Der Prophet Sacharja (6)
Kapitel 6

Henry Allen Ironside

© SoundWords, online seit: 15.01.2022, aktualisiert: 29.04.2023

Die vier Wagen und der Krönungstag

Kapitel 6 schließt den ersten Teil der Prophezeiung ab und ist in zwei Teile unterteilt:

  1. Die Verse 1 bis 8 geben die letzte Vision Sacharjas wieder.
  2. Die Verse 9 bis 15 beschreiben den herrlichen Höhepunkt aller bildhaften prophetischen Belehrungen: die Krönung des Hohenpriesters Josua. Diese Krönung stellt die Krönung unseres Herrn Jesus Christus dar, wenn Er Israel als „Priester in Ewigkeit nach der Ordnung Melchisedeks“ [Ps 110,4; Heb 5,6; 7,17.21] offenbart werden wird. Nach dieser Ordnung wird Er in seiner Person sowohl das königliche als auch das priesterliche Amt vereinen.

Verse 1-4

Sach 6,1-4: 1 Und ich erhob wiederum meine Augen und sah: Und siehe, vier Wagen kamen hervor zwischen zwei Bergen; und die Berge waren Berge aus Erz. 2 Am ersten Wagen waren rote Pferde und am zweiten Wagen schwarze Pferde 3 und am dritten Wagen weiße Pferde und am vierten Wagen scheckige, starke Pferde. 4 Und ich hob an und sprach zu dem Engel, der mit mir redete: Mein Herr, was sind diese?

Die Vision ist recht einfach und zugleich tröstlich. Sie bedarf keiner großen Erklärung. Sacharja sieht vier Wagen, die jeweils von roten, schwarzen, weißen und scheckigen schwarzen Pferden gezogen werden. Von Fahrern ist nicht die Rede. Es scheint, als ob die Pferde von einer unsichtbaren Macht gelenkt werden, was völlig im Einklang steht mit der Erklärung, die danach gegeben wird.

Die Wagen und ihre Pferde kommen zwischen zwei Bergen aus Erz hervor. Der Prophet möchte wissen, was die Symbole bedeuten, und erhält von dem Engel die Antwort:

Verse 5-8

Sach 6,5-7: 5: Und der Engel antwortete und sprach zu mir: Diese sind die vier Winde des Himmels, die ausgehen, nachdem sie sich vor den Herrn der ganzen Erde gestellt haben. 6 An welchem die schwarzen Pferde sind, die ziehen aus zum Land des Nordens; und die weißen ziehen aus hinter ihnen her; und die scheckigen ziehen aus zum Land des Südens; 7a und die starken[1] ziehen aus und trachten hinzugehen, die Erde zu durchziehen.

Dann spricht der Engel die rastlosen Rösser direkt an und gebietet ihnen:

Sach 6,7b: Und er sprach: Geht, durchzieht die Erde! Und sie durchzogen die Erde.

Sofort machen sie sich auf den Weg, woraufhin sich der Engel wieder an Sacharja wendet:

Sach 6,8: Und er rief mich und redete zu mir und sprach: Siehe, diejenigen, die zum Land des Nordens ausgezogen sind, lassen meinen Geist Ruhe finden im Land des Nordens.

Die Vision zeigt offensichtlich, dass Gott alle zerstörerischen Kräfte lenkt. Er wird sie einsetzen, wenn Er die Nationen, die seinen Zorn verdient haben, bestraft. Die Vision soll den Überrest beruhigen und ihm Zuversicht schenken, indem sie ihm deutlich macht, dass der Gott Israels der Herr der ganzen Erde ist: „Alle Dinge dienen dir [dem HERRN].“[2] Auf seine Weise und zu seiner Zeit wird Er die „Wagen“ seiner Regierung gegen die Nationen schicken, die sein Volk geplündert und verderbt haben. Die „Berge aus Erz“ sprechen von der Macht, ein gerechtes Gericht auszuführen. Die Wagen fahren zwischen zwei dieser Berge hindurch.

Die ausführenden Werkzeuge der Vorsehung Gottes erscheinen dem Unglauben vielleicht wie rastlose, zügellose Pferde, die einem blinden Zufall oder ihrer eigenen nicht zu bändigenden Kraft folgen und hierhin und dorthin eilen. Aber der Gläubige weiß – obwohl er nicht immer die Hand sieht, die die Zügel hält –, dass die Weisheit Gottes alles in Gerechtigkeit lenkt.

Sacharjas Vision bezieht sich prophetisch gesehen damals auf das Königreich Babel im Norden und Ägypten im Süden. Inmitten dieser beiden Mächte würde Gott seine schwache Herde bewahren und jeden Versuch, sie zu vernichten, vereiteln – bis zu dem Zeitpunkt, wenn der Messias kommen würde. Leider erkannten sie Ihn nicht, als Er kam! Deshalb wurden sie aus ihrer angestammten Heimat vertrieben und unter die Nationen zerstreut. Aber in den letzten Tagen wird sich sein Volk erneut in einer vergleichbaren – wenn auch bedrohlicheren – Lage befinden wie in der, in der sie einst so schmerzlich versagten. Dann wird die Lektion dieser Vision zu ihrem Trost und zu ihrer Ermunterung dienen. Denn die Vision fordert sie auf, vertrauensvoll zu dem aufzublicken, der die Herrschaft über alle Mächte ausübt, die versuchen, sie aus dem Weg zu räumen. Vergleiche dies mit Offenbarung 7,1-3, wo vier Engel die Winde bzw. die Geister der Verwüstung aufhalten. Dies tun sie so lange, bis der Überrest versiegelt ist, der für das Reich Christi, das bald aufgerichtet werden wird, bewahrt werden soll.

Wir haben uns mit der Apokalypse des Sacharja beschäftigt und versucht, seine Visionen in ihrer prophetischen und moralischen Bedeutung zu verstehen. Sie sind in völliger Übereinstimmung mit den Visionen aus Daniel und Offenbarung wie auch mit der Entfaltung der Wege Gottes in Hosea.

Verse 9-15

Sach 6,9-15: 9 Und das Wort des HERRN erging an mich, indem er sprach: 10 Nimm von den Weggeführten, von Cheldai und von Tobija und von Jedaja – und geh du an diesem Tag, geh in das Haus Josijas, des Sohnes Zephanjas, wohin sie aus Babel gekommen sind –, 11 ja, nimm Silber und Gold und mache eine Krone. Und setze sie auf das Haupt Josuas, des Sohnes Jozadaks, des Hohenpriesters, und sprich zu ihm und sage: 12 So spricht der HERR der Heerscharen und sagt: Siehe, ein Mann, sein Name ist Spross; und er wird von seiner Stelle aufsprossen und den Tempel des HERRN bauen. 13 Ja, er wird den Tempel des HERRN bauen; und er wird Herrlichkeit tragen; und er wird auf seinem Thron sitzen und herrschen, und er wird Priester sein auf seinem Thron; und der Rat des Friedens wird zwischen ihnen beiden sein. 14 Und die Krone soll Chelem und Tobija und Jedaja und der Güte des Sohnes Zephanjas zum Gedächtnis sein im Tempel des HERRN. 15 Und Entfernte werden kommen und am Tempel des HERRN bauen; und ihr werdet erkennen, dass der HERR der Heerscharen mich zu euch gesandt hat. Und dies wird geschehen, wenn ihr fleißig auf die Stimme des HERRN, eures Gottes, hören werdet.

Nun wollen wir uns mit einer symbolischen Handlung des Propheten beschäftigen. Sie veranschaulicht das Einführen der Herrlichkeit bzw. des Krönungstags: die Einsetzung des einst abgelehnten Jesus als Priester-König über die ganze Erde.

Sacharja wird aufgefordert, zu einigen Leuten zu gehen, die aus der Gefangenschaft zurückgekehrt waren, und von ihnen Geschenke aus Silber und Gold entgegenzunehmen, um daraus Kronen zu machen. Eine Krone soll er dem Hohenpriester Josua, dem Sohn des Jozadak, auf das Haupt setzen. Doch während er dies tut, soll er von einem Größeren als Josua sprechen und sagen: „Siehe, ein Mann, sein Name ist Spross; und er wird von seiner Stelle aufsprossen und den Tempel des HERRN bauen. Ja, er wird den Tempel des HERRN bauen; und er wird Herrlichkeit tragen; und er wird auf seinem Thron sitzen und herrschen, und er wird Priester sein auf seinem Thron; und der Rat des Friedens wird zwischen ihnen beiden sein.“

Außerdem werden Kronen auf die Häupter der Gefährten Josuas gesetzt, um die Würde des wiederhergestellten Israels zu veranschaulichen: Ganz Israel wird dann nämlich ein Königtum von Priestern sein. Dies soll zu einem „Gedächtnis sein im Tempel des HERRN“. Dann folgt die Erklärung: „Und Entfernte werden kommen und am Tempel des HERRN bauen; und ihr werdet erkennen, dass der HERR der Heerscharen mich zu euch gesandt hat. Und dies wird geschehen, wenn ihr fleißig auf die Stimme des HERRN, eures Gottes, hören werdet.“

Diejenigen, an die Sacharja sich unmittelbar wendet, hören nicht fleißig auf die Stimme des HERRN und verwirken so den verheißenen Segen. Aber an einem zukünftigen Tag wird ein gehorsamer Überrest gefunden werden, der von neuem geboren werden wird. Die Gesetze Gottes werden in ihr Herz und auf ihren Sinn geschrieben, so dass sich der Überrest an den Zeugnissen Gottes erfreuen wird. Dann wird der Spross des HERRN der ganzen Erde zur Herrlichkeit sein, und die Königskrone wird auf jenes Haupt gesetzt werden, das einst zum Spott mit einer Dornenkrone durchstochen wurde. Dies geschah damals, als Pilatus den Herrn Jesus hinausführen ließ und – ohne sich dessen bewusst zu sein – ebendie Worte des Propheten [Sach 6,12] aussprach: „Siehe, ein Mann“ [vgl. Joh 19,5]. Doch an dieser Stelle hielt er inne, denn die Stunde war noch nicht gekommen, wenn jenem erniedrigten Menschen seine königliche Herrlichkeit übertragen werden sollte. Doch wenn Gott seinen Erstgeborenen wieder in den Erdkreis einführt, wird Er alle erschaffenen Wesen – Menschen und Engel – auffordern, Ihm zu huldigen. Dann wird sich die Verheißung aus Psalm 110 erfüllen, und sein Priestertum nach der Ordnung Melchisedeks in Bezug auf Israel und die Erde wird eingeführt werden.

Was den Tempel betrifft: Es ist ein anderer Tempel gemeint als der von Serubbabel. Das wird deutlich aus Sacharja 6,12 und 15: „Er wird … den Tempel des HERRN bauen. … Und Entfernte werden kommen und am Tempel des HERRN bauen.“ Dieser Tempel wird herrlicher sein als der von Serubbabel. Denn das Haus, um das es hier geht, wird „überaus groß sein“[3]. Es wird – mitsamt seiner Ausstattung und seinen Ordnungen – in den letzten acht Kapiteln von Hesekiel ausführlich beschrieben. Dieser Tempel wird dann errichtet werden, wenn der langersehnte König kommt und in seiner Person die beiden Funktionen – die des Priesters und die des Herrschers – in seiner Person vereint.

„Der Rat des Friedens wird zwischen ihnen beiden sein.“ Das bedeutet: Der Neue Bund wird nicht auf einer Übereinkunft zwischen Mensch und Gott beruhen, sondern die ewige Grundlage wird der „Rat des Friedens“ sein zwischen dem HERRN der Heerscharen und dem Mann, der „Spross“ genannt wird. Er ist der Mann der Ratschlüsse Gottes, und Er hat alle Fragen bezüglich der Sünde beantwortet, als Er am Holz gestorben ist. Und nun, da Er „Frieden gemacht hat durch das Blut seines Kreuzes“, ist Er der Mittler, durch den die Versöhnung aller Dinge, und zwar auf der Erde und in den Himmeln, bewirkt wird (Kol 1,20).

Wir sind im Geist von den Tagen der ersten Wiederherstellung Judas geführt worden bis zu jener Zeit, wenn Juda in den Genuss der endgültigen Segnungen im Land gekommen sein wird. Dann wird „dieser [der Messias] Friede sein“ [Mich 5,4]. Er wird zu seiner Zeit zeigen, wer „der selige und alleinige Machthaber ist, der König der Könige und Herr der Herren“ (1Tim 6,15). Dies ist das Endziel der Prophetie und der Abschluss des ersten Teils des Propheten Sacharja.


Originaltitel: „Notes on the Prophecy of Zechariah“
aus Notes on the Minor Prophets, 1909

Übersetzung: Andreas Albracht

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Anmerkungen

[1] Anm. d. Red.: In der Menge-Bibel heißt es: „die rotbraunen“; siehe die Randbemerkung der RV (= Revised Version, manchmal auch English Revised Version genannt; aus den 1890er Jahren. Die RV ist eine Überarbeitung der englischen King-James-Bibel). Andere übersetzen: „die starken“.

[2] Anm. d. Red.: Ironside schreibt: „All things serve His might“, und bezieht sich damit wahrscheinlich auf eine Strophe aus einem Lied des deutschen Dichters Paul Gerhardt (1607–1676): „Through Waves, Through Clouds and Storms“ (übersetzt von J. Wesley; Nr. 55 in Little Flock Hymn Book). Der Titel des deutschen Liedes lautet: „Befiehl du deine Wege“.

[3] Anm. d. Red.: Ironside beschreibt das Haus mit der KJB-Übersetzung als exceeding magnifical (= „überaus herrlich“). Ähnlich übersetzen zum Beispiel Menge („überaus großartig“), Neues Leben („prachtvoller Bau“), Gute Nachricht („großartiger Bau“). Die meisten deutschen Bibelübersetzungen formulieren ähnlich wie die CSV-Elberfelder.


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