1Tim 3,6), aber nicht die Menschen, die heute in dieser Welt leben. Sie sind jedoch verloren und unterliegen dem Urteil des Gerichts. Wenn sie sich nicht im Glauben zu Gott bekehren, werden sie zu einer verlorenen Ewigkeit verurteilt werden. Im Licht dieser lehrmäßigen Unterscheidung können wir erkennen, dass das Lied, in dem es heißt: „Einst standen wir unter Verdammnis und erwarteten den Urteilsspruch über den Sünder“,[12] nicht richtig ist, denn die Schrift lehrt, dass alle, die unter der Verdammnis stehen, nicht wiederhergestellt werden können. Das Großartige an der „Rechtfertigung“ und daran, dass wir „in Christus“ sind (unsere neue Stellung vor Gott unter unserem neuen Haupt), ist: Für uns ist es nun unmöglich, jemals in „Verdammnis“ zu geraten (Röm 8,1).

Die Herrschaft der Sünde und des Todes und die Herrschaft der Gerechtigkeit im Leben im Gegensatz zueinander

Vers 17

Röm 5,17: Denn wenn durch die Übertretung des einen der Tod durch den einen geherrscht hat, so werden viel mehr die, welche die Überfülle der Gnade und der Gabe der Gerechtigkeit empfangen, im Leben herrschen durch den einen, Jesus Christus):

Paulus weist auf einen dritten Gegensatz hin: auf den Unterschied zwischen der Herrschaft der Sünde und des Todes und der Herrschaft der Gerechtigkeit im Leben. Er sagt, dass in Adam „der Tod herrschte“. Aber jetzt wird für „die, welche die Überfülle der Gnade empfangen“ (d.h. die Gläubigen), „die Gabe der Gerechtigkeit im Leben herrschen“.[13] Wiederum verwendet er die Formulierung „viel mehr“, um diesen Unterschied zu verdeutlichen. Durch Adams Vergehen herrschen Sünde und Tod seither über alle in Adams Geschlecht. Andererseits herrscht die Gerechtigkeit im „Leben“. Das ist das Ergebnis dessen, was Christus für die Gläubigen vollbracht hat. Dies ist ein unglaublicher Gegensatz. Die Glieder von Adams Geschlecht werden als Sklaven der Sünde gesehen, die unter dem tyrannischen Herrn (der Sünde) sterben. Die Glieder des neuen Geschlechts Christi hingegen werden als Herrscher gesehen, die im Leben und in Freiheit regieren! Dies sind zwei gegensätzliche Zustände. Es stimmt zwar, dass im Tausendjährigen Reich Christi in jeder Hinsicht „Gerechtigkeit regieren wird“ (Jes 32,1), aber Paulus bezieht sich auf die Gerechtigkeit, die jetzt im Leben des Gläubigen herrscht. Er erläutert dies in Römer 5,21.

Fasst man den Inhalt der Klammer zusammen, so sieht man Folgendes:

  • Die Gabe übertrifft das Vergehen.
  • Die Rechtfertigung übertrifft die Verurteilung.
  • Das Leben übertrifft den Tod.

Die stellungsmäßige Versetzung des Gläubigen von Adam zu Christus

Vers 18

Röm 5,18: … also nun, wie es durch eine Übertretung gegen alle Menschen zur Verdammnis gereichte, so auch durch eine Gerechtigkeit gegen alle Menschen zur Rechtfertigung des Lebens.

In den letzten Versen des Kapitels zeigt Paulus, dass die Gläubigen von der Stellung unter Adam unter das Haupt und in das Geschlecht Christi versetzt worden sind. Nachdem er einige Gegensätze aufgezeigt hat, vergleicht er nun einige Aspekte. Er verwendet Worte wie „so“ oder „auch“.

Er sagt: So wie Adams „eine Übertretung“ eine Auswirkung auf „alle Menschen zur Verdammnis“ hatte, „so“ hat sich „auch“ Christi „eine“ Tat der „Gerechtigkeit“ auf „alle Menschen zur Rechtfertigung des Lebens“ ausgewirkt. Hier gibt es zwei „alle“. Im Gegensatz zu den beiden „vielen“ in Römer 5,15, die die beiden Menschengeschlechter gegenüberstellen, beziehen sich diese beiden „alle“ auf ein und dasselbe Volk: auf das gesamte menschliche Geschlecht. Adams Tat hat etwas „für alle Menschen“ bewirkt, und das gilt auch für die Tat Christi.

Der „eine“ Akt der „Gerechtigkeit“, von dem Paulus hier spricht, bezieht sich auf das gesamte Leben und Sterben Christi.[14] Es wird als ein einziger ununterbrochener Akt des Gehorsams betrachtet. Alexander Hume Rule (1843–1906) sagt:

Jede Tat, jedes Wort und jeder Gedanke vom Anfang bis zum Ende war Gehorsam, so dass sein ganzes Leben und sein ganzer Tod als ein einziger ununterbrochener Akt des Gehorsams betrachtet werden.[15]

Dieser Akt Christi gegenüber dem Menschengeschlecht ist „zur Rechtfertigung des Lebens“ für diejenigen, die glauben. Dieser Begriff „Rechtfertigung des Lebens“ bezieht sich darauf, dass die Gläubigen in eine neue Position vor Gott gestellt werden. In dieser sieht Er sie nicht mehr als Sünder. Er sieht sie mit ihrem neuen Leben, das frei von Sünde ist.

Vers 19

Paulus sagt:

Röm 5,19: Denn so wie durch den Ungehorsam des einen Menschen die vielen in die Stellung von Sündern gesetzt worden sind, so werden auch durch den Gehorsam des einen die vielen in die Stellung von Gerechten gesetzt werden.

Hier wird das Wort „gesetzt“ verwendet. Diejenigen, die glauben, werden also nicht in einem praktischen Sinn sofort gerecht. Gott ernennt sie zu Gerechten, indem Er sie in das Geschlecht Christi unter dessen Haupt stellt. (Daher wird das Verb „gesetzt“ im Futur verwendet, um zu zeigen, dass es alle zukünftigen Generationen von Gläubigen in dem Geschlecht einschließt. Das finden wir so auch schon im Griechischen.) Durch den einen Gehorsamsakt Christi sind die Gläubigen also von Adams Haupt unter das Haupt Christi überführt worden. Das bedeutet, dass die vorgenannten Segnungen, die mit dem neuen Geschlecht Christi verbunden sind, den Gläubigen zukommen.

Vers 20

Röm 5,20: Das Gesetz aber kam daneben ein, damit die Übertretung überströmend würde. Wo aber die Sünde überströmend geworden ist, ist die Gnade noch überreichlicher geworden, …

Paulus erklärt dann, dass das Gesetz eingeführt wurde, um die Sünde als äußerst sündhaft zu offenbaren. Diejenigen, die unter dem Gesetz stehen und das Gesetz nicht gehalten haben, können mit Recht bestimmter Übertretungen angeklagt werden. Schließlich haben sie von Gott im Gesetz bestimmte Gebote erhalten, was sie tun und was sie nicht tun dürfen. Infolgedessen haben sie ein bekanntes Gebot Gottes „übertreten wie Adam“ (Hos 6,7). Darüber hinaus haben sowohl die „Übertretung“ als auch die „Gnade“ in entgegengesetzter Richtung überhandgenommen – wobei die Gnade „noch“ mehr überhandgenommen hat. So ist der Eintritt der Sünde in die Welt zu einer Gelegenheit für Gott geworden, seine Gnade zu verherrlichen, indem Er sie größer macht als alles andere.

Zwei Sphären des Lebens

Paulus schließt seine Abhandlung über die beiden Oberhäupter mit einer Feststellung: Aufgrund ihrer beider Taten gibt es nun zwei entsprechende Sphären des Lebens, in denen die Menschen leben: den einen unter Adam, der zum Tod gehört, und den anderen unter Jesus Christus, unserem Herrn, der zum Leben gehört. Das zeigt sich so, dass sowohl die Sünde als auch die Gnade „herrschen“. Das bedeutet, dass sie beide eine Sphäre der Herrschaft haben, in der sie ihre Autorität ausüben. Paulus sagt:

Vers 21

Röm 5,21: Wie die Sünde geherrscht hat im Tod, so herrsche auch die Gnade durch Gerechtigkeit zu ewigem Leben durch Jesus Christus, unseren Herrn.

Da diese beiden Dinge herrschen, können sie in gewissem Sinn als Könige oder Herren angesehen werden. Die „Sünde“ regiert an einem Ort des „Todes“. Das ist im Wesentlichen die Welt und alles, was zu ihr gehört. Auf der anderen Seite regiert die „Gnade“ „zu ewigem Leben“. Das ewige Leben ist nicht nur im Gläubigen (Joh 3,15.16.36), sondern es ist auch eine Sphäre des Lebens, in dem der Gläubige in Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn leben soll (Joh 17,3; 1Tim 6,12.19). Was diesen letzten Aspekt des ewigen Lebens betrifft, so sagt Darby, dass es sich um einen „außerweltlichen Zustand der Dinge“ handelt, in dem der Gläubige durch den Geist lebt. Paulus spielt hier auf den letzten Aspekt des ewigen Lebens an: Wir werden in den Himmel aufgenommen, in eine Umgebung, die vollkommen und völlig frei von Sünde ist – wo Licht, Liebe und Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn alles und in allem ist. Die gute Nachricht ist, dass wir durch den uns innewohnenden Geist Gottes schon jetzt ewiges Leben haben und in dieser Umgebung leben können, während wir hier auf der Erde sind (Joh 4,14; 1Joh 5,11-13). Dies ist von wesentlicher Bedeutung für das Thema der Befreiung von Sünde, das wir in diesem Abschnitt des Briefes behandeln.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Als Gläubige an den Herrn Jesus Christus sind wir, was unsere Stellung betrifft, von Adams Hauptschaft unter die Hauptschaft Christi versetzt worden. Wir werden also nicht mehr als unter dem alten Haupt stehend und mit dem entsprechenden Zustand verbunden angesehen; wir gehören jetzt zu dem neuen Menschengeschlecht unter Christus (2Kor 5,17) und sind somit mit der neuen Welt unter seinem Haupt einsgemacht. Daher ist für den Gläubigen die Herrschaft der Sünde und des Todes durch die Herrschaft des Lebens in Christus abgelöst worden.


Engl Originaltitel: „The Great Results of Justification and Reconciliation: Romans 5:1-11“
aus The Epistle of Paul to the Romans. God’s Righteousness declared in the Gospel, displayed in His dispensational ways and demonstrated in practical life“
Surrey, Kanada (Christian Truth Publishing) 2015, First Edition, Version 1.1
Quelle: www.bibletruthpublishers.com

Übersetzung: Tirza Winterhoff

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Anmerkungen

[1] E. Dennett, aus „Chapter 5:  Peace With God“ in Fundamental Truths of Salvation, London (Broom) 1876, S. 47.

[2] J.N. Darby, Practical Reflections on the Psalms, London (Allan), S. 24.

[3] Anm. d. Red.: Aus dem Lied „Auf, o Seele! Gott dich leitet“. Der englische Originaltitel lautet „Rise, my soul, thy God directs thee“ und stammt von J.N. Darby (1800–1882): In the desert God shall teach thee, | what the God that thou hast found, | patient, gracious, powerful, holy, | all His grace shall there abound.

[4] Anm. d. Red.: Übersetzt aus dem Lied „Father, Thy sovereign love has sought“ von J.N. Darby (1800–1882): Father, Thy sovereign love has sought | captives to sin, gone far from Thee; | the work that Thine own Son hath wrought | has brought us back in peace and free. Quelle: https://hymns.growingrace.com.

[5] Anm. d. Red.: Übersetzt aus dem Lied „We joy in our God, and we sing of that love“ von William Yerbury (1780–1858): We joy in our God, and we sing of that love, | so sovereign and free which did His heart move! | When lost our condition, all ruined, undone, | He saw with compassion, and spared not His Son! Quelle: https://hymns.growingrace.com.

[6] Anm. der Red.: Der Autor meint vielleicht: Wir sollen die Sünde nicht nur auf das beschränken, was wir vor unserer Bekehrung waren.

[7] W. Reid sagt: „Das Wort ,Haupt‘ wird in diesem Kapitel [Röm 5] nicht verwendet, aber die Wahrheit ist darin enthalten“ (The Bible Herald).

[8] J.N. Darby, Synopsis of the Books of the Bible. Betrachtung über Römer (Synopsis), Kommentar zu Kapitel 5,12. Quelle: bibelkommentare.de.

[9] Anm. d. Red.: So auch die Elberfelder (Edition CSV).

[10] J.N. Darby, „Romans compared with other Epistels“ in Collected Writings, Bd. 34, S. 406. Siehe: https://www.stempublishing.com.

[11] Anm. d. Red.: Wie es auch die CSV-ELB macht.

[12] Anm. d. Red.: Übersetzt aus dem Lied „Once we stood in condemnation waiting thus the sinner’s doom“ von George West Frazer (1830–1896).

[13] Anm. der Red.: Das gibt unseres Erachtens der Text nicht her. Hier herrschen diejenigen, die die Gabe der Gerechtigkeit empfangen haben, und nicht die Gerechtigkeit.

[14] Anm. d. Red.: Wenn wir die Stellen, die mit Rechtfertigung zu tun haben, genauer betrachten, dann wird klar: Bei der Rechtfertigung geht es um das Blut und den Tod Christi und nicht um den Gehorsam in seinem Leben dem Gesetz gegenüber. Wir lesen lediglich von einem Gebot, das der Herr Jesus vom Vater empfangen hatte und das sein ganzes Leben prägte. In diesem Zusammenhang geht es darum, dass der Herr Jesus sein Leben lassen würde, aber nicht um die Erfüllung des Gesetzes. In dem Abschnitt hier in Römer 5 geht es um den Gehorsam Christi im Gegensatz zu dem Ungehorsam Adams. Eine Parallelstelle hierzu finden wir in Philipper 2,5-8. Auch hier geht es um ebendieses Thema. Und wir finden deutlich, dass der Gehorsam Christi von Anfang bis Ende als ein großes Ganzes angesehen wird: „Er nahm Knechtsgestalt an … und wurde gehorsam bis zum Tod, ja zum Tod am Kreuz.“ Dort am Kreuz wurde sein Gehorsam in vollstem Maße geprüft. Eine Trennung in seinem Gehorsam gibt es nicht, und wenn man unterscheiden will, dann ist es eben gerade sein Tod und nicht sein Leben, was die Rolle für die Rechtfertigung einnimmt, wie die vorher behandelten Stellen zeigen.

[15] A.H. Rule, „Substitution and Righteousness“ in Selected Ministry of A.H. Rule, Bd. 1, S. 138.


Nota redacţiei:

Redacţia SoundWords este răspunzătoare pentru publicarea articolului de mai sus. Aceasta nu înseamnă că neapărat ea este de acord cu toate celelalte gânduri ale autorului publicate (desigur cu excepţia articolelor publicate de redacţie) şi doreşte să atragă atenţia, să se ţină seama de toate gândurile şi practicile autorului, pe care el le face cunoscut în alte locuri. „Cercetaţi toate lucrurile, şi păstraţi ce este bun” (1 Tesaloniceni 5.21).

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