Wahrheit und Gottesfurcht in den Gläubigen
Paulus wendet sich sozusagen an die „einfachen“ Gläubigen in der Gemeinde. Das waren diejenigen, die unter der Obhut der in Kapitel 1 erwähnten Ältesten stehen. Wir sehen in Kapitel 2, dass Wahrheit und Gottseligkeit Dinge sind, die nicht nur die Ältesten/Aufseher in der Versammlung kennzeichnen sollten, sondern alle Gläubigen – von den Ältesten bis zu den Jüngsten. Da das Christentum nicht nur eine Wahrheit ist, die wir im Kopf haben, sondern etwas, was wir in allen unseren Beziehungen im Leben in die Praxis umsetzen sollten, legt Paulus Titus das Verhalten dar, das von den Gläubigen erwartet werden sollte.
Vers 1
Paulus sagt:
Tit 2,1: Du aber rede, was der gesunden Lehre geziemt: …
Es gibt also bestimmte Dinge, die zur gesunden Lehre gehören, die Titus in seinem Dienst hervorheben sollte. Wie bereits erwähnt, handelt es sich dabei um praktische Dinge, die mit unserem Lebenswandel und unserem Lebenswandel zu tun haben. Das Ziel, das Paulus im Auge hatte, war, dass die Gläubigen sich durch „gute Werke“ auszeichnen sollten (Tit 2,14). Die Aufforderung an Titus lautet hier nicht so sehr, dass er diese praktischen Dinge öffentlich in der Versammlung lehren sollte – obwohl es dort sicherlich einen Platz dafür gibt –, sondern dass er diese Dinge den Gläubigen auf einer persönlichen Ebene vermitteln sollte. Daher sagt Paulus: „Du aber rede …“, was eher daran denken lässt, dass Titus diese Dinge im persönlichen Gespräch weitergeben sollte. Daraus ersehen wir, dass Titus’ Arbeit weitgehend seelsorgerlichen Charakter hatte. Ein großer Teil der Arbeit eines Ältesten besteht darin, von Angesicht zu Angesicht mit den Gläubigen zu reden. Das zeigt, dass der öffentliche Dienst an sich nicht ausreicht, um alle Bedürfnisse des Volkes Gottes zu erfüllen. Viele praktische Unterweisungen lassen sich am besten persönlich erteilen.
In diesem Kapitel geht Paulus die verschiedenen Klassen von Personen durch, die eine normale Versammlung ausmachen, und gibt Titus einen kurzen Überblick darüber, was von jeder Klasse in Bezug auf ihr Verhalten erwartet wird. Diese Dinge gelten für uns in unserer Zeit genauso wie für die Menschen damals.
Die älteren Männer (V. 2)
Vers 2
Tit 2,2: … dass die alten Männer nüchtern seien, würdig, besonnen, gesund im Glauben, in der Liebe, im Ausharren; …
Es handelt sich um Männer im fortgeschrittenen Alter, die aber keine Ältesten/Aufseher sind; nicht alle älteren Männer sind für dieses Amt qualifiziert oder streben es an. Auch wenn diese Männer nicht das Amt eines Ältesten/Aufsehers innehatten, sollte ihr Leben dennoch von Wahrheit und Gottseligkeit bestimmt sein. Paulus sagt, dass sie „nüchtern seien, würdig, besonnen, gesund im Glauben, in der Liebe, im Ausharren“.
- „Nüchtern“ zu sein bedeutet, das Leben richtig einzuschätzen und so seine Zeit weise zu nutzen (Ps 90,12). Das gilt besonders für einen älteren Menschen, der nicht mehr viel von diesem kostbaren Gut übrighat.
- „Würdig“ zu sein bedeutet, sich mit Würde zu tragen. Das bedeutet nicht, dass man streng und mürrisch sein soll.
- „Besonnen“ zu sein bedeutet, in allen Dingen Selbstbeherrschung zu üben.
- „Gesund im Glauben“ [= sound in faith] zu sein bedeutet, ein gesundes, persönliches Vertrauen in Gott zu haben. Das ist nicht dasselbe wie „gesund in dem Glauben“ [= sound in the faith] (Tit 1,13[1], was mit einem soliden Verständnis der christlichen Lehre zu tun hat, die uns überliefert wurde, damit wir sie bewahren (Jud 3; 2Tim 1,14). (Wenn der bestimmte Artikel „der“ im Text in Verbindung mit „Glaube“ vorkommt, bezieht er sich in der Regel auf die christliche Offenbarung der Wahrheit, und wenn er fehlt, bezieht er sich auf die innere Kraft des Vertrauens der Seele auf Gott.)
- Außerdem sollten diese älteren Männer echte „Liebe“ zu allen Heiligen haben.
- Sie sollten auch „Ausharren“ in den schwierigen Umständen des Lebens haben. Dazu gehörten auch die Prüfungen, die das Ertragen von körperlichen Gebrechen mit sich bringt, die mit zunehmendem Alter auftreten. Sie sollten diese Prüfungen aushalten, anstatt sich darüber zu beklagen, und so ein Vorbild für die Herde sein.
Die älteren Frauen (V. 3)
Vers 3
Tit 2,3: … die alten Frauen ebenso in ihrem Betragen, wie es dem heiligen Stand geziemt, nicht verleumderisch, nicht Sklavinnen von vielem Wein, Lehrerinnen des Guten; …
Ältere Schwestern sollten sich „ebenso“ betragen, „wie es dem heiligen Stand geziemt“. Wie bei den älteren Männern sollten auch die älteren Schwestern in ihrem Verhalten ein Vorbild sein. Sie sollten vor allem zwei Dinge im Griff haben, die sich mit Sicherheit negativ auf ihr persönliches Zeugnis und ihre Arbeit auswirken würden – ihre Zunge und ihren Appetit [ihr Verlangen nach „vielem Wein“]. Sie sollten nicht „verleumderisch“ sein und sie sollten „nicht Sklavinnen von vielem Wein“ sein. Diese Dinge hatten vielleicht ihr Leben vor ihrer Bekehrung geprägt – denn die Kreter waren typischerweise „Lügner“ (die Zunge) und „faule Bäuche“ (der Appetit) –, aber in ihrem Leben als Christ hatten diese Dinge keinen Platz. Selbstverliebtheit ist für Christen unschicklich, besonders bei älteren Schwestern; sie sollte ersetzt werden durch das Lehren, was recht ist [„Lehrerinnen des Guten“].
Nachdem Paulus in Vers 3 auf den Charakter eingegangen ist, der die älteren Frauen kennzeichnen sollte, umreißt er in den Versen 4 und 5 die Arbeit, die sie bei der Unterweisung der jüngeren Schwestern leisten sollten. Dieser Dienst fehlt heute in der heutigen Kirche weitgehend.
Die jungen Frauen (V. 4.5)
Verse 4.5
Tit 2,4.5: … 4 damit sie die jungen Frauen unterweisen, ihre Männer zu lieben, ihre Kinder zu lieben, 5 besonnen, keusch, mit häuslichen Arbeiten beschäftigt, gütig, sich den eigenen Männern unterzuordnen, damit das Wort Gottes nicht verlästert werde.
Wenn Paulus zu seinen Anweisungen für die jüngeren Schwestern kommt, fordert er Titus bemerkenswerterweise nicht auf, sich direkt an sie zu wenden, sondern diese Unterweisung soll durch die älteren Schwestern geschehen. W. Kelly sagt:
Wir können die weise und heilige Art und Weise beobachten, wie Titus angewiesen wird, die jungen Frauen zu ermahnen, und zwar nicht direkt, sondern durch die älteren Frauen.[2]
Das ist lehrreich; es zeigt uns, dass die Brüder keinen persönlichen Dienst an den Schwestern haben – vor allem nicht an den jüngeren Schwestern. Titus sollte darauf achten, dass er beim anderen Geschlecht keinen falschen Eindruck erweckte. Viele Missverständnisse und Unheil entstehen dadurch, dass Brüder den weisen Rat des Paulus nicht beachten.
Der Apostel spricht sieben Dinge an, worin die älteren Schwestern die jüngeren Schwestern unterweisen sollen:
- Erstens sollen sie „ihre [eigenen] Männer lieben“. Sie sollten bei wichtigen Entscheidungen nicht unabhängig von ihren Ehemännern sein.
- Sie sollen auch „ihre [eigenen] Kinder lieben“, indem sie mit ihnen zusammen sind und sie nicht unbeaufsichtigt lassen.
- Was ihren Charakter betrifft, so sollen sie „besonnen“ sein, das heißt Unterscheidungsvermögen haben in den praktischen Dingen des Lebens – zum Beispiel im Umgang mit Geld usw.
- Sie sollen auch „keusch“ sein, das heißt jede Andeutung von Unreinheit durch aufreizende Kleidung und ungebührliches Benehmen vermeiden.
- Sie sollen „mit häuslichen Arbeiten beschäftigt“ sein. Das bedeutet, dass die häuslichen Pflichten nicht vernachlässigt werden durften. Ein aufgeräumtes und ordentliches Haus ist ein gutes Zeugnis; es spiegelt den Gott der Ordnung wider, den wir vertreten. Diese Ermahnung tadelt ihren nationalen Charakter der Faulheit (Tit 1,12).
- Sie sollen „gütig“ sein. Dies würde eine Vielzahl von Taten der Freundlichkeit umfassen.
- Schließlich sollen sie „sich den eigenen Männern unterordnen, damit das Wort Gottes nicht verlästert werde“. Sie sollen also die Vorrangstellung ihres Mannes anerkennen und ihm untertan sein (Eph 5,22.23). Sie sollen „den Haushalt führen“ (1Tim 5,14), aber nicht über ihren Ehemann herrschen![3]
Die jungen Männer (V. 6-8)
Verse 6-8
Paulus fährt fort, ein Wort an die jungen Männer zu richten. Er sagt:
Tit 2,6-8: 6 Die jüngeren Männer ermahne ebenso, besonnen zu sein, 7 indem du in allem dich selbst als ein Vorbild guter Werke darstellst; in der Lehre Unverfälschtheit, würdigen Ernst, 8 gesunde, nicht zu verurteilende Rede, damit der von der Gegenpartei beschämt wird, da er nichts Schlechtes über uns zu sagen hat.
Die Einbeziehung von Titus in seine Bemerkungen an die jüngeren Männer zeigt, dass Titus ebenfalls ein jüngerer Bruder war – wenn auch wahrscheinlich nicht so jung wie Timotheus. Titus sollte die jungen Männer durch sein Beispiel lehren, indem er sich selbst als „Vorbild“ darstellte.
- Die jüngeren Männer sollten „besonnen“ sein, was damit zu tun hat, dass sie in allen Dingen – sowohl in geistlichen als auch in natürlichen Dingen – ein gutes Urteilsvermögen haben sollen.
- Sie sollten „in der Lehre Unverfälschtheit“ zeigen. Eine gesunde Lehre erfordert Fleiß und sorgfältiges Studium verschiedener biblischer Themen (1Tim 4,6; 2Tim 2,15).
- Sie sollten auch durch „würdigen Ernst“ gekennzeichnet sein. Leichtfertige Albernheiten durften in ihrem Leben keinen Platz haben, wenn sie erwarteten, dass die Gläubigen sie ernst nehmen sollten.
- Und schließlich sollten sie mit „gesunder, nicht zu verurteilender Rede“ sprechen, damit diejenigen, die sich der Wahrheit widersetzen, sie nicht zu Recht verurteilen können.
Die Hausangestellten (V. 9.10)
Verse 9.10
Dann richtet Paulus ein Wort an die Hausangestellten. Er sagt zu Titus:
Tit 2,9.10: 9 Die Knechte ermahne, sich ihren eigenen Herren unterzuordnen, in allem wohlgefällig zu sein, nicht widersprechend, 10 nichts unterschlagend, sondern alle gute Treue erweisend, damit sie die Lehre, die unseres Heiland-Gottes ist, zieren in allem.
Diese Knechte waren Sklaven. Als christliche Knechte sollten sie durch ihr Verhalten ein Zeugnis für Christus ablegen, während sie für ihre irdischen Herren arbeiteten. Wenn sie sich gottesfürchtig verhielten, indem sie sich ihren Herren „unterordneten“ und ihnen gefällig waren – „nicht widersprachen“ oder etwas unterschlugen –, würden sie „die Lehre, die unseres Heiland-Gottes ist, zieren in allem“. Auf diese Weise würde die praktische Seite der Wahrheit des Christentums in Aktion gesehen werden und ein kraftvolles Zeugnis für den Herrn ablegen. Gottgefälliges Verhalten ziert die Lehre, die wir vertreten.
Es ist interessant und lehrreich, wie Paulus das Thema der Sklaverei in seinen Briefen behandelt (Eph 6,5-9; Kol 3,22-25; 1Tim 6,1.2). Gott hat die Sklaverei nie für den Menschen vorgesehen; sie wurde von perversen Menschen aus niederen Beweggründen eingeführt. Wenn Paulus jedoch an christliche Sklaven schreibt, ermutigt er sie nicht, sich aus ihrer Situation zu befreien. Vielmehr sagt er ihnen, wie sie sich in ihrer Situation verhalten sollen, damit das Zeugnis der Gnade Gottes im Evangelium weitergegeben werden kann. Denn das Christentum ist keine Kraft, die soziale Ungerechtigkeiten in der Welt verändert; das ist nicht das Ziel des Evangeliums. Als der Herr bei seinem ersten Kommen kam, versuchte Er nicht, die Welt zu verbessern, indem Er ihre sozialen und politischen Missstände beseitigte. All das wird Er an einem kommenden Tag tun, wenn Er bei seiner Erscheinung zum Gericht eingreift. Dann wird alles, was in dieser Welt krumm ist, in Ordnung gebracht werden (Jes 40,3-5).
Dementsprechend sind Christen nicht dazu berufen, die Welt in Ordnung zu bringen, sondern auf den kommenden Tag zu warten. Wir sollen die Welt so lassen, wie sie ist, und das Evangelium verkünden, das die Menschen aus dieser Welt in den Himmel ruft. Es gibt daher in den Briefen keine Aufforderung an die Christen, das Unrecht der Sklaverei – oder jede andere soziale Ungerechtigkeit in der Welt – zu beseitigen. Das liegt daran, dass wir „in“ der Welt sind, aber nicht „von“ der Welt (Joh 17,14). Der Herr sagte, wenn sein Reich „von dieser Welt“ wäre, dann würden seine Diener für diese Dinge kämpfen (Joh 18,36). Da wir aber nicht von dieser Welt sind, lassen „eine Scherbe unter irdenen Scherben“ streiten (Jes 45,9 SCHL 2000).
Paulus wusste, wie wichtig es für Christen ist, vor der Welt ein gutes Zeugnis abzulegen. Seine große Sorge für die christlichen Sklaven war, dass sie sich aufrichtig verhielten, „damit nicht der Name Gottes und die Lehre verlästert werde“ (1Tim 6,1). Diese gläubigen Sklaven sollten nicht weglaufen (wie Onesimus es tat, bevor er gerettet wurde; s. Phlm 15), sondern in ihrem Stand bleiben und Gott vor ihren Herren verherrlichen, indem sie sie mit echtem Respekt behandelten und „nicht in Augendienerei, als Menschengefällige“. Wenn sie „in Einfalt des Herzens“ dienten, wäre das ein starkes Zeugnis für die Realität ihres Glaubens an Christus (Kol 3,22). So sollten sie für ihre Herren „von Herzen arbeiten als dem Herrn“, denn in Wirklichkeit dienten sie „dem Herrn Christus“ (Kol 3,23.24). Dies zeigt, dass ein Gläubiger unabhängig von seinem sozialen Status in der Gesellschaft immer noch die Möglichkeit hat, für Christus Zeugnis abzulegen. Wir können nicht alle Missionare sein, aber wir können alle das Evangelium mit denen teilen, mit denen wir in unserem täglichen Leben zu tun haben, und so dem Herrn auf diese Weise dienen.
Drei große Triebfedern für ein gottgefälliges Leben (V. 11-15)
Vers 11
Tit 2,11: Denn die Gnade Gottes ist erschienen, Heil bringend für alle Menschen, …
Ausgehend von dem Wort „denn“ bringt Paulus drei große Triebfedern für ein gottgefälliges Leben ins Spiel:
- die Lehre von der Gnade Gottes (Tit 2,11.12)
- die Unmittelbarkeit der Ankunft des Herrn (Tit 2,13)
- der große Preis, den der Herr bezahlt hat, um uns von einem Leben in Sünde zu erlösen (Tit 2,14)
Der Apostel hebt hier diese Triebfedern für ein gottgefälliges Leben hervor, weil es das war, was den kretischen Gläubigen fehlte. Sie waren wirklich bekehrt, aber es gab wenig oder gar keine Buße in Verbindung mit ihren alten Gewohnheiten.
Die Lehre der Gnade
Verse 11.12
Nachdem Paulus „die Lehre, die unseres Heiland-Gottes ist,“ (Tit 2,10) erwähnt hat, geht er in den nächsten Versen näher darauf ein. Er sagt:
Tit 2,11.12: 11 Denn die Gnade Gottes ist erschienen, heilbringend für alle Menschen, 12 und unterweist uns, damit wir, die Gottlosigkeit und die weltlichen Begierden verleugnend, besonnen und gerecht und gottselig leben in dem jetzigen Zeitlauf, …
Dies ist eine umfassende Aussage darüber, was das Christentum ist und was es für diejenigen tut, die an das Evangelium glauben. Gott hat in seiner Gnade allen Menschen durch die Sendung seines Sohnes in die Welt das Heil verfügbar gemacht. Diejenigen, die Ihn im Glauben annehmen, werden gelehrt, Gottlosigkeit und weltliche Begierden zu verleugnen und ein heiliges Leben in dieser bösen Welt zu führen.
„Die Gnade Gottes“ ist hier unser großer Lehrmeister. Gnade ist die Verleihung von unverdienter Gunst an Gegenstände, die sie nicht verdienen. Genau das hat Gott für das Menschengeschlecht getan. Aus der Güte und Liebe seines Herzens heraus hat Er durch den Tod seines Sohnes einen Weg gefunden, um den Menschen „Rettung“ zu bringen. Diejenigen, die an den Herrn Jesus Christus glauben und Ihn als ihren Retter annehmen, werden dadurch von der gerechten Strafe für ihre Sünden befreit. Dieser Akt der göttlichen Gunst zeigt uns, was Gott von der Sünde hält – Er hasst sie mit göttlichem Hass! Sie ist seinem heiligen Wesen abscheulich. Deshalb will Er gewiss nicht, dass wir weiterhin Sünde praktizieren. Der Gläubige muss sich fragen: „Wie kann ich weiterhin Dinge tun, die Gott hasst und von denen Er mich errettet hat?“ Diese einfache Logik wird jeden nüchternen Gläubigen dazu bringen, seinem früheren Leben der „Gottlosigkeit und der weltlichen Begierden“ abzuschwören und „besonnen und gerecht und gottselig zu leben in dem jetzigen Zeitlauf“. Das Wort „verleugnend“ steht im Griechischen im Aorist, was darauf hinweist, dass diese Abkehr vom alten Leben des Gläubigen eine einmalige Sache sein soll. Um dies zu unterstreichen, heißt es in der Übersetzung von J.N. Darby: „verleugnet habend“ [having denied]. Die Gnade Gottes ist also für alle Menschen erschienen, aber sie lehrt nur diejenigen, die das Heil, das sie bringt, annehmen.
Die Unmittelbarkeit des Kommens des Herrn
Vers 13
Dann erwähnt Paulus das Kommen des Herrn. Auch das wird uns zu einem gottgefälligen Leben motivieren. Er sagt:
Tit 2,13: … indem wir erwarten die glückselige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Heilandes Jesus Christus, …
„Die glückselige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit“ sind zukünftige Ereignisse, die in Kürze eintreten werden. Sie sind die beiden Teile des zweiten Kommens des Herrn. Die „glückselige Hoffnung“ ist die Entrückung, wenn der Herr kommt, um seine Heiligen in den Himmel zu holen (Joh 14,2.3; 1Thes 4,15-18). Dies wird vor der siebenjährigen Drangsal geschehen. Die „Erscheinung der Herrlichkeit“ ist die öffentliche Offenbarung Christi mit seinen Heiligen vor der Welt nach der großen Drangsal (Sach 14,5; 1Thes 3,13; Jud 14). Zu dieser Zeit wird er „den Erdkreis richten in Gerechtigkeit“ (Apg 17,31) und seine tausendjährige Königsherrschaft errichten (Off 11,15).
Für einen Christen sind diese Dinge weit mehr als nur prophetische Ereignisse. Die Entrückung findet statt, wenn Christus, unser „Bräutigam“, kommt, um uns in das Haus des Vaters zu holen (Mt 25,6; Joh 14,2.3), wo wir dann offiziell mit Ihm in der „Hochzeit des Lammes“ vereint werden (Off 19,7-10). Dies weckt die bräutliche Zuneigung in unseren Herzen (Off 22,17). Der Apostel Johannes sagt uns, dass die Hoffnung, mit Ihm und Ihm gleich zu sein, uns dazu bringt, uns zu reinigen, „wie er rein ist“ (1Joh 3,3). Wenn wir also die unmittelbare Ankunft des Herrn richtig im Herzen tragen, wird sie sich praktisch auf unser Leben auswirken und uns motivieren, gottesfürchtig zu leben – denn kein nüchterner Christ möchte in dem Moment, wenn der Herr kommt, um uns nach Hause zu rufen, bei etwas Fragwürdigem ertappt werden (Lk 12,35-40).
Die „Erscheinung“ Christi wird ebenfalls erwähnt, weil sie, wenn sie richtig verstanden wird, ebenfalls eine praktische Auswirkung auf unser Leben hat. Die Erscheinung Christi ist der Zeitpunkt, an dem sich die Ergebnisse unseres Lebens in Form von Belohnungen vor der Welt zeigen werden. Es ist durchaus möglich, dass wir eine Belohnung verlieren, weil wir unachtsam gelebt haben (Off 3,11), und dass wir dann „vor ihm beschämt werden bei seiner Ankunft“ (1Joh 2,28). Diese Tatsache motiviert uns, so zu leben, dass wir an jenem Tag die Zustimmung des Herrn finden und „ihm wohlgefällig“ sind (2Kor 5,9). So werden uns beide Aspekte seines Kommens vor Augen geführt, um uns zu einem gottgefälligen Leben zu motivieren.
Manche glauben, die „glückselige Hoffnung“ (die Entrückung) und die „Erscheinung Christi“ seien ein und dasselbe Ereignis. Das ist eine falsche Lehre, die es seit vielen Jahrhunderten gibt. Sie ist Teil der reformierten Theologie (Bundestheologie). Um diesen Gedanken zu untermauern, übersetzen viele moderne Versionen Titus 2,13 als ein einziges Ereignis. Sie begründen dies mit einer Regel der griechischen Grammatik: Die Regel besagt: Wenn zwei Substantive durch die Konjunktion „und“ verbunden sind und das erste Substantiv den bestimmten Artikel („der, die das“) hat, das zweite aber nicht, dann bezieht sich das zweite Substantiv auf dieselbe Sache wie das erste Substantiv und ist eine weitere Beschreibung. Da in Titus 2,13 nur ein einziges „die“ im Zusammenhang mit der „glückseligen Hoffnung“ und der „Erscheinung der Herrlichkeit“ vorkommt, kommen einige Bibelübersetzer und Bibelwissenschaftler zu dem Schluss, dass sie sich auf ein und dieselbe Sache beziehen.
W. Kelly hat diese Frage aufgegriffen und gezeigt, dass es Ausnahmen von dieser Regel gibt:
Frage: In einer verlorenen Notiz wird gefragt, ob die „glückselige Hoffnung“ gleichbedeutend mit oder verschieden ist von der „Erscheinung der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Heilandes Jesus Christus“.
Antwort: Ich gehe davon aus, dass die Form des Satzes im Griechischen (ein einziger Artikel zu den beiden verbundenen Substantiven) diese nicht notwendigerweise genau bestimmt, sondern sie nur in einer gemeinsamen Klasse zusammenfasst. Vergleiche 2. Thessalonicher 2,1, wo dieselbe Konstruktion vorkommt. Dennoch würde niemand behaupten, dass die „Ankunft [oder die Gegenwart] unseres Herrn Jesus Christus“ dasselbe ist wie „unser Versammeltwerden zu ihm hin“. Ich denke, der Heilige Geist will damit sagen, dass sie als miteinander verbunden betrachtet werden, obwohl sie an sich unterschiedliche Dinge sind. Es könnte einigen helfen, Titus 2,13 besser zu verstehen, wenn sie bedenken, dass der wahre Sinn „die Erscheinung der Herrlichkeit“ ist – im Gegensatz zu der Gnade, die bereits erschienen ist (Tit 2,11). „Die glückselige Hoffnung“ scheint mir noch näher und persönlicher für das Herz zu sein.“[4]
Es gibt also Ausnahmen von dieser Regel in der griechischen Grammatik, die von uns Unterscheidungsvermögen erfordern, damit wir erkennen, wo und wann sie gelten. Da wir aus anderen Stellen wissen, dass die Entrückung und die Erscheinung Christi unterschiedliche Ereignisse sind, ist es nur logisch, dass dies auch hier in Titus 2,13 der Fall ist.
F.B. Hole sagt:
Es ist gut möglich, dass der Apostel bei der „glückseligen Hoffnung“ an das Kommen des Herrn für seine Heiligen denkt, über das er in seinem ersten Brief an die Thessalonicher schreibt (1Thes 4,15-17). Wenn dies so ist, wird uns in Titus 2,13 zugleich sein Kommen für seine Heiligen und sein Kommen mit seinen Heiligen als unsere Hoffnung vorgestellt.[5]
Die „Gnade“ ist also bei der ersten Ankunft Christi erschienen (Tit 2,11), und die „Herrlichkeit“ wird erst bei seiner zweiten Ankunft erscheinen (Tit 2,13).
Der große Preis, den der Herr bezahlt hat, um uns zu erlösen
Vers 14
Paulus fährt fort, den vielleicht größten aller Motivatoren für ein gottseliges Leben zu nennen – den unglaublichen Preis, den der Herr bezahlt hat, um uns zu erlösen. Er sagt:
Tit 2,14: … der sich selbst für uns gegeben hat, damit er uns von aller Gesetzlosigkeit loskaufte und sich selbst ein Eigentumsvolk reinigte, das eifrig sei in guten Werken.
Was hätte der Herr mehr geben können, um uns zu retten, als „sich selbst“? Diese Tatsache wird in der Heiligen Schrift mindestens zehnmal erwähnt (Mt 20,28; Gal 1,4; 2,20; Eph 5,2.25; 1Tim 2,6; Titus 2,14; Heb 7,27; 9,14.26). Was für ein Opfer! Es ist der Wille Gottes, dass dies in uns eine Reaktion hervorruft. Wenn wir uns Zeit nehmen, darüber nachzudenken, was es den Herrn gekostet hat, uns zu erlösen – die Qualen seiner sühnenden Leiden –, werden wir mit Dankbarkeit reagieren, und das wird sich in der Hingabe des Herzens an Ihn zeigen. Es wird in uns den Wunsch wecken, Ihm zu gefallen und etwas für Ihn zu tun, weil Er etwas für uns getan hat. Wie der Psalmist werden wir uns fragen: „Wie soll ich dem HERRN alle seine Wohltaten an mir vergelten?“ (Ps 116,12). In dem Wissen, dass Gott die Sünde hasst, wird der aufrichtige Gläubige dazu gebracht, alle „Gesetzlosigkeit“ aufzugeben, und er wird beginnen, die Heiligkeit in seinem Leben zu vervollkommnen (2Kor 7,1; 1Tim 4,7).
Paulus führt weiter aus, dass es Gottes Absicht ist, dass die Christen sein „Eigentumsvolk“ sind, „eifrig in guten Werken“. Dies zeigt, dass das Ziel des Christentums nicht darin besteht, ein Vakuum im Leben der Menschen zu schaffen; die Gesetzlosigkeit soll durch ein gottgefälliges Leben ersetzt werden, das sich in der Ausübung guter Werke zeigt. Dies zeigt, dass diejenigen, die die rettende Gnade Gottes empfangen haben, durch ihr Verhalten zum Lob der Gnade Gottes beitragen sollen.
Vers 15
Das Kapitel schließt mit einer Wiederholung der Aufgaben des Titus. Paulus sagt:
Tit 2,15: Dies rede und ermahne und überführe mit allem Nachdruck. Lass niemand dich verachten!
Hier gibt es eine moralische Ordnung: Zuerst sollte Titus von den Dingen „reden“, die zu einem christlichen Verhalten werden sollten, aber wenn das nicht angenommen wurde, sollte er die Gläuibgen zu diesen Dingen „ermahnen“. Das bedeutet, dass er mehr Kraft anwenden sollte. Wenn es dann immer noch nicht angenommen wurde, sollte Titus sie „mit allem Nachdruck überführen“, denn er war mit apostolischer Autorität beauftragt worden, auf diesen Dingen zu bestehen.
Was das Verhalten des Titus betrifft, so sagt Paulus: „Lass niemand dich verachten!“ Titus sollte darauf achten, sich in allen Dingen redlich und aufrichtig zu verhalten, damit niemand einen Grund hätte, seinen Dienst zu verachten.
Originaltitel: „Truth and Godliness in the Saints: Titus 2“
Quelle: www.bibletruthpublishers.com
Übersetzung: Stephan Isenberg
Anmerkungen
[1] Anm. d. Red.: Die King-James-Übersetzung (KJV), die Anstey benutzt, hat in Titus 2,2 sound in faith, in Titus 1,13 jedoch sound in the faith.
[2] W. Kelly, The Epistles of Paul to Titus and Philemon, S. 52.
[3] Anm. d. Red.: Anstey verwendet hier im Englischen ein Wortspiel: They were to “rule the house” (1Tim 5,14), but not rule their husbands!
[4] W. Kelly, „Answers to Questions: That Blessed Hope“ in The Bible Treasury, 1860, Jg. 3, S. 32. Online auf www.stempublishing.com.
[5] F.B. Hole, Grundzüge des Neuen Testaments, Bd. 4: Galaterbrief – Philemonbrief, Hückeswagen (CSV) 1998, S. 298.