Der Brief des Paulus an Titus (1)
Kapitel 1

Stanley Bruce Anstey

© SoundWords, online seit: 25.09.2024, aktualisiert: 30.09.2024

Wahrheit und Gottesfurcht bei den Ältesten der Versammlung

Die Begrüßung (V. 1-4)

Vers 1

Tit 1,1: Paulus, Knecht Gottes, aber Apostel Jesu Christi, nach dem Glauben der Auserwählten Gottes und nach der Erkenntnis der Wahrheit, die nach der Gottseligkeit ist, …

Paulus stellt sich als „Knecht Gottes“ und „Apostel Jesu Christi“ vor.  Dies ist der einzige Brief, in dem er sich als Knecht Gottes vorstellt; normalerweise spricht er von sich als „Knecht Christi“ [Röm 1,1; Kol 4,12]. Unabhängig davon haben weder der Herr Jesus noch Gott der Vater jemand befohlen, ihr Knecht zu sein. Der Gläubige entscheidet sich aus eigenem Antrieb dafür, wenn er erkennt, dass er „um einen Preis erkauft“ ist (1Kor 6,20; 7,23). Der Prozess der geistlichen Übung, der den Gläubigen zu dieser Hingabe führt, geschieht durch das Nachdenken darüber, was Christus am Kreuz erlitten hat, um uns zu erlösen und jeden von uns zu einem „Freigelassenen des Herrn“ zu machen (1Kor 7,22a). Er hat unsere Sünden und die Strafe dafür an seinem eigenen Leib am Holz getragen (1Pet 2,24), und durch sein sühnendes Leiden (Joh 18,11) sind wir von der Strafe, die wir verdient haben, befreit worden. Wenn wir uns des Preises unserer Freiheit bewusst werden, werden wir uns entschließen, unsere Freiheit nicht mehr für unsere eigenen Interessen zu nutzen, sondern für die Interessen Christi. Wir werden uns freiwillig in den Dienst Christi als sein „Sklave“ stellen (1Kor 7,22b). Dies ist eine rein individuelle Übung und eine Entscheidung, die ein Mensch für sich selbst trifft – niemand kann sie für ihn treffen. Mit der Aussage, er sei „ein Knecht Gottes“, gibt Paulus zu verstehen, dass er diese Übung durchlaufen hatte und sich gern in Gottes Hand begab, um in seinem Dienst auf die von Gott gewünschte Weise eingesetzt zu werden. 

Als „Apostel Jesu Christi“ hatte Paulus vom Herrn Vollmacht erhalten und war von Ihm gesandt worden, um ein Werk für Ihn zu tun (Mt 10,1.5; 1Kor 1,17).  Ein „Knecht“ ist jemand, der unter Autorität steht, und ein „Apostel“ ist jemand, der selbst Autorität hat. Paulus betont hier sein Apostelamt, weil er kraft ebendieses Amtes Titus ermächtigte, auf Kreta Älteste zu ernennen. Wenn unter den Gläubigen dort irgendwelche Fragen auftauchten, konnte Titus diesen Brief als Beweis vorlegen. 

Paulus setzt seinen Gruß fort, indem er erklärt, dass seine Berufung und sein Dienst „nach dem Glauben der Auserwählten Gottes und nach der Erkenntnis der Wahrheit, die nach der Gottseligkeit ist“, erfolgten. Was sein Apostelamt kennzeichnete, war die eindeutige Wahrheit, die mit dem Christentum verbunden war. Der „Glaube der Auserwählten Gottes“ bezieht sich auf den persönlichen Glauben in den Herzen der wahren Gläubigen: der Auserwählten. Er bringt sie in eine lebendige Beziehung zu Gott und in den Besitz der charakteristischen Wahrheiten, die das Christentum kennzeichnen. Deshalb fügt Paulus hinzu: „und die Erkenntnis der Wahrheit“. J.N. Darby kommentiert:

Es ist eine persönliche Verbindung mit Gott selbst. Deshalb ist der christliche Glaube der Glaube der Auserwählten Gottes, und darum ist er auch da für die Heiden sowohl wie für die Juden.

Dieser Glaube der Auserwählten Gottes hat, indem er mit Gott selbst in Verbindung steht, einen vertraulichen Charakter. Er ruht in Ihm und kennt das Geheimnis seiner ewigen Ratschlüsse – jene Liebe, welche die Auserwählten zu Gegenständen seiner Ratschlüsse machte. An diesen Glauben aber knüpft sich noch ein anderer Charakterzug, nämlich das Bekenntnis der geoffenbarten Wahrheit, durch die Gott sich bekannt macht […]. Mit dem Glauben der Auserwählten im Herzen, dem persönlichen Glauben an Gott und an das Geheimnis seiner Liebe, verbindet sich das Bekenntnis der Wahrheit.[1]

Hier geht es darum, dass die praktische Wirkung der Wahrheit des Christentums im Herzen eines Menschen Frömmigkeit [Gottseligkeit] in seinem Leben bewirkt. Daher sagt Paulus, dass die Erkenntnis der christlichen Offenbarung der Wahrheit „nach der Gottseligkeit [Gottesfurcht] ist“.  Das zeigt, dass Wahrheit und Gottseligkeit bzw. Gottesfurcht zusammengehören. Eine gute Lehre zu haben, wird vom Apostel nie als Selbstzweck betrachtet; die empfangene Wahrheit soll im Leben des Gläubigen eine praktische Wirkung der Frömmigkeit haben. Diese beiden Dinge ergänzen sich gegenseitig. Paulus betont in diesem Brief wiederholt die gesunde Lehre, damit sie in den Gläubigen ein heiliges Leben hervorbringt. 

Vers 2

Paulus fügt hinzu:

Tit 1,2: … 2 in der Hoffnung des ewigen Lebens, das Gott, der nicht lügen kann, verheißen hat vor ewigen Zeiten; …

Dies zeigt, dass die Annahme der Wahrheit des Christentums den Gläubigen in die Hoffnung auf noch hellere Dinge versetzt, die noch kommen werden. „In der Hoffnung des ewigen Lebens“ bedeutet nicht, dass wir hoffen, dieses Leben zu haben, und dass wir nicht wissen, ob wir es haben werden oder nicht, bis wir am letzten Tag vor dem Thron Gottes stehen. Dies ist ein römisch-katholischer Irrtum, der dem Gläubigen die Gewissheit seines Heils und den Frieden raubt, den Gott ihm geben will. Er leugnet die eindeutigen Aussagen der Heiligen Schrift, die unsere ewige Sicherheit erklären (Joh 10,28.29 usw.). In der Bibel wird das Wort „Hoffnung“ nicht in der gleichen Weise verwendet wie im modernen Englisch [oder Deutsch]. Wir verwenden das Wort in unserer Zeit, um etwas zu bezeichnen, von dem wir uns wünschen, dass es eintritt, aber wir haben keine Garantie, dass es eintritt. In der Bibel ist die Hoffnung eine aufgeschobene Gewissheit.  Sie ist etwas, was definitiv geschehen wird – wir wissen nur nicht, wann. Es ist eine Erwartung, die mit Gewissheit verbunden ist. 

In Römer 5,2 spricht Paulus von der „Hoffnung der Herrlichkeit Gottes“, was sich auf die zukünftige Verherrlichung des Gläubigen bei der Ankunft des Herrn (der Entrückung) bezieht. Das ist etwas, worauf sich der Gläubige mit Sicherheit freut. Dieses glorreiche Ende, mit und wie Christus in einem verherrlichten Zustand zu sein, ist die Hoffnung des Christen. Als wir das erste Mal an das Evangelium geglaubt und den Herrn Jesus Christus als unseren Retter angenommen haben, sind wir in die Hoffnung auf unsere spätere Verherrlichung versetzt worden. Paulus bezieht sich darauf in Römer 8,24: „In Hoffnung sind wir errettet worden.“ […] Das heißt, wir sind gerettet worden in der Hoffnung auf oder im Hinblick auf den vollen und endgültigen Zustand der Verherrlichung, der noch kommen wird (1Kor 15,49; Phil 3,21; 1Joh 3,2). 

Hier in Vers 2 ist unsere Hoffnung auf das „ewige Leben“ gerichtet. Das geht über die in Römer 5,2 erwähnte Verherrlichung hinaus und bedeutet, dass wir im Himmel in diesem verherrlichten Zustand die Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn genießen! Um dies richtig zu verstehen, müssen wir erkennen, dass es im Zusammenhang mit Christen zwei Aspekte dieses reicheren Lebens gibt:

  1. Erstens bezieht er sich auf das göttliche Leben im Gläubigen als gegenwärtiger Besitz, durch den er durch den Heiligen Geist, der in ihm wohnt, bewusste Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn hat (Joh 17,3; 4,14). Dieser Aspekt findet sich in den Schriften des Johannes (Joh 3,15.16.36, etc.).
  2. Zweitens wird er als der Lebensbereich betrachtet, auf den der Gläubige im Himmel zusteuert. Es hat also auch einen zukünftigen Aspekt. So sprechen Paulus und Judas davon (Röm 2,7; 5,21; 6,22.23; Gal 6,8; 1Tim 1,16; 6,12.19; Tit 1,2; 3,7; Jud 21). In diesem zukünftigen Sinn wird das ewige Leben als eine Umgebung des geistlichen Lebens angesehen, in der alles Licht, Liebe und Gerechtigkeit ist und in der die Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn in Fülle genossen wird.

Der erste Aspekt hat also mit dem Leben zu tun, das in uns wohnt, und der zweite Aspekt ist das Leben, in dem wir eines Tages wohnen werden. 

In unserer Alltagssprache verwenden wir das Wort „Leben“ auf diese beiden Arten. Wir können von einer Pflanze, einem Tier oder einem Menschen sagen, dass sie Leben in sich tragen. Wir sprechen aber auch von Leben als einem Element oder einer Sphäre, in der eine Person wohnen kann – zum Beispiel „Landleben“, „Stadtleben“, „Gemeindeleben“ usw. So können wir jetzt durch den Geist das ewige Leben genießen, aber wenn wir verherrlicht sind, werden wir in diesem Element des Lebens in seinem vollsten Sinn wohnen.

Diese beiden Aspekte des Lebens wurden am Beispiel eines Tiefseetauchers veranschaulicht. Er arbeitet unter Wasser, aber er atmet Luft durch seine Rettungsleine, die ihn am Leben erhält. Dies entspricht dem Gläubigen, der das ewige Leben in der Gegenwart besitzt. Wir leben in dieser Welt und bewegen uns in einem Element, für das wir von Natur aus nicht geeignet sind, denn wir gehören der neuen Schöpfung an und sind himmlische Menschen. So sind wir nicht von der Welt, sondern werden von unserer Lebensleine der Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn getragen, während wir in der Welt sind. Wenn der Taucher seine Arbeit beendet hat und aus dem Wasser in sein natürliches Element aufsteigt, legt er seinen Taucherhelm und -anzug ab und atmet die Luft ohne diesen Apparat ein. In ähnlicher Weise werden wir, wenn unsere Arbeit hier auf der Erde beendet ist und wir in den Himmel heimgeholt werden, in dem Element des ewigen Lebens sein, für das wir vollkommen geeignet sind. 

Wenn Paulus also sagt, dass wir in Christus die „Hoffnung des ewigen Lebens“ haben, bedeutet das, dass unsere Bestimmung nicht nur darin besteht, verherrlicht zu werden, sondern dass wir als Verherrlichte in voller Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn im Himmel sind – was das Wesen dieses Lebens ist. Das ist etwas, was Gott „verheißen hat vor ewigen Zeiten“. Es zeigt, dass Gott das ewige Leben im Sinn hatte, bevor Er die Welt erschuf. Es scheint, dass die Gemeinschaft der göttlichen Personen in der vergangenen Ewigkeit so süß und kostbar war, dass Gott wollte, dass auch andere diese Freude erfahren. Deshalb gab Er die Verheißung, dass zu „zu seiner Zeit“ (der christlichen Zeit), wenn Sühnung vollbracht und der Heilige Geist gegeben ist, diejenigen, die an den Herrn Jesus Christus glauben, diese Gelegenheit haben werden (1Joh 1,3). 

Der gegenwärtige Besitz dieses Lebens kann als „ewiges Leben“ bezeichnet werden und der zukünftige Aspekt als „Leben in Ewigkeit“. Wir sind der Übersetzung von J.N. Darby zu Dank verpflichtet, der diese Dinge auf diese Weise unterscheidet – auch wenn er es versäumt, das ewige Leben als solches in 1. Johannes 3,15; 5,11.13.20 zu erwähnen. In der Übersetzung von W. Kelly ist dies jedoch der Fall. 

Der Auftrag des Paulus (V. 3)

Verse 3.4

Tit 1,3.4: … 3 zu seiner Zeit aber hat er sein Wort offenbart durch die Predigt, die mir anvertraut worden ist nach Befehl unseres Heiland-Gottes – 4 Titus, meinem echten Kind nach unserem gemeinschaftlichen Glauben: Gnade und Friede von Gott, dem Vater, und Christus Jesus, unserem Heiland!

Die Verkündigung der besonderen Offenbarung der christlichen Wahrheit war Paulus „nach Befehl unseres Heiland-Gottes“ anvertraut worden. Nachdem er diesen Auftrag erhalten hatte, setzte er seine ganze Kraft ein, um sie zu verkünden. Es ist bezeichnend, wie er den Begriff „Heiland“ in diesem Brief verwendet; er wird sowohl auf Gott als auch auf den Herrn Jesus angewendet, wodurch die Gottheit des Herrn betont wird [Tit 1,3.4; 2,10.13; 3,4.6].

Paulus betont hier sein Apostelamt, weil es Titus offiziell dazu ermächtigte, Älteste zu ernennen. Das zeigt, dass Paulus nicht nur einen persönlichen Brief an Titus schrieb; es war ein offizielles Dokument, das Titus den Gläubigen auf Kreta vorlegen konnte, um zu zeigen, woher seine Autorität kam, Älteste zu ernennen. Daraufhin konnte er sich als Abgesandter des Paulus unter ihnen bewegen, ohne dass die ihm verliehene Autorität in Frage gestellt wurde. 

Ernennung von Ältesten (V. 5)

Vers 5

Die erste Aufgabe von Titus war es, in jeder der Versammlungen auf Kreta eine starke Leitung aufzubauen, indem er Männer ernannte, die das moralische Gewicht hatten, die Gläubigen auf den Weg der Gerechtigkeit zu führen, und die für die Wahrheit einstehen würden, wenn sie mit Angriffen konfrontiert würden. Paulus sagt:

Tit 1,5: Deswegen ließ ich dich in Kreta zurück, damit du das, was noch mangelte, in Ordnung bringen und in jeder Stadt Älteste anstellen möchtest, wie ich dir geboten hatte: …

Titus sollte dies nicht tun durch die Wahl von Freunden und Parteigängern, die er bevorzugte, sondern indem er diejenigen anerkannte, die Gott durch den Heiligen Geist erweckt hatte, und sie einsetzte (Apg 20,28). Die Wahl der Männer, die diese Versammlungen leiten sollten, lag also nicht bei Titus, sondern bei Gott. Titus würde diese Männer an ihren moralischen Qualifikationen erkennen (1Tim 3,1-7; Tit 1,5-9) und an dem Werk, das sie taten, indem sie sich der Sorge für die Gläubigen widmeten und ihnen dienten (1Kor 16,15.16; 1Thes 5,12.13; 1Tim 5,17). 

Da ein gewisses judaisierendes Element unter den Kretern starken Widerstand leistete (Tit 1,10.11), mussten diese Männer durch offizielle Ernennung in dieses Amt eingesetzt werden, damit keine Zweifel an ihrer Führung in der Versammlung aufkamen. Wie in der Einleitung erwähnt, ist dies etwas, was heute nicht mehr möglich ist, weil es heute keine Apostel oder Beauftragte eines Apostels auf der Erde gibt, die dies tun könnten. Aber wir können immer noch diejenigen erkennen, die moralisch und geistlich qualifiziert sind, die Gläubigen zu führen, und ihrer Führung folgen. Auf diese Weise wird inoffiziell dasselbe erreicht. 

Es scheint, dass Paulus ziemlich abrupt von Kreta weggerufen wurde und dabei eine Arbeit unerledigt ließ. Er sagt nicht, warum er wegging, sondern beauftragte Titus, die Arbeit in seiner Abwesenheit zu Ende zu führen. Die Beauftragung von Titus durch Paulus beweist nicht, dass es so etwas wie eine apostolische Sukzession gibt – ein weiterer römisch-katholischer Irrtum. Der Auftrag, den der Apostel Paulus an Titus erteilte, war für einen bestimmten Ort und für eine gewisse Zeit bestimmt. Er hatte keine Anweisung von Paulus, diese Vollmacht an andere zu übertragen oder sie an andere weiterzugeben. 

Die Qualifikationen der Ältesten (V. 6-9)

Verse 6-9

Tit 1,6-9: 6 Wenn jemand untadelig ist, der Mann einer Frau, der gläubige Kinder hat, die nicht eines ausschweifenden Lebens beschuldigt werden oder zügellos sind. 7 Denn der Aufseher muss untadelig sein als Gottes Verwalter, nicht eigenmächtig, nicht zornmütig, nicht dem Wein ergeben, nicht ein Schläger, nicht schändlichem Gewinn nachgehend, 8 sondern gastfrei, das Gute liebend, besonnen, gerecht, fromm, enthaltsam, 9 anhängend dem zuverlässigen Wort nach der Lehre, damit er fähig sei, sowohl mit der gesunden Lehre zu ermahnen als auch die Widersprechenden zu überführen.

Paulus fährt fort, die moralischen und geistlichen Eigenschaften zu skizzieren, die ein Ältester haben muss. Bevor wir diese Dinge untersuchen, sollten wir beachten, dass Paulus die Worte „Ältester“ und „Aufseher [Bischof]“ hier synonym verwendet. (Vergleiche auch Apostelgeschichte 20,17 mit Apostelgeschichte 20,28 und 1. Petrus 5,1 mit 1. Petrus 5,2.) Das zeigt, dass sie sich auf dasselbe Amt beziehen. Wenn „Ältester“ verwendet wird, wird die Reife und Erfahrung betont, die der Mann haben sollte; wenn „Aufseher [Bischof]“ verwendet wird, bezieht sich dies auf die Arbeit, die er bei der Aufsicht und Fürsorge der Herde leistet. Paulus nennt dann die notwendigen moralischen Anforderungen an einen Ältesten/Aufseher: 

Sein öffentliches Leben

Was sein öffentliches Leben vor der Welt betrifft (Tit 6a), so sollte er „untadelig [frei von jeder Anklage gegen ihn]“ sein. 

Sein Familienleben

Was sein Familienleben betrifft (Tit 6b), so sollte er „Mann einer Frau“ sein, das heißt, er sollte kein Polygamist sein. Ein Polygamist könnte durch Gottes Gnade gerettet werden und am Tisch des Herrn sitzen, aber mehr als eine einzige Frau zu haben, würde ihn von dieser Arbeit in der Versammlung ausschließen. Seine Mehrfachehe würde die moralische Ordnung, die Gott in der Schöpfung in Bezug auf die Ehe eingesetzt hat (Mk 10,6-9), nicht richtig repräsentieren. Sie würde auch nicht dem Vorbild Christi und der Gemeinde entsprechen (Eph 5,24-32). Er sollte auch „gläubige Kinder haben, die nicht eines ausschweifenden Lebens beschuldigt werden oder zügellos sind“.  Er sollte also eine Familie haben, die an das Evangelium glaubt und den christlichen Weg des Glaubens in geordneter Weise geht. 

Sein Versammlungsleben

Was sein Leben in der Versammlung betrifft (Tit 1,7-9), so sollte er unter seinen Brüdern „untadelig [frei von jeder Anklage gegen ihn]“ sein. Wenn die Gläubigen ihn als „Gottes Verwalter“ respektieren sollen, müssen sie zwangsläufig Gottesfurcht und Beständigkeit in seinem Leben sehen. 

Wenn er sein Aufsichtsamt erfolgreich ausüben soll, darf er nicht durch die folgenden negativen Eigenschaften gekennzeichnet sein: „eigenmächtig“, „zornmütig“, „dem Wein ergeben“, „ein Schläger“ und „schändlichem Gewinn nachgehend“.  Er darf also nicht herrschsüchtig sein, nicht jähzornig, nicht dem Alkohol zugeneigt, nicht gewalttätig und er darf keine Grundsätze verletzen, um Geld zu verdienen. 

Was die positiven Eigenschaften betrifft, so sollte ein Ältester/Aufseher wie folgt sein: „gastfrei“, „das Gute liebend“, „besonnen“, „gerecht“, „fromm“ und „enthaltsam“.  So soll sein Haus für die Gläubigen offen sein (Röm 12,13), er soll sich persönlich mit guten und nützlichen Dingen befassen (Tit 3,14) und sich in allen Dingen mit Würde und Nüchternheit verhalten (Pred 10,1).  Er muss sich auch durch Gerechtigkeit, Frömmigkeit und Selbstbeherrschung auszeichnen. 

Nicht zuletzt muss er auch „anhängend sein dem zuverlässigen Wort nach der Lehre, damit er fähig sei, sowohl mit der gesunden Lehre zu ermahnen als auch die Widersprechenden zu überführen“ (Tit 1,9). Dies zeigt, dass ein Ältester/Aufseher die Wahrheit kennen und praktische Erkenntnis über das Wort Gottes haben muss, um in der Lage zu sein, diejenigen zu „widerlegen“, die sich ihm widersetzen (1Tim 3,2: „lehrfähig“).  Beachte: Er soll die Widersprechenden nicht durch kluge Argumente widerlegen, die auf menschlichem Verstand beruhen, sondern „durch gesunde Lehre“ (2Tim 2,14.15). 

Beachte auch: Es wird hier (und auch sonst nirgendwo in der Schrift) etwas über die Beredsamkeit eines Ältesten, seine weltliche Bildung, seinen Geschäftssinn oder seinen sozialen Status im Leben gesagt. Weltliche Christen mögen viel von diesen Dingen halten und denken, sie seien notwendige Eigenschaften für einen Leiter, aber diese Dinge machen keinen fähigen Ältesten/Aufseher aus. Tatsächlich kann Erfolg in weltlichen Dingen den Stolz eines Menschen fördern und ihm ein falsches Gefühl von Wichtigkeit geben. Seine Fähigkeit als Ältester wird nicht an seinem geschäftlichen Erfolg gemessen, sondern an seiner Geistlichkeit und praktischen Weisheit. 

Judaistische Lehrer (V. 10-13a)

Verse 10-13a

Paulus fährt fort, über den Widerstand zu sprechen, dem Titus und die Gläubigen auf Kreta ausgesetzt waren.  Er sagt:

Tit 1,10-13a: 10 Denn es gibt viele zügellose Schwätzer und Betrüger, besonders die aus der Beschneidung, 11 denen man den Mund stopfen muss, die ganze Häuser umkehren, indem sie schändlichen Gewinnes wegen lehren, was sich nicht geziemt. 12 Es hat einer von ihnen, ihr eigener Prophet, gesagt: „Kreter sind immer Lügner, böse, wilde Tiere, faule Bäuche.“ 13 Dieses Zeugnis ist wahr; …

Das Bedürfnis nach Wahrheit und Gottseligkeit in der Versammlung war offensichtlich; fleischliche Menschen trieben für ihre eigenen egoistischen Interessen Böses unter den Gläubigen. Sie waren widerspenstige und eitle „Schwätzer und Betrüger“, die sich als Lehrer ausgaben, aber in Wirklichkeit führten sie die Gläubigen in gesetzliche Knechtschaft und Irrtum. Es war im Großen und Ganzen das Werk eines Teils der judaisierenden Lehrer, die Paulus „die Beschneidung“ nennt. Sie gaben zwar vor, für das Gesetz und die zeremonielle Heiligkeit zu eifern, doch ihr wahres Motiv war schnöder Gewinn („schändlicher Gewinn“). Was sie tatsächlich taten, war, die Gläubigen zu schröpfen! Paulus sagt, dass man ihnen „den Mund stopfen muss“, weil sie lehrten, „was sich nicht geziemt“.  Diese Männer mussten endgültig zum Schweigen gebracht werden. 

Neben dem Problem der schlechten Lehre zeichneten sich die Kreter durch bestimmte unerwünschte nationale Eigenschaften aus, die sie aus ihrer unbekehrten Zeit in ihr christliches Leben übertrugen. Um dies zu belegen, zitiert Paulus einen ihrer eigenen Propheten: Epimenides, der im 6. Jahrhundert v.Chr. lebte (siehe Concise Bible Dictionary, S. 777). Er sagte: „Kreter sind immer „Lügner, böse, wilde Tiere, faule Bäuche.“  Paulus bestätigt: „Dieses Zeugnis ist wahr.“  Er sagt nicht, dass Epimenides ein Prophet Gottes war, sondern „ihr eigener Prophet“. Das zeigt, dass falsche Propheten das Richtige sagen können, wenn es ihren Zwecken dient. Paulus zitiert den Propheten, um zu zeigen, dass der Charakter der Kreter bekannt war. Selbst diejenigen, die nicht gerettet waren, konnten das sehen! 

Diese Kreter waren zwar gläubig, aber sie machten sich keine Gedanken über ihren Lebenswandel und ihr Verhalten als Christen. Vielleicht dachten sie, es spiele keine Rolle. Traurigerweise gibt es heute unter den Christen viele wie sie. Es erübrigt sich, zu sagen, dass ihr nationaler Charakter, den sie hätten ablegen sollen, als sie gerettet wurden, sich negativ auf ihr christliches Zeugnis vor der Welt auswirkte.

Die kretischen Gläubigen damals sind ein Paradebeispiel dafür, wie nationaler Charakter und natürliche Kultur in die Versammlung kommen können. Bestimmte unchristliche Eigenheiten können sich im Leben eines Gläubigen manifestieren, und manchmal wird das entschuldigt, indem man sagt: „Das liegt an ihrer Kultur“ – als ob es aufgrund der Geschichte einer Person toleriert werden sollte. Es mag sehr wohl ein Merkmal ihrer nationalen Kultur sein, aber das rechtfertigt nicht ihre Anwesenheit unter den Gläubigen in der Versammlung. Wenn ein solches Verhalten nicht den moralischen Maßstäben und Wegen Gottes entspricht, dann hat es im Leben eines Christen keinen Platz. Es ist nicht zu entschuldigen, sondern vielmehr als untypisch für einen Christen zu beurteilen. Wenn ein Mensch gerettet wird, soll es in seinem Leben eine „Wiedergeburt“ des moralischen Charakters geben, die mit der Errettung seiner Seele einhergeht (Tit 3,5). Die früheren Gewohnheiten und Verhaltensweisen unseres alten Lebens müssen abgewaschen werden, und Gottes Maßstäbe und moralische Verhaltensweisen müssen als unser Ideal angenommen werden. Diese moralische Erneuerung fehlte leider bei den kretischen Gläubigen. 

Das Heilmittel (V. 13b-16)

Verse 13b.14

Tit 1,13b.14: 13 … aus diesem Grund weise sie streng zurecht, damit sie gesund seien im Glauben 14 und nicht achten auf jüdische Fabeln und Gebote von Menschen, die sich von der Wahrheit abwenden.

Paulus sagt, dass die Antwort auf diese widerspenstigen und eitlen Schwätzer darin bestehe, sie „streng zurechtzuweisen, damit sie gesund seien im Glauben“.  Dass sie zurechtgewiesen und im Glauben gefestigt werden konnten, zeigt, dass einige dieser judaisierenden Lehrer vielleicht wahre Gläubige waren, doch sie waren furchtbar verwirrt. Ein ernsthafter Christ kann zurechtgewiesen werden, aber ein natürlicher Mensch, der kein göttliches Leben hat, kann nicht zurechtgewiesen werden (Joh 8,43; 1Kor 2,14). Sie brauchten Zurechtweisung, nicht Ausschluss aus der Gemeinde. Sie sollten aufhören, „jüdische Fabeln und Gebote von Menschen“ zu beachten; solche Vorstellungen verwirren die Menschen nur und „wenden sie von der Wahrheit ab“. 

Verse 15.16

Paulus fährt fort, von den judaisierenden Lehrern zu sprechen, die keine echten Gläubigen waren. Er sagt: 

Tit 1,15.16: 15 Den Reinen ist alles rein; den Befleckten aber und Ungläubigen ist nichts rein, sondern befleckt ist sowohl ihre Gesinnung als auch ihr Gewissen. 16 Sie geben vor, Gott zu kennen, aber in den Werken verleugnen sie ihn und sind abscheulich und ungehorsam und zu jedem guten Werk unbewährt.

Die Bemerkung, „den Reinen“ seien alle Dinge „rein“, wird häufig missbraucht und so verstanden, dass Gläubige sich mit unheiligen Dingen beschäftigen könnten, ohne sich dadurch zu verunreinigen, wenn ihr Geist heilig sei. Das ist falsch; Christen werden sehr wohl verunreinigt, wenn sie sich mit unheiligen Dingen beschäftigen. Deshalb forderte Paulus die Philipper auf, ihre Gedanken auf Dinge zu richten, die „lieblich“ und „rein“ sind usw. (Phil 4,8). Was er hier meint, ist, dass die Reinen (die wahren Gläubigen) sich an der Reinheit erfreuen, während die Unreinen (die Ungläubigen) sich an Unreinem erfreuen, weil „sowohl ihre Gesinnung als auch ihr Gewissen befleckt ist“. Ihre geistlichen Prozesse sind verdorben; daher laufen ihre Gedanken in fleischlichen Bahnen, und sie haben Freude daran. Was Paulus hier sagt, wirft die Frage auf: „Wie können solche Menschen geeignet sein, die Gläubigen in ‚der Wahrheit, die nach der Gottseligkeit ist‘ (Tit 1,1), zu leiten?“ Das ist unmöglich. 

Diese Betrüger müssen als solche identifiziert und entlarvt werden. Man würde sie an ihren Taten erkennen, denn ihre Praxis stimmte nicht mit ihrem Bekenntnis überein:  „Sie geben vor, Gott zu kennen, aber in den Werken verleugnen sie ihn.“  Paulus sagt Titus nicht, dass er diese Leute zurechtweisen soll, so wie er es in Titus 1,13 sagt. Der Grund dafür ist, dass sie Ungläubige waren, die „abscheulich und ungehorsam“ waren. Sie waren unverbesserlich und „verwerflich“.  Einige Übersetzungen übersetzen „verwerflich“ mit „untauglich“ oder „unbewährt“. Durch ihre schlechte Lehre und ihr schlechtes Verhalten hatten sie selbst sich in Wahrheit für einen Platz in der Versammlung disqualifiziert. 


Originaltitel: „Truth & Godliness in the Elders of the Assembly: Titus 1“ aus The Epistle of Paul to Titus
Quelle: www.bibletruthpublishers.com

Übersetzung: Stephan Isenberg

Anmerkungen

[1] J.N. Darby, Betrachtung über Titus (Synopsis), Kommentar zu Kapitel 1. Online auf www.bibelkommentare.de.

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