Der Prophet Amos (3)
Kapitel 3

Henry Allen Ironside

© SoundWords, online seit: 26.04.2019, aktualisiert: 12.12.2021

Die Züchtigung der auserwählten Nation

Verse 1.2

Amos 3,1.2: 1 Hört dieses Wort, das der HERR über euch redet, ihr Kinder Israel – über das ganze Geschlecht, das ich aus dem Land Ägypten heraufgeführt habe –, indem er spricht: 2 Nur euch habe ich von allen Geschlechtern der Erde erkannt; darum werde ich alle eure Ungerechtigkeiten an euch heimsuchen.

Mit diesem Kapitel beginnt der zweite Abschnitt der Prophezeiung, der sich bis zum Ende von Kapitel 6 hinstreckt und das Wort des Herrn an Israel beinhaltet. Es ist eine letzte ernste Warnung, bevor das angekündigte Gericht ausgeführt wird, von dem wir eben gehört haben.

Es sind nicht nur die zehn Stämme, die Amos in dieser Prophezeiung unter dem Titel „Kinder Israel“ anspricht, sondern „das ganze Geschlecht, das ich [der HERR] aus dem Land Ägypten heraufgeführt habe” (Amos 3,1). Sie werden als eine Nation betrachtet, obwohl sie zu der Zeit in zwei Königreiche geteilt sind. Aufgrund ihrer besonderen Vorrechte trugen sie weit mehr Verantwortung als ihre unwissenden Nachbarn. „Nur euch“, sagt Gott, „habe ich von allen Geschlechtern der Erde erkannt; darum werde ich alle eure Ungerechtigkeiten an euch heimsuchen“ (Amos 3,2). Das ist ein göttliches Prinzip, das wir nie aus den Augen verlieren sollten. „Verantwortung entspringt aus der Beziehung.“ Weil Jahwe Israel von den Nationen abgesondert und sie in einen Bund mit sich selbst gebracht hatte, wurde von ihnen der Gehorsam erwartet, den ihre bevorzugte Stellung verlangte, sonst würden sie der besondere Gegenstand seiner erzieherischen Maßnahmen sein. Dasselbe gilt auch für die Versammlung Gottes in diesem Zeitalter, kollektiv betrachtet, aber gleicherweise auch für jeden einzelnen Gläubigen. Wir sind berufen, unserer erhabenen Berufung würdig zu wandeln, und wenn wir das nicht tun, müssen wir mit der Strafe unseres Vaters rechnen. Züchtigung bedeutet nicht, dass  Gottes Herz uns gegenüber hart geworden ist, im Gegenteil. Es ist seine Liebe, die Ihn so handeln lässt. Die Welt mag in ihrer Torheit  fortfahren und wenig über solch regierende Fürsorge wissen, aber bei denen, die beim Namen des Herrn genannt werden, muss das anders sein.

Vers 3

Amos 3,3: Gehen wohl zwei miteinander, außer, wenn sie übereingekommen sind?

Amos 3,3 weiht uns in das Geheimnis echter Gemeinschaft ein. Zwei können nur dann zusammen gehen, wenn sie sich einig sind. Es ist nicht die Frage, ob man sich in allen Details einig ist, sondern es geht darum, in den grundlegenden Fragen bezüglich unserer Gemeinschaft gleich zu denken. Gott kann nicht mit Leugnern in diesem innigen, glückseligen Sinn wandeln, der hier betrachtet wird, noch können Gläubige in heiliger Verbundenheit zusammen gehen, wenn der eine danach trachtet, Gott zu ehren, und der andere bereits in unsauberes Denken und böse Wege abgerutscht ist.

Verse 4-6

Amos 3,4-6: 4 Brüllt der Löwe im Wald, wenn er keinen Raub hat? Lässt der junge Löwe seine Stimme aus seiner Höhle erschallen, außer wenn er einen Fang getan hat? 5 Fällt der Vogel in die Schlinge am Boden, wenn ihm kein Köder gelegt ist? Schnellt die Schlinge von der Erde empor, wenn sie gar nichts gefangen hat? 6 Oder wird die Posaune in der Stadt geblasen, und das Volk sollte nicht erschrecken? Oder geschieht ein Unglück in der Stadt, und der HERR hätte es nicht bewirkt?

Mit Amos 3,4 beginnend, verkündet der Prophet den Anlass für seine Botschaft. Ergebnisse kommen von entsprechenden Ursachen. Die Trompete musste geblasen werden, damit die Leute erzittern, denn Gott war dabei, Böses über sie zu bringen. „Oder geschieht ein Unglück in der Stadt, und der HERR hätte es nicht bewirkt?”, ist seine Herausforderung. Dieser Vers hat viele verstört, die übereifrig für das Ansehen des Herrn der Heerscharen waren. Aber das Böse ist natürlich Elend (nicht Sünde), wie wir im ersten Kapitel von Joel gesehen haben, und Gott benutzt es als Zuchtrute. Davor sollte Amos die sorglosen Einwohner der Städte Israels warnen.

Verse 7.8

Amos 3,7.8: 7 Denn der Herr, HERR, tut nichts, es sei denn, dass er sein Geheimnis seinen Knechten, den Propheten, offenbart habe. 8 Der Löwe hat gebrüllt, wer sollte sich nicht fürchten? Der Herr, HERR, hat geredet, wer sollte nicht weissagen?

Er hat einen guten Grund zu prophezeien. Gott hat ihm seine Geheimnisse geoffenbart. Deshalb muss er sie mutig verkünden. „Der Herr, HERR, hat geredet, wer sollte nicht weissagen?“ Das ist wirklich ein erhabener Grund. Aber es ist nur ein guter Grund für den, der wirklich versucht, göttliche Wahrheiten weiterzugeben. Wenn Gott nicht gesprochen hat, dann ist die Vermutung des einen genauso gut wie die eines anderen; die Ansichten des einen sind es dann genauso wert, geglaubt und erwogen zu werden, wie die seiner Mitbrüder. Aber wenn Gott selbst gesprochen hat, wie Er es in seinem Wort getan hat, dann ist alles geklärt für den, der Ihn fürchtet. Sein Diener braucht nichts zu tun, als das zu verkünden, was ihm offenbart wurde. Dabei wendet er sich weg von den „Widersprüchen der fälschlich sogenannten Kenntnis“ (1Tim 6,20) und den „törichten Überlegungen“ (Röm 1,21).

Das ist der Wert der Schrift, und Satan möchte uns in dieser gegenwärtigen Zeit diesen Reichtum unbemerkt rauben. Gott hat seinen Willen in seinem Wort offenbart. „Der Herr, HERR, tut nichts, es sei denn, dass er sein Geheimnis seinen Knechten, den Propheten, offenbart habe.“ Deshalb akzeptiert der Gläubige die prophetischen Schriften, die der Herr Jesus mit seinem Siegel versehen hat, als letzte und höchste Instanz in dem Wissen, dass „heilige Menschen Gottes redeten, getrieben vom Heiligen Geist“ (2Pet 1,21). Der Glaube triumphiert, wo die bloße Überlegung im Dunkeln tappt und sich vergeblich bemüht, in die Zukunft zu schauen, die Vergangenheit zu erklären oder die Gegenwart zu verstehen.

Gegner der Inspiration der Bibel behaupten oft, dass man von der Unfehlbarkeit der Schrift nur sprechen könne, wenn man davon ausgehe, dass die Schreiber der verschiedenen Bücher unfehlbar gewesen seien – und das, obwohl der Herr Jesus ernst erklärt hat, dass „die Schrift nicht aufgelöst werden kann“ (Joh 10,35). Da ist aber überhaupt nicht die Rede von menschlicher Unfehlbarkeit. Wenn Gott redet, muss man nicht unfehlbar, sondern gehorsam sein und das weitergeben, was Er kundgemacht hat. So war es bei Amos und seinen prophetischen Mitdienern. Ein Schreiber braucht keine genaue Kenntnis über die Ereignisse, die er beschreibt, wenn jemand anderes diktiert. Er hört das Wort und schreibt es entsprechend nieder. Daher verstehen wir auch, dass die Schreiber des Alten Testamentes „forschten, auf welche oder welcher Art Zeit der Geist Christi, der in ihnen war, hindeutete, als er von den Leiden, die auf Christus kommen sollten, und von den Herrlichkeiten danach zuvor zeugte“ (1Pet 1,11). Nur der Unglaube sieht hier eine Schwierigkeit.

Verse 9-15

Amos 3,9-15: 9 Ruft über die Paläste in Asdod und über die Paläste im Land Ägypten hin und sprecht: Versammelt euch auf den Bergen von Samaria, und seht die große Verwirrung in seiner Mitte und die Bedrückungen in seinem Innern! 10 Und sie wissen nicht zu tun, was recht ist, spricht der HERR, sie, die Gewalttat und Zerstörung häufen in ihren Palästen. 11 Darum, so spricht der Herr, HERR: Der Feind, und zwar rings um das Land her! Und er wird deine Macht von dir herabstürzen, und deine Paläste werden geplündert werden. 12 So spricht der HERR: Wie der Hirte zwei Beine oder einen Ohrzipfel aus dem Rachen des Löwen rettet, so werden die Kinder Israel gerettet werden, die in Samaria in der Ecke des Polsters und auf dem Damast des Ruhebettes sitzen. 13 Hört und bezeugt es dem Haus Jakob, spricht der Herr, HERR, der Gott der Heerscharen: 14 An dem Tag, an dem ich Israels Übertretungen an ihm heimsuchen werde, werde ich auch die Altäre von Bethel heimsuchen; und die Hörner des Altars sollen abgehauen werden und zu Boden fallen. 15 Und ich werde das Winterhaus zertrümmern samt dem Sommerhaus; und die Elfenbeinhäuser werden zugrunde gehen, die großen Häuser werden verschwinden, spricht der HERR.

Die Verse in Amos 3,9-15 beinhalten die prophetische Botschaft. Israels Wegführung wird vorhergesagt. Aber es wird in gleichem Atemzug verkündet, dass ein Überrest gerettet werden wird. In den Palästen der Philister und der Ägypter soll es kundgetan werden, dass Gott wegen der Sünden seines Volkes nicht länger ein Schutzwall für sie sein würde. Die Völker, die einst Zeugen seiner Macht waren, würden nun Zeugen seiner Gerechtigkeit werden. Da sein Volk nicht mit Ihm wandelte, konnte Er es nur der Züchtigung hingeben.

Denn „wie der Hirte zwei Beine oder einen Ohrzipfel aus dem Rachen des Löwen rettet, so werden die Kinder Israel gerettet werden, die in Samaria in der Ecke des Polsters und auf dem Damast des Ruhebettes sitzen“. Der Hirte, der eines der Schafe der Herde verlor, wurde dafür zur Verantwortung gezogen, es sei denn, er konnte den Beweis erbringen, dass es von wilden Tieren gerissen worden war. Daher sein Bemühen, wenigstens etwas, und sei es nur der Zipfel eines Ohres, von dem gefressenen Tier zu retten.  Genauso wird Gott einen Teil Israels retten, sei es auch nur einen ganz kleinen Teil, und sie davor bewahren, von den wilden Tieren, den heidnischen Imperien, verschlungen zu werden. Ihre Übertretung muss auf sie zurückgebracht werden wegen ihrer götzendienerischen Praktiken, von denen der Altar in Bethel, der von König Jerobeam, dem Sohn Nebats, gebaut wurde, ein beständiges Denkmal war. Sein Niedergang würde die Zerstörung derer beinhalten, die sich ihres Reichtums rühmten, in ihrem Luxus schwelgten und sorglos waren in Bezug auf den gefallenen Zustand Israels. Das wird in Amos 6,1-6 weiter ausgeführt, und an dieser Stelle werden wir dann mehr dazu sagen.

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Originaltitel: „Notes on the Prophecy of Amos“
aus Notes on the Minor Prophets, 1909

Übersetzung: Anne Brust


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