Der Prophet Hosea (11)
Kapitel 11

Henry Allen Ironside

© SoundWords, online seit: 30.12.2022, aktualisiert: 23.05.2023

Seile der Liebe

Vers 1

Hos 11,1: Als Israel jung war, da liebte ich es, und aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen.

Aus der Beschäftigung mit Matthäus 2,15 wird deutlich, dass Gott seinen Sohn, unseren Herrn Jesus Christus, im Blick hatte, als der Prophet diese Worte äußerte. Denn dort ist eindeutig und unmissverständlich von dem Aufenthalt des heiligen Kindes im Land Ägypten die Rede: „Damit erfüllt würde, was von dem Herrn geredet ist durch den Propheten, der spricht: ,Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen.‘“

Eine sorgfältige Lektüre der ersten Verse dieses Kapitels (in Hosea) wird ebenso deutlich machen, dass der Prophet ganz bestimmt niemand anders als die Nation Israel vor Augen hatte, als er die zitierten Worte aussprach. Er dachte an die vergangene Befreiung Israels aus dem Haus der Knechtschaft, als der HERR es geliebt und als seinen Sohn aus dem von den Pharaonen beherrschten Land herausrief.

Bedeutet das, dass hier ein Widerspruch vorliegt? Im Gegenteil! Es besteht völlige Übereinstimmung, was anhand einer anderen Bibelstelle sofort deutlich wird. In 2. Korinther 3,17 wird uns – im Zusammenhang des gesamten Kapitels – mitgeteilt, dass der HERR der Geist des Alten Testaments ist. Denn dort wird Er dem erleuchteten Auge überall vorgestellt. Daher schreibt der Apostel durch göttliche Eingebung, dass Hoseas Worte prophetisch von dem Heraufkommen des Sohnes Gottes aus Ägypten sprechen. Aufgrund wundervoller Gnade würde Er seine irdische Pilgerschaft sozusagen ebenso beginnen, wie sein Volk sie begonnen hatte. Er würde als das „Kind“ – dem Herodes nach dem Leben trachtete – über den gleichen Weg getragen werden, den Jakob genommen hatte, als er durch eine Hungersnot nach Ägypten getrieben wurde. Später würde Er aus dem Land, aus dem sein vom Pharao unterdrücktes Volk befreit worden war, nach Israel zurückkehren. So würde Er sich mit ihnen in ihrer Wanderschaft einsmachen. Denn sie sollten verstehen, dass der Heilige Geist von Ihm sprach, als Er sagte: „In all ihrer Bedrängnis war er [der Herr Jesus] bedrängt, und der Engel seines Angesichts hat sie gerettet“ (Jes 63,9).

Aus Ägypten herausgerufen, war Er allezeit derjenige, an dem der Vater Wohlgefallen fand. Wie gesegnet ist Er doch im Gegensatz zu Israel!

Vers 2

Hos 11,2: Sooft sie sie riefen, gingen sie von ihrem Angesicht weg: Sie opferten den Baalim und räucherten den geschnitzten Bildern.

Mit Macht aus der ägyptischen Sklaverei erlöst, entfernten sie sich von Ihm, und das, obwohl Er sie mit der zärtlichsten Liebe gerufen hatte. Sie wandten sich ab und opferten den Baalim und beteten von Menschen gemachte Bilder an.

Verse 3.4

Hos 11,3.4: 3 Und ich gängelte Ephraim – er nahm sie auf seine Arme –, aber sie erkannten nicht, dass ich sie heilte. 4 Mit Menschenbanden zog ich sie, mit Seilen der Liebe; und ich wurde ihnen wie solche, die das Joch auf ihren Kinnbacken emporheben, und sanft gegen sie, gab ich ihnen Nahrung.

Doch Er hatte Ephraim seine ersten Schritte gelehrt. Er hielt seine Arme und lenkte seinen Weg. Aber sie vergaßen Ihn bald – Ihn, dem sie so viel verdankten – wie ein undankbares Kind, und sie erkannten nicht, dass Er sie heilte. Liebevoll erinnert Er sich an jene frühen Tage, als Er sie mit Menschenbanden und mit Seilen der Liebe gezogen und von ihrem Joch befreit und ihnen alles gegeben hatte, was sie zu ihrer Ernährung und ihrer Freude brauchten).

Welcher Gläubige wird in diesen wundervollen Worten nicht die Geschichte seiner eigenen Befreiung von der Sünde und dem Satan sehen, als er zur Erkenntnis Christi kommen durfte! Wie unaussprechlich kostbar war doch diese erste Offenbarung seiner Gnade für unsere Seelen. Er zog uns aus unserer Bosheit und Eigenwilligkeit mit Seilen der Liebe zu sich. Ja, diese Seile waren in Wahrheit Menschenbande – nämlich die des Menschen Christus Jesus, der sich selbst als Lösegeld für alle gab! Lasst uns unsere Herzen hinterfragen: Was haben wir Ihm für eine derart innige und zärtliche Liebe gegeben? Was ist schon Baal, der einige von uns so weit von dem weggelockt hat, der uns einst – als wir mit Ihm in der Wüste unsere ersten Schritte getan haben – alles bedeutete und dem wir so unendlich viel zu verdanken haben? Seid versichert, liebe Glaubensgeschwister, dass wir erst dann, wenn jeder Götze zerstört sein wird, und dass wir erst dann, wenn wir es anderen Herren nicht mehr erlauben, über uns zu herrschen, erneut die Frische und Freude jener frühen Tage erleben werden.

Verse 5.6

Hos 11,5.6: 5 Es wird nicht ins Land Ägypten zurückkehren; sondern der Assyrer, der wird sein König sein, weil sie sich geweigert haben umzukehren. 6 Und das Schwert wird in seinen Städten kreisen und seine Riegel vernichten und wird fressen um ihrer Ratschläge willen; …

Als Israel aus Ägypten befreit worden war, konnte es, national gesehen, niemals dorthin zurückkehren. Aber wegen ihrer Sünden wurden sie in die Hand des Assyrers gegeben. Dies wird in den letzten Tagen in weitaus schrecklicherer Art und Weise erneut geschehen, wenn das Schwert „um ihrer Ratschläge willen“ über sie kommen wird.

Vers 7

Hos 11,7: … denn mein Volk hängt am Abfall von mir, und ruft man es nach oben, keiner von ihnen erhebt sich.

Das musste die bittere Frucht sein, die sie ernten würden, wenn sie ihren Gott vergessen und ihre eigenen törichten und sündigen Wege gehen würden. Von Anfang an hatten sie dem „Abfall von Gott“ angehangen, und das, obwohl Gott sie immer wieder zur Umkehr gerufen hatte. Aber sie verharrten in ihrer Torheit, bis keine Heilung mehr da war.

Vers 8

Aber Gottes sehnsüchtiges Herz lässt Ihn schreien:

Hos 11,8: Wie sollte ich dich hingeben, Ephraim, dich überliefern, Israel? Wie sollte ich dich wie Adama hingeben, wie Zeboim dich machen? Mein Herz hat sich in mir umgewendet, erregt sind alle meine Erbarmungen.

Er konnte es nicht ertragen, sie wie die Städte der Nationen zu machen, auf die sein Zorn ohne jede Barmherzigkeit herabgefallen war. Zeboim und Adma (vgl. 1Mo 14,8) waren zwei der Städte der Ebene, die an dem Tag ausgelöscht wurden, als das Gericht Gottes über Sodom und Gomorra ausgeführt wurde (5Mo 29,23).

Vers 9

Mose warnte Israel vor einem ähnlichen Verhängnis, wenn sie Gottes heiliges Gesetz nicht befolgen würden. So standen sie mit Recht unter jenem schrecklichen Urteil. Aber Gott, der sich auf seine eigene Souveränität beruft, erklärt:

Hos 11,9: Weder will ich die Glut meines Zorns ausführen noch Ephraim wieder verderben; denn ich bin Gott und nicht ein Mensch, der Heilige in deiner Mitte, und ich will nicht in Zornglut kommen.

Es ist überaus segensreich, zu erkennen, dass Gott – wie Er es Bileam mitgeteilt hat –, wenn Er einmal sein Wort in Gnaden gegeben hat, niemals bereuen oder zulassen wird, dass jemand verflucht wird, den Er gesegnet hat. Gott behält sich das Recht vor, sich von der Größe seines Zorns abzuwenden – wie sehr dieser Zorn auch angemessen sein mag – und seinen Auserwählten seine liebevolle Güte zu erweisen, sofern sie umkehren. Deshalb hat Er sich, obwohl Er Ephraim mit Recht hätte vernichten können, aus Gnade einen Überrest bewahrt, der im Land seiner Väter doch noch zum Lob der Herrlichkeit Gottes sein wird.

Verse 10.11

Hos 11,10.11: Sie werden dem HERRN nachwandeln. Wie ein Löwe wird er brüllen; denn er wird brüllen, und zitternd werden die Kinder herbeieilen vom Meer. 11 Wie Vögel werden sie zitternd herbeieilen aus Ägypten und wie Tauben aus dem Land Assyrien; und ich werde sie in ihren Häusern wohnen lassen, spricht der HERR.

Dann an dem Tag, wenn Er „wie ein Löwe brüllen wird“, werden sie „dem HERRN nachwandeln“. Dies wird sein einst verblendetes Volk vor seinem Wort erzittern lassen: „Es wird geschehen an jenem Tag, da wird der Herr noch ein zweites Mal seine Hand ausstrecken, um den Überrest seines Volkes, der übrigbleiben wird, loszukaufen aus Assyrien und aus Ägypten und aus Pathros und aus Äthiopien und aus Elam und aus Sinear und aus Hamat und von den Inseln des Meeres“ (Jes 11,11).

Auf seinen Ruf hin werden sie wegen ihrer Sünde einerseits weinend zu Ihm kommen. Andererseits werden sie sich an seiner Liebe erfreuen. „Wie Vögel werden sie zitternd herbeieilen aus Ägypten und wie Tauben aus dem Land Assyrien“ und „in ihren Häusern“ wohnen, um, dem Wort des HERRN zufolge, nie wieder fortgehen zu müssen.

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Originaltitel: „Notes on the Prophecy of Hosea“
aus Notes on the Minor Prophets, 1909

Übersetzung: Andreas Albracht


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