Genießt du die typisch christlichen Segnungen?
Römer 2,29; Kolosser 3,5

Christian Briem

© CSV, online seit: 02.07.2005, aktualisiert: 10.07.2022

Leitverse: Römer 2,29; Kolosser 3,5

Röm 2,29: … sondern der ist ein Jude, der es innerlich {w. im Verborgenen} ist, und Beschneidung ist die des Herzens, im Geiste, nicht im Buchstaben; dessen Lob nicht von Menschen, sondern von Gott ist.

Kol 3,5: Tötet nun eure Glieder, die auf der Erde sind: Hurerei, Unreinigkeit, Leidenschaft, böse Lust und Habsucht {o. Gier}, welche Götzendienst ist,

Es ist unmöglich, die ernste und schmerzliche Tatsache zu leugnen, dass die Versammlung Gottes heute allgemein durch Schwachheit und Verfall gekennzeichnet ist. Doch woher kommt dieses Abgleiten von einst festgehaltenen Wahrheiten, woher die um sich greifende Gleichgültigkeit den Gedanken und Interessen Gottes gegenüber? Sicher können wir all die Formen unseres persönlichen und gemeinsamen Versagens auf eine gemeinsame Wurzel zurückführen – auf den Mangel an wahrer Absonderung oder „Beschneidung des Herzens“ und damit an echter Hingabe Gott gegenüber.

Ungehorsam bringt zu jeder Zeit die ihm eigenen Früchte hervor: den Verlust der praktischen Gemeinschaft mit Gott, eine unstete, weltliche Lebensführung, ein getrübtes Urteilsvermögen in göttlichen Dingen, Oberflächlichkeit in der Ausübung gottgemäßer Zucht und vieles mehr. Und selbst wenn diese Übel nicht unbedingt öffentliche Schande auf den Namen des Herrn bringen mögen, so betrüben sie doch den Heiligen Geist und behindern das freie Ausfließen des Segens in Dienst und Anbetung.

Nun benutzt der Heilige Geist in Römer 2 den bemerkenswerten Ausdruck „Beschneidung des Herzens“ (Röm 2,29). Schon wenn es darum ging zu zeigen, was ein wirklicher „Jude“ nach den Gedanken Gottes ist, erfahren wir hier, dass Gott sich mit einer rein äußerlichen Beschneidung nicht zufriedengeben kann, dass für Ihn alles ein innerliches Werk und es deshalb eine Beschneidung des Herzens sein muss. Bereits im Alten Testament hatte Er klagen müssen: „Das ganze Haus Israel ist unbeschnittenen Herzens“ (Jer 9,25; vgl. auch Jer 4,4).

Dennoch hatte Gott Abraham als äußeres Zeichen des Bundes, den Er mit ihm und seiner Nachkommenschaft einging, die Beschneidung gegeben (1Mo 17,10.11), und diese rein äußerliche Beschneidung, „die im Fleische mit Händen geschieht“ (Eph 2,11), hat eine vorbildliche Bedeutung für uns heute. Denn alles, was zuvor geschrieben ist, ist zu unserer Belehrung geschrieben (Röm 15,4). Auch widerfuhren den Kindern Israel alle diese Dinge „als Vorbilder“ und „sind geschrieben worden zu unserer Ermahnung“ (1Kor 10,11). So müssen wir unterscheiden lernen zwischen der Verordnung Gottes als solcher, die rein äußerlich zu befolgen war, und der Verordnung als Vorbild, die eine bestimmte Absicht Gottes beinhaltet.

Zu Beginn des Buches Josua wird uns eine beachtenswerte Unterbrechung auf dem Weg der Kinder Israel in das verheißene Land vorgestellt. Durch die Gnade und Macht Gottes waren sie aus Ägypten herausgeführt und durch den Durchzug durch das Rote Meer von der Macht des Widersachers erlöst worden. Vierzig Jahre waren sie unter der Obhut Gottes durch die Wüste gezogen, bis Gott ihnen schließlich auch die Wasser des Jordan spaltete, so dass sie trockenen Fußes hindurchgehen konnten. Nun standen sie endlich an der Grenze zum verheißenen Land, an der Ostgrenze von Jericho (Jos 4,19). Konnten sie jetzt weiterziehen und beginnen, das Land in Besitz zu nehmen, so wie der HERR es ihnen versprochen hatte?

Nein, nicht unmittelbar! Ein Umstand hinderte sie daran: Sie waren ein unbeschnittenes Volk. „Denn das ganze Volk, welches auszog, war beschnitten; aber das ganze Volk, das in der Wüste geboren war, auf dem Wege, als sie aus Ägypten zogen, hatte man nicht beschnitten“ (Jos 5,5). Obwohl der Jordan durchquert war und das Land vor ihnen lag, waren sie nicht zubereitet, weiterzuziehen und von dem Erzeugnis des Landes, ungesäuertes Brot und geröstete Körner, zu genießen. Bei Gilgal müssen sie haltmachen und – als Volk Gottes in ihrer Gesamtheit gesehen – „wiederum“, „zum zweiten Male“, beschnitten werden (Jos 5,2). Jeder männliche Israelit musste das Zeichen der Absonderung zu Gott an sich tragen, wie wir uns erinnerten (1Mo 17,10.11). Andernfalls war er nach den Gedanken Gottes nicht fähig, das Land der Verheißung zu betreten.

Auch wir Christen kennen – natürlich im übertragenen Sinn – eine zweifache Beschneidung. Dem Grundsatz nach ist jeder wahre Christ in der „Beschneidung des Christus“ beschnitten worden „mit einer nicht mit Händen geschehenen Beschneidung, in dem Ausziehen des Leibes des Fleisches“ (Kol 2,11). Das will sagen, durch den Tod Christi am Kreuz hat die böse Sache in uns, die Gottes Wort das „Fleisch“ nennt, ihr richterliches Ende vor Gott gefunden, und so sind wir von ihr als beherrschendem Lebensprinzip befreit worden. Wir erfreuen uns der völligen Befreiung von den Folgen der Übertretung Adams – sowohl von den ewigen Folgen der Erbsünde als auch verübter Sünden. Das ist die gesegnete Stellung, in die jeder Gläubige aufgrund des Sterbens Christi am Kreuz gebracht worden ist. Das Blut Christi ist ein für alle Mal vergossen worden, und wir haben eine ewige Erlösung, haben die volle Gewissheit der Hoffnung und des Glaubens (Heb 6,11; 10,22), besitzen den Heiligen Geist und die Gewissheit des ewigen Lebens.

Doch obwohl diese Stellung das glückselige Teil aller Kinder Gottes ist, kann es sein, dass wir nicht fähig sind, in das „Land“ zu ziehen, das heißt unser Erbteil droben in Besitz zu nehmen: Wir haben versäumt, die zweite, die praktische Seite der Beschneidung zu verwirklichen. Wenn wir uns der Fülle unseres gegenwärtigen Besitzes in Christus erfreuen wollen, müssen wir persönlich an Herz, Lippen und Augen „beschnitten“ werden. Geliebte Freunde, meinen wir wirklich, ohne dies weiterziehen zu können? Sind wir bereit, uns in unseren Herzen zu Gott hin abzusondern? Können wir in Wahrheit mit Paulus sagen: „Ich bin mit Christus gekreuzigt“ (Gal 2,20), und: „Von mir aber sei es ferne, mich zu rühmen, als nur des Kreuzes unseres Herrn Jesus Christus, durch welchen mir die Welt gekreuzigt ist, und ich der Welt“ (Gal 6,14)?

Wir müssen lernen, die grundsätzliche Befreiung, die wir durch den Tod Christi von Sünde und Welt erlangt haben, im Glauben anzunehmen und in die Praxis umzusetzen. Der Glaube ergreift dankbar die Wahrheit, dass wir mit Christus der Sünde und der Welt gestorben sind. Das Durchziehen der Kinder Israel durch den Jordan ist davon das Vorbild. Gegründet auf die große Tatsache unseres Einsgemachtseins mit dem Tod Christi, sind wir dann in der Lage, in unseren Herzen unser „Gilgal“, das christliche Gilgal, zu erleben und uns in unseren Gedanken, Empfindungen, Wünschen, Zuneigungen, Gewohnheiten zu Gott hin abzusondern. Tun wir es? Tun wir es täglich? Es mag sein, dass sich in unserem Leben seit unserer Bekehrung wieder viele der alten Dinge eingestellt haben, die wir bei unserer Bekehrung verurteilt hatten. Durch das Vorhandensein dieser Dinge werden wir in die gleiche Lage versetzt, in der sich jene vom Volk Israel befanden, die in der Wüste geboren und nicht beschnitten worden waren: In diesem Sinn müssen wir „zum zweiten Male“ beschnitten werden, müssen uns in Bezug auf die genannten Dinge dem scharfen, zweischneidigen Schwert des Wortes Gottes aussetzen. Die Überprüfung unserer Gedanken und Gesinnungen des Herzens (Heb 4,12) im Licht des Wortes Gottes schließt das „Abhauen der rechten Hand“ und „das Ausreißen des rechten Auges“ (Mt 5,29.30) in sich, auch das Aufgeben falscher Verbindungen weltlicher oder religiöser Art (2Kor 6,14-18).

Wissen wir eigentlich noch, was es heißt, unsere Glieder, die auf der Erde sind, zu töten (Kol 3,5) und durch den Geist die Handlungen des Leibes zu töten (Röm 8,13)? (Es ist wichtig zu verstehen, dass die „Glieder“, die wir töten sollen und die nachfolgend mit „Hurerei“ usw. beschrieben werden, nicht die Glieder des Leibes sind, wie in Römer 6,13, sondern die Glieder des Fleisches; vgl. Kolosser 2,11. Die Glieder des Leibes, das heißt die uns verliehenen Fähigkeiten, sollen wir Gott widmen; die Glieder des Fleisches dagegen sollen wir töten.) Bringen wir unsere Herzen noch unter den Einfluss des Wortes Gottes und richten wir unsere törichten Gedanken, unsere unreinen Vorstellungen, unseren Mangel an Glauben, unsere spitzen Worte, unseren hochmütigen Geist, unsere weltliche Gesinnung, unseren Eigenwillen und vieles, vieles mehr, was aus dem bösen Herzen hervorkommt und in den Augen Gottes Sünde ist? Lasst uns die Ermahnung beherzigen: „So heiliget euch und seid heilig, denn ich bin der HERR, euer Gott … Und ihr sollt mir heilig sein, denn ich bin heilig, ich, der HERR; und ich habe euch von den Völkern abgesondert, um mein zu sein“ (3Mo 20,7.26)!

Gott wird uns dabei helfen, unsere Herzen zu beschneiden; und unter diesem etwas anderen Blickwinkel der Beschneidung, nämlich dass Er sie vornimmt, heißt es in 5. Mose 30 so schön: „Und der HERR, dein Gott, wird dein Herz und das Herz deiner Kinder beschneiden, damit du den HERRN, deinen Gott, liebest mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele, auf dass du am Leben bleibest“ (5Mo 30,6). Beachten wir: Gott selbst wollte die Herzen beschneiden und auf diese Weise innige Liebe zu Gott hervorrufen. Welch eine Kraft liegt in der Liebe! Wird sie nicht alles für ihren Gegenstand tun, alles für ihn aufgeben? Wirkliche Liebe zu Gott wird unser Ohr offen halten für seine Worte, unseren Fuß bereitmachen für seine Wege, unsere Hand für seine Dienste, wird unser Inneres eifersüchtig darüber wachen lassen, dass kein noch so dünner Film von Sünde zwischen Gott und uns kommt. Diese Liebe kann nicht in einem unbeschnittenen Herzen regieren. Deswegen werden wir ermahnt, uns von jeder Befleckung des Fleisches und des Geistes selbst zu reinigen (2Kor 7,1). Fällt uns das schwer? Für das Fleisch ist es eine peinliche, schmerzhafte Sache; doch die Liebe sieht ihre Freude und Erfüllung darin, für ihren Gegenstand zu leben und ihm zu dienen.

Wie viele geliebte Kinder Gottes bleiben durch Unglauben in der „Wüste“ wie einst Israel: Sie kommen über die Wüstenerfahrungen nicht hinaus! So gesegnet es freilich ist, in der Wüste die Ströme der Erfrischung, der Gnade Gottes zu genießen und Christus als das Manna zu kennen – Gott wünscht darüber hinaus, dass sein Volk auch in das „Land“ komme (ein Bild unserer himmlischen Segnungen in Christus) und dort von dem „Erzeugnis des Landes“ esse. Wir sollen uns an den Vortrefflichkeiten eines auferstandenen und verherrlichten Herrn erfreuen. Davon reden die „gerösteten Körner“ in Josua 5. In seinem Licht sollen wir das Licht sehen, sollen uns in diesem Licht der Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn erfreuen und eine unaussprechliche und verherrlichte Freude genießen. Doch dann müssen wir zuvor „Gilgal“ erlebt und unsere Herzen beschnitten haben.

Die praktische „Abwälzung der Schande Ägyptens“ ist die unabdingbare Voraussetzung dafür, dass wir das Land unseres Erbteils in Besitz nehmen können. Denn in dem Maße, in dem die bösen Dinge, die uns früher kennzeichneten, noch in unserem Leben gesehen werden, wird uns tatsächlich die Schande Ägyptens noch anhängen und uns den Genuss unseres himmlischen Erbteils streitig machen. Deswegen, so schmerzhaft Gilgal auch ist, es ist besser, die Schmerzen, die ein schonungsloses Selbstgericht mit sich bringt, zu erleiden, als ein Leben lang nur in der Wüste zuzubringen. Die „himmlischen Örter“ liegen offen vor uns (vgl. Eph 1,3). Wenn auch mächtige Feinde dort sind (Eph 6,12) – der „Oberste des Heeres des HERRN“ (Jos 5,13-15) ist für uns und zieht vor uns her. Gott hat uns zudem seine ganze Waffenrüstung gegeben, wir müssen sie nur „nehmen“ und anlegen (Eph 6,13-20). Wie rasch wird der Sieg errungen, wenn Christus auf der Szene erscheint! „Jericho“ mag sich uns drohend in den Weg stellen. Doch wie es damals vor der Lade des Bundes des HERRN fiel, so wird unser Herr Jesus auch uns zum Sieg führen, wenn unsere Herzen von Ihm und seiner Liebe gefangen genommen sind und wir der Sünde nicht gestatten, zwischen Ihn und uns zu kommen.


Originaltitel: „Beschneidung des Herzens“ 
aus der Monatsschrift Ermunterung und Ermahnung, 1994, S. 293–300
www.csv-verlag.de


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