Der Prophet Amos (1)
Kapitel 1

Henry Allen Ironside

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Die Anklage gegen die Nationen (1)

Menschen neigen dazu, ihre unbedeutende Herkunft zu verschweigen; Amos dagegen verschweigt sie nicht. Er beginnt mutig, indem er sagt:

Vers 1

Amos 1,1: Worte des Amos, der unter den Hirten von Tekoa war, die er über Israel geschaut hat in den Tagen Ussijas, des Königs von Juda, und in den Tagen Jerobeams, des Sohnes Joas’, des Königs von Israel, zwei Jahre vor dem Erdbeben.

Hier werden uns der Name des Propheten, sein einfacher Beruf, sein Wohnort und der Zeitpunkt seiner Prophezeiung deutlich dargelegt.

Das Erdbeben, das erwähnt wird, würde zweifellos eine Zeitepoche von mehr als einer Generation kennzeichnen; aber wir haben keinen Bericht, nach dem wir es heute genau festlegen können. Die traditionelle jüdische Überlieferung besagt, dass es stattgefunden habe, als Ussija sich pietätlos anmaßte, den Dienst eines Priesters des Herrn selbst zu tun. Josephus verbindet diese beiden Begebenheiten miteinander. Aber dafür gibt es keinen Beweis.

Da wir die anderen Punkte, die in diesem ersten Vers angesprochen werden, bereits in der Einleitung ein wenig betrachtet haben, können wir uns jetzt den prophetischen Botschaften widmen. Wie schon zuvor erwähnt, gibt es acht Prophezeiungen in den ersten beiden Kapiteln; fünf im ersten Kapitel und drei im zweiten.

Verse 2-5

Amos 1,2-5: 2 Und er sprach: Der HERR wird aus Zion brüllen und aus Jerusalem seine Stimme erschallen lassen, und die Weideplätze der Hirten werden trauern, und der Gipfel des Karmel wird verdorren. 3 So spricht der HERR: Wegen drei Freveltaten von Damaskus und wegen vier werde ich es nicht rückgängig machen: Weil sie Gilead mit eisernen Dreschschlitten gedroschen haben, 4 so werde ich ein Feuer senden in das Haus Hasaels, und es wird die Paläste Ben-Hadads verzehren; 5 und ich werde den Riegel von Damaskus zerbrechen, und den Bewohner ausrotten aus der Talebene Awen, und den, der das Zepter hält, aus Beth-Eden; und das Volk von Syrien wird nach Kir weggeführt werden, spricht der HERR.

Dem zweiten Vers entnehmen wir, dass die angesprochenen Nationen in Verbindung mit Jerusalem und dem Berg Zion betrachtet werden. Dorthin hatte der HERR seinen Namen gesetzt. Von dort würde Er in seiner Empörung brüllen und seine Gerichtsaussprüche tun, so dass die Weiden der Hirten trauern und der Gipfel des Karmel verdorrt.

Halten wir fest, dass jede Voraussage mit denselben ernsten Worten beginnt, ausgenommen der Namen: „Wegen drei Freveltaten von Damaskus und wegen vier werde ich es [das Gericht] nicht rückgängig machen.“ Im Allgemeinen gehen jüdische Kommentatoren davon aus, dass das Folgendes bedeutet: „Drei Freveltaten habe ich ihnen vergeben, aber die vierte werde ich mit Gericht heimsuchen.“ Zumindest beinhaltet es, dass Gott in seiner Langmut gewartet und immer wieder nach einem Anzeichen von Buße Ausschau gehalten hatte, bevor Er im Zorn handelte; aber Er fand keine Buße. Mit drei Übertretungen hatten sie den Becher ihrer Bosheit gefüllt. Mit der vierten Übertretung brachten sie ihn zum Überfließen und brachten damit zum Ausdruck, dass alles weitere Prüfen sinnlos war. In Gottes Augen waren sie verdorben und unrein. Darum muss das Gericht seinen Lauf nehmen.

Die Sünde jedes Volkes, die schließlich den Höhepunkt bildet, wird besonders in der schrecklichen Anklage und dem damit verbundenen Urteil hervorgehoben, die von den inspirierten Lippen des Sehers kommen.

Damaskus hatte „Gilead mit eisernen Dreschschlitten gedroschen“. Schonungslos verfolgten sie alle entlang der freiliegenden Grenzen Israels über den Jordan hinaus und zeigten sich erbarmungslos gegenüber Alter und Geschlecht. Sie fegten durch das Land und vernichteten alle gleichermaßen und behandelten jeden wie Korn unter einem Dreschflegel. Dafür würden sie ohne Erbarmen Gericht erfahren, das der sittliche Herrscher des Universums, dessen Augen auf all ihre Wege achteten, austeilen würde.

Verse 6-8

Amos 1,6-8: 6 So spricht der HERR: Wegen drei Freveltaten von Gaza und wegen vier werde ich es nicht rückgängig machen: Weil sie Gefangene in voller Zahl weggeführt haben, um sie an Edom auszuliefern, 7 so werde ich ein Feuer senden in die Mauer von Gaza, und es wird seine Paläste verzehren; 8 und ich werde den Bewohner ausrotten aus Asdod, und den, der das Zepter hält, aus Askalon; und ich werde meine Hand gegen Ekron wenden, und der Überrest der Philister wird untergehen, spricht der Herr, HERR.

Gaza, die alte Hauptstadt der Philister, hatte Gottes Volk zu ihrer Beute gemacht, indem sie sie gefangen nahmen und nach Edom verkauften oder verschenkten. (Edom ist im Vorbild ein anschauliches Bild für falsche Religion, die den Menschen der Macht des Fleisches übergibt!) So half man dem grausamen und nicht geschwisterlichen Feind, den nahen Verwandten zu zerstören und zu versklaven. Aber so wie sie die Zerstörung des abgewichenen Volkes des Herrn anstrebten, genauso würden sein Feuer und seine Hand gegen Philistäa sein, bis hin zu seiner völligen Zerstörung.

Verse 9.10

Amos 1,9.10: 9 So spricht der HERR: Wegen drei Freveltaten von Tyrus und wegen vier werde ich es nicht rückgängig machen: Weil sie Gefangene in voller Zahl an Edom ausgeliefert und sich nicht an den Bruderbund erinnert haben, 10 so werde ich ein Feuer senden in die Mauer von Tyrus, und es wird seine Paläste verzehren.

Tyrus, die Kaufmannsstadt am Meer, die in den Tagen von Salomo und Hiram einst im „brüderlichen Bund“ mit Israel war, hatte ihre Versprechen, die sie gegeben hatten, vergessen und verbündete sich ebenfalls mit Edom und übergab ihnen die Gefangenen, die sie genommen hatten. Darum sollte das Feuer die Mauer von Tyrus, die sie für unüberwindlich hielten, verschlingen und seine Paläste auslöschen.

Verse 11.12

Amos 1,11.12: 11 So spricht der HERR: Wegen drei Freveltaten von Edom und wegen vier werde ich es nicht rückgängig machen: Weil es seinen Bruder mit dem Schwert verfolgt und sein Erbarmen erstickt hat und weil sein Zorn beständig zerfleischt und es seinen Grimm immerfort bewahrt, 12 so werde ich ein Feuer senden nach Teman, und es wird die Paläste von Bozra verzehren.

Edom, seit jeher der bitterste Feind des Samens Jakobs, war unerbittlich in seiner Wut, indem es „seinen Bruder mit dem Schwert verfolgt und sein Erbarmen erstickt“ hatte. Deshalb sollte der Herr vergessen, am Tag seines gerechten Zornes Erbarmen mit ihm zu haben, und so die Demütigungen vergelten, mit denen Edom Israel überschüttet hatte. Die Prophezeiungen Obadjas passen genau zu diesem Abschnitt.

Verse 13-15

Amos 1,13-15: 13 So spricht der HERR: Wegen drei Freveltaten der Kinder Ammon und wegen vier werde ich es nicht rückgängig machen: Weil sie die Schwangeren von Gilead aufgeschlitzt haben, um ihr Gebiet zu erweitern, 14 so werde ich ein Feuer anzünden in der Mauer von Rabba, und es wird seine Paläste verzehren unter Kriegsgeschrei am Tag des Kampfes, unter Sturm am Tag des Unwetters; 15 und ihr König wird in die Gefangenschaft gehen, er und seine Fürsten miteinander, spricht der HERR.

Ammon hatte versucht, durch schrecklichste Grausamkeit die Hoffnung der auserwählten Nation zunichtezumachen, nur um seine eigenen Grenzen zu erweitern. Mit dieser teuflischen Zurschaustellung ihres Hasses auf Israel hatten sie die göttliche Strafe selbst auf ihr Haupt gebracht. Ammon sollte der ganzen Wut des Sturmes des HERRN am Tag des Sturmwinds seines Zornes ausgesetzt sein.

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Originaltitel: „Notes on the Prophecy of Amos“
aus Notes on the Minor Prophets, 1909

Übersetzung: Anne Brust


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