Der Prophet Sacharja (9)
Kapitel 9

Henry Allen Ironside

© SoundWords, online seit: 01.03.2022

Der kommende König

Wir haben bereits darauf hingewiesen, dass das Buch Sacharja in zwei Teile unterteilt werden kann. Der zweite Teil umfasst die Kapitel 7 bis 14. Anhand unseres Studiums ist deutlich geworden, dass die Kapitel 7 und 8 einen zusammengehörigen Abschnitt bilden. Ein zweiter Abschnitt bzw. eine weitere Unterteilung beginnt ab Kapitel 9. Sie geht bis zum Ende von Kapitel 11, das auf eine höchst lehrreiche Weise das Kommen des Messias und seine Verwerfung durch Juda beschreibt. Es folgen die Kapitel 12 bis 14 mit dem inspirierten Bericht seines zweiten Kommens und seiner Annahme durch den bußfertigen Überrest.

Die Ablehnung Christi, als Er aus Gnade kam, steht moralisch gesehen in Verbindung mit dem Zustand, in den das Volk bereits lange zuvor gefallen war. Das Kreuz war nur der Höhepunkt eines Weges eigenwilliger Verstockung, der bereits seit der Wüstenwanderung andauerte. Der Grund für diese Verstockung waren verschiedene Gefangenschaften und die vielen Bedrängnisse, die über sie gekommen waren. Wenn diese Dinge zu Herzensübung und Buße führten, dann würde die „friedsame Frucht der Gerechtigkeit“ [vgl. Heb 12,11] und Umkehr folgen. Und eben dazu war der Überrest in den Kapiteln 7 und 8 aufgerufen worden. Nun weist der Prophet sie auf den kommenden Erlöser-König hin, damit sie ihre Herzen auf seine Ankunft vorbereiteten. Kapitel 11 schließt jedoch mit der ernsten Prophezeiung, dass der wahre Hirte für dreißig Silberstücke verkauft werden würde und dass daraus die Annahme des falschen Hirten, des Antichristen, folgen würde.

Verse 1-8

Sach 9,1-8: 1 Ausspruch des Wortes des HERRN über das Land Chadrak; und auf Damaskus lässt es sich nieder (denn der HERR hat ein Auge auf die Menschen und auf alle Stämme Israels) 2 und auch auf Hamat, das daran grenzt, auf Tyrus und Sidon, weil es sehr weise ist. 3 Und Tyrus hat sich eine Festung erbaut und Silber gehäuft wie Staub und Feingold wie Straßenkot. 4 Siehe, der Herr wird es einnehmen und seine Macht im Meer schlagen; und es selbst wird vom Feuer verzehrt werden. 5 Askalon soll es sehen und sich fürchten; auch Gaza, und soll sehr erzittern, und Ekron, denn seine Zuversicht ist zuschanden geworden. Und der König wird aus Gaza vertilgt, und Askalon wird nicht mehr bewohnt werden. 6 Und ein Bastard wird in Asdod wohnen, und ich werde den Hochmut der Philister ausrotten. 7 Und ich werde sein Blut aus seinem Mund wegtun und seine Gräuel zwischen seinen Zähnen weg; und auch er wird unserem Gott übrig bleiben und wird sein wie ein Fürst in Juda, und Ekron wie der Jebusiter. 8 Und ich werde für mein Haus ein Lager aufschlagen vor dem Kriegsheer, vor den Hin- und Herziehenden, und kein Bedränger wird sie mehr überziehen; denn jetzt habe ich es mit meinen Augen gesehen.

Die einleitenden Verse 1 bis 8 beschäftigen sich mit der Vernichtung der syrischen Macht im „Land Chadrak“ und mit allen Feinden Israels, die an den Grenzen zum Land Palästina wohnen. Dies geschieht als Vorbereitung dafür, dass sich das verheißene Königreich auf alle jene Länder ausdehnen wird. Diese Verse haben offenbar eine doppelte Anwendung. Zum einen geht es um den vergangenen Sturz aller Königreiche vor dem ersten Kommen des Herrn. (Dieses Kommen wäre übrigens endgültig gewesen, wenn Er als der Gesalbte des HERRN aufgenommen und anerkannt worden wäre.) Zum anderen geht es um den zukünftigen Untergang der Mächte, die bei dem endgültigen Triumph des Königs der Könige in diesen Ländern sein werden. An jenem Tag wird Er für „sein Haus ein Lager aufschlagen“. Er wird zum Schutz der Seinen wie eine Feuerwand sein. Dann wird jeder Feind vernichtet werden, so dass „kein Bedränger sie mehr überziehen wird“. Durch all diese Länder zogen die siegreichen Heere Alexanders des Großen. Sie besiegten alle erwähnten Städte, und zwar in völliger Übereinstimmung mit dem prophetischen Wort. Damaskus, Hamat, Tyrus und Sidon sowie die Festungen der Philister wurden alle gleichermaßen unterworfen. Einige von ihnen wurden völlig vernichtet und sollten sich nie wieder erheben. Doch Juda und Jerusalem blieben wie durch ein direktes göttliches Eingreifen verschont. Denn die griechischen Heere wurden zu Beschützern statt zu Vernichtern der Nachkommen Abrahams. Der Tempel und die Stadt wurden bewahrt, damit sich in ihnen all das erfüllen konnte, was die Propheten vorhergesagt hatten über das Kommen des Gerechten, der dort leiden und sterben sollte.

Verse 9.10

Sach 9,9.10: 9 Frohlocke laut, Tochter Zion; jauchze, Tochter Jerusalem! Siehe, dein König wird zu dir kommen: Gerecht und ein Retter ist er, demütig und auf einem Esel reitend, und zwar auf einem Fohlen, einem Jungen der Eselin. 10 Und ich werde die Streitwagen aus Ephraim und die Pferde aus Jerusalem ausrotten, und der Kriegsbogen wird ausgerottet werden. Und er wird Frieden reden zu den Nationen; und seine Herrschaft wird sein von Meer zu Meer und vom Strom bis an die Enden der Erde.

Daher finden wir in Vers 9 ebendie Worte, von denen uns Matthäus 21,4.5 und Johannes 12,14.15 mitteilen, dass sie sich unmittelbar erfüllten, als der Herr Jesus Christus unter den Willkommensrufen der Jünger, der Kinder und des Volkes in Jerusalem einritt: „Frohlocke laut, Tochter Zion; jauchze, Tochter Jerusalem! Siehe, dein König wird zu dir kommen: Gerecht und ein Retter ist er, demütig und auf einem Esel reitend, und zwar auf einem Fohlen, einem Jungen der Eselin.“ So kam Er als der Friedefürst, nur um letztendlich verachtet und verworfen zu werden. Bei seinem zweiten Kommen wird Er als der Krieger-König auf einem weißen Pferd im Gericht triumphieren (Off 19).

Zwischen den Versen 9 und 10 wird die gesamte gegenwärtige Haushaltung der Gnade eingeführt. Denn es ist offensichtlich, dass der letzte Teil des Kapitels noch nicht erfüllt worden ist. Der König kam, doch Er wurde abgelehnt. Sein Kreuz wird zum Zeichen des Heils für alle, die an Ihn glauben; währenddessen hat Er sich selbst auf den Thron seines Vaters in den Himmeln gesetzt [Off 3,21]. Doch bisher hat Er nicht auch nur eine einzige Stunde auf dem Thron Davids gesessen, der Ihm rechtmäßig zusteht [vgl. Mt 25,31; Lk 1,32]. Diesen Thron wird Er besteigen, wenn Er mit Macht und großer Herrlichkeit vom Himmel herabkommt. Dann wird Er alle Feinde Jerusalems ausrotten, und „er wird Frieden reden zu den Nationen; und seine Herrschaft wird sein von Meer zu Meer und vom Strom bis an die Enden der Erde“ (V. 10). Diese Worte gehen erst dann in Erfüllung, wenn Er zum zweiten Mal erscheint. Denn ohne Christus kann es kein Tausendjähriges Reich geben.

Verse 11-17

Sach 9,11-17: 11 Und du – um des Blutes deines Bundes willen entlasse ich auch deine Gefangenen aus der Grube, in der kein Wasser ist. 12 Kehrt zur Festung zurück, ihr Gefangenen der Hoffnung! Schon heute verkündige ich, dass ich dir das Doppelte erstatten werde. 13 Denn ich habe mir Juda gespannt, den Bogen mit Ephraim gefüllt; und ich erwecke deine Söhne, Zion, gegen deine Söhne, Griechenland, und mache dich wie das Schwert eines Helden. 14 Und der HERR wird über ihnen erscheinen, und sein Pfeil wird ausfahren wie der Blitz; und der Herr, HERR, wird in die Posaune stoßen und einherziehen in Stürmen des Südens. 15 Der HERR der Heerscharen wird sie beschirmen; und sie werden die Schleudersteine verzehren und niedertreten; und sie werden trinken, lärmen wie vom Wein und voll werden wie die Opferschalen, wie die Ecken des Altars. 16 Und der HERR, ihr Gott, wird sie retten an jenem Tag, wird sein Volk retten wie eine Herde; denn Kronensteine sind sie, funkelnd auf seinem Land. 17 Denn wie groß ist seine Anmut und wie groß seine Schönheit! Das Korn wird Jünglinge und der Most Jungfrauen wachsen lassen.

Bei seiner Offenbarung in Herrlichkeit wird Er die Gefangenen Judas aus der Grube, in der kein Wasser ist, befreien, und zwar durch das Blut des Bundes, der durch seinen Tod bestätigt worden ist. Er wird diesen Gefangenen der Hoffnung Heil bringen. Nachdem Er Israel all ihre Sünden zweifach vergolten hat, wird Er ihnen eine Festung und Zuflucht vor all ihren Feinden sein (Jes 40,2; 61,7). Dann wird Juda wie ein starker Bogen in seiner Hand sein und Ephraim wie ein blitzender Pfeil, vor dem sich die Nationen beugen werden, weil sie dann die Vorzüglichkeit des Gottes Jakobs anerkennen.

Erneut müssen wir in einem Teil dieser Prophezeiung eine zweite Anwendung sehen. Die Verse 13 bis 16 scheinen sich in einem gewissen Maß auf den Kampf der Makkabäer gegen Antiochus Epiphanes zu beziehen, einer Vorschattung des Antichristen der letzten Tage. Damals stellte der HERR die Söhne Zions gegen die Söhne Griechenlands auf und machte das Heer Judas „wie das Schwert eines Helden“. Aber zweifellos bezieht sich die weiter gefasste Auslegung dieser Worte auf die Kämpfe während der großen Drangsal, wenn in der dunkelsten Stunde der Prüfung der HERR über Israel erscheinen und „sein Pfeil wie der Blitz ausfahren wird“. Dann wird Er in die Posaune stoßen, um all jene zu verteidigen, die sich in ihrer Not von ganzem Herzen an Ihn wenden.

„Der HERR, ihr Gott, wird sie retten an jenem Tag, wird sein Volk retten wie eine Herde.“ Sie werden Kronensteine sein, die in Immanuels Land funkeln werden (V. 16). Was für ein herrlicher Tag für ein Volk, das so lange Zeit gehasst und unterdrückt wurde! Sie, die von vielen als der Abschaum der Erde angesehen wurden, werden in einem unvergleichlichen Glanz in den Diademen des Gekreuzigten erstrahlen, wenn sie rufen: „Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn!“ [Mt 23,39; Lk 13,35]. Er wird für sie nicht mehr „keine Gestalt und keine Pracht“ haben und aller Schönheit beraubt sein, was sie dazu bringen könnte, Ihn nicht zu begehren. Im Gegenteil: Sie werden sein einst mit Dornen gekröntes Haupt und sein Angesicht, das mehr als jedes andere Angesicht entstellt war, verwundert anblicken und erstaunt und freudig ausrufen: „Wie groß ist seine Anmut und wie groß seine Schönheit!“ Dann wird Er sie mit freigiebiger Hand speisen und sie mit allen notwendigen Segnungen versorgen. so dass „das Korn Jünglinge und der Most Jungfrauen wachsen lassen wird [„fröhlich machen wird“ nach der KJV]“ (V. 17). Dann werden Fasten und Traurigkeit für immer ein Ende haben. Die Freude eines nie endenden Festmahls im Festsaal hat dann begonnen, und über allen wird das Banner der Liebe wehen.

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Originaltitel: „Notes on the Prophecy of Zechariah“
aus Notes on the Minor Prophets, 1909

Übersetzung: Andreas Albracht


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