Der Prophet Sacharja (1)
Kapitel 1

Henry Allen Ironside

© SoundWords, online seit: 24.09.2019, aktualisiert: 29.04.2023

Israel und die göttliche Regierung

Vers 1

Sach 1,1: Im achten Monat, im zweiten Jahr des Darius, erging das Wort des HERRN an Sacharja, den Sohn Berekjas, des Sohnes Iddos, den Propheten, indem er sprach: …

Wenn man Vers 1 mit den einleitenden Worten der Prophezeiung Haggais (Hag 1,1) vergleicht, stellt man fest, dass zwischen dem jeweiligen Beginn des Dienstes der beiden Propheten etwa zwei Monate vergangen waren. Das Gewissen des Volkes war geweckt, und als Folge von Haggais aufrüttelnder Botschaft hatte die Arbeit am Haus des HERRN begonnen. Im siebten Monat versuchte Sacharja, das jetzt erweckte Volk dadurch zu ermutigen, dass er ihre Aufmerksamkeit auf den zukünftigen Tag der Herrlichkeit des Messias richtete. Im folgenden Monat, dem achten Monat im zweiten Herrschaftsjahr des Königs Darius, wIrd Sacharja gebeten, zum Volk zu sprechen. Zuerst ruft er mit mitreißenden Worten zur Selbstbeurteilung auf, danach legt er auf bemerkenswerte Weise Haggais Prophezeiung in Haggai 2,6-9 aus.

Einige haben längst die bemerkenswerte Bedeutung der Namen in diesem ersten Vers bemerkt: „Sacharja, der Sohn des Berekja, des Sohnes Iddos“. Sacharja bedeutet „Jahwe erinnert sich“, Berekja bedeutet „Jahwe segnet“, und Iddo bedeutet „Die festgesetzte Zeit“. Man könnte es also folgendermaßen lesen: „Jahwe erinnert sich, Jahwe segnet zur festgesetzten Zeit.“ Wenn also die festgesetzte Zeit gekommen ist, dass der HERR sich Zion zuneigt, werden sich alle Verheißungen des HERRN erfüllen und im Segen ausgeführt werden. Falls jemand eine solche Auslegung für zu phantasievoll hält, möge er daran denken, wie der Apostel – durch den Heiligen Geiste inspiriert – über die Bedeutung der Namen und deren Bedeutung schreibt, zum Beispiel in Bezug auf Melchisedek, König von Salem, in Hebräer 7,2. In diesem bemerkenswerten Abschnitt gibt es sicherlich mehr als nur einen Hinweis dafür, dass in den Namen von Menschen und Orten in der gesamten Heiligen Schrift ein gewaltiger Schatz an Unterweisung ruht, von dem viele von uns nur wenig Ahnung haben.

Verse 2-6

Sach 1,2-6: 2 Der HERR ist heftig erzürnt gewesen über eure Väter. 3 Und sprich zu ihnen: So spricht der HERR der Heerscharen: Kehrt zu mir um, spricht der HERR der Heerscharen, und ich werde zu euch umkehren, spricht der HERR der Heerscharen. 4 Seid nicht wie eure Väter, denen die früheren Propheten zuriefen und sprachen: So spricht der HERR der Heerscharen: Kehrt doch um von euren bösen Wegen und von euren bösen Handlungen! Aber sie hörten nicht und achteten nicht auf mich, spricht der HERR. 5 Eure Väter, wo sind sie? Und die Propheten, leben sie ewig? 6 Doch meine Worte und meine Beschlüsse, die ich meinen Knechten, den Propheten, gebot, haben sie eure Väter nicht getroffen? Und sie kehrten um und sprachen: So wie der HERR der Heerscharen vorhatte, uns nach unseren Wegen und nach unseren Handlungen zu tun, so hat er mit uns getan.

Die Verse 2 bis 6 umfassen Sacharjas erste Botschaft und sind eine passende Einführung in das Buch. Im Hinblick auf die Rückkehr aus der Gefangenschaft und den Wiederaufbau des Tempels wird das Volk aufgefordert, die Fehler ihrer Vorväter nicht zu wiederholen – eine Warnung, die indes bald wieder vergessen und nicht beachtet wurde.

Über ihre Vorfahren war der HERR zutiefst bekümmert gewesen, und wegen ihrer Sünden hatte Er sie in die Hände ihrer heidnischen Feinde gegeben. Nun sollten die Kinder derer, die wiederholt versagt hatten, sich von ganzem Herzen zu Ihm wenden und Er würde sich zu ihnen wenden und offen als HERR der Heerscharen für sie streiten. Sie sollten sich nicht weigern zu gehorchen, so wie ihre Väter sich geweigert hatten, den Botschaften der Propheten zu gehorchen, die ihnen das Wort des HERRN verkündigt hatten lange vor den prophezeiten Gefangenschaften in Assyrien und Babylon. Ihnen hatte Er zugerufen: „Kehrt doch um von euren bösen Wegen und von euren bösen Handlungen!“, aber seine Worte waren verachtet worden. Wo waren nun jene, die es gewagt hatten, dem Wort des lebendigen Gottes den Gehorsam zu verweigern? Sie bekamen die Macht seines Zornes zu spüren und mussten schließlich zugeben, dass sein Wort unfehlbar war. Im Feindesland mussten sie traurig bekennen: „So wie der HERR der Heerscharen vorhatte, uns nach unseren Wegen und nach unseren Handlungen zu tun, so hat er mit uns getan.“ Auf diese Weise wurde Er sogar in ihrer Demütigung und Niederlage verherrlicht. In all dem sehen wir, wie ernst und wichtig diese Lektion für uns ist!

Verse 7-11

Sach 1,7-11: 7 Am vierundzwanzigsten Tag, im elften Monat, das ist der Monat Schebat, im zweiten Jahr des Darius, erging das Wort des HERRN an Sacharja, den Sohn Berekjas, des Sohnes Iddos, den Propheten, indem er sprach: 8 Ich schaute in der Nacht, und siehe, ein Mann, der auf einem roten Pferd ritt; und er hielt zwischen den Myrten, die im Talgrund waren, und hinter ihm waren rote, hellrote und weiße Pferde. 9 Und ich sprach: Mein Herr, wer sind diese? Und der Engel, der mit mir redete, sprach zu mir: Ich will dir zeigen, wer diese sind. 10 Und der Mann, der zwischen den Myrten hielt, antwortete und sprach: Diese sind es, die der HERR ausgesandt hat, um die Erde zu durchziehen. 11 Und sie antworteten dem Engel des HERRN, der zwischen den Myrten hielt, und sprachen: Wir haben die Erde durchzogen, und siehe, die ganze Erde sitzt still und ist ruhig.

In Vers 7 beginnt Sacharja, eine Reihe von acht Visionen aufzuzählen, die alle eng miteinander verbunden sind. Sie scheinen ihm alle am vierundzwanzigsten Tag des elften Monats gegeben worden zu sein, im selben Jahr, das auch in Vers 1 erwähnt wird. Die Verse 7 bis 17 beschäftigen sich mit der der ersten Vision und einem Teil ihrer Deutung. Der Einfachheit halber nennen wir sie: „Der Mann zwischen den Myrten“.

Der Prophet sieht einen Mann in einem tiefen Tal, zwischen den Myrten auf einem roten Pferd reitend, „und hinter ihm rote, hellrote und weiße Pferde“. Als Antwort auf seine überraschte Frage: „Mein Herr, wer sind diese?“, antwortet ein Engel: „Ich will dir zeigen, wer diese sind.“

Daraufhin spricht der Reiter auf dem roten Pferd, der zwar zweimal „Mann“ genannt wird, in Vers 11 jedoch als Engel des HERRN offenbart wird: „Diese sind es, die der HERR ausgesandt hat, um die Erde zu durchziehen.“

Dann, als ob sie zur Rechenschaft aufgefordert worden wären, antworten die bisher nicht erwähnten Reiter[1] dem Engel des Herrn: „Wir haben die Erde durchzogen, und siehe, die ganze Erde sitzt still und ist ruhig.“

Der Reiter auf dem ersten Pferd scheint der Engel des Bundes zu sein, der für die Auserwählten des HERRN steht. Die anderen Pferde repräsentieren Gottes Bevollmächtigte, möglicherweise Engel, die unter den Heidenvölkern wirkten. Beachten wir, dass der HERR sie gesandt hat. Diese Mächte waren von Gott eingesetzt worden. Sie hatten vor kurzem den Auftrag gehabt, Israel zu züchtigen. Nun befand sich die ganze Welt im Frieden, und die Nationen waren den wenigen Nachkommen des Samens Abrahams völlig gleichgültig gegenüber.

Verse 12-15

Sach 1,12-15: 12 Da hob der Engel des HERRN an und sprach: HERR der Heerscharen, wie lange willst du dich nicht über Jerusalem und die Städte Judas erbarmen, auf die du zornig warst diese siebzig Jahre? 13 Und der HERR antwortete dem Engel, der mit mir redete, gute Worte, tröstliche Worte. 14 Und der Engel, der mit mir redete, sprach zu mir: Rufe aus und sprich: So spricht der HERR der Heerscharen: Ich habe mit großem Eifer für Jerusalem und für Zion geeifert, 15 und mit großem Zorn zürne ich über die sicheren Nationen; denn ich habe ein wenig gezürnt, sie aber haben zum Unglück geholfen.

Daher auch der Schrei des Engels des Herrn: „HERR der Heerscharen, wie lange willst du dich nicht über Jerusalem und die Städte Judas erbarmen, auf die du zornig warst diese siebzig Jahre?“ Die babylonische Gefangenschaft war zu Ende gegangen. Kyros hatte ihnen die Erlaubnis gegeben, nach Jerusalem zurückzukehren, und obwohl ein Überrest zurückgegangen war, herrscht bei den Großmächten völlige Gleichgültigkeit darüber, das Volk Israel als Nation anzuerkennen, die doch dazu bestimmt war, das Haupt der Nationen zu sein. Daher auch die Frage des Engels, die der HERR mit guten und tröstenden Worten beantwortet.

Etwas schwierig ist die Unterscheidung zwischen dem Engel des HERRN, der auf einem Pferd durch die Myrten reitet (der Messias selbst, der als Engel Fürbitte für Israel tut, wie in Offenbarung 8,1-4), und dem Engel, der die Visionen Sacharjas erklärt. Letzterer gibt in Vers 14 dem Seher eine prophetische Botschaft, indem er ihn auffordert auszurufen: „So spricht der Herr der Heerscharen: Ich habe mit großem Eifer für Jerusalem und für Zion geeifert, und mit großem Zorn zürne ich über die sicheren Nationen; denn ich habe ein wenig gezürnt, sie aber haben zum Unglück geholfen.“

Nur auf ihr eigenes Wohl bedacht, betrachten die stolzen und selbstgefälligen Heidenmächte Gottes auserwähltes Volk mit Gleichgültigkeit und Verachtung; Gott aber sieht zu, wie sie dadurch immer mehr den Becher ihrer Missetat füllen.

Verse 16.17

Sach 1,16.17: 16 Darum, so spricht der HERR: Ich habe mich Jerusalem mit Erbarmen wieder zugewandt; mein Haus, spricht der HERR der Heerscharen, soll darin gebaut und die Mess-Schnur über Jerusalem gezogen werden. 17 Rufe ferner aus und sprich: So spricht der HERR der Heerscharen: Meine Städte sollen noch überfließen von Gutem; und der HERR wird Zion noch trösten und Jerusalem noch erwählen.

Wie bereits im Zusammenhang mit der prophetischen Bedeutung der drei Namen in Vers 1 erwähnt, wird der HERR in der von Ihm festgesetzten Zeit für den Namen seines Volkes aufstehen und nach Jerusalem zurückkehren, das so lange von den Nationen unter die Füße getreten worden war. Dann wird Er mit großer Barmherzigkeit alle Segnungen des neuen Bundes über die so lange verachtete Nation ausschütten. Wie in den letzten acht Kapiteln von Hesekiel beschrieben wird, soll sein Haus im Land in einer unübertroffenen Pracht wieder aufgebaut werden. Jerusalem wird wieder aus seinen Ruinen auferstehen, eine herrliche Stadt, die mit keiner anderen der Städte der Nationen in ihrer Pracht vergleichbar ist, und zwar an jenem Tag, „wenn der HERR Zion trösten und Jerusalem erwählen wird“ (Sach 1,16.17).

Es ist durchweg wichtig, zwischen Vision und Auslegung zu unterscheiden. In den Versen 8 bis 13 wird die Vision beschrieben, in den Versen 14 bis 17 die göttliche Auslegung. Juda und Jerusalem sind der Gegenstand der Auslegung. Es gibt keinerlei Hinweis auf die Gemeinde der gegenwärtigen Heilszeit. Leute, die alles vergeistlichen, legen es gern so aus, aber das zu tun bedeutet, diesem Abschnitt Gewalt anzutun.


Originaltitel: „Notes on the Prophecy of Zechariah“
aus Notes on the Minor Prophets, 1909

Übersetzung: Susana Finkbeiner

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Anmerkungen

[1] Einige nehmen an, dass die anderen Pferde ohne Reiter sind, und sehen darin ein aussagekräftiges Bild der ruhelosen Energie der heidnischen Herrschaft; aber das beinhaltet das Sprechen von Pferden – ein Bild, das mir hier grotesk erscheint und das es wohl nicht bedeuten soll.


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