Das Evangelium nach Lukas (9)
Kapitel 9

Stanley Bruce Anstey

© SoundWords, online seit: 20.01.2025, aktualisiert: 08.08.2025

DER DIENST DES HERRN IN GALILÄA (Lk 4,14–9,50) (Forts.)

Die Aussendung der Apostel (Lk 9,1-9)

Verse 1-2

Lk 9,1-2: 1 Als er aber die Zwölf zusammengerufen hatte, gab er ihnen Kraft und Gewalt über alle Dämonen und zum Heilen von Krankheiten; 2 und er sandte sie aus, das Reich Gottes zu predigen und die Kranken zu heilen. 

Nachdem der Herr in Wort und Tat gezeigt hatte, was göttliche Gnade ist und was sie bewirkt, sandte Er seine Apostel aus, damit sie das Volk in das Reich Gottes riefen. Sie hatten eine meisterhafte Unterweisung erhalten, während sie dem Herrn folgten, als Er in den Städten und Dörfern Galiläas wirkte, und waren nun bereit hinauszugehen, um zu dienen. In den nächsten Versen berichtet Lukas uns davon. Ihre Ausbildung war einfach: Sie sollten ihren Meister in allem nachahmen, was das Predigen, Lehren, Heilen und Austreiben von Dämonen betraf. Sie lernten nicht nur von dem, was Er tat, sondern auch, wie Er es tat. Die Wunder, die sie in ihrem Dienst vollbringen würden, sollten ein Vorgeschmack auf „die Wunderwerke des zukünftigen Zeitalters“ (Heb 6,5) sein, der Vorgeschmack auf das, was das Volk Israel erleben wird, wenn es Christus annimmt.

Als Erstes fällt auf, dass die Apostel nicht auf eigene Kosten ausgesandt wurden. Der Herr stattete sie geistlich mit allem aus, was sie brauchten, damit sie wirksame Diener des Wortes sein konnten, und verhieß ihnen auch, durch seine göttliche Vorsehung für ihre zeitlichen Bedürfnisse zu sorgen (Lk 9,3-5). Lukas stellt bei der Aussendung der Apostel durch den Herrn eine moralische Ordnung fest, die die Berufung eines jeden Dieners zum Dienst kennzeichnen sollte. Es gibt drei spezifische Dinge: 

  1. Der Herr hatte die Apostel „berufen“. Dass sie hinausgingen, um zu dienen, ging von Ihm aus, nicht von ihnen selbst. Er war es, der diejenigen auswählte, die hinausgehen sollten. Ebenso muss jemand, der zum Dienst berufen wird, sich darüber im Klaren sein, dass dies der Wille des Herrn ist. Er sollte ein starkes Empfinden in seiner Seele haben, dass der Herr zu ihm gesprochen und ihn zu dieser Arbeit berufen hat.

  2. Der Herr „gab“ den Aposteln Kraft und Vollmacht („Gewalt“), das Werk auszuführen, zu dem Er sie berufen hatte. Das zeigt, dass der Herr niemand zu einem Werk beruft, ohne ihm das nötige Rüstzeug dafür zu geben. Er gibt ihm die Fähigkeit und die geistliche Gabe, die er für diesen Dienst braucht (Mt 25,15; Röm 12,5-8; Eph 4,7; 1Pet 4,10-11).

  3. Der Herr „sandte“ die Apostel aus. Diese Handlung unterschied sich von den beiden anderen Dingen – „Kraft und Gewalt“ – und zeigt, dass zwischen dem Empfang einer geistlichen Gabe und ihrem öffentlichen Einsatz einige Zeit vergehen kann. So kann die Gabe in jemand heranreifen, bevor er vom Herrn konkret ausgesandt wird. Im Fall der Apostel geschah dies gleichzeitig.

Verse 3-5

Lk 9,3-5:  3 Und er sprach zu ihnen: Nehmt nichts mit auf den Weg, weder Stab noch Tasche noch Brot noch Geld noch soll jemand zwei Unterkleider haben. 4 Und in welches Haus irgend ihr eintretet, dort bleibt, und von dort geht aus. 5 Und so viele euch etwa nicht aufnehmen – geht fort aus jener Stadt und schüttelt den Staub von euren Füßen zum Zeugnis gegen sie.

Vor ihrem öffentlichen Dienst gab der Herr den Aposteln einige besondere Anweisungen, wie sie gehen sollten. Er sagte zu ihnen: „Nehmt nichts mit auf den Weg.“ Sie sollten in völliger Abhängigkeit von Ihm ausziehen und sich nicht auf ihren eigenen Einfallsreichtum und ihre eigenen Mittel stützen; Er würde für all ihre zeitlichen Bedürfnisse sorgen (Phil 4,19). Sie sollten „weder Stab noch Tasche noch Brot noch Geld noch zwei Unterkleider“ mitnehmen. Sie sollten also einfach losziehen und keine zusätzlichen Dinge mitnehmen.

Sie sollten in dem ersten Haus bleiben, in dem sie willkommen geheißen wurden, und nicht von Haus zu Haus ziehen in der Hoffnung, eine bequemere Unterkunft zu bekommen; das könnte Bevorzugung und Eifersucht fördern. Mit dem Zusatz „Dort bleibt, und von dort geht aus“ deutete der Herr an, dass sie ihren Aufenthalt in keinem der Häuser, die ihnen offen standen, verlängern sollten, damit sie niemand zur Last fielen. Dort, wo sie verworfen wurden, sollten sie „den Staub von ihren Füßen zum Zeugnis gegen sie abschütteln“. Dies war ein Zeichen dafür, dass sie „rein waren von dem Blut aller“, denen sie gepredigt hatten (Apg 20,26). Sie waren ihrer Verantwortung, die Wahrheit Gottes zu verkünden, treu nachgekommen, und wenn die Menschen sie nicht wollten, dann trugen diese selbst die Konsequenzen.

Verse 6-9

Lk 9,6-9: 6 Sie gingen aber aus und durchzogen nacheinander die Dörfer, indem sie das Evangelium verkündigten und überall heilten. 7 Herodes, der Vierfürst, aber hörte alles, was geschehen war, und er war in Verlegenheit, weil von einigen gesagt wurde, dass Johannes aus den Toten auferstanden sei, 8 von einigen aber, dass Elia erschienen, von anderen aber, dass einer der alten Propheten auferstanden sei. 9 Herodes aber sprach: Johannes habe ich enthauptet; wer aber ist dieser, von dem ich Derartiges höre? Und er suchte ihn zu sehen.

Lukas fügt diesem Bericht über die Aussendung der Apostel durch den Herrn den Bericht an über das skrupellose Handeln des Herodes gegenüber Johannes dem Täufer und sein freimütiges Eingeständnis, ihn getötet zu haben! Dies wird hier eingefügt, um zu zeigen, in welche Art von Welt die Diener des Herrn gesandt wurden, um zu predigen. Sie müssen darauf vorbereitet sein, die Feindseligkeit und Verfolgung der Welt zu spüren; es könnte sogar das Martyrium bedeuten, wie es bei Johannes der Fall war.

Lehren aus den Fehlern und dem Versagen der Apostel (Lk 9,10-56)

Vers 10

Lk 9,10: Und als die Apostel zurückkehrten, erzählten sie ihm alles, was sie getan hatten; und er nahm sie mit und zog sich zurück für sich allein in eine Stadt, mit Namen Bethsaida.

Als „die Apostel“ von ihren Bemühungen „zurückkehrten“, berichteten sie dem Herrn „alles, was sie getan hatten“. Daraufhin „nahm er sie mit und zog sich zurück für sich allein in eine Stadt“, um mit ihnen allein zu sein. Es war eine Zeit, in der sie ihre Energie erneuern und über das nachdenken (und daraus lernen) konnten, was sie auf dem Missionsfeld erlebt hatten. Das lehrt uns, wie wichtig es ist, dass der Diener sich Zeit nimmt, um mit dem Herrn allein zu sein, wenn er dem Herrn dienen will; im Dienst geht es nicht nur darum, hinauszugehen und pausenlos im Dienst tätig zu sein. Stille Zeiten der Einsamkeit mit dem Herrn sind der Schlüssel zu Frische und Kraft in unserem Dienst (Mk 1,35).

Im letzten Teil von Kapitel 9 reiht Lukas eine Reihe von Ereignissen aneinander, in denen der Herr bestimmte Unzulänglichkeiten und Versäumnisse der Apostel anspricht. Er tat dies nicht in der Absicht, sie zu demütigen und niederzudrücken, sondern Er nutzte diese Gelegenheiten, um ihnen einige wertvolle moralische Lektionen im Zusammenhang mit der Nachfolge und dem Dienst zu erteilen. Wenn sie es richtig lernten, würden diese Lektionen ihren Dienst wirksamer machen. Diese Begebenheiten sind in der Heiligen Schrift aufgezeichnet, damit auch wir daraus lernen können, denn wenn wir weise sind, können wir aus den Fehlern anderer lernen; das wird als „einsichtsvolle Unterweisung“ bezeichnet (Spr 1,3).

Der Mangel an Glauben (V. 11-17)

Verse 11-17

Lk 9,11-17: 11 Als aber die Volksmengen es erfuhren, folgten sie ihm; und er nahm sie auf und redete zu ihnen über das Reich Gottes, und die, die Heilung nötig hatten, machte er gesund. 12 Der Tag aber begann sich zu neigen; die Zwölf aber traten herzu und sprachen zu ihm: Entlass die Volksmenge, dass sie in die Dörfer ringsum und aufs Land gehen und einkehren und Nahrung finden; denn hier sind wir an einem öden Ort. 13 Er sprach aber zu ihnen: Gebt ihr ihnen zu essen. Sie aber sprachen: Wir haben nicht mehr als fünf Brote und zwei Fische, es sei denn, dass wir etwa hingehen und für dieses ganze Volk etwas zum Essen kaufen. 14 Denn es waren etwa fünftausend Männer. Er sprach aber zu seinen Jüngern: Lasst sie sich in Gruppen zu je etwa fünfzig lagern. 15 Und sie taten so und ließen alle sich lagern. 16 Er nahm aber die fünf Brote und die zwei Fische, blickte auf zum Himmel und segnete sie; und er brach sie und gab sie den Jüngern, damit sie sie der Volksmenge vorlegten. 17 Und sie aßen und wurden alle gesättigt; und es wurde aufgehoben, was ihnen an Brocken übrig geblieben war, zwölf Handkörbe voll.

Die erste dieser Lehren aus den Unzulänglichkeiten der Jünger finden wir in der Speisung der Fünftausend: Mangel an Glauben. Es ist das einzige Wunder, das in allen vier Evangelien berichtet wird.

Als der Tag zu Ende ging, traten die Apostel zum Herrn und sagten: „Entlass die Volksmenge, dass sie in die Dörfer ringsum und aufs Land gehen und einkehren und Nahrung finden; denn hier sind wir an einem öden Ort.“ Die Apostel sorgten sich aufrichtig um die Volksmenge, aber es fehlte ihnen das Vertrauen darauf, dass der Herr ausreichen würde, um die Not zu lindern, die sie hatten. Darauf angesprochen, sagte der Herr zu ihnen: „Gebt ihr ihnen zu essen.“ Sie antworteten: „Wir haben nicht mehr als fünf Brote und zwei Fische“, und folgerten, dass die einzige Lösung darin bestünde, „dass wir etwa hingehen und für dieses ganze Volk etwas zum Essen kaufen“. Es kam ihnen nicht in den Sinn, dass der Herr ein Wunder gemäß Psalm 132,15 („Seine Speise will ich reichlich segnen, seine Armen mit Brot sättigen“) tun und das Problem lösen könnte. Sie dachten nur an ihre eigenen begrenzten Mittel. J.N. Darby sagt, dass der Herr, als Er den Aposteln befahl, den Menschen zu essen zu geben,

ihren Glauben an das, was Er durch sie tun konnte, erprobte. […] Der Herr erprobte ihren Glauben an Ihn: „Gebt ihr ihnen zu essen.“ Aber nein, sie hatten keinen Glauben. Sie begannen, mit ihren eigenen Mitteln zu rechnen, und sagten: „Wir haben nicht mehr als fünf Brote und zwei Fische.“ […] Der HERR war unter ihnen und übte seine Macht aus, aber wir sehen in ihrer Antwort den schrecklichen Grundsatz des Unglaubens. Der Unglaube schließt Gott aus und beschränkt sich auf das, was er sieht: „Es sei denn, dass wir etwa hingehen und für dieses ganze Volk etwas zum Essen kaufen.“[1]

Nachdem der Herr festgestellt hatte, dass es ihnen möglich war, die große Menschenmenge zu ernähren, wenn sie Glauben dazu hätten, zeigte Er ihnen, wie sie es tun sollten: „Er nahm aber die fünf Brote und die zwei Fische, blickte auf zum Himmel und segnete sie; und er brach sie und gab sie den Jüngern, damit sie sie der Volksmenge vorlegten.“ Sie sollten das Wenige, das sie hatten, in die Hand des Herrn legen, und indem sie Gott im Gebet anriefen, konnten sie darauf zählen, dass Er es möglich machen würde. So mussten die Apostel verstehen, dass es nicht darauf ankam, wie viel sie hatten, sondern wie fähig Gott war, in dieser Notlage zu helfen.

Auch bei der Verteilung der geistlichen Nahrung im Dienst des Wortes könnten wir uns unzulänglich fühlen, weil wir nicht so gelehrt sind wie andere, und daraus schließen, wir könnten keine Hilfe bei der Speisung der Seelen sein. Die Speisung der „fünftausend Männer“ (es hätten doppelt so viele sein können, wenn man Frauen und Kinder mitgezählt hätte, s. Mt 14,21) zeigt, dass dies nicht der Fall sein muss. Der Herr kann unsere wenigen Gedanken über das Wort Gottes vervielfachen und sie zu einem Segen für diejenigen machen, die das Wort hören. Die Frage ist: Haben wir den Glauben, es dem Herrn anzuvertrauen und unseren Mund zu öffnen und das Wenige, das wir haben, zu teilen?

Lukas berichtet uns, dass „sie aßen und alle gesättigt wurden; und es wurde aufgehoben, was ihnen an Brocken übriggeblieben war, zwölf Handkörbe voll“. Nicht nur die Menge wurde satt, sondern der Herr sorgte dafür, dass auch die Apostel etwas zu essen bekamen. Es blieb für jeden von ihnen ein Korb übrig! (Vergleiche Sprüche 11,25.)

Die Lektion, die wir hier lernen sollen: Wir sollen darauf vertrauen, dass der Herr ausreicht, um unseren Dienst zu segnen, und wir sollen aufhören, auf unsere begrenzten persönlichen Hilfsmittel zu schauen. Schließlich muss der Segen im Dienst eines jeden letztlich durch Ihn selbst kommen, denn Er hat gesagt: „Außer mir könnt ihr nichts tun“ (Joh 15,5).

Der Mangel an Abhängigkeit (V. 18-27)

Vers 18

Lk 9,18: Und es geschah, als er für sich allein betete, dass die Jünger bei ihm waren; und er fragte sie und sprach: Wer sagen die Volksmengen, dass ich sei?

Die nächste Begebenheit deutet auf einen einfachen Mangel an ausgedrückter Abhängigkeit der Jünger im Gebet hin. Wie in der Einleitung erwähnt, stellt das Lukasevangelium den Herrn als einen abhängigen Menschen dar; auf vielen Seiten des Evangeliums sehen wir Ihn beten. Er ließ keine Gelegenheit zum Beten aus. Bei dieser Gelegenheit betete der Herr „für sich allein“ und „seine Jünger waren bei ihm“. Er betete, aber es fällt auf, dass nicht erwähnt wird, dass die Jünger beteten! Lukas vermerkt dies, sagt uns aber nicht, warum die Jünger nicht beteten. Hatten sie zu diesem Zeitpunkt nicht das Bedürfnis danach? Oder beteten sie eine Weile, hörten dann aber auf?

Einem abgelehnten Christus folgen (V. 19-22)

Verse 19-22

Lk 9,19-22: 19 Sie aber antworteten und sprachen: Johannes der Täufer; andere aber: Elia; andere aber, dass einer der alten Propheten auferstanden sei. 20 Er sprach aber zu ihnen: Ihr aber, wer sagt ihr, dass ich sei? Petrus aber antwortete und sprach: Der Christus Gottes. 21 Er aber gebot ihnen ernstlich und befahl ihnen, dies niemand zu sagen, 22 und sprach: Der Sohn des Menschen muss vieles leiden und verworfen werden von den Ältesten und Hohenpriestern und Schriftgelehrten und getötet und am dritten Tag auferweckt werden. 

Nachdem sie von ihrer Missionsarbeit zurückgekehrt waren und die Reaktionen auf ihre Predigten noch in Erinnerung hatten, fragte der Herr die Apostel, was das Volk im Allgemeinen über Ihn dachte. Er fragte: „Wer sagen die Volksmengen, dass ich sei?“ (Lk 9,18b). Hatte also das Volk die Botschaft, die die Apostel über Ihn brachten, verstanden und geglaubt? Sie antworteten: „Johannes der Täufer; andere aber: Elia; andere aber, dass einer der alten Propheten auferstanden sei.“ Offensichtlich hatten die Leute den Sinn ihrer Predigt nicht verstanden, nämlich dass Gott sein Volk in der Person Jesu, des Messias, besucht hatte und dass der Messias, nachdem sie Ihn empfangen hätten, sein Reich aufrichten würde, wie es die alttestamentlichen Propheten vorhergesagt hatten. Der Unglaube hatte ihre Herzen und ihren Verstand verblendet und führte sie zu wilden Spekulationen darüber, wer der Herr sei. Da fragte der Herr die Jünger: „Ihr aber, wer sagt ihr, dass ich sei?“ Wen hatten sie in ihrer Verkündigung dargestellt? Petrus antwortete: „Der Christus Gottes“ (der Messias; Joh 1,41). Das heißt, Jahwe, der sich im menschlichen Fleisch offenbart hatte! Leider sah Ihn das ganze Volk, abgesehen von einem kleinen Überrest des Volkes, nicht als solchen an.

Es war offensichtlich, dass der Herr von der Masse des Volkes abgelehnt wurde. Aus diesem Grund wurde die Mission, das Volk in das Reich zu rufen, das Er aufrichten würde, vorerst abgebrochen. Deshalb „gebot“ Er den Aposteln „ernstlich“, von nun an „dies niemand zu sagen“, das heißt, niemand zu sagen, dass Er der Messias sei. Da Er verworfen wurde, würde Er den Titel „Sohn des Menschen“ annehmen. Dies deutet darauf hin, dass Er eines Tages als solcher die Welt in Gerechtigkeit richten und regieren würde und dass seine Gegner die Ersten wären, mit denen Er sich befassen würde, wenn Er sein Königreich errichtete (Dan 7,13-14; Off 1,13-16). Der Herr verkündete den Jüngern dann, dass seine Verwerfung dazu führen würde, dass Er getötet würde. Er würde „vieles leiden und verworfen werden von den Ältesten und Hohenpriestern und Schriftgelehrten und getötet und am dritten Tag auferweckt werden“.

Die Bedingung der Jüngerschaft und was sie verhindert (Lk 9,23)

Vers 23

Lk 9,23: Er sprach aber zu allen: Wenn jemand mir nachkommen will, so verleugne er sich selbst und nehme täglich sein Kreuz auf und folge mir nach.

In diesem Fall wäre es kein Vergnügen, dem Herrn zu folgen und Ihm zu dienen. Seine Jünger würden mit Ihm verworfen werden und so an seinem Leiden teilhaben. Der Herr stellte ihnen daher den großen Grundsatz der Nachfolge vor Augen: Sie sollten sich freiwillig selbst verleugnen und bereit sein, abgelehnt zu werden.

Der Herr sagt: „Wenn jemand mir nachkommen will …“ Dies zeigt: Nachfolge ist eine Verpflichtung, die jemand freiwillig eingeht. Sie ist kein Gehorsam gegenüber einem Gebot. Abgesehen von den Aposteln, die eine besondere Berufung hatten, befahl der Herr nie jemand, sein Jünger zu sein. Ihm nachzufolgen ist eine rein freiwillige Entscheidung dessen, der sein Jünger sein möchte. Es handelt sich um eine individuelle Verpflichtung, nicht um eine Gruppenübung. Der Herr sagt auch: „… so verleugne er sich selbst.“ Derjenige, der diesen Weg wählt, muss also seine persönlichen Ziele im Leben zurückstellen. Wahre Jüngerschaft erfordert hundertprozentige Hingabe an den Herrn und seine Sache in dieser Welt. Schließlich sagt Er, dass ein Jünger „täglich sein Kreuz aufnehmen“ und Ihm „nachfolgen“ muss. Dies bezieht sich darauf, dass man es ertragen muss, abgelehnt zu werden. Das Kreuz ist das, was die Welt Christus in ihrem Hass gab, und da der Jünger mit Christus einsgemacht ist, hat auch er ein Kreuz zu tragen. Er muss daher auf Widrigkeiten vorbereitet sein. „Täglich“ weist darauf hin, dass man Ablehnung nicht nur einmalig aushalten muss, sondern dass Ablehnung etwas ist, was ständiges Ausharren erfordert.

Zwei Dinge, die eine völlige Hingabe an Christus verhindern (V. 24-27)

Verse 24-27

Lk 9,24-27: 24 Denn wer irgend sein Leben erretten will, wird es verlieren; wer aber irgend sein Leben verliert um meinetwillen, der wird es erretten. 25 Denn was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, sich selbst aber verliert {ruiniert} oder {sich selbst} einbüßt? 26 Denn wer irgend sich meiner und meiner Worte schämt, dessen wird sich der Sohn des Menschen schämen, wenn er kommt in seiner Herrlichkeit und der des Vaters und der heiligen Engel. 27 Ich sage euch aber in Wahrheit: Es sind einige von denen, die hier stehen, die den Tod nicht schmecken werden, bis sie das Reich Gottes gesehen haben.

Der Herr fährt fort, zwei Dinge anzusprechen, die eine vollständige Hingabe in der Nachfolge verhindern:

  1. Das Erste ist die Versuchung, unser Leben für unsere eigenen Interessen zu reservieren. Jesus sagt: „Wer irgend sein Leben erretten will, wird es verlieren; wer aber irgend sein Leben verliert um meinetwillen, der wird es erretten.“ Das bedeutet: Derjenige, der sich entscheidet, sein Leben für seine eigenen Interessen und Vergnügungen zu behalten, wird am Ende die Dinge verlieren, für die er gelebt hat, wenn er von diesem Leben ins nächste Leben übergeht. Im Umgang Gottes mit den Menschen wird nur das Bestand haben, was für Christus und nach seinem Willen getan wird. Die Aussage des Herrn hier zeigt, dass es möglich ist, errettet zu sein, dass aber – was die Belohnungen im Reich Gottes betrifft – unser Leben verloren sein kann. Umgekehrt wird derjenige, der seine persönlichen Ziele  und sein Streben im Leben loslässt und in diesem Sinne sein Leben verliert und sich dem Dienst Christi widmet, die Dinge Christi, für die er gelebt hat, mit in das kommende Reich nehmen.

    Der Herr fügt hinzu: „Denn was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, sich selbst aber verliert oder einbüßt?“ Das heißt: Angenommen, ein Mensch könnte alle Reichtümer und materiellen Besitztümer dieser Welt anhäufen – was würde das nützen? Das Leben ist kurz, und man kann diese Dinge nicht mitnehmen, wenn man aus dem Leben scheidet! Der Herr zeigt hier, dass ein Mensch, der diese Dinge zum Ziel seines Lebens macht, wahrscheinlich gar nicht wirklich gläubig ist. Viele Jünger des Herrn erwiesen sich als genau das (Joh 6,66)! Alle diese Menschen „ruinieren“ [zerstören] sich selbst und werden am Ende in eine verlorene Ewigkeit „versinken“ (1Tim 6,9-10). Die Logik des Herrn ist hier unumstößlich: Wenn wir uns entscheiden, unser Leben für uns selbst zu leben, werden wir die Verlierer sein; aber wenn wir unser Leben einsetzen, um die Interessen Christi auf Erden zu fördern, werden wir die Gewinner sein!

  2. Das Zweite ist, sich dafür zu schämen, mit einem abgelehnten Retter identifiziert zu werden. Der Herr sagt: „Wer irgend sich meiner und meiner Worte schämt, dessen wird sich der Sohn des Menschen schämen, wenn er kommt in seiner Herrlichkeit und der des Vaters und der heiligen Engel.“ „Wer irgend“ ist ein weites Wort. Es umfasst Jünger aller Art, sowohl solche, die wirklich gläubig sind, als auch solche, die sich nur als gläubig ausgeben. Die Worte des Herrn beziehen sich hier vor allem auf Jünger, die nicht wirklich gläubig sind. Er will damit sagen, dass Er sich weigern wird, sie am kommenden Tag der Herrlichkeit anzuerkennen, weil sie nicht den Glauben hatten, sich mit Ihm an diesem Tag seiner Verwerfung einszumachen. Ihr Anteil wird das Gericht sein.

    Der Grundsatz in diesem Vers kann jedoch auch auf Gläubige angewendet werden. Wir können daher eine praktische Anwendung daraus machen und uns fragen: „Schäme ich mich, mich öffentlich mit Christus einszumachen?“ Wenn wir es versäumen, uns vor unseren Mitmenschen zu Christus zu bekennen, verlieren wir zwar nicht unser Heil, aber wir verlieren eine gegenwärtige Freude am Bekenntnis zu Christus, die nur diejenigen kennen, die es tun (Apg 5,41; 1Pet 4,14). Wir werden auch eine zukünftige Belohnung verlieren, wenn der Herr kommt, um sein Reich aufzurichten (Off 22,12). Es ist möglich, dass wir uns bei seiner Erscheinung vor Ihm schämen werden, denn der Lohn, den wir am Richterstuhl erhalten werden, wird unsere Treue oder deren Fehlen widerspiegeln (1Joh 2,28). Wenn unser christlicher Wandel nicht gut war, werden wir beschämt werden. Diese Beschämung wird „vor ihm“ sein; die Schrift sagt nicht, dass sie vor der Welt sein wird. Er wird sich auch nicht öffentlich für uns schämen, wenn Er sich offenbart. Es kann sein, dass wir in unserem Zeugnis versagen und Ihn aus Menschenfurcht nicht vor der Welt bekennen (Spr 29,25), aber „er bleibt treu“ (2Tim 2,13) und wird sich niemals vor der Welt für uns schämen.

Der Berg der Verklärung (Lk 9,27-36)

Vers 27

Lk 9,27: Ich sage euch aber in Wahrheit: Es sind einige von denen, die hier stehen, die den Tod nicht schmecken werden, bis sie das Reich Gottes gesehen haben.

Nachdem der Herr den Jüngern gesagt hatte, dass einige unter ihnen wären, die den Tod nicht sehen würden, „bis sie das Reich Gottes gesehen haben“, führte Er sie „acht Tage“ später auf einen Berg, wo drei seiner Jünger – „Petrus und Johannes und Jakobus“ – das Vorrecht hatten, Ihn in seiner Herrlichkeit im Reich Gottes zu sehen und auf diese Weise seine Verheißung zu erfüllen.

Der Mangel an Wachsamkeit (V. 28-32)

Verse 28-32

Lukas fährt fort, indem er eine weitere Begebenheit erwähnt, in der wir einen Mangel an Wachsamkeit bei den Jüngern sehen:

Lk 9,28-32: 28 Es geschah aber etwa acht Tage nach diesen Worten, dass er Petrus und Johannes und Jakobus mitnahm und auf den Berg stieg, um zu beten. 29 Und während er betete, wurde das Aussehen seines Angesichts anders und sein Gewand weiß, strahlend. 30 Und siehe, zwei Männer unterredeten sich mit ihm, welche Mose und Elia waren. 31 Diese erschienen in Herrlichkeit und besprachen seinen Ausgang, den er in Jerusalem erfüllen sollte. 32 Petrus aber und die, die bei ihm waren, waren vom Schlaf beschwert; als sie aber völlig aufgewacht waren, sahen sie seine Herrlichkeit und die zwei Männer, die bei ihm standen.

In dieser Szene haben wir ein Bild des kommenden Tausendjährigen Reiches Christi (Off 20,4). An jenem Tag wird der Herr Jesus in seiner königlichen Herrlichkeit offenbart werden und Er wird der Mittelpunkt des ganzen Himmels und der ganzen Erde sein (Eph 1,10). „Mose und Elia“, die mit dem Herrn auf dem Berg waren, stehen für die verherrlichten himmlischen Heiligen – Mose für die von den Toten Auferweckten und Elia für die bei der Entrückung lebendig Entrückten. „Petrus und Johannes und Jakobus“ stehen für die irdischen Heiligen, das heißt für das wiederhergestellte Israel und die bekehrten heidnischen Völker unter ihnen. Das Thema, mit dem sich der Herr, Mose und Elia beschäftigten, war „sein Ausgang, den er in Jerusalem erfüllen sollte“. Das Hauptaugenmerk und die Beschäftigung der Gläubigen wird an jenem Tag also nicht auf natürlichen oder weltlichen Dingen liegen, sondern auf der Liebe und Gnade des Herrn, die Ihn dazu brachte, sich selbst als Opfer für die Sünde hinzugeben, um Gott zu verherrlichen und den Menschen das Heil zu bringen.

Die drei Apostel verpassten jedoch viel von dieser herrlichen Szene, weil sie „vom Schlaf beschwert waren“. Sie verpassten es, weil sie nicht wachsam waren – und sie waren die Verlierer! Dennoch: „Als sie aber völlig aufgewacht waren, sahen sie seine Herrlichkeit.“

Die moralische Lektion hier: Wir müssen in den Dingen Gottes aufmerksam sein oder wir werden mit Sicherheit etwas verpassen, was Er zu unserem Nutzen beabsichtigt. Zweifellos waren wir alle schon einmal in einer Zusammenkunft, wo das Wort Gottes verkündet wurde, und weil wir abgelenkt oder unaufmerksam waren, verpassten wir etwas Wertvolles, das Gott speziell für uns vorgesehen hatte (vgl. Eutychus, s. Apg 20,9).

Der Mangel an Unterscheidungsvermögen (V. 33-36)

Verse 33-36

Lk 9,33-36: 33 Und es geschah, als sie von ihm schieden, dass Petrus zu Jesus sprach: Meister, es ist gut, dass wir hier sind; und wir wollen drei Hütten machen, dir eine und Mose eine und Elia eine; und er wusste nicht, was er sagte. 34 Als er aber dies sagte, kam eine Wolke und überschattete sie. Sie fürchteten sich aber, als sie in die Wolke eintraten; 35 und eine Stimme erging aus der Wolke, die sagte: Dieser ist mein geliebter Sohn, ihn hört. 36 Und als die Stimme erging, wurde Jesus allein gefunden. Und sie schwiegen und berichteten in jenen Tagen niemand etwas von dem, was sie gesehen hatten.

Der Mangel an Aufmerksamkeit führte zu einem weiteren Mangel: dem Mangel an Unterscheidungsvermögen. Dies zeigt sich in der Bemerkung des Petrus: „Meister, es ist gut, dass wir hier sind; und wir wollen drei Hütten machen, dir eine und Mose eine und Elia eine.“ Lukas fügt in seiner Erzählung hinzu: „Und er wusste nicht, was er sagte.“ Petrus hatte Recht damit, dass es gut für sie war, dort zu sein, aber der Rest dessen, was er sagte, war reine Unwissenheit. Er mag gedacht haben, dass er den Herrn ehrte, indem er Ihn beim Bau der Hütten, den er vorschlug, vor Mose und Elia nannte; Ihn aber in irgendeiner Weise mit Menschen zu vergleichen, bedeutete, nicht zu verstehen, wer Er ist. Petrus hatte den Herrn zuvor in Lukas 9,20 als „den Christus Gottes“ (den Messias) anerkannt, aber seine Bemerkung hier lässt uns zweifeln, dass er verstanden hatte, was das bedeutete. Offensichtlich „wusste er nicht, was er sagte“, wie Lukas bemerkt.

Als Antwort auf die Bemerkung des Petrus nahm Gott die Männer sofort in einer Wolke weg und damit auch das Vorrecht, den Herrn in seiner offiziellen Herrlichkeit zu sehen (Lk 9,34). Dann war die Stimme Gottes, des Vaters, zu hören: „Dieser ist mein geliebter Sohn, ihn hört.“ Danach „wurde Jesus allein gefunden“. Es konnte kein Zweifel daran bestehen, mit wem sie sich nach Gottes Willen beschäftigen sollten! Als Er vom Berg herunterkam, sagte der Herr den drei Aposteln, dass sie erst nach seiner Auferstehung von den Toten über die Begebenheit sprechen sollten (Mt 17,9), was Petrus tat, als er seinen zweiten Brief schrieb (2Pet 1,16-18).

Wie Petrus können wir uns mit den Gaben und der Frömmigkeit großer Männer beschäftigen, die Gott in seinem Dienst eingesetzt hat, und sie in unseren Gedanken so hoch erheben, dass wir ihnen unangemessene Ehre und Ruhm geben. Das lenkt unseren Blick vom Herrn ab. Wir sollten diejenigen schätzen, die Gott in seinen Dienst gestellt hat, und Ihm für sie danken, aber nicht zulassen, dass sie unsere Aufmerksamkeit vom Herrn ablenken. Wenn wir zu viel aus den Dienern des Herrn machen, kann Gott sie wegnehmen, indem Er sie in den Himmel ruft. Genau das geschah hier.

Die Heilung des besessenen Jungen (Lk 9,37-41)

Der Mangel an Kraft (V. 37-43)

Verse 37-39

Lk 9,37-39: 37 Es geschah aber am folgenden Tag, als sie von dem Berg herabgestiegen waren, dass ihm eine große Volksmenge entgegenkam. 38 Und siehe, ein Mann aus der Volksmenge rief laut und sprach: Lehrer, ich bitte dich, sieh meinen Sohn an, denn er ist mein einziger; 39 und siehe, ein Geist ergreift ihn, und plötzlich schreit er, und er zerrt ihn unter Schäumen hin und her, und mit Mühe weicht er von ihm, wobei er ihn aufreibt.

Nachdem der Herr vom Berg herabgestiegen war, begegnete Ihm am nächsten Tag ein Mann, der rief: „Lehrer,  ich bitte dich, sieh meinen Sohn an.“ Was für ein krasser Gegensatz zu dem, was sich am Tag zuvor auf dem Berg ereignet hatte! Dort sahen wir den Vater, der sich mit vollkommenem Wohlgefallen an seinem eingeborenen Sohn erfreute. Hier haben wir einen Vater, der nicht in der Lage ist, sich an seinem eingeborenen Sohn zu erfreuen, und das liegt an dem, was der Teufel dem Kind durch einen Dämon angetan hatte.

Verse 40-43

Lk 9,40-43: 40 Und ich bat deine Jünger, dass sie ihn austreiben sollten, und sie konnten es nicht. 41 Jesus aber antwortete und sprach: O ungläubiges und verkehrtes Geschlecht! Bis wann soll ich bei euch sein und euch ertragen? Führe deinen Sohn her! 42 Während er aber noch herzukam, riss ihn der Dämon und zerrte ihn hin und her. Jesus aber gebot dem unreinen Geist ernstlich und heilte den Knaben und gab ihn seinem Vater zurück. 43 Sie erstaunten aber alle sehr über die herrliche Größe Gottes. Als sich aber alle verwunderten über alles, was er tat, sprach er zu seinen Jüngern:

Bei dieser Begebenheit haben wir es mit einem weiteren Versagen der Jünger zu tun: dem Mangel an Kraft, einen Dämon auszutreiben. Der Mann sagte zu dem Herrn: „Ich bat deine Jünger, dass sie ihn austreiben sollten, und sie konnten es nicht.“ Das war besonders beunruhigend, weil der Herr ihnen „Kraft und Gewalt“ dazu gegeben hatte (Lk 9,1). Es zeigt, dass es einen Unterschied gibt zwischen dem Besitz einer Gabe, wie zum Beispiel die Gnadengabe der Heilung (1Kor 12,9), und ihrer nutzbringenden Wirkung auf diejenigen, denen sie zuteilwird. Die Jünger versagten, weil sie diese Kraft nicht in betender Abhängigkeit von Gott ausübten: „Diese Art aber fährt nicht aus als nur durch Gebet und Fasten“ (Mt 17,21). Dies ist von größter Bedeutung für den Dienst und notwendig für die Ausübung jeder geistlichen Gabe.

Der Herr sagte, dass ihr Versagen symptomatisch für den allgemeinen Charakter der damaligen Zeit sei, da es sich um ein „ungläubiges und verkehrtes Geschlecht“ von Menschen handele. Er ermahnte sie, dass sich ihr geistlicher Zustand schnell bessern müsse, wenn sie in solchen Situationen von Gott gebraucht werden wollten, denn der Herr würde nicht mehr lange bei ihnen sein, um es für sie zu tun. Er rief nach dem Kind, „gebot dem unreinen Geist ernstlich und heilte den Knaben und gab ihn seinem Vater zurück“. Die Menschen „erstaunten … über die herrliche Größe Gottes“ und „verwunderten sich über alles“.

Der Mangel an Verständnis (V. 44-45)

Verse 44-45

Lk 9,44-45: 44 Fasst ihr diese Worte in eure Ohren! Denn der Sohn des Menschen wird in die Hände der Menschen überliefert werden. 45 Sie aber verstanden dieses Wort nicht, und es war vor ihnen verborgen, damit sie es nicht begriffen; und sie fürchteten sich, ihn über dieses Wort zu fragen.

Nachdem der Herr erwähnt hatte, dass Er nicht mehr lange bei ihnen sein würde, nutzte Er die Gelegenheit, um noch einmal zu sagen, wie Er sie verlassen würde: Er würde sie durch den Tod verlassen! Er würde tatsächlich getötet werden! Er sagte: „Der Sohn des Menschen wird in die Hände der Menschen überliefert werden.“ Lukas fügt hinzu: „Sie aber verstanden dieses Wort nicht.“ Dies bringt uns zu einem weiteren Mangel der Jünger: dem mangelnden Verständnis für die Wege Gottes mit Israel.

Die Jünger dachten, der Herr würde zu dieser Zeit sein Reich der Herrlichkeit und der Macht aufrichten, in dem Er über Israel und die Welt herrschen würde, wie es die Propheten vorausgesagt hatten. Sie wussten nicht, dass Er vom Volk verworfen und getötet werden würde – obwohl dies in den alttestamentlichen Schriften klar und deutlich angekündigt war. Diese unglücklichen Umstände würden die Errichtung des Königreichs verhindern. Gottes Handeln mit Israel würde aufgeschoben werden, während Er das Evangelium unter den Nationen verbreiten würde (Apg 15,14). Danach würde Er sein Handeln mit Israel wieder aufnehmen und das verheißene Königreich einführen (Röm 11,25-27). Die Jünger klammerten sich, wie alle Juden, an die Verheißungen in der Schrift, die sich auf die herrliche Herrschaft des Messias bezogen, und übersahen so völlig die Seite der Dinge, die in ebendieser Schrift erwähnt werden und damit zu tun haben, dass der Messias leiden musste, bevor Er sein Reich aufrichten würde (Lk 24,26; 1Pet 1,11). Da sie dies nicht wussten, missverstanden sie die Aussage des Herrn über seine Verwerfung und seinen Tod. Lukas sagt, dass „es vor ihnen verborgen war“.

Vielen Christen mangelt es ebenfalls an einem klaren Verständnis der dispensationalen Wege Gottes, die seinen Ratschluss entfalten, die Herrlichkeit Christi durch die Kirche in der kommenden Welt (dem Millennium, d.h. dem Tausendjährigen Reich) öffentlich zu zeigen. Folglich verwechseln sie die Berufungen und Verheißungen Israels und die der Kirche und haben ein verworrenes System von Irrtümern entwickelt, das als reformierte (Bundes-)Theologie bekannt ist. Infolgedessen ist ihre Sicht der eschatologischen (zukünftigen) Ereignisse der Schrift fremd. Sie lehren, dass der Herr sein Reich in einem geistlichen Sinne bereits aufgerichtet hätte und kein buchstäbliches Reich haben würde, wie es die alttestamentlichen Propheten angekündigt hatten! Sie glauben auch, dass die Welt vor dem zweiten Kommen des Herrn durch das Evangelium bekehrt werden müsste, und da der größte Teil der Welt noch unbekehrt ist, könnte das Kommen des Herrn nicht unmittelbar bevorstehen! Christen, die unter dem Einfluss dieser falschen Lehre stehen, sind sich nicht im Klaren darüber, wie sie sich selbst mit der Wahrheit des Geheimnisses in Einklang bringen sollen – was mit der besonderen Stellung zu tun hat, die Christus und die Kirche in diesem göttlichen Programm haben werden.

Die Lektion für uns ist einfach: Es ist von absoluter Wichtigkeit, dass wir in der dispensationalen Wahrheit Gottes (Röm 9–11) befestigt sind; andernfalls werden wir auf verlorenem Posten stehen in Bezug auf unser Verständnis von Gottes Ratschluss, dass Er Israel, die Kirche und die heidnischen Nationen im Reich Christi segnen möchte. Etwa zwei Drittel der bekennenden Kirche haben heute in Bezug auf diese Dinge kein klares Verständnis!

Der Mangel an Demut (V. 46-48)

Verse 46-48

Lk 9,46-48: 46 Es entstand aber unter ihnen eine Überlegung, wer wohl der Größte unter ihnen sei. 47 Als Jesus aber die Überlegung ihres Herzens sah, nahm er ein Kind und stellte es neben sich 48 und sprach zu ihnen: Wer irgend dieses Kind aufnimmt in meinem Namen, nimmt mich auf; und wer irgend mich aufnimmt, nimmt den auf, der mich gesandt hat; denn wer der Kleinste ist unter euch allen, der ist groß.

Da die Jünger irrtümlich glaubten, dass das Reich des Messias zu jener Zeit aufgerichtet werden würde, waren sie unsicher, wer unter ihnen den Hauptplatz neben dem Herrn einnehmen würde, wenn Er regieren würde. Lukas sagt: „Es entstand aber unter ihnen eine Überlegung, wer wohl der Größte unter ihnen sei.“ Das ist traurig; als sie an den Platz und die Herrlichkeit dachten, die der Herr als König der Könige an jenem Tag haben würde, dachten sie selbstsüchtig an den Platz, den sie selbst haben würden!

Der Herr erkannte „die Überlegung ihres Herzens“ und erteilte ihnen eine Lektion über die Bedeutung der Demut – ein moralisches Merkmal, das alle im Reich Gottes kennzeichnen sollte. Er „nahm er ein Kind und stellte es neben sich und sprach zu ihnen: Wer irgend dieses Kind aufnimmt in meinem Namen, nimmt mich auf; und wer irgend mich aufnimmt, nimmt den auf, der mich gesandt hat; denn wer der Kleinste ist unter euch allen, der ist groß.“ In den sozialen Schichten des Lebens auf der Erde wird ein Kind wegen seines Mangels an Wissen und Erfahrung als das Geringste angesehen. Dennoch stellte der Herr dieses Kind zur Veranschaulichung in seine Nähe, um zu lehren, dass derjenige, der sich selbst zum Geringsten unter seinen Brüdern macht und Liebe und Fürsorge gegenüber den Kleinen und scheinbar Unbedeutenden übt, groß sein wird. Solch bescheidene Arbeit ist ein Zeichen wahrer Größe bei einem Diener. Sie würde im Reich Gottes entsprechend belohnt werden, indem all jenen, die dies tun, herausragende Plätze zugewiesen würden (Mt 20,23-28). Der Herr leugnete also nicht, dass es im Reich Gottes Ehrenplätze geben wird, sondern dass diese Plätze denjenigen zugewiesen werden, die demütig dienen.

Die Lektion für uns hier ist, dass wir den niedrigsten Platz im Dienst suchen sollten. Wir werden ihn nie bekommen, weil Christus ihn eingenommen hat, aber dennoch sollte das unser Ziel sein. Das erfordert Selbstverurteilung, weil wir natürlich einen erhabenen Platz anstreben. J.N. Darby sagt:

Geh mit einem scharfen Messer mit dir selbst um. Sage wenig, diene allen, geh voran. Das ist wahre Größe: unbemerkt zu dienen und ungesehen zu arbeiten. Oh, welche Freude ist es, nichts zu haben und nichts zu sein, nichts zu sehen als den lebendigen Christus in der Herrlichkeit und um nichts anderes besorgt zu sein als um seine Interessen hier auf der Erde.[2]

Es ist gesegnet, mit sich selbst abgeschlossen zu haben. […] Wir sind nicht demütig, wenn wir mit unserer eigenen Nichtigkeit beschäftigt sind oder damit, wie schlecht wir sind; aber wir sind demütig, wenn wir überhaupt nicht an uns selbst denken.[3]

Mangel an Toleranz (V. 49-50)

Verse 49-50

Lk 9,49-50: 49 Johannes aber antwortete und sprach: Meister, wir sahen jemand Dämonen austreiben in deinem Namen, und wir wehrten ihm, weil er dir nicht mit uns nachfolgt. 50 Jesus aber sprach zu ihm: Wehrt nicht; denn wer nicht gegen euch ist, ist für euch.

Die Begebenheit mit dem Knaben enthüllte das Übel der Selbstherrlichkeit unter den Jüngern. In dieser Begebenheit nun sehen wir, dass die Jünger auch von kollektivem Stolz und Eifer für ihre Gruppe von Anhängern gekennzeichnet waren, auf die sie äußerst eifersüchtig waren. Johannes sagte: „Meister, wir sahen jemand Dämonen austreiben in deinem Namen, und wir wehrten ihm, weil er dir nicht mit uns nachfolgt.“ Irgendetwas in dem, was der Herr im Zusammenhang mit dem Kind gesagt hatte, musste Johannes zu denken gegeben haben. Wurde sein Gewissen über den Stolz seines Herzens geplagt, und sprach er diese Worte als Bekenntnis aus? Oder sprach er davon als etwas, von dem er dachte, dass der Herr es gutheißen würde, und erwähnte es, um die Zustimmung des Herrn zu erhalten? Lukas sagt nicht, warum. Jedenfalls wurden der kollektive Stolz und der Eifer für ihre Gesellschaft bloßgestellt. Die Jünger lehnten das Wirken dieses Mannes ab, weil er nicht zu ihrer Gesellschaft gehörte! Es muss für sie besonders unangenehm gewesen sein, jemand zu sehen, der etwas tat, was sie versucht hatten, aber nicht zu tun vermochten (Lk 9,40). Das mag in ihnen einen Geist der Eifersucht geweckt haben und der Grund dafür gewesen sein, dass sie ihn zurechtwiesen.

Der Herr wandte sich an ihren tadelnden Geist und antwortete: „Wehrt nicht; denn wer nicht gegen euch ist, ist für euch.“ Er deutete hierin an, dass sie die Betonung zu sehr auf „wir“ und „uns“ legten und eifersüchtig auf ihre eigene Gruppe waren. Ihre Augen waren nicht auf den Herrn gerichtet, wie es hätte sein sollen, sondern auf sich selbst und auf den Mann, der Dämonen austrieb. Es ist bemerkenswert, dass der Herr die Jünger korrigierte, indem Er ihnen nicht sagte, sie sollten zu dem Mann gehen, der Dämonen austrieb, und ihm folgen, sondern sie sollten den Mann Gott überlassen, weil er dem Herrn keinen Schaden zufügte.

In ähnlicher Weise verlangte Josua von allen Ältesten Israels, sich außerhalb des Lagers zu Mose zu versammeln (4Mo 11,24-30). Als zwei der Ältesten (Eldad und Medad) dies nicht taten, sondern weiterhin im Lager prophezeiten, war Josua erzürnt und sagte es Mose. Die Antwort des Mose ähnelte der Antwort des Herrn an Johannes. Er sagte: „Eiferst du für mich? Möchte doch das ganze Volk des HERRN Propheten sein, dass der HERR seinen Geist auf sie legte!“ (4Mo 11,29). Wir dürfen daraus nicht schließen, dass der Herr lehrte, dass diejenigen, die im Dienst stehen, ein Gesetz für sich selbst wären und tun könnten, was sie wollten, weil sie niemand Rechenschaft schuldig sind. Alle dienen unter der Herrschaft Christi (Mt 9,38) und sind der örtlichen Versammlung verantwortlich, aus der sie kommen (Apg 15,1.24).

Wir können einen ähnlichen Geist wie Johannes und Josua haben und eifersüchtig auf die Stellung sein, im Namen des Herrn versammelt zu sein (Mt 18,20), und alle verurteilen, die nicht mit uns am Tisch des Herrn sitzen. Wir lernen aus dieser Begebenheit, dass der Herr mit einem solchen Geist nicht zufrieden wäre. Wir müssen die Eldads und Medads Gott überlassen und dürfen uns nicht von dem Segen, der unter ihrem Dienst zu geschehen scheint, davon abhalten lassen, nach dem Licht zu handeln, das uns als Versammelte im Namen des Herrn gegeben ist.

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Es ist unter Bibellehrern allgemein anerkannt, dass an dieser Stelle des Lukasevangeliums der Dienst des Herrn in Galiläa mit Kapernaum als Mittelpunkt zu Ende geht. Alle Städte und Dörfer in Galiläa hatten das Vorrecht, „dass er nacheinander Stadt und Dorf durchzog“ (Lk 8,1). Sie hatten das Vorrecht, die Gnade Gottes in dem sanftmütigen und niedriggesinnten Herrn Jesus zu sehen und zu hören, „der umherging, wohltuend und alle heilend, die von dem Teufel überwältigt waren“ (Apg 10,38). Soweit wir wissen, kehrte Er erst nach seiner Auferstehung von den Toten und seiner Erscheinung vor seinen Jüngern auf einem bestimmten Berg in diese Gegend zurück, um dort zu wirken (Mt 28,16).

DIE REISE DES HERRN NACH JERUSALEM (Lk 9,51–18,30)

An diesem Punkt des Berichts im Lukasevangelium beginnt der Herr seine letzte Reise nach Jerusalem, die mit seinem Tod enden sollte (Lk 9,51; 13,22; 17,11; 18,31; 19,11.28.41). Obwohl es keine genaue Route gibt, der man in der Heiligen Schrift folgen kann, erwähnt Lukas, dass der Herr von Galiläa aus nach Süden durch Samaria ging (Lk 9,52). Von dort aus wandte Er sich nach Osten nach Peräa, die in der Schrift als „das Gebiet von Judäa, jenseits des Jordan“ bezeichnet wird (Mt 19,1; Mk 10,1). Das ist auf der Ostseite des Jordan im südlichen Teil des Landes. Der Herr verbrachte die letzten Monate seines Lebens im stillen Dienst in dieser Gegend (Joh 10,40) sowie in der Stadt „Ephraim“ (Joh 11,54) und wartete auf das Passahfest, an dem Er sich in Jerusalem als das Lamm Gottes darstellen würde „zur Abschaffung der Sünde durch sein Opfer“ (Heb 9,26).

Dieser Abschnitt des Evangeliums besteht aus zwei Teilen:

  1. Der erste Abschnitt ist ein Bericht über die Verwerfung des Herrn durch die Masse des Volkes auf seinem Weg nach Jerusalem (Lk 9,51–11,54).
  2. Der zweite Teil enthält die Lehre des Herrn über seine Rückkehr in den Himmel und die Einführung der neuen himmlischen Haushaltung [od. Verwaltung; Eph 3,2] der Gnade sowie darüber, wie sich die Jünger in diesem Zusammenhang verhalten sollten (Lk 12,1–18,30).

Von einigen Ausnahmen abgesehen, wird der Herr in den nächsten zehn Kapiteln nicht dabei gesehen, dass Er Wunder gewirkt hätte. Diese Kapitel sind eher von seiner Lehre als von seinen Wundern geprägt. Wenn Er Wunder tut, zieht Er die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich, und weil Er verworfen wurde, war die Zeit dafür so gut wie vorbei. Das Interessante und Bedeutsame an den Lehren des Herrn in diesen Kapiteln ist, dass sie nirgendwo sonst in der Bibel zu finden sind! Keines der anderen Evangelien beschreibt sie. Das macht das Lukasevangelium einzigartig. Diese Lehren werden manchmal als das „peräische“ Wirken des Herrn bezeichnet. Einige davon sind:

  • der Durchzug des Herrn durch Samaria (Lk 9,51-56)
  • die Aussendung der Siebzig (Lk 10,1-24)
  • das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lk 10,25-37)
  • Maria und Martha (Lk 10,38-42)
  • das Gleichnis vom bittenden Freund (Lk 11,5-13)
  • die Einladung in das Haus des Pharisäers (Lk 11,37-54)
  • das Gleichnis vom reichen Bauern (Lk 12,13-21)
  • das Gleichnis vom Feigenbaum (Lk 13,1-9)
  • die Heilung der zusammengekrümmten Frau (Lk 13,11-17)
  • das Gleichnis vom Festmahl (Lk 14,1-14)
  • das Gleichnis vom großen Gastmahl (Lk 14,15-24)
  • die Lehre des Herrn über die Nachfolge (Lk 14,25-35)
  • das Gleichnis von der verlorenen Münze (Lk 15,7-10)
  • das Gleichnis vom verlorenen Sohn (Lk 15,11-32)
  • das Gleichnis vom ungerechten Verwalter (Lk 16,1-13)
  • das Gleichnis vom reichen Mann und von Lazarus (Lk 16,19-31)
  • das Gleichnis vom unnützen Knecht (Lk 17,1-10)
  • die Heilung der zehn Aussätzigen (Lk 17,11-19)
  • das Gleichnis vom ungerechten Richter (Lk 18,1-8)
  • das Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner (Lk 18,9-14)
  • der Bericht über Zachäus (Lk 19,1-10)
  • das Gleichnis von den zehn Pfunden (Lk 19,11-27)

Der messianische Dienst des Herrn ist abgeschlossen (V. 51)

Vers 51

Der messianische Dienst des Herrn als „Knecht“ des HERRN (Jes 42,1-4), „um Jakob zu ihm zurückzubringen“, war nun beendet, und zwar aufgrund des Versagens des Volkes, auf seinen Ruf zu reagieren (Jes 49,4-5). Er hatte sich „drei Jahre“ (Lk 13,7) in Liebe und Gnade um das Volk bemüht, und das Ergebnis war, dass sie Ihn verworfen hatten! Der Apostel Johannes fasst es kurz und bündig zusammen: „Er kam in das Seine, und die Seinen nahmen ihn nicht an“ (Joh 1,11). Der Herr hatte seinen Dienst für die Nation vollständig erfüllt (Sach 11,4-7), und nachdem Er das Werk zur Ehre Gottes vollbracht hatte (Joh 17,4), hatte Er jedes Recht, zu diesem Zeitpunkt in den Himmel zurückzukehren, und die himmlischen Tore hätten sich Ihm geöffnet. Doch Lukas berichtet:

Lk 9,51: Es geschah aber, als sich die Tage seiner Aufnahme erfüllten, dass er sein Angesicht feststellte, nach Jerusalem zu gehen.

Manche sehen hier die „Aufnahme“ als die Himmelfahrt des Herrn nach seiner Auferstehung von den Toten (Mk 16,19; Apg 1,2.11.22; 1Tim 3,16). Durch göttliche Inspiration verwendet Lukas jedoch ein anderes Wort (das nur in diesem Abschnitt vorkommt) für die „Aufnahme“ des Herrn (analepsis), um darauf hinzuweisen, dass etwas anderes vor uns liegt: eine mögliche Rückkehr in den Himmel vor dem Kreuz.

Der Herr hätte also zu diesem Zeitpunkt aus eigenem Recht in den Himmel zurückkehren können, aber wenn Er das getan hätte, hätten wir keinen Retter! Es war der göttliche Ratschluss, dass Er diese Möglichkeit nicht wahrnehmen würde. Aus Liebe und Mitleid entschied sich der Herr stattdessen, nach Jerusalem zu gehen, um ein Opfer für die Sünde zu sein und so einen Weg für unsere Rettung zu schaffen. Der Preis für diese Entscheidung in Form von Leiden ist unermesslich! Aber so ist die göttliche Liebe! Hier erfüllt sich das Vorbild des hebräischen Knechtes, der sagte: „Ich liebe meinen Herrn, meine Frau und meine Kinder, ich will nicht frei ausgehen“ (2Mo 21,2-6). Die Macht der Liebe des Herrn und die Entschlossenheit seines Herzens, den Willen Gottes zu tun, zeigt sich darin, dass Er entschlossen war, nach Jerusalem zu gehen und zu sterben.

Die Reise des Herrn durch Samaria (V. 52-56)

Verse 52-56

Lk 9,52-56: 52 Und er sandte Boten vor seinem Angesicht her; und sie gingen hin und kamen in ein Dorf der Samariter, um Vorbereitungen für ihn zu treffen. 53 Und sie nahmen ihn nicht auf, weil sein Angesicht nach Jerusalem hin gerichtet war. 54 Als aber die Jünger Jakobus und Johannes es sahen, sprachen sie: Herr, willst du, dass wir sagen, Feuer solle vom Himmel herabfallen und sie verzehren, wie auch Elia tat? 55 Er wandte sich aber um und tadelte sie. 56 Und sie gingen in ein anderes Dorf.

Nachdem der Herr Galiläa verlassen hatte, wandte Er sich nach Süden und zog durch Samaria. Es war unwahrscheinlich, dass die Juden dort nach Ihm suchen würden, denn sie betrachteten Samaria als ein verunreinigtes Land und die Samariter als ein verunreinigtes Volk und wollten daher nichts mit ihnen zu tun haben (Joh 4,9). Der Herr schickte „Boten“ voraus, um die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, aber als die Samariter erfuhren, dass Er nach Jerusalem zu gehen gedachte, „nahmen sie ihn nicht auf“. Da sie sich an demselben Ort befanden, wo Elia Feuer vom Himmel herabgerufen hatte, das die Männer verzehrte, die zu ihm geschickt worden waren (2Kön 1), wollten „Jakobus und Johannes“, dass der Herr dasselbe mit den Samaritern tat! Aber ihre Haltung spiegelte einen rachsüchtigen Geist wider und war eine weitere der vielen Unzulänglichkeiten der Jünger, die in diesem Kapitel aufgedeckt werden. Das zu tun, was Jakobus und Johannes wollten, entsprach ganz und gar nicht dem Dienst des Herrn. Er zog durch das Land Israel und rief Segen vom Himmel herab, nicht Gericht! Er war nicht gekommen, um die Welt zu richten, sondern „damit die Welt durch ihn errettet werde“ (Joh 3,17). Deshalb „tadelte“ Er sie […] Der Herr nahm die Ablehnung der Samariter als etwas, was aus der Hand seines Vaters stammte, und zog gnädig weiter „in ein anderes Dorf“.

Neue Jünger werden auf dem Weg geprüft (V. 57-62)

Verse 57-62

Lk 9,57-62: 57 Und als sie auf dem Weg dahinzogen, sprach einer zu ihm: Ich will dir nachfolgen, wohin irgend du gehst. 58 Und Jesus sprach zu ihm: Die Füchse haben Höhlen und die Vögel des Himmels Nester, aber der Sohn des Menschen hat nicht, wo er das Haupt hinlege. 59 Er sprach aber zu einem anderen: Folge mir nach! Der aber sprach: Herr, erlaube mir, zuvor hinzugehen und meinen Vater zu begraben. 60 Er aber sprach zu ihm: Lass die Toten ihre Toten begraben, du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes. 61 Es sprach aber auch ein anderer: Ich will dir nachfolgen, Herr; zuvor aber erlaube mir, Abschied zu nehmen von denen, die in meinem Haus sind. 62 Jesus aber sprach zu ihm: Niemand, der die Hand an den Pflug gelegt hat und zurückblickt, ist tauglich für das Reich Gottes.

Als der Herr unterwegs war, waren einige seelisch aufgewühlt von dem, was sie sahen, und meldeten sich freiwillig, um mit Ihm nach Jerusalem hinaufzugehen. Diese freiwilligen Jünger hatten offensichtlich die Kosten eines solchen Schrittes nicht bedacht und wussten nicht, was Jüngerschaft bedeutet. Der Herr klärt sie daher über die Schwierigkeiten auf, die es mit sich bringt, sein Jünger zu sein, und über die Tiefe der Hingabe, die für eine solche Aufgabe erforderlich ist. Er riet ihnen nicht von ihrem Vorhaben ab, aber Er wollte, dass sie den Preis kannten, den sie für die Nachfolge eines verworfenen Erlösers zahlen müssten. Am Ende von Kapitel 9 stellt uns Lukas drei solcher Beispiele vor. Die Dinge, mit denen jene konfrontiert waren und durch die sie geprüft wurden, dienen als Warnung vor Dingen, die uns alle in der Nachfolge behindern:

  1. Der erste Fall hat damit zu tun, dass in der Hingabe eines Jüngers an den Herrn eher fleischliche und natürliche Energie geltend gemacht wird und nicht wahre geistliche Energie. Lukas sagt, das jemand zum Herrn sagte: „Ich will dir nachfolgen, wohin irgend du gehst“, worauf Jesus zu ihm sprach: „Die Füchse haben Höhlen und die Vögel des Himmels Nester, aber der Sohn des Menschen hat nicht, wo er das Haupt hinlege.“ Fleischliche und natürliche Energie in den Dingen Gottes ist manchmal schwer zu erkennen und schwer von echter geistlicher Energie zu unterscheiden. Das scheint bei diesem Mann der Fall gewesen zu sein. Oberflächlich betrachtet klang das, was er sagte, richtig und gut, und er meinte es wahrscheinlich gut. Aber der Herr sah, dass der Mann das, was er sagte, in der Gegenwart Gottes nicht wirklich gründlich abgewogen hatte. Der Herr teilte dem Mann mit, dass Er ein verworfener Retter sei und dass diejenigen, die Ihm folgten, an dieser Verwerfung teilhaben würden. Die Antwort des Herrn stellte die Echtheit dieses Mannes auf die Probe, und es war klar, dass er ernsthaft über einen solchen Schritt nachdenken musste. (Vergleiche 2. Könige 10,16; Markus 14,29.50-52. Dies sind weitere Beispiele, in denen fleischliche und natürliche Energie mit göttlichen Dingen vermischt wird.)

  2. Der zweite Fall hat mit der Halbherzigkeit zu tun, mit der man dem Ruf des Herrn in die Nachfolge folgt. Er sagte zu einem anderen Mann: „Folge mir nach!“ Der Mann stimmte dem Ruf zu, stellte dann aber eine Bedingung. Er sagte: „Herr, erlaube mir, zuvor hinzugehen und meinen Vater zu begraben.“ Das ist Halbherzigkeit gegenüber den Ansprüchen Christi. Ob der Vater des Mannes bereits tot war oder ob der Sohn vorhatte, zu Hause zu warten, bis sein Vater starb, ist hier nicht von Belang. Unter dem scheinbar guten Zustand dieses Mannes lag, dass er etwas zuließ, was Vorrang vor dem Ruf des Herrn hatte. Sein Problem war das der Prioritäten. Er stellte seine Verantwortung gegenüber seinem Vater über die Ansprüche des Herrn. Er sagte: „mir, zuvor [od. ich zuerst]“, und das wird im Dienst des Herrn niemals ausreichen. Die Antwort des Herrn war: „Lass die Toten ihre Toten begraben, du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes.“ Damit will Er sagen, dass die geistlich Toten die körperlich Toten begraben können, dass aber nur die geistlich Lebenden das Evangelium verkünden können, und die Notwendigkeit zu predigen war viel wichtiger.

  3. Der dritte Fall war Unentschlossenheit. „Es sprach aber auch ein anderer: Ich will dir nachfolgen, Herr; zuvor aber erlaube mir, Abschied zu nehmen von denen, die in meinem Haus sind.“ Der Herr sagte: „Niemand, der die Hand an den Pflug gelegt hat und zurückblickt, ist tauglich für das Reich Gottes.“ Dieser Mann willigte ein, dem Herrn zu folgen, aber er stellte auch eine Bedingung. Die Antwort des Herrn zeigt, was das eigentliche Problem war: Der Mann war unentschlossen. Ein solcher Mensch ist nicht geeignet für die Vorrechte des Reiches Gottes.

Es ist bemerkenswert, dass Lukas nicht sagt, ob einer dieser drei Männer jemals sein Versprechen hielt und tatsächlich alles verließ und dem Herrn folgte, wie es Petrus, Andreas, Jakobus, Johannes, Levi, Bartimäus usw. getan hatten (Mk 1,16-20; 2,14; 10,52). Der Bericht legt nahe, dass sie sich bei der Prüfung nicht als echte Jünger erwiesen.

Zusammenfassend haben wir an diesen drei Möchtegern-Jüngern drei große Hindernisse für die Jüngerschaft aufgezeigt:

  • materielle Annehmlichkeiten des Lebens
  • natürliche Verantwortlichkeiten
  • Familie und Freunde

Aus The Gospel of Luke. The Operation of Heavenly Grace Among Men in the Person of the Lord Jesus Christ,  
Hamer Bay: Christian Truth Publishing, 2022.

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Anmerkungen

[1] J.N. Darby, Kommentar zu Lukas 9,11 und 12 aus „Notes on the Gospel of Luke“ in Collected Writings, Bd. 25, S. 89. Online auf www.stempublishing.com.

[2] J.N. Darby, „True Greatness“ in Christian Truth, Bible Truth Publishers, 1971, Jg. 24, S. 475.

[3] J.N. Darby, Kommentar zu Lukas 9,46-50 aus „Notes on the Gospel of Luke“ in Collected Writings, Bd. 25, S. 101. Online auf stempublishing.com.

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