Der Brief des Paulus an die Philipper (2)
Kapitel 2

Stanley Bruce Anstey

© SoundWords, Online începând de la: 10.02.2021, Actualizat: 29.04.2023

Christus – das Vorbild für das christliche Leben

Der Feind (Satan) versuchte, das Zeugnis der Philipper in jenem Gebiet zu zerstören, nicht nur indem sie von Gegnern außerhalb der christlichen Gemeinschaft verfolgt wurden (Phil 1,27-30), sondern auch, indem er innerhalb der christlichen Gemeinde Zwietracht säte (Phil 2). In der Geschichte der Kirche hat der Widersacher auf diese Weise großen Erfolg gehabt. Was durch Verfolgung nicht erreicht wurde, ist durch interne Unstimmigkeiten zweifellos erreicht worden.

Infolge der Aktivitäten des Feindes in den christlichen Reihen ist die Kirche im Grundsatz und in der Praxis in allem gespalten – bis zu dem Punkt, an dem ihr öffentliches Zeugnis in tausend Stücke zerbrochen ist! Heutzutage existiert eine große Bandbreite von Konfessionen und nichtkonfessionellen christlichen Gemeinschaften, die so unterschiedlich sind wie Tag und Nacht. Es muss wohl kaum gesagt werden, dass dies überhaupt nicht das ist, was Gott für die Kirche in der Zeit der Abwesenheit Christi vorgesehen hat. Der Herr betete, dass wir alle „eins“ sind und zusammen voranschreiten (Joh 17,11.21.23). Er möchte, dass die Christen in praktischer Einheit zusammen auf dem Glaubensweg gehen – selbst wenn sie über die ganze Welt verstreut sind – und so die Wahrheit des „einen Leibes“ Christi zum Ausdruck bringen (Eph 4,2-4). Unser gespaltener Zustand hat der Welt leider eine sehr verzerrte Sicht des Evangeliums und der Offenbarung der christlichen Wahrheit vermittelt. Ungläubige schauen auf die Kirche, wie sie heute existiert, und sind völlig verwirrt.

Vielleicht fragen wir: „Wie hat das alles angefangen?“ In vielen Fällen ist die Zersplitterung darauf zurückzuführen, dass Christen nicht „eines Geistes“ und „eines Sinnes“ waren, worauf Paulus in diesem Brief energisch besteht (Phil 1,27; 2,2; 3,16; 4,2). Satan hat sich scheinbar kleine Uneinigkeiten zunutze gemacht und das Fleisch in den Gläubigen angestachelt, damit sie gegensätzliche Positionen in Fragen der Lehre und Praxis einnehmen, und diese Unterschiede sind in allen so tief verwurzelt, dass sie unvereinbar geworden sind. Der heutige Zustand der Kirche mit all ihren vielen Spaltungen ist das Ergebnis. Das Traurige ist, dass Satan immer noch daran arbeitet, die Kirche noch weiter zu zerrütten. Er hat Pläne für jede christliche Gemeinschaft: von der Mega-Church in einer großen Metropole bis zur scheinbar unbedeutenden kleinen Kirche oder Gemeinschaft auf dem Land. Sein Ziel ist es, jedes Zeugnis für Christus in Stücke zu schlagen. Da Paulus sich der Angriffe Satans bewusst war (2Kor 2,11), gibt er den Philippern in diesem zweiten Kapitel das göttliche Heilmittel an die Hand, damit die Gemeinde vor dem Angriff des Feindes bewahrt bleibt. Da Satan immer noch auf dieses Ziel hin arbeitet, hat das, was hier dargelegt wird, eine wichtige Anwendung auf christliche Gemeinden heute.

Paulus hat in Philipper 1,27 darauf hingewiesen, dass in den Reihen der Christen Einheit notwendig ist, aber jetzt setzt er zu einer langen Abhandlung an darüber, was die Ursache von Streitigkeiten unter Christen ist und wie sie geheilt werden können. Wenn die Dinge, die er im Folgenden präsentiert, ernst genommen und praktisch angewendet werden, würde der Feind bei seinem Versuch, heutzutage christliche Gemeinden zu zerstören, aufgehalten werden.

Eine Ermahnung zur Einheit im Gemeindeleben (V. 1.2)

Verse 1.2

Phil 2,1.2: 1 Wenn es nun irgendeine Ermunterung gibt in Christus, wenn irgendeinen Trost der Liebe, wenn irgendeine Gemeinschaft des Geistes, wenn irgend innerliche Gefühle und Erbarmungen, 2 so erfüllt meine Freude, dass ihr gleich gesinnt seid, dieselbe Liebe habend, einmütig, eines Sinnes, …

In diesem Kapitel ermahnt Paulus die Philipper, in praktischer Einheit zu wandeln: Sie könnten dies nur erreichen, wenn jeder von ihnen eine demütige Gesinnung hat (Phil 2,3.4). Darüber hinaus zeigt er ihnen, was in den Gläubigen wahre Demut und eine demütige Gesinnung hervorruft: Sie sollten ihre Aufmerksamkeit ganz auf die Demut Christi richten, der das Vorbild für demütige Gnade ist (Phil 2,5-8). Aber bevor Paulus über diese Dinge spricht, weist er sie darauf hin, dass die Gnade, die nötig ist, um in praktischer Einheit zu wandeln, in den Philippern bereits bewirkt worden war (Phil 2,1). Der Beweis dafür war die Liebe und Freundlichkeit, die sie freimütig über ihn ausgegossen hatten, indem sie an ihn in seiner Not dachten und ihm eine Gabe von so weit her schickten. Paulus weist auf diesen Beweis ihrer Gnade und Güte hin, indem er ihre „Ermunterung in Christus“, ihren „Trost der Liebe“, ihre „Gemeinschaft des Geistes“ und ihre „innerlichen Gefühle und Erbarmungen“ erwähnt. All dies war ihm zuteilgeworden.

Das „Wenn“ im Eröffnungsvers ist ein „Wenn“ des Arguments, nicht ein „Wenn“ der Bedingung (siehe Einleitung). Es bedeutet nicht, dass es in Christus keinen Trost gäbe usw. Das Wort wird hier im Sinne von „weil [da es so ist]“ verwendet. Paulus baut ein Argument auf; er sagt: Weil Gott in den Philippern diese wunderbaren Empfindungen und auch Mitgefühl für ihn erzeugt hatte, weiß er, dass sie fähig waren, sie ebenso anderen zu zeigen – und vor allem einander; und gerade das war es, was er im Sinn hatte. Deshalb sagt er: „So erfüllt meine Freude, dass ihr gleich gesinnt seid, dieselbe Liebe habend, einmütig, eines Sinnes.“ Es ist, als ob er sagen würde: „Ihr habt mir viel Freundlichkeit, Liebe und Mitgefühl erwiesen, und ich weiß das sehr zu schätzen. Aber wenn ihr mich wirklich glücklich machen und meine Freude vollkommen machen wollt, dann zeigt einander dieselbe Gnade, die ihr mir entgegengebracht habt.“ Wenn unter Gläubigen eine solche Gesinnung herrscht, wird es eine glückliche Einheit und einen Zusammenhalt geben, die der Feind nicht verderben kann.

Die Philipper waren offenbar zwar recht frei und bereit, Paulus Gnade und Güte zu erweisen, aber sie waren nicht so eifrig darin, diese Eigenschaften einander zu erweisen. Haben wir das in unseren Tagen nicht schon einmal in christlichen Gemeinden erlebt? Ein Reisebruder (ein „dienender“ Bruder) kommt in die Stadt und die Heiligen zeigen ihm gegenüber eine bemerkenswerte Liebe und Güte – von köstlichem Essen bis hin zu einer Geldgabe. Aber wenn es um irgendeinen anderen geht, gelingt es ihnen nicht, das gleiche Maß an Liebe und Gastfreundschaft zu zeigen.

Aus dem, was Paulus in Vers 2 über „gleich gesinnt [dasselbe denken]“ und „eines Sinnes [eine Sache denken]“ sagt, können wir erkennen, dass Streit oft damit beginnt, dass die Brüder unterschiedliche Gedanken und Meinungen über bestimmte Dinge haben (1Kor 1,10.11). Oft rührt dies daher, dass Gläubige bestimmte Grundsätze im Zusammenhang mit einem bestimmten Thema nicht richtig verstehen, und unwissend wie sie sind, nehmen sie zu dieser Angelegenheit einen Standpunkt ein, den andere, die die göttlichen Grundsätze besser verstehen, als Irrtum ansehen. Wenn dann noch Stolz ins Spiel kommt, neigen Leute dazu, „auf stur zu schalten“ und ihre Position hartnäckig zu verteidigen, was schließlich in eine Sackgasse führt.

Die Schlüssel für Einheit (V. 3.4)

Verse 3.4

Phil 2,3.4: 3 … nichts aus Streitsucht oder eitlem Ruhm tuend, sondern in der Demut einer den anderen höher achtend als sich selbst; 4 ein jeder nicht auf das Seine sehend, sondern ein jeder auch auf das der anderen.

So eine „Sackgasse“ ließe sich vermeiden, wenn jeder in der Versammlung dem Wort des Paulus folgen würde: „Tut nichts aus Streitsucht oder eitlem Ruhm, sondern in der Demut achte einer den anderen höher als sich selbst.“ Paulus erwähnt hier zwei bedeutende Dinge, die Versammlungen von innen heraus zerstören: „Streitsucht“ und „eitler Ruhm“. Streitsucht ist Streiterei, Zwietracht und Zank, und eitler Ruhm ist Selbstherrlichkeit oder dass wir höher von uns denken, als zu denken sich gebührt. Hinter beiden verbirgt sich Stolz (Spr 28,25[1]; Röm 12,3). Paulus behandelt Streitsucht in Kapitel 2 und eitlen Ruhm in Kapitel 3. Wir erwarten solch fleischliches Handeln in vollem Maße zwar in weltlichen Kreisen, aber wir sollten nicht so naiv sein zu glauben, dass es so etwas nur dort gäbe. Auch unter Christen kann so etwas vorkommen – sogar unter den Dienern des Herrn, wie Philipper 1,15.16 zeigt. Tatsächlich nehmen diese Dinge im geistlichen Bereich die subtilsten Formen an. Wir können unsere Bosheit hinter etwas verbergen, was vielleicht wie göttliche Besorgtheit aussieht.

Paulus sagt, der große Schutz vor diesen Gefahren bestehe darin, dass jeder in der Gemeinde „in der Demut“ wandelt und seine Brüder wirklich „höher [vorzüglicher]“ achtet als sich selbst. (Dies bezieht sich nicht auf den Bereich der Gabe, sondern auf moralische Vorzüglichkeit. Zum Beispiel wird von einem begabten Evangelisten nicht verlangt, sich vorzustellen, dass ein Bruder – der eindeutig keine Gabe zum Predigen hat – ein „besserer“ Prediger ist als er selbst. Das wäre einfach nicht wahr. Paulus spricht hier von den moralischen „Eigenschaften“, die Gott in seinem Volk gewirkt hat.)

Die wiederholte Verwendung des Wortes „jeder“ in Vers 4 deutet darauf hin, dass Paulus’ Aufforderung von allen in der Gemeinde – sowohl von den Brüdern als auch von den Schwestern – ernst genommen werden muss. Wenn nur ein Einziger nicht in Selbstgericht und Demut wandelt, könnte dieser der Auslöser sein, den Satan sucht, um Zwietracht zu sähen. Ein Bruder sagte einmal:

In jeder Versammlung gibt es „Nitro“ und „Glyzerin“; es braucht nur einen Funken, der zwischen den beiden fliegt, und es wird eine Explosion geben!

Da wir alle das Fleisch in uns haben, können wir alle diesen verhängnisvollen Funken zum Zünden bringen. Die Art von Einheit, zu der Paulus hier ermutigt, ist keine rein menschliche Vereinbarung, bei der bestimmte Dinge vereinbart werden, um den Frieden zu erhalten. Wir sehen dies in der Welt: in der Wirtschaft, in der Politik usw. Göttliche Einheit hingegen resultiert aus der Demut des Geistes.

Paulus fügt hinzu: „Ein jeder sehe nicht auf das Seine [den eigenen Vorteil], sondern auch auf das [den Vorteil] der anderen“ (vgl. die Fußnote in der Übersetzung von J.N. Darby). Das zeigt: Wir brauchen eine Denkweise, eine Einstellung, die nicht daran denkt, was für uns am vorteilhaftesten wäre, sondern was für andere von Vorteil wäre. Eine egoistische „Ich-zuerst“-Haltung in der Gemeinde wird sicher zu Spannungen und Schwierigkeiten führen (3Joh 9). Damit streben wir gewiss nicht nach dem, was „zum Frieden … dient“ (Röm 14,19).

Das Vorbild für Niedriggesinntheit: die Selbsterniedrigung Christi (V. 5-8)

Verse 5-8

Paulus fährt fort, uns zu sagen, wie wahre Demut des Geistes hervorgebracht wird – und zwar indem wir die Demut von Christus Jesus betrachten. Er sagt:

Phil 2,5-8: 5 Denn diese Gesinnung sei in euch, die auch in Christus Jesus war, 6 der, da er in Gestalt Gottes war, es nicht für einen Raub achtete, Gott gleich zu sein, 7 sondern sich selbst zu nichts machte und Knechtsgestalt annahm, indem er in Gleichheit der Menschen geworden ist, und, in seiner Gestalt wie ein Mensch erfunden, 8 sich selbst erniedrigte, indem er gehorsam wurde bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz.

In diesen Versen haben wir den ganzen Weg des Lebens des Herrn Jesus vor uns: von der Höhe der Herrlichkeit des Himmels bis in die Tiefen der Schmach auf Golgatha.

Der entscheidende Punkt, der in diesem Abschnitt deutlich wird, ist: Der Herr erniedrigte sich selbst und wählte diesen Weg freiwillig! Ja, Er kam im Gehorsam gegenüber Gott, der Ihn gesandt hatte, aber das ist nicht der Punkt, der hier betont wird. Es geht vielmehr um seine persönliche Bereitschaft, sich in demütigem Dienst für andere selbst zu erniedrigen. Er ist das herausragende Beispiel für Demut und Selbstlosigkeit. Der Herr selbst sagte: „Lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig“ (Mt 11,29).

Wenn Paulus sagt: „Diese Gesinnung sei in [unter] euch“, dann meint er damit: Wenn dieselbe Gesinnung, Haltung (oder dieselbe ganze Denkweise), die in Christus war, „unter“ den Heiligen wäre, so würde sie jede Neigung zu Zwietracht und Streit heilen. Das Wort „sei“ [und auch „lasst uns“] ist ein charakteristisches Wort in den Briefen, das im Zusammenhang mit christlichen Ermahnungen verwendet wird. Es schließt ein, (1) dass wir eine neue Natur besitzen (die wir durch die neue Geburt empfangen haben), die den Wunsch hat, den Willen Gottes zu tun, und auch, (2) dass wir den Heiligen Geist in uns haben, der uns gemäß diesen Wünschen führt. Unser Teil besteht darin, das neue Leben und den innewohnenden Geist den Willen Gottes durch uns tun zu lassen und dieses geistliche Wirken nicht zu behindern.

Beachte: Paulus beginnt nicht damit, dass er von Taten spricht, sondern er beginnt mit der Quelle aller Taten: mit unserem Denken [Gesinnung]. Hier müssen die Dinge richtig stehen; alle richtigen Handlungen entspringen einem richtigen Denken. Und wie sollten wir denken? Wir müssen wie Christus denken und seiner demütigen „Gesinnung“ nacheifern.

Sieben Schritte der Erniedrigung

Paulus zeigt sieben Schritte der Erniedrigung, die der Herr in seiner großen Herablassung gegangen ist.

  1. Er, „da er in Gestalt Gottes war, achtete es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein“.

    Dies ist eine Proklamation der wahren Gottheit Christi. Das in diesem Abschnitt verwendete Wort „Gestalt [form]“ ist ein altes englisches Wort, das sich auf die gesamte Materie oder Substanz einer Sache bezieht. Die moderne Bedeutung und der Gebrauch des Wortes heutzutage vermittelt eine andere Vorstellung. Jemand könnte zu der Annahme verleitet werden, dass der Herr Jesus nur äußerlich Gott war oder dass Er Gott ähnelte. Das ist ganz und gar nicht das, was Paulus sagt. Der Herr Jesus ähnelte Gott nicht nur – Er ist Gott (Joh 1,1)! Paulus will damit sagen: Da Christus Gott ist und in gleicher Weise an der Gottheit teilhatte, achtete Er die Herrlichkeit „nicht als einen Raub“ – das heißt nicht als etwas, was man um jeden Preis ergreifen und festhalten will. Daher war Er bereit, das, was Ihm als Gott rechtmäßig gehörte, aufzugeben, um herabzukommen und unser Erlöser zu sein. Dies ist eine Tatsache von unfassbarer Demut.

  2. Er „machte sich selbst zu nichts“.

    Er „entäußerte“ oder „entleerte“ sich selbst [wie die CSV-Elberfelder in der Fußnote übersetzt]. – Nicht nur war Er bereit, auf die Erde herabzukommen, um uns in unserer Not zu erreichen, sondern Er bewies diese Bereitschaft auch, indem Er sich selbst zu nichts machte und sich entleerte. Wessen entleerte Er sich selbst? Sicherlich nicht seiner „Gestalt“, also seiner Gottheit. (Wenn Er sich seiner Gottheit entäußerte, würde Er aufhören, Gott zu sein, was unmöglich ist!) Alle vertrauenswürdigen Bibellehrer sind sich einig, dass der Herr sich seiner äußeren Herrlichkeit als Gott entäußerte: der äußeren Gestalt seiner Gottheit. J.N. Darby zum Beispiel sagte: „Christus … entkleidete sich selbst in Liebe all seiner äußeren Herrlichkeit.“[2]

    Es ist wichtig, zu verstehen, dass Er sich seiner äußeren Herrlichkeit entäußerte. Er hörte nicht auf, all das zu sein, was Er als Gott war. In ähnlicher Weise kann ein Fünf-Sterne-General am Ende des Tages nach Hause gehen und seine Uniform, die ihn als General ausweist, ausziehen und auf einem Stuhl ablegen. Auf diese Weise hat er die äußeren Zeichen dieser angesehen Stellung abgelegt – aber er ist immer noch ein Fünf-Sterne-General! So legte auch der Herr seine Herrlichkeit beiseite, aber nicht seine Gottheit. Er entäußerte sich der Herrlichkeit seiner stellungsmäßigen Gleichheit mit Gott, nicht seiner persönlichen Gleichheit mit Gott. Er „verkaufte alles, was er hatte“ (Mt 13,46). Das bedeutete: Er gab seine Rechte als Gott und sein Vorrecht, als Gott zu handeln, auf, obwohl Er Gott war. Dies ist eine erstaunliche Demonstration von Demut.

  3. „Er nahm Knechtsgestalt an.“

    Indem Er in seiner Person Menschheit annahm und Mensch wurde (Inkarnation, Fleischwerdung), begab sich der Herr hinunter in die Stellung seiner Geschöpfe, obwohl Er selbst [von Ewigkeit her] kein Geschöpf war. Auf diese Weise verbarg Er seine Gottheit in einem menschlichen Körper (Joh 1,14; 1Tim 3,16; Heb 10,20). Das Wort „Gestalt“ [form] bedeutet wie in Philipper 2,6 auch hier nicht eine bloße äußere Gestalt, sondern das Wesen und die Substanz einer Sache. Er wurde also, während Er weiterhin ganz Gott blieb, ein wahrer Mensch – und zwar vollständig: mit einem menschlichen Geist, einer menschlichen Seele und einem menschlichen Körper. Diese Vereinigung seiner göttlichen Natur mit seiner menschlichen Natur ist unergründlich (Mt 11,27).

    Dieser Schritt der Erniedrigung beinhaltete, dass Er Beschränkungen hinnahm, die in der Natur des Menschen liegen. Als Mensch stellte Er sich selbst als „Knecht“ unter die Autorität Gottes. Das war etwas Neues für Ihn, denn Er war in der vergangenen Ewigkeit noch nie an einem Ort der Unterwerfung gewesen. Er war der Gebieter über alles im Universum! Deshalb hatte Er nie [aus eigener Erfahrung] gewusst, was es heißt, gehorsam zu sein, und musste daher durch seine Erfahrung als Mensch „Gehorsam lernen“ (Heb 5,8). Das bedeutet nicht, dass Er den Gehorsam durch „Versuch und Irrtum“, d.h. durch praktisches Herumprobieren, lernen musste; vielmehr lernte Er durch Erfahrung, was Gehorsam war. Anders als andere Menschen war sein Gehorsam vollkommen; es gab nicht „Versuch und Irrtum“.

    Der Herr hätte – als Er Mensch wurde – jeden Lebensweg wählen und darin eintreten können: Er hätte die Gestalt eines großen Königs oder Kaisers annehmen und sich mit Reichtum und Wohlstand umgeben können; aber nein, durch sein eigenes demütiges Handeln nahm Er den Platz eines Knechtes ein! Er kam also nicht, um sich von anderen bedienen zu lassen; Er kam, um anderen zu dienen (Mt 20,28). Er war voll und ganz hier, um den Willen seines Vaters zu tun (Ps 40,9; Mt 26,39). J.N. Darby sagte einmal: „Der Selbstsucht gefällt es, bedient zu werden; der Liebe gefällt es, zu dienen.“[3] Das ist es, was das Leben des Herrn kennzeichnete (Apg 20,35). Welch unfassbare Demut einer so großartigen Person!

  4. „Er ist in Gleichheit der Menschen geworden.“

    Das bedeutet nicht, dass der Herr nur wie ein Mensch aussah. Er war „in Gleichheit der Menschen“, weil Er ein wahrer Mensch war. Äußerlich sah Er nicht anders aus als jeder andere Mensch. Er hob sich nicht von seinen Jüngern ab. Tatsächlich musste Judas, als sie kamen, um Ihn festzunehmen, Ihn mit einem Kuss kenntlich machen – ein Beweis dafür, dass Er keinen Heiligenschein hatte. Doch während Er körperlich wie jeder andere Mensch war, war Er moralisch nicht wie jeder andere Mensch, denn Er hatte keine gefallene sündige Natur so wie alle anderen Menschen. Seine Natur war heilig (Lk 1,35). Deshalb „kannte er keine Sünde“, „tat er keine Sünde“ und „war in ihm keine Sünde“ (2Kor 5,21; 1Pet 2,22; 1Joh 3,4).

  5. Er wurde „in seiner Gestalt wie ein Mensch erfunden und erniedrigte sich selbst“.

    Als Gott entäußerte Er sich, aber als Mensch erniedrigte Er sich. „Erniedrigt“ steht hier im griechischen Text im Aorist, was so viel bedeutet, dass Er sich ein für alle Mal in seinem Leben erniedrigte. Diese Aussage berührt also nicht irgendeine bestimmte demütige Tat, sondern beschreibt vielmehr die Summe seines ganzen Lebens als Mensch. Je mehr Er sich selbst erniedrigte, desto mehr wurde Er mit Füßen getreten. Seine Antwort war einfach, dass Er sich noch mehr erniedrigte. Sein Geist war immer von dieser Selbstverleugnung geprägt.

  6. „Er wurde gehorsam bis zum Tod.“

    Dies zeigt, dass es keine Tiefe gab, in die der Herr in seiner Selbsterniedrigung nicht gegangen wäre. Es ist nicht so, dass Er dem Tod gehorchte; dieser hatte keine Macht über Ihn, denn Er war unsterblich. Er gehorchte Gott, und sein Gehorsam führte Ihn den ganzen Weg hinunter bis zum Tod. Er würde lieber sterben, als ungehorsam zu sein (Heb 12,4). Beachte: Paulus spricht hier nicht davon, was der Herr im Tod vollbracht hat, um unsere Sünden zu sühnen. Er stellt uns Christus als unser großes Vorbild vor, dem wir folgen sollen; wir könnten Ihm niemals in dem folgen, was Er als Sündenträger zur Sühnung für unsere Sünden tat. Es geht hier um seine Erniedrigung, nicht um sein Sühnopfer.

  7. „Ja, bis zum Tod am Kreuz.“

    Dieser Schritt brachte Christus bis zum tiefsten Punkt seiner Erniedrigung. Wir hätten vielleicht gedacht, dass es gereicht hätte, dass Er in den Tod ging; aber einen schändlichen Tod am Kreuz zu sterben, ist einfach unfassbar. Er war zu Unrecht einer Missetat beschuldigt und zum Tod verurteilt worden (Mt 26,59-66). Dann wurde Er nackt ausgezogen (Ps 22,18.19), an ein römisches Kreuz genagelt (Ps 22,17) und dem Tod preisgegeben (Ps 22,20-22a). Es könnte nichts Erniedrigenderes geben.

    Der Herr hätte auf eine andere Weise sterben können, bei der vor der Welt seine Würde bewahrt geblieben und sein Tod mit Ehre und Herrlichkeit verbunden gewesen wäre. Er hätte vor den Augen einer großen Menschenmenge auf den Gipfel eines Berges steigen und dem Volk zuwinken können, wie ein Held es täte, und sich dann triumphierend niederlegen und auf einem eigens dafür aufgebauten Altar sterben können. Das Volk hätte dem Anblick eines solchen Opfers Beifall gezollt. Aber nein, Er starb in „Schwachheit“ (2Kor 13,4) und in „Schande“ (Heb 12,2) an der Stelle eines Verbrechers (Lk 23,32.33)! Dies ist das äußerste Beispiel für Demut. Er war bereit, sich so weit zu erniedrigen, dass Er nackt am Kreuz starb, und zwar damit Er ein Segen für andere sein konnte!

All Deine Demut wir bewundern,
und möchten Dir doch gleichen mehr,
ja, Ruh und Freude darin finden,
von Dir zu lernen, teurer Herr![4]

Noch einmal, der entscheidende Punkt hier ist: Der Herr machte diese Abwärtsschritte freiwillig. Er tat es aus sich selbst heraus – freiwillig! Paulus hat Ihn als unser großes Vorbild der Demut vor uns hingestellt. Im Beispiel Christi haben wir das Geheimnis der Befreiung von Egoismus und von allen fleischlichen Bestrebungen, die Uneinigkeit in der Versammlung verursachen. Wenn unter den Heiligen seine selbstlose Gesinnung zu finden wäre [„in euch“; Phil 2,5] und jeder sich selbst nicht so wichtig nähme, dass er um jeden Preis an seinem Platz oder seiner Position in der Versammlung festhalten müsste, sondern bereitwillig den niedrigen Platz einnähme, dann brächen niemals Streit und Zank aus. Die „Gesinnung“ Christi steht in direktem Gegensatz zu der Gesinnung der Selbstherrlichkeit, die unter den Menschen überall zu spüren ist. Er ging hinab, hinab, hinab. Sind wir bereit, dies zu tun? Wenn wir dem Vorbild Christi nacheiferten und bereit wären, so weit zu gehen, für unsere Geschwister zu sterben, dann würden wir uns wahrscheinlich nicht im Streit mit ihnen befinden!

Vor Jahren gab es in den Anden einen schmalen Pfad, der aus einer Felswand herausgehauen war. Reisende benutzten ihn, um von einer Region in eine andere zu gelangen. An vielen Stellen war er gerade breit genug, dass jeweils nur eine einzige Person passieren konnte. Eines Tages war ein Mann mit seinem vollbeladenen Packesel auf dem Pfad unterwegs. Als er um eine Ecke bog, stand er einem anderen Mann mit seinem vollbeladenen Maultier direkt gegenüber! Es gab nicht genug Platz, dass die beiden Maultiere aneinander vorbeigehen konnten. Während die Männer noch über die Situation diskutierten, fanden die Maultiere von selbst heraus, was los war. Das eine ging auf die Knie und rutschte so nah wie möglich an den Berg heran und das andere stieg über es hinweg! Eine ausweglose Situation unter Glaubensgeschwistern zu lösen, ist genauso einfach: Wenn es zu so einer Situation kommt, dann müssen wir uns als Erste hinunterbeugen und den niedrigen Platz einnehmen und die anderen über uns hinwegsteigen lassen.

Die Erhöhung Christi (V. 9-11)

Verse 9-11

Nun kommen wir zu Gottes Antwort auf die äußerste Erniedrigung Christi: seine Erhöhung. Es scheint, als hätte Paulus es besonders eilig gehabt, um dorthin zu gelangen. Er wollte nicht mit der traurigen Mitteilung über den schändlichen Tod Christi enden und beeilt sich daher, das Thema abzuschließen, indem er von Gottes herrlicher Erhöhung seines Sohnes berichtet. Er sagt:

Phil 2,9-11: 9 Darum hat Gott ihn auch hoch erhoben und ihm den Namen gegeben, der über jeden Namen ist, 10 damit in dem Namen Jesu jedes Knie sich beuge, der Himmlischen und Irdischen und Unterirdischen, 11 und jede Zunge bekenne, dass Jesus Christus Herr ist, zur Verherrlichung Gottes, des Vaters.

Wir haben also zwei Extreme: Tiefste Erniedrigung wird mit höchster Erhöhung beantwortet. Die Erhöhung Christi ist die Erfüllung von Psalm 110,1: „Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde hinlege als Schemel für deine Füße!“ Die Verse 9 bis 11 betrachten die Erhöhung des Herrn an diesen Platz nicht aufgrund dessen, was Er zur Sühnung vollbracht hat, denn das ist nicht Gegenstand des Textes. Diese Seite seiner Erhöhung wird in Hebräer 10,12.13 betrachtet. In unseren Versen hier wird die Erhöhung Christi vielmehr als ein Zeichen der Anerkennung Gottes dafür gesehen, dass Er so demütig und bis zum Tod gehorsam war. Christus sitzt dort zu Recht aufgrund seiner Gleichheit, seiner Ebenbürtigkeit mit Gott. Sein Name als Mensch („Jesus“) wird verwendet, um zu betonen, dass Er als verherrlichter Mensch dort ist. „Ein Name, der über jeden Namen ist“ – das bezieht sich nicht auf einen bestimmten Namen des Herrn, sondern bedeutet vielmehr, dass Ihm der höchste Platz im Himmel gegeben worden ist.

Paulus spricht von drei verschiedenen Arten von Geschöpfen, die die Autorität Christi anerkennen werden: die „Himmlischen“ und die „Irdischen“ und die „Unterirdischen“. Die „Unterirdischen“ sind keine Geschöpfe unter der Erde, sondern Wesen der „Hölle“. Das sind unbußfertige Menschen und gefallene Engel in der Verdammnis. Sie waren nicht verdammt, keine „Höllenwesen“, als Gott sie schuf, sondern sie wurden es durch Rebellion. (Offenbarung 5,13 spricht von Geschöpfen „unter der Erde“, aber das bezieht sich auf Geschöpfe, die unter der Erdkruste leben so wie Maulwürfe, Würmer usw.) Wenn Paulus auf diese drei Sphären hinweist, dann will er damit zeigen: Eines Tages werden alle Geschöpfe [in allen Sphären] ihre Knie vor Christus beugen, dessen Autorität von den Menschen verachtet wurde, als Er auf der Erde war (Jes 45,23). Es wird eine völlige Umkehrung geben. Sie werden sich vor Ihm als einem verherrlichten Menschen beugen!

Wenn Paulus sagt, dass „jedes Knie sich beuge“ und „jede Zunge bekenne“, meint er nicht, dass alle Geschöpfe Gottes am Ende gerettet werden. Dies ist eine falsche Lehre, die als Universalismus [Allversöhnung] bekannt ist. Unterwerfung ist eine Sache und Versöhnung eine andere. Wenn es um Versöhnung geht, dann spricht Paulus von nur zwei Sphären: von Himmel und Erde (Kol 1,20). Wenn es aber um Unterwerfung geht, dann spricht er von Wesen in drei Sphären; an dritter Stelle nennt er die „Wesen der Hölle“. Diese verlorenen Seelen werden niemals versöhnt werden.

Aus diesem Abschnitt, der mit der Erhöhung Christi zu tun hat, können wir etwas Großartiges lernen: Wahre Demut wird eine göttliche Entlohnung haben. Der Herr selbst hat gelehrt: „Jeder, der sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden; wer aber sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden“ (Lk 18,14). Gott nimmt alles zur Kenntnis, was sein Volk tut, wenn es sich für andere erniedrigt. Er wird es nicht vergessen, und alle diese Menschen werden an „jenem Tag“ der kommenden Offenbarung belohnt werden (2Tim 1,12). Der Apostel Petrus sagt: „So demütigt euch nun unter die mächtige Hand Gottes, damit er euch erhöhe zur rechten Zeit“ (1Pet 5,6).

Die praktische Errettung der Versammlung (V. 12-14)

Verse 12-14

Paulus kommt nun zur praktischen Anwendung dieser Dinge bei den Philippern. Wie bereits erwähnt, hatte der Feind (Satan) die Versammlung ins Visier genommen und wollte sie durch innere Streitigkeiten zerstören. Paulus sagt daher:

Phil 2,12-14: 12 Daher, meine Geliebten, wie ihr allezeit gehorsam gewesen seid, nicht allein als in meiner Anwesenheit, sondern jetzt viel mehr in meiner Abwesenheit, bewirkt euer eigenes Heil mit Furcht und Zittern; 13 denn Gott ist es, der in euch wirkt sowohl das Wollen als auch das Wirken, zu seinem Wohlgefallen. 14 Tut alles ohne Murren und zweifelnde Überlegungen,

Die Versammlung in Philippi musste vor den bösen Plänen des Feindes gerettet werden. Paulus hatte ihnen in der Selbsterniedrigung Christi das Heilmittel vorgestellt; nun sollte jeder von ihnen mit Gottes Hilfe das Beispiel der Demut Christi nachahmen und so eine praktische „Errettung“ von den internen Konflikten, mit denen sie konfrontiert waren, „bewirken“. Da Paulus weit weg im Gefängnis war, konnte er nicht da sein, um ihnen zu helfen, und das bedeutete, dass sie nicht auf ihn blicken konnten, um Befreiung zu erlangen. Sie mussten auf den Herrn schauen und selbst eine gottgefällige Lösung finden für das, was die Einheit der Versammlung bedrohte. Das war eine Sache, die sie als Versammlung tun mussten, denn das Pronomen „euer“ ist kollektiv. Paulus war zuversichtlich, dass sie dies tun würden, weil er wusste, dass Gott in ihnen „sowohl das Wollen als auch das Wirken nach seinem Wohlgefallen“ wirkte.

Man könnte geneigt sein zu denken, dass es sehr bedauerlich war, dass Paulus ihnen nicht zur Hilfe kommen konnte. Aber hierin liegt die Weisheit Gottes. Die Heiligen neigen dazu, sich zu sehr auf Führer und begabte Menschen zu stützen. Dadurch werden sie von ihnen abhängig, und das kann ihrer geistlichen Entwicklung hinderlich sein. Das kann ein Grund dafür sein, warum Gott manchmal einen begabten Menschen wegnimmt, entweder durch den Tod oder dadurch, dass der Mensch an einen anderen Ort umzieht. Ohne Paulus waren die Brüder in Philippi auf den Herrn geworfen. Das ist immer eine gesunde Übung. Die Anwesenheit eines Apostels war sicherlich ein Gewinn für die Heiligen (Phil 1,24), aber nach Gottes Plan sollten diese offiziellen Ämter in der Kirche nach dem ersten Jahrhundert aufhören. Nachdem die Kirche die neutestamentlichen Schriften erhalten hatte, wurde von den Heiligen erwartet, dass sie sich geistlich so weit entwickelt hatten, dass sie sich unmittelbar an das Haupt der Kirche wenden würden, statt sich auf Apostel oder ordinierte Älteste usw. zu stützen.

Was die „Errettung [das Heil]“ betrifft, um die es hier geht: Allgemein wird angenommen, dass Paulus den Philippern sagte, dass sie die Errettung ihrer Seelen vor der Strafe für ihre Sünden (diese Errettung hatten sie bereits durch den Glauben an den Herrn Jesus Christus empfangen) in ihrem Leben praktisch ausleben müssten. Das wäre der Beweis für ihre Errettung. Dann würden die Menschen sehen, dass sie wahre Christen waren. Obwohl dies sicherlich zu wünschen ist, ist es nicht das, was Paulus hier sagen will. Dieses Missverständnis rührt daher, dass Menschen versuchen, dem Wort „Errettung“ überall dort, wo es in der Heiligen Schrift vorkommt, eine einzige Bedeutung aufzuzwingen. Wie bereits bei Philipper 1,19 bemerkt, sagte W. Kelly, dass die meisten Hinweise im Neuen Testament, die mit Errettung zu tun haben, sich nicht auf den ewigen Aspekt der Errettung beziehen, wie sie im Evangelium verkündigt wird. Deshalb muss in jedem Abschnitt, wo dieses Wort vorkommt, der betreffende Aspekt der Errettung, der dort gemeint ist, durch den Kontext ermittelt werden. Ein Artikel in der Zeitschrift Precious Things erklärt die Bedeutung des Wortes „Heil“ (od. „Errettung“) in Philipper 2,12:

Dieser Vers ist oft falsch ausgelegt worden, so als würde er bedeuten: „Tue Werke, um gerettet zu werden [work for]“, während er doch bedeutet: „Errettung bringt Werke hervor [work out]“. Ich denke, der Vers bezieht sich eher auf die Schwierigkeiten in der Gemeinde in Philippi als auf das, was den Einzelnen betrifft. Es wurde darauf hingewiesen, dass das Verb im Plural steht, und wenn Paulus „euer“ sagt, hat er offenbar die Schwierigkeiten in der örtlichen Versammlung im Sinn … Das Heil, auf das in diesem Abschnitt Bezug genommen wird, ist nicht das Seelenheil, das wir durch den Glauben an unseren Herrn Jesus Christus erlangen; es ist das tägliche Heil, die tägliche Errettung im Hinblick auf die vielen Schwierigkeiten, denen wir auf unserem Glaubensweg begegnen. Wenn wir diesen Brief weiter verfolgen, wird es immer offensichtlicher, dass die Philipper durch Uneinigkeit gekennzeichnet waren, und gerade aus diesen Schwierigkeiten mussten sie errettet werden. Der Weg der Errettung aus den Schwierigkeiten bestand wohl darin, dass die streitenden Parteien demütig sein mussten.[5]

Henry Allan Ironside (1876–1951) sagt:

Es gibt keine Versammlung von Heiligen auf der Erde, die nicht früher oder später interne Schwierigkeiten hat, und der Rat oder die Aufforderung, die hier [in Philipper 2] gegeben wird, gilt genau für solche Fälle. Es ist Gottes Weise, dass Versammlungen von innen heraus in Ordnung gebracht werden sollten durch Selbstgericht in seiner Gegenwart und Unterwerfung unter sein Wort … In den Versen Philipper 2,12-16 sehen wir, wie eine Versammlung die Errettung praktisch demonstriert.[6]

Der Bibellehrer William MacDonald (1917–2007) sagt:

Die dortigen Gläubigen waren von Zank und Streit geplagt. Der Apostel hat ihnen die Hilfe dafür gegeben. Nun sollen sie diese Hilfe anwenden, indem sie wie Christus gesinnt sind. Sie sollten so ihr eigenes „Heil … bewirken“, d.h. ihr Problem lösen. Das „Heil“, von dem hier die Rede ist, ist nicht das Seelenheil, sondern Befreiung von den Fallstricken, die die Christen daran hindern wollten, den Willen Gottes zu tun. […] Heil hat viele verschiedene Bedeutungen im NT. […] Die Bedeutung in jedem einzelnen Fall muss, zumindest teilweise, durch den Kontext bestimmt werden. Wir glauben, dass in diesem Abschnitt mit „Heil“ die Lösung der Probleme der Philipper, d.h. die Befreiung von Streitereien, gemeint ist.[7]

Der Bibellehrer Frank Binford Hole (1874–1964) sagt:

Von außen bedrohten sie Gefahren, und innen war die versteckte Gefährdung durch die Zwietracht, und deshalb sollten sie mit doppelter Energie die Gesinnung, die in Christus Jesus war, suchen und offenbaren. Dadurch würden sie ihre eigene Errettung von alledem bewirken, was sie jetzt bedrohte.[8]

Der Bibellehrer Arthur M.S. Gooding (1915–1999) sagt:

„Bewirke dein eigenes Heil, deine eigene Errettung mit Furcht und Zittern.“ Errettung von was? Errettung aus dem Streit, denn die Förderung des Evangeliums wird behindert, wenn Streit aufkommt.[9]

Der Evangelist und Bibellehrer Sydney Maxwell (1919–1993) sagt:

Der Apostel will hier vielmehr sagen: Mir sind eure internen Probleme bewusst, und ich habe euch ein Beispiel gegeben, dem ihr nacheifern sollt (Phil 2,5-7); jetzt bewirkt eure eigene Seligkeit als Gemeinde. Das Wort verweist klar darauf, dass sie Errettung nötig hatten, um vor dem bewahrt zu bleiben, was ihr Zeugnis ruinieren musste, wenn sie sich nicht bewegen ließen, ihre Streitigkeiten beizulegen.[10]

Im Allgemeinen hatten die Philipper im Glauben gute Fortschritte gemacht, doch es ist offensichtlich, dass der Feind unter ihnen Zwietracht gesät hatte. Paulus führte dies auf zwei Schwestern zurück, die nicht miteinander auskamen (Phil 4,2). Wenn diese Streitigkeiten nicht gelöst würden, so würden die Schwierigkeiten wachsen und der Frieden und das Wohlergehen dieser Versammlung wären gefährdet. Es ist, als ob Paulus sagte: „Ich habe euch ermahnt, eines Sinnes zu sein, indem jeder den anderen höher achtet als sich selbst, und ich habe euch auch das vollkommene Vorbild in der Demut des Herrn Jesus gezeigt. Ihr habt also jetzt das Heilmittel für das Problem in eurer Mitte; nun ‚bewirkt‘ unter euch ,euer eigenes Heil mit Furcht und Zittern‘.“ Wir könnten fragen: „Wie sollen wir das genau tun?“ Es ist gut, wenn wir damit beginnen, für das Wohl und den Segen jedes Bruders und jeder Schwester in der Versammlung zu beten – und besonders für diejenigen, mit denen es schwierig ist auszukommen. Wenn es in der Versammlung zu einer ausweglosen Situation kommt, dann müssen wir als Erste bereit sein, den unteren Weg zu gehen und nachzugeben. Wenn unser Gewissen uns anklagt, dass wir jemand beleidigt haben, dann sollten wir uns mit einer angemessenen Entschuldigung beeilen.

Wir sollen diese Dinge mit „Furcht“ tun, weil wir wissen, dass ein stets gegenwärtiger Feind um uns herum lauert, wo er Fuß fassen kann. Und wir sollen diese Dinge auch mit „Zittern“ tun, weil wir alle das Fleisch in uns haben, und das bedeutet, dass wir diejenigen sein könnten, die der Feind benutzen möchte, um die Versammlung zu ruinieren. (Mit „Zittern“ ist hier natürlich nicht gemeint, dass wir hoffen sollen, dass unsere Seele einmal ewig errettet wird, denn dieser [ewige] Aspekt der Rettung ist hier nicht das Thema.) Da das menschliche Herz so „arglistig“ ist (Jer 17,9), denken jene, die auf diese Weise vom Feind benutzt werden, oft, dass sie das Richtige zur Ehre Gottes tun! Da sie sich in einem so verwirrten Zustand befinden, ist es schwierig, sie vom Gegenteil zu überzeugen.

Als Lichter hell scheinen (V. 15.16)

Verse 15.16

Damit kommen wir nun zum Schluss der Ermahnung des Paulus in Bezug auf die praktische Errettung der Versammlung. Er sagt:

Phil 2,15.16: 15 … damit ihr untadelig und lauter seid, unbescholtene Kinder Gottes inmitten eines verdrehten und verkehrten Geschlechts, unter dem ihr scheint wie Lichter in der Welt, 16 darstellend das Wort des Lebens, mir zum Ruhm auf den Tag Christi, dass ich nicht vergeblich gelaufen bin noch auch vergeblich gearbeitet habe.

Wenn das interne Problem unter den Philippern behoben würde, wäre der Feind besiegt in seinem Versuch, die Versammlung auseinanderzubringen. Infolgedessen würde das christliche Zeugnis in dieser Region heller brennen. Die Versammlung der Philipper würde zu einem leuchtenden und glänzenden Zeugnis in dieser Gegend werden, und das Evangelium würde klarer und wirksamer verkündigt werden. Wenn also das, was die Einheit innerhalb einer Versammlung behindert, verurteilt wird, dann führt das dazu, dass der Leuchter heller brennt. Dies wird bildlich dargestellt in der Verantwortung der Priester, den Leuchter in der Stiftshütte regelmäßig mit „seinen Dochtscheren und seine Löschnäpfen“ zu beschneiden (2Mo 25,38). Mit diesen Instrumenten wurden die verbrannten Dochtstücke usw. entfernt, die die Flamme daran hinderten, so zu brennen, wie sie sollte. Die Verwendung der Dochtscheren und Löschnäpfe sprechen also von Selbstgericht.

Wenn wir wollen, dass das Evangelium segensreich verkündigt wird und Menschen zur örtlichen Versammlung hinzugefügt werden, dann fängt es damit an, dass wir ein einmütiges, einträchtiges Zeugnis gegenüber den Menschen am Ort haben. Der Evangelist und Prediger George Davison (1898–1977) sagt:

Der Charakter der Gemeinschaft wird davon bestimmt, ob sie am Wort des Lebens festhält. Die Versammlung an sich hat nicht die Aufgabe, das Evangelium in den Versammlungsräumen zu verkündigen, da das die Verantwortung des Einzelnen ist. Auch wenn die Verkündigung in Gemeinschaft und Einvernehmen mit den Brüdern erfolgt, wird der Prediger kaum Freiheit oder Segen haben, wenn er das Evangelium in den Räumen einer Gemeinde verkündet, die uneins oder zerstritten ist. Wir müssen daran denken: Die, denen wir predigen, spüren es sehr wohl, ob in der Gemeinschaft oder in den Predigern ein guter Charakter gesehen wird.[11]

Paulus forderte sie nicht dazu auf, zu versuchen, diese arme, alte, kaputte Welt wieder in Ordnung zu bringen; sie sollten vielmehr „als Lichter“ in dieser Welt scheinen. Wir haben hier die beiden Seiten des Zeugnisses des Christen: Wir sollen als „Lichter“ leuchten; das ist das Zeugnis, das wir durch unser Leben abgeben (Mt 5,14-16). Und dann sollen wir noch das „Wort des Lebens“ darstellen; das ist das Zeugnis, das wir durch das Evangelium verkünden. Je finsterer die Welt moralisch und geistlich wird, desto heller sollte unser Zeugnis sein. „Lichter“ steht im Plural, und das zeigt, dass jeder von uns für dieses Zeugnis mitverantwortlich ist.

Paulus hatte seinen Anteil daran, dass die Philipper geistlich gewachsen waren und Fortschritte gemacht hatten, und nun sah er voraus auf seine Freude am „Tag Christi“ (dem Tausendjährigen Reich), wenn die Ergebnisse ihres Glaubens vor allen offenbar würden und sich zeigen würde, dass seine Mühen „nicht vergeblich“ waren. Offensichtlich sah Paulus ihren Fortschritt als eine Widerspiegelung seiner Arbeit an ihnen.

Drei Beispiele für Christus-ähnliche Selbstverleugnung (V. 17-30)

In der zweiten Hälfte von Kapitel 2 lenkt der Geist Gottes unsere Aufmerksamkeit auf drei Männer (Paulus, Timotheus und Epaphroditus), die in ihren Lebensumständen die demütige Gesinnung Christi zum Ausdruck brachten. Diese drei Diener sollen deshalb hier vorgestellt werden, weil manche dazu neigen, zu denken, das vollkommene Vorbild Christi in seiner Selbstverleugnung sei ein unerreichbarer Maßstab, weil Er Gott ist, offenbart im Fleisch, und wir nur einfache sterbliche Menschen sind. Der Geist Gottes scheint diesem Gedanken zuvorzukommen: Er lenkt unsere Aufmerksamkeit auf „Männer mit gleichen Gemütsbewegungen“ wie wir selbst (Apg 14,15) und zeigt, dass dies durchaus möglich ist, wenn es eine gottgemäße Übung gibt oder anders gesagt: wenn jemand seinen Weg mit Gott geht.

Das Beispiel von Paulus (V. 17.18)

Verse 17.18

Phil 2,17.18: 17 Aber wenn ich auch als Trankopfer über das Opfer und den Dienst eures Glaubens gesprengt werde, so freue ich mich und freue mich mit euch allen. 18 Ebenso aber freut auch ihr euch und freut euch mit mir!

In Paulus sehen wir einen lebendigen Beweis seiner Aussage: „In der Demut einer den anderen höher achtend als sich selbst“ (Phil 2,3). Um dies zu veranschaulichen, benutzt er das Bild eines Trankopfers, das er dem alttestamentlichen levitischen System entlehnt. Ein Trankopfer wurde zusammen mit einem Opfer dargebracht, das der Opfernde Gott darbrachte (2Mo 29,39.40). Paulus spricht von seinem Dienst für den Herrn als einem Trankopfer, das über „das Opfer“ der Philipper „ausgegossen“ wird – eine Anspielung auf ihre Teilnahme am Evangelium, die in der Gabe zum Ausdruck kam, die sie ihm gesandt hatten. In wahrer Demut und bescheidener Gnade sieht er sein Leben und seinen Dienst als etwas an, was ihr Opfer für den Herrn geringfügig ergänzt. Er bringt ihren Dienst auf das höchste Maß und mindert seinen eigenen Dienst herab, und daher schätzt er ihr Opfer und ihren Dienst als „besser“ und „hervorragender“ als seinen eigenen.

Gideon tat dasselbe mit den Ephraimitern, als Israel über die Midianiter gesiegt hatte (Ri 8,1-3). Er verglich die Rolle der Ephraimiter in der Schlacht mit der Nachlese der Trauben nach der Weinlese (wenn die restlichen Trauben von den Reben gepflückt werden): Die Nachlese sei größer als die gesamte Ernte von Abieser, d.h. Gideons Weinlese. Damit wendete seine „milde Antwort“ ihren Zorn ab (Spr 15,1).

Da Paulus nicht wusste, wie sein Leben enden würde, verwendet er das Wort „wenn“. Es könnte sehr wohl im Märtyrertod enden; er wusste es nicht. Wenn dies tatsächlich sein Los sein sollte, dann würde er sich darüber freuen, und er würde „sich freuen“, weil er abscheiden würde, um bei Christus zu sein (Phil 1,23). Er wollte nicht, dass die Philipper seinen eventuellen Märtyrertod als eine Tragödie ansahen, sondern sie sollten sich mit ihm darin „freuen“.

Das Beispiel von Timotheus (V. 19-24)

Verse 19-24

Phil 2,19-24: 19 Ich hoffe aber im Herrn Jesus, Timotheus bald zu euch zu senden, damit auch ich guten Mutes sei, wenn ich eure Umstände kenne. 20 Denn ich habe keinen Gleichgesinnten, der von Herzen für das Eure besorgt sein wird; 21 denn alle suchen das Ihre, nicht das, was Jesu Christi ist. 22 Ihr kennt aber seine Bewährung, dass er, wie ein Kind dem Vater, mit mir gedient hat an dem Evangelium. 23 Diesen nun hoffe ich sofort zu senden, wenn ich überschaue, wie es um mich steht. 24 Ich vertraue aber im Herrn darauf, dass auch ich selbst bald kommen werde.

In Timotheus sehen wir jemand, in dem die Ermahnung des Paulus an die Philipper deutlich wird: Sie sollten „einmütig, eines Sinnes“ sein (Phil 2,2). Timotheus war „gleichgesinnt“ mit Paulus im Dienst für den Herrn (Phil 2,20). Gleichgesinnt zu sein, bedeutet, in der Seele vereint und einig zu sein und die gleichen Anliegen zu teilen. In allen Fragen, die die Herrlichkeit des Herrn betrafen, waren Paulus und Timotheus eins. Das ist schön zu sehen, denn es war nicht immer so gewesen (Apg 15,36-41).

Timotheus war eine einzigartige Persönlichkeit und wertvoll im Werk des Herrn. Er war besorgt um den Zustand des Volkes Gottes und war bereit, sein Leben zu opfern, um ihnen beizustehen. Dies ist das Kennzeichen eines wahren Hirten. Paulus hatte die Absicht, Timotheus zu den Philippern zu senden, und hoffte, dass er in der Lage wäre, die Herzen der Heiligen in dieser Versammlung miteinander zu vereinen und ihnen so zu helfen, die zunehmende Zwietracht und Uneinigkeit zu überwinden. Paulus empfahl den Philippern Timotheus an und erklärte ihnen, dass sie selbst „seine Bewährung [im Dienst] kannten“. Timotheus hatte damals bereits seit etwa zehn Jahren mit Paulus am Evangelium gedient. Paulus hatte keinen anderen Diener bei sich, den er zu dieser Aufgabe schicken konnte, denn die Heiligen waren im Allgemeinen mit ihren eigenen Interessen beschäftigt. Er berichtet: „Alle suchen das Ihre, nicht das, was Jesu Christi ist.“ Der Herr beschreibt solche Leute als Menschen, die „durch Sorgen und Reichtum und Vergnügungen des Lebens erstickt werden“ (Lk 8,14). Der Feind kann diese Dinge benutzen, um uns davon abzubringen, dem Herrn zu dienen. Timotheus war eine Ausnahme von der Regel.

Paulus wartete auf das Ergebnis seines Einspruchs bei Cäsar, und dann würde er Timotheus zu den Philippern schicken. In der Zwischenzeit würde er Epaphroditus mit dem Brief an die Philipper senden.

Das Beispiel von Epaphroditus (V. 25-30)

Verse 25-30

Phil 2,25-30: 25 Ich habe es aber für nötig erachtet, Epaphroditus, meinen Bruder und Mitarbeiter und Mitstreiter, aber euren Abgesandten und Diener meines Bedarfs, zu euch zu senden, 26 da ihn ja sehnlich nach euch allen verlangte und er sehr beunruhigt war, weil ihr gehört hattet, dass er krank war. 27 Denn er war auch krank, dem Tod nahe; aber Gott hat sich über ihn erbarmt, nicht aber über ihn allein, sondern auch über mich, damit ich nicht Traurigkeit auf Traurigkeit hätte. 28 Ich habe ihn nun desto eiliger gesandt, damit ihr, wenn ihr ihn seht, wieder froh werdet und ich weniger betrübt sei. 29 Nehmt ihn nun auf im Herrn mit aller Freude und haltet solche in Ehren; 30 denn um des Werkes willen ist er dem Tod nahe gekommen, indem er sein Leben wagte, damit er den Mangel in eurem Dienst für mich ausfüllte.

In Epaphroditus sehen wir eine lebendige Demonstration der Ermahnung des Paulus: „Ein jeder sehe nicht auf das Seine, sondern ein jeder auch auf das der anderen“ (Phil 2,4). Wir sehen die Weisheit Gottes, dass Paulus Epaphroditus an dieser Stelle hineinbringt. Die Philipper hätten sagen können: „Paulus, wir verstehen ja, dass du die Gnade Christi nachahmen konntest – du bist ein Apostel und Timotheus ist ein besonderes Gefäß, das von Gott erweckt worden ist. Aber wir sind ganz normale Christen; von uns zu verlangen, Christus auf diese Weise nachzuahmen – das ist für uns ein zu hoher Maßstab.“ Falls also jemand von den Philippern geneigt sein sollte, so zu denken, so bringt der Geist Gottes hier Epaphroditus hinein als ein weiteres Beispiel für jemand, der die Gesinnung Christi hatte. Epaphroditus war ein Philipper, den sie gut kannten. Er war ein Mann ohne außergewöhnliche Gabe, und doch zeigte er deutlich die demütige Gesinnung Christi. Das zeigt uns: Ein gewöhnlicher Christ – sogar ein Kind in Christus [1Joh 2,14] – kann es schaffen. Ein Mensch muss nicht begabt oder besonders gut in der Heiligen Schrift unterrichtet sein, um Christus ähnlich zu sein.

Epaphroditus war der „Abgesandte“, der die Gabe der Philipper zu Paulus brachte (Phil 2,25). Auf dem Weg dorthin war er krank geworden. Tatsächlich wäre er fast gestorben, doch Gott hatte Erbarmen mit ihm und ließ ihn wieder gesund werden. Dass er diesen einfachen Dienst tat, zeigt uns, dass er mehr daran interessiert war, anderen zu helfen, als sich selbst zu gefallen. Darin ahmte er den Herrn Jesus nach, denn die Schrift sagt: „Auch der Christus hat nicht sich selbst gefallen“ (Röm 15,3).

Mit der Gabe der Philipper in Rom angekommen, war Epaphroditus dem Paulus eine Hilfe, indem er sich um dessen Bedürfnisse kümmerte (Phil 2,25). Dies waren einfache Aufgaben, die ein Diener im Zusammenhang mit zeitlichen Dingen erledigen würde. Wir neigen dazu, solch einen Dienst als unbedeutend zu betrachten, aber es ist auffallend und lehrreich, zu sehen, wie Paulus von diesem bescheidenen und demütigen Abgesandten spricht. Paulus stellt ihn als gleichwertig mit sich auf dieselbe Stufe und nennt ihn einen „Bruder“ im Glauben, einen „Mitarbeiter“ am Evangelium und einen „Mitstreiter“ in ihrem Kampf mit geistlichen Feinden. Das zeigt, dass Paulus sich nicht für besser oder wichtiger hielt als Epaphroditus, und veranschaulicht, wie wir einander sehen und beurteilen sollen. Wenn wir in unserem Umgang miteinander mehr von dieser Gnade hätten, dann gäbe es weniger Reibung, die zu Streitigkeiten führt.

Epaphroditus war ein selbstloser Mensch und deshalb machte er sich mehr Gedanken um die Sorge der Philipper als um seine eigene Krankheit! Er war „sehr beunruhigt“, nicht weil er krank gewesen war, sondern weil er gehört hatte, dass sie um ihn besorgt waren. Er wollte nicht, dass sie sich mit ihm beschäftigten; all diese Sorge würde die Heiligen nur davon ablenken, sich mit dem Herrn zu beschäftigen. Wenn wir krank sind, können wir oft nur an uns selbst denken. Nicht so Epaphroditus; er dachte an die Philipper, nicht an sich selbst! Er war wirklich jemand, der nicht auf „das Seine“ schaute, sondern auf „das der anderen“ (Phil 2,4). Als er bereit war, zu seiner Heimatgemeinde in Philippi zurückzukehren, gab Paulus ihm diesen Dankesbrief für die Philipper mit.


Übersetzt aus The Epistle of Paul to the Philippians. The Epistle of Christian Devotedness and Joy 
Christian Truth Publishing 2017

Übersetzung: Stephan Isenberg

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Anmerkungen

[1] Anm. d. Red.: Die im englischen Original verwendete King-James-Bibel übersetzt hier „der Stolze“ (he that is of a proud heart) statt „der Habgierige“ wie die CSV-Elberfelder und andere deutsche Übersetzungen.

[2] J.N. Darby zu Phil 2, Betrachtung zu Philipper (Synopsis). Quelle: www.bibelkommentare.de.

[3] J.N. Darby, „Philippians 2“ aus Philippians. The Book of Experience.

[4] We wonder at Thy lowly mind, | And fain would like Thee be, | And all our rest and pleasure find | In learning, Lord, of Thee. 5. Strophe des Liedes „O Lord, when we the path retrace“ (Text: James George Deck [1807–1884], Spiritual Songs, Nr. 230).

[5] G. Davison, aus „Philippians 2:12-30. Readings with George Davison“, Precious Things, Jg. 5, 1960, S. 263–264.

[6] H.A. Ironside, Notes on Philippians, S. 50–52.

[7] W. MacDonald, Believer’s Bible Commentary, S. 1968. Siehe Kommentar zum Neuen Testament, Bd. 2, Bielefeld (CLV) 72018, S. 965.

[8] F.B. Hole zu Phil 2, Grundzüge des Neuen Testaments, Bd. 4: Galaterbrief – Philemonbrief, Hückeswagen (CSV) 1998, S. 122.

[9] A.M.S. Gooding, The 13 Judges, S. 95.

[10] S. Maxwell, CV-Kommentar zum Neuen Testament, Bd. 2: Römer – Philemon, Dillenburg (CV) 2009, S. 910.

[11] G. Davison, aus „Philippians 2:12-30. Readings with George Davison“, Precious Things, Jg. 5, 1960, S. 267.


Nota redacţiei:

Redacţia SoundWords este răspunzătoare pentru publicarea articolului de mai sus. Aceasta nu înseamnă că neapărat ea este de acord cu toate celelalte gânduri ale autorului publicate (desigur cu excepţia articolelor publicate de redacţie) şi doreşte să atragă atenţia, să se ţină seama de toate gândurile şi practicile autorului, pe care el le face cunoscut în alte locuri. „Cercetaţi toate lucrurile, şi păstraţi ce este bun” (1 Tesaloniceni 5.21).

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