Der Prophet Hosea (13)
Kapitel 13

Henry Allen Ironside

© SoundWords, online seit: 30.12.2022, aktualisiert: 23.05.2023

In mir ist deine Hilfe

Die einleitenden Worte, die in Wirklichkeit eine Fortsetzung der in Vers 1 von Kapitel 12 begonnenen Aussprüche sind, erinnern uns eindringlich an das Wort des Herrn an Saul, als er sich vom Gehorsam gegenüber der Stimme Gottes abgewandt hatte (vgl. 1Sam 15,17).

Vers 1

Hos 13,1: Wenn Ephraim redete, war Schrecken; es erhob sich in Israel. Aber es machte sich schuldig durch Baal und starb.

Diese Worte erzählen die geistliche Geschichte von Tausenden, die gut angefangen, aber schlecht geendet haben, weil sie darin versagt haben, mit Herzensentschluss bei dem Herrn zu verharren. Dies sehen wir veranschaulicht, wenn wir uns mit den Biographien vieler Könige von Juda beschäftigen. Bei den Königen Israels ist das anders. Der Grund dafür ist, dass überhaupt keiner von ihnen mit Gott anfing. Sie waren allesamt Götzendiener. Von all diesen Königen ist Joahas der Einzige, von dem es heißt, dass er jemals den Herrn suchte – und das auch nur dann, als er in großer Not war.

Aber unter den Herrschern Judas fingen viele gut an. Von jedem dieser Könige kann man sagen: „Als er den HERRN suchte, gab Gott ihm Gelingen.“ Bei den meisten von ihnen folgte jedoch irgendwann Versagen, wodurch ihr Zeugnis getrübt und Leiden bzw. Nöte verursacht wurden.

Als Gott Ephraim ganz zu Anfang aufnahm, da war es „klein in seinen Augen“ und redete zitternd. Das bedeutet, dass sie in einem gewissen Maß ihre Schwachheit und Unzulänglichkeit erkannten und dass sie sich demütigten, als das Wort des HERRN an sie erging. Gott sagt: „Auf diesen will ich blicken: auf den Elenden und den, der zerschlagenen Geistes ist und der da zittert vor meinem Wort“ (Jes 66,2). So war Ephraim in seiner anfänglichen Frische. Von ihrem ersten Zustand heißt es: „Es erhob sich in Israel. Aber es machte sich schuldig durch Baal und starb.“ Ach, dass der letzte Satz niemals hätte geschrieben werden müssen! Wie viel glücklicher wäre Ephraims Weg – und vieler Tausend anderer – gewesen, wenn sie ihre erste Liebe nie verlassen hätten! All diese Dinge dienen uns als Anschauungsmaterial. Gott möchte, dass wir daraus lernen, nicht auf unsere eigenen trügerischen Herzen zu vertrauen, sondern demütig vor Ihm zu leben in Ehrfurcht und Gottesfurcht. Auf keine andere Weise werden wir vor einem moralischen und geistlichen Zusammenbruch bewahrt bleiben. Selbstvertrauen ist immer der Auftakt einer schweren und vernichtenden Niederlage.

Im Allgemeinen stellt man fest, dass nach dem ersten Schritt, der weg von Gott führt, jeder weitere Schritt immer leichter fällt. Gewissensbisse werden seltener, die Bemühungen des betrübten Heiligen Geistes finden immer weniger Beachtung, während das Herz durch den Betrug der Sünde verhärtet wird.

Vers 2

So war das auch bei Ephraim:

Hos 13,2: Und nun fahren sie fort zu sündigen und machen sich von ihrem Silber gegossene Bilder, Götzenbilder nach ihrem Verstand, allesamt ein Werk der Künstler; von ebendiesen sagt man: Die Menschen, die opfern, küssen die Kälber!

Der Prophet beschreibt den groben Götzendienst, der überall im Land wütete und unter allen Volksschichten vorherrschte.

Vers 3

Folglich würden sie im Gericht weggeführt werden:

Hos 13,3: Darum werden sie sein wie die Morgenwolke und wie der Tau, der früh verschwindet, wie Spreu, die von der Tenne dahinfliegt, und wie Rauch aus dem Gitter.

Der Herr war im Begriff, auf diese Weise „seine Tenne zu reinigen“.

Verse 4-8

Hos 13,4-8: 4 Ich aber bin der HERR, dein Gott, vom Land Ägypten her; und du kennst keinen Gott außer mir, und da ist kein Retter als [nur] ich. 5 Ich habe dich ja gekannt in der Wüste, im Land der Gluten. 6 Ihrer Weide entsprechend wurden sie satt, sie wurden satt, und ihr Herz erhob sich; darum haben sie mich vergessen. 7 Und so wurde ich ihnen wie ein Löwe; wie ein Leopard lauere ich am Weg. 8 Ich werde sie anfallen wie eine Bärin, die der Jungen beraubt ist, und werde den Verschluss ihres Herzens zerreißen; und ich werde sie dort verzehren wie ein Löwe; die Tiere des Feldes werden sie zerfleischen.

Aber der HERR hatte nicht – wie immer wieder erwähnt wird – die Absicht, seinem auserwählten Volk ein vollständiges Ende zu bereiten. Im Gegenteil: Er blieb der einzig wahre Gott, der HERR, der ihr Gott vom Land Ägypten her gewesen war. Der Tag würde kommen, an dem sie Ihn allein anerkennen und keinen anderen Gott neben Ihm haben würden. Denn Er allein war Israels Retter. In der Wüste – in jenem dürren und durstigen Land – hatte Er sie erhalten. Doch ihr Herz erhob sich. Denn als sie von all den guten Dingen satt waren, vergaßen sie Ihn. Aus diesem Grund würde Er, der ihnen all diese Barmherzigkeiten erwiesen hatte, für sie wie ein Leopard werden, der am Weg lauert. Er würde ihnen wie eine Bärin, die der Jungen beraubt ist, den Verschluss ihres Herzens zerreißen und sie wie ein Löwe verzehren. Die wilden Tiere würden sie verschlingen.

Es scheint, dass wir in den hier verwendeten Bildern mehr als lediglich einen Hinweis auf den Charakter der heidnischen Reiche haben, die nacheinander die Unterdrücker Israels werden sollten. Wenn man diese Bibelstelle mit Daniel 7 vergleicht, werden wohl die meisten Leser unter den Eindruck kommen, dass es mehr als ein Zufall ist, dass der Löwe dort als Symbol für Babylon, der Bär für Medo-Persien und der Leopard für Griechenland verwendet wird. Der allgemeine Begriff „die wilden Tiere“ bzw. „die Tiere des Feldes“ ist möglicherweise eine verborgene Anspielung auf das letzte Tier, das „schrecklich und furchtbar“ sein wird. Es versinnbildlicht das Römische Reich, das viele Jahre der Verfolger Israels war. Dieses Reich, das gefallen ist, wird als das erste Tier aus Offenbarung 13 wieder erstehen – und zwar zur Zeit des Endes, wenn die große Drangsal in der Zeit der Drangsal Jakobs (Jer 30,7) ihren Abschluss finden wird.

Vers 9

Sie allein waren für all das verantwortlich, was ihnen widerfahren war, und für all das, was noch über sie kommen sollte. Gott sagt:

Hos 13,9: Es hat dich zugrunde gerichtet, Israel, dass du gegen mich, gegen deine Hilfe, bist.

Ihr Eigenwille hatte zu ihrem Verderben geführt. Aber Gott wartete noch immer darauf, sie zu erretten. Er war bereit, seinen Arm zu ihrer Befreiung auszustrecken, wenn Er nur irgendein Anzeichen der Umkehr und des Selbstgerichts sehen würde. Doch wenn sie sich nicht an Ihn wandten, so gab es keinen anderen, der sie erretten konnte.

Vers 10

Gott fragt sie:

Hos 13,10: Wo ist nun dein König, dass er dich rette in allen deinen Städten, und wo deine Richter, von denen du sagtest: Gib mir einen König und Fürsten?

Hosea, der König Israels[1], auf den sie vertrauten, war ein Gefangener Salmanesers, des Königs von Assyrien (2Kön 17,1-4). Gab es in all ihren Städten irgendjemand, der sie erretten konnte? Sie hatten um einen König gebeten, weil sie wie die Nationen um sie herum sein wollten. Und Gott hatte ihr Begehren erfüllt. Aber wo war die Macht ihres Königs und seiner Richter? Sie hatten ihr Vertrauen auf einen geknickten Rohrstab gesetzt.

Vers 11

Hos 13,11: Ich gab dir einen König in meinem Zorn und nahm ihn weg in meinem Grimm.

Es mag seltsam erscheinen, dass Gott das Volk – so viele Jahrhunderte nach der Einsetzung des Königtums und am Ende der Geschichte der zehn Stämme als solche – an die Sünde erinnert, dass sie in den Tagen Samuels einen König gefordert hatten. Dies veranschaulicht nur die Anmerkungen, die bereits bei der Auslegung von Kapitel 7 gemacht wurden. Derselbe Geist der Unabhängigkeit, der sie dazu gebracht hatte, einen König zu verlangen, der vor ihnen herziehen sollte – da doch der HERR selbst ihr König war –, herrschte noch immer unter ihnen vor. Und das musste gerichtet werden. Welch ernste Worte lesen wir hier in Vers 11.

Es könnte durchaus häufig der Fall sein, dass Gott seinen Kindern – wenn ihr Herz von Ihm abgewandt ist – das gibt, was sie begehren. Er gibt ihnen ihr Verlangen, aber er sendet „Magerkeit in ihre Seelen“ (Ps 106,15). Es ist gut, wenn unser Wille Gott unterworfen ist und wir bei all unseren Gebeten und Bitten [aus Herzensüberzeugung] sagen: „Dein Wille geschehe.“ Denn schließlich weiß Gott so viel besser als wir, was das Beste für uns ist. Wo es eine Unterwerfung des Herzens unter Gottes Willen gibt, da wird Er antworten – jedoch nicht nach unseren fehlerhaften Bitten –, sondern nach seiner liebevollen Güte und Weisheit. Doch wenn es anders ist, muss Er oft unsere Gebete mit Gericht beantworten. Und es könnte sein, dass wir dann Jahre erleben, in denen wir die Torheit bedauern, dass wir nicht all unsere Angelegenheiten in seine Hände gelegt haben.

Vers 12

Hos 13,12: Die Ungerechtigkeit Ephraims ist zusammengebunden, aufbewahrt seine Sünde.

Zu allem anderen Versagen fügte Ephraim noch hinzu, dass er seine Ungerechtigkeit zusammengebunden und seine Sünde verborgen hatte. Solange das bei irgendjemand der Fall ist, muss die Hand Gottes in Züchtigung auf ihn liegen: „Wer seine Übertretungen verbirgt, wird kein Gelingen haben“ (Spr 28,13). Aber in dem Augenblick, in dem alles ans Licht kommt und die Sünde verurteilt und bekannt wird, sorgt Gott für die Zudeckung der betreffenden Sünde. Damit ist das Böse für immer aus seinen Augen verschwunden: „Glückselig der, dessen Übertretung vergeben, dessen Sünde zugedeckt ist! Glückselig der Mensch, dem der HERR die Ungerechtigkeit nicht zurechnet und in dessen Geist kein Trug ist!“ (Ps 32,1.2).

Vers 13

Hos 13,13: Wehen einer Gebärenden werden ihn ankommen. Er ist ein unweiser Sohn; denn wenn es Zeit ist, tritt er nicht ein in den Durchbruch der Kinder.

Wegen Ephraims Beharrlichkeit, ihre begangene Sünde zu verbergen, mussten über sie Wehen wie bei einer Gebärenden kommen. Dies wird sofort durch einen weiteren Vergleich unterstrichen: Ephraim ist wie ein unweiser Sohn, der dort bleibt, wo seine Anwesenheit nichts als einfach nur peinlich und töricht ist. Er verharrt in seiner Torheit, obwohl er gewarnt und angefleht wurde, davon abzulassen.

Vers 14

Die letzten beiden Verse führen das allgemeine Thema fort, indem sie das furchtbare Ausmaß der verheerenden Gerichte verkünden, die sie durchmachen würden. Aber bevor diese ernsten Ereignisse geschildert werden, finden wir in Vers 14 ein kostbares Wort der Gnade, das wie ein Regenbogen der Hoffnung an einem düsteren, zornbeladenen Himmel erscheint. Der HERR, der sie in seinem Zorn heimsuchen wird, spricht von Barmherzigkeit und Güte. Er verheißt den letztendlichen Triumph seiner Liebe:

Hos 13,14: Von der Gewalt des Scheols werde ich sie erlösen, vom Tod sie befreien! Wo sind, o Tod, deine Seuchen? Wo ist, o Scheol, dein Verderben? Reue ist vor meinen Augen verborgen.

Was könnte gesegneter sein als eine derartige Verheißung inmitten einer überaus ernsten Anklageschrift? Gott wird im Zorn der Barmherzigkeit gedenken. Er wird noch als der Erlöser seiner Auserwählten erscheinen. Er wird Tod und Scheol – gleichbedeutend mit dem Hades, womit nicht die Hölle oder das Grab gemeint ist, sondern die unsichtbare Welt der Geister – ihrer Beute berauben. Er wird all jene erretten, die sich in einem zerschlagenen Geist an Ihn wenden und ihre Schuld bekennen. Die Gnadenverheißungen Gottes sind unbereubar. Sie werden für immer in seiner Güte und Barmherzigkeit begründet bleiben.

Israel gleicht nunmehr seit Jahrhunderten einem Toten. Es ist unter den Völkern begraben und irrt umher wie ein Schatten im Totenreich. Aber die Stunde ist nicht mehr fern, in der sich die an Daniel gerichtete Schlussbotschaft – wie auch die Prophezeiung von der Talebene der verdorrten Gebeine aus Hesekiel 37 – erfüllen wird: „Und in jener Zeit wird Michael aufstehen, der große Fürst, der für die Kinder deines Volkes steht; und es wird eine Zeit der Drangsal sein, wie sie nicht gewesen ist, seitdem eine Nation besteht bis zu jener Zeit. Und in jener Zeit wird dein Volk errettet werden, jeder, der im Buch geschrieben gefunden wird. Und viele von denen, die im Staub der Erde schlafen, werden erwachen: diese zu ewigem Leben und jene zur Schande, zu ewigem Abscheu“ (Dan 12,1.2). Das ist auch das Zeugnis eines der älteren Propheten: „Deine Toten werden aufleben, meine Leichen wieder aufstehen. Wacht auf und jubelt {singt}, die ihr im Staub liegt! Denn ein Tau des Lichts ist dein Tau; und die Erde wird die Schatten {Toten} herausgeben“ (Jes 26,19). Alle diese Bibelstellen werden ihre herrliche Erfüllung finden, wenn der Überrest Israels und Judas aus seinem Todesschlaf erwachen wird. Ja, der Ruf Gottes wird erschallen, und die Seinen werden auferstehen, um mit Jubel und ewiger Freude über ihrem Haupt nach Zion zurückzukehren.

Und auch die folgenden Worte werden auf wundervolle Weise wortwörtlich in Erfüllung gehen: „Es kommt die Stunde, in der alle, die in den Gräbern sind, seine {[Jesu} Stimme hören und hervorkommen werden: die das Gute getan haben, zur Auferstehung des Lebens, die aber das Böse verübt haben, zur Auferstehung des Gerichts.“ – „Glückselig und heilig, wer teilhat an der ersten Auferstehung!“ (Joh 5,28.29; Off 20,6).

Vers 15

Hos 13,15: Denn er wird Frucht tragen unter den Brüdern. Ein Ostwind wird kommen, ein Wind des HERRN, von der Wüste heraufsteigend, und sein Brunnen wird vertrocknen und sein Quell versiegen; er wird die Schatzkammer aller kostbaren Geräte plündern.

Es wäre in der Tat erfreulich, unser Kapitel mit dieser kostbaren Erinnerung an die Gnade unseres Heiland-Gottes zu beschließen. Aber es ist heilsam und notwendig, daran erinnert zu werden, dass der Tag der Macht des HERRN und des Erscheinens des Messias noch nicht gekommen ist. Deshalb müssen wir noch einmal zurückblicken und den beklagenswerten Zustand Israels und die dunklen Tage betrachten, die sie erwarten, bevor die Herrlichkeit anbrechen wird.

Während wir bei dem ernsten Wort in Vers 15 verweilen, scheint der „Regenbogen … gleich einem Smaragd“ zu verblassen. Die dunklen Wolken des Verderbens ziehen mehr und mehr über dem Land der Verheißung auf. Aus dem Thron gehen „Blitze und Stimmen und Donner“ hervor, die den furchtbaren Sturm ankündigen. Dieser Sturm wird über all jene hereinbrechen, die zwar Augen hatten, um zu sehen, aber nicht sahen, und die Ohren hatten, um zu hören, aber das Unheil verkündende Grollen von dem näherkommenden Tag des Zorns nicht hörten. Schließlich wird es zu spät sein, um ein Versteck zu finden. Ein Ostwind des HERRN wird „von der Wüste heraufsteigen“, alle Quellen der Hoffnung und Brunnen der Freude austrocknen und alle Gefäße des Verlangens verderben.


Originaltitel: „Notes on the Prophecy of Hosea“
aus Notes on the Minor Prophets, 1909

Übersetzung: Andreas Albracht

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Anmerkungen

[1] Hinsichtlich der Lesart folge ich hier einfach der Fußnote in der KJV. Es gibt keinen positiven Beleg dafür, dass der Prophet Hosea in den Tagen Hoseas, des Königs von Israel, geweissagt hätte, noch, dass er der König wäre, auf den hier Bezug genommen wird.


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