Der Prophet Amos (4)
Kapitel 4

Henry Allen Ironside

© SoundWords  , online seit: 24.08.2019, aktualisiert: 26.02.2020

„Dennoch seid ihr nicht umgekehrt!“

In diesem Kapitel wird das Volk Israel daran erinnert, wie viele Wege Gott benutzt hatte, um zu ihnen zu reden, mit dem Ziel, sie wieder zu Ihm zurückzurufen. Doch das traurige Resultat war, dass sie auf ihren sündigen Wegen weitergegangen waren, trotz der Warnungen und Strafen. Sie verachteten die Züchtigung des Herrn.

Verse 1-3

Amos 4,1-3: 1 Hört dieses Wort, ihr Kühe Basans, die ihr auf dem Berg Samarias seid, die ihr die Geringen bedrückt, die Armen misshandelt und zu euren Herren sprecht: Bring her, dass wir trinken! 2 Geschworen hat der Herr, HERR, bei seiner Heiligkeit: Siehe, Tage werden über euch kommen, da man euch an Haken wegschleppen wird und euren Rest an Fischerangeln. 3 Und ihr werdet durch die Mauerrisse hinausgehen, jede vor sich hin, und ihr werdet nach Harmon hingeworfen werden, spricht der HERR.

In  diesen Versen werden wahrscheinlich die bedeutenden Frauen in Israel angesprochen, denn für „Kühe Basans“ wird im Original die weibliche Form gebraucht. Genusssüchtig, unverschämt und selbstgefällig unterdrückten diese hochmütigen Damen die Armen und misshandelten die Bedürftigen, um ihren eigenen fleischlichen Begierden zu dienen. Gleichgültig gegenüber dem Leid, dass ihr unrechtes Vergnügen für andere nach sich zog, feierten sie und freuten sich und vergaßen, dass der Heilige Israels zuschaute. Er hatte bei seiner Heiligkeit geschworen, ihre Sünden auf ihr Haupt zurückzubringen. Er würde sie aus ihrer Torheit herausholen, so wie ein Angler einen gierigen Fisch fängt, der nicht ahnt, dass in dem ausgelegten verlockenden Köder eine Gefahr lauert.

Verse 4.5

Amos 4,4.5: 4 Geht nach Bethel und übertretet, nach Gilgal und mehrt die Übertretung! Und bringt jeden Morgen eure Schlachtopfer, alle drei Tage eure Zehnten; 5 und räuchert ein Dankopfer vom Gesäuerten und ruft aus, verkündet freiwillige Gaben! Denn so liebt ihr es, ihr Kinder Israel, spricht der Herr, HERR.

Amos 4,4.5 wird unterschiedlich verstanden. Einige sehen hier den Ruf zur Buße, der sich ernstlich an das Gewissen des Volkes richtet. In diesem Fall wird das „Dankopfer vom Gesäuerten“ als in Übereinstimmung mit dem Wort Gottes angesehen, wie es in 3. Mose 7,13 beschrieben wird. Dort wird gesäuertes Brot dem Dankopfer beigegeben, womit der Opfernde seine eigene Unwürdigkeit kundtat.

Aber das Dankopfer war nur angebracht, wenn das  Volk in der rechten Verbindung zu Gott stand. Sie zu dem falschen Altar nach Bethel zu rufen und dort ein Dankopfer zu bringen, wo doch eigentlich ein Sündopfer nötig gewesen wäre, war sicherlich nicht nach den Gedanken Gottes.

Deshalb verstehe ich diesen Abschnitt als absolute Ironie in der Weise, wie Elia auch die Baalspriester verhöhnte. Tatsächlich scheint es, als würde der Prophet sagen: „Bringt doch ein Dankopfer vom Gesäuerten, denn so liebt ihr es, ihr Kinder Israel!“ Hier ist kein Gedanke daran, das Gesäuerte als Beigabe zu einem getöteten Opfer oder zu der Gabe der Erstlingsfrucht zu sehen. Sondern das Gesäuerte ist das Opfer, das darzubringen sie ironischerweise aufgefordert werden. Dieser ganze Abschnitt ist eine traurige Darstellung des erbärmlichen und niedrigen Zustands Israels, dessen ganzes System der Anbetung nur noch Frevel und Übertretung darstellte. Und doch rühmten sie sich gleichzeitig ihrer Pracht und ihrer Rituale.

Sieht Der, der auf die Anmaßung einer schuldigeren Christenheit blickt, diese nicht mit noch größerer Abscheu? Wo das Gewissen aktiv ist, wird es einen sicherlich dazu führen, sich von Missetaten abzuwenden, die solch blendenden Charakter haben.

Amos 5,5 macht deutlich, dass Gott nicht im Entferntesten daran dachte, ein Opfer anzunehmen, das in Bethel oder Gilgal dargebracht wurde. Alles, was sich um diese Zentren der Abtrünnigkeit bewegte, war Ihm verhasst. Er hatte seinen Namen mit Jerusalem verbunden, obwohl sein Name auch dort schon entweiht worden war.

Vers 6

Amos 4,6: Und so habe auch ich euch reine Zähne gegeben in allen euren Städten und Mangel an Brot an allen euren Orten; und doch seid ihr nicht bis zu mir umgekehrt, spricht der HERR.

Aufgrund dessen, was wir bisher betrachtet haben, hatte Er eine schwere Hungersnot über sie gebracht. Er „gab ihnen reine Zähne in allen ihren Städten und Mangel an Brot an allen ihren Orten“. Dennoch gab es keinen Beweis ihrer Buße und Er musste sagen: „Und doch seid ihr nicht bis zu mir umgekehrt.“

Verse 7.8

Amos 4,7.8: 7 Und auch habe ich euch den Regen entzogen, als noch drei Monate bis zur Ernte waren; und ich habe auf die eine Stadt regnen lassen, während ich auf die andere Stadt nicht regnen ließ; das eine Feldstück wurde beregnet, und das Feldstück, auf das es nicht regnete, verdorrte; 8 und zwei, drei Städte wankten zu einer Stadt hin, um Wasser zu trinken, und wurden nicht satt. Dennoch seid ihr nicht bis zu mir umgekehrt, spricht der HERR.

Auch den Regen hielt Er auf eine Art und Weise zurück, die sie fragend und nachdenklich machen sollte, wenn ihr Gewissen sich überhaupt noch regte. Er gab der einen Stadt Regen und hielt ihn von einer anderen Stadt zurück. Und doch kommt derselbe ernste Refrain: „Dennoch seid ihr nicht bis zu mir umgekehrt, spricht der Herr.“

Vers 9

Amos 4,9: Ich habe euch mit Kornbrand und mit Vergilben geschlagen; eine große Zahl eurer Gärten und eurer Weinberge und eurer Feigen- und eurer Olivenbäume fraß die Heuschrecke. Dennoch seid ihr nicht bis zu mir umgekehrt, spricht der HERR.

Mit Kornbrand und Vergilben hatte Er sie geschlagen, so dass ihre spärliche Ernte verdorben war, bevor sie vollkommen gereift war. Wenn ihre Obstbäume, Weinberge und Gärten vielversprechend aussahen, wurden die Heuschrecken (Heuschrecken der gefräßigsten Art) gesandt, um sie zu zerstören. Aber es gab kein Erwachen – das Gewissen schlief weiter. „Dennoch seid ihr nicht bis zu mir umgekehrt, spricht der Herr.“

Vers 10

Amos 4,10: Ich habe die Pest unter euch gesandt in der Weise Ägyptens; ich habe eure Jünglinge mit dem Schwert getötet, während zugleich eure Pferde gefangen weggeführt wurden, und ich ließ den Gestank eurer Heerlager aufsteigen, und zwar in eure Nase. Dennoch seid ihr nicht bis zu mir umgekehrt, spricht der HERR.

Auch mit der Pest hatte Er sie „in der Weise Ägyptens“ besucht. Die übelriechenden Leichen ihrer stattlichsten Söhne, die zusammen mit ihren Pferden im Kampf erschlagen worden waren, verpesteten die Luft, so dass sie Krankheit und Tod einatmeten. Trotzdem schien niemand zu erkennen, wer es war, der sie heimsuchte, und so kehrten sie nicht zu Ihm um.

Vers 11

Amos 4,11: Ich habe eine Umkehrung unter euch angerichtet wie die Umkehrung von Sodom und Gomorra durch Gott; und ihr wart wie ein Brandscheit, das aus dem Feuer gerettet ist. Dennoch seid ihr nicht bis zu mir umgekehrt, spricht der HERR.

Eine große Naturkatastrophe, möglicherweise ein Erdbeben, begleitet von einem Großbrand, kam zu ihren Nöten noch hinzu. Manche hatte Er umgekehrt, so wie Er Sodom und Gomorra zerstört hatte, so dass die Überlebenden wie Brandscheite aus dem Feuer gerettet wurden; dennoch waren sie nicht zu ihm umgekehrt. Sie versagten darin, seine Hand in allem, was sie betroffen hatte, zu erkennen. Sie versuchten nur, der Rute zu entkommen, und hörten weder ihre Botschaft noch Ihn, der sie gesandt hatte. Genauso sieht der Weg des Menschen aus, der von der göttlichen Gnade unberührt bleibt. Er verschließt die Augen vor den offensichtlichen Beweisen von Gottes Handeln und verfolgt gedankenlos seinen eigenen Weg, bis sich die Grube über ihm verschließt.

Vers 12

Amos 4,12: Darum werde ich dir so tun, Israel. Weil ich dir dies tun will, so schicke dich an, Israel, deinem Gott zu begegnen!

Wegen ihrer absoluten Gleichgültigkeit bleibt nur noch eine weitere Sache offen: Sie müssen Dem im Gericht begegnen, dessen Warnungen und disziplinarischen Handlungen sie verachtet hatten. „Darum … schicke dich an, Israel, deinem Gott zu begegnen!“[1]

Vers 13

Amos 4,13: Denn siehe, der die Berge bildet und den Wind schafft und dem Menschen kundtut, was sein Gedanke ist; der die Morgenröte und die Finsternis macht und einherschreitet auf den Höhen der Erde: HERR, Gott der Heerscharen, ist sein Name.

Denn obwohl sie Ihn nicht kannten, war Er doch Jahwe, der mächtige Gott der Heerscharen, der die Berge geformt und den Wind erschaffen hat, der dem Menschen seine geheimen Gedanken kundtut, der den Morgen zur Dunkelheit macht und auf den Höhen der Erde einherschreitet.

Ihm würden sie begegnen müssen – aber wie? Und auch du, lieber Leser, hast das noch vor dir, wenn du noch nicht errettet bist. Denke darüber nach, wie du am großen Tag seines Zornes vor Ihm bestehen kannst!

Auch auf den Gläubigen, der nachlässig wandelt, ist dieses Wort anwendbar. Indem er seinen eigenen Weg geht, verachtet er vielleicht die Züchtigung des Herrn  hört nicht auf seine ermahnende Stimme hören. Aber er kann nicht für immer so weitermachen. Früher oder später muss er Gott begegnen und alles wird in seiner Gegenwart offenbar werden. Darum: Bekenne Fehltritte immer sofort vor dem, der die Geheimnisse aller Herzen kennt!  


Originaltitel: „Notes on the Prophecy of Amos“
aus Notes on the Minor Prophets, 1909

Übersetzung: Anne Brust

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Anmerkungen

[1] Ich habe das Erdbeben vom 18. April 1906 in Kalifornien miterlebt und war Augenzeuge seiner Schrecken. Nicht zuletzt bemerkte man die anhaltenden Bemühungen der Prediger aller Konfessionen, die Ängste der Bevölkerung zu beschwichtigen, indem sie ihnen versicherten, Gott habe mit den unheilvollen Geschehnissen, die sich ereignet hatten, nichts zu tun. Es gebe eine natürliche Erklärung für alles! Die Menschen ohne Christus waren nur zu bereit, das auch zu glauben; und so wurde ihr teilweise aufgeschrecktes Gewissen wieder eingeschläfert und ihre Ohren verschlossen vor der Stimme dessen, der durch Amos sagt: „Ich habe einige von euch zu Fall gebracht!“ Von dem Abschnitt aus Amos 4,11.12 ausgehend, hatte ich die Gelegenheit, vielen die Wahrheit ernsthaft darzulegen, und zwar, wie ich hoffe, nicht ganz ohne Frucht; aber „der Tag“ wird es offenbaren.


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