Götzendienerische Abscheulichkeiten
Mit diesem Kapitel beginnt Hesekiel eine neue Reihe von Botschaften, die sich bis Kapitel 11 fortsetzen, aber eng mit den vorangegangenen Kapiteln verbunden sind. Das angegebene Datum ist ein Jahr später als das der Visionen und Prophezeiungen in den Kapiteln 1 bis 7. In diesem Abschnitt ruft Gott das Volk immer noch zur Umkehr auf, da das Gericht noch nicht eingetreten war. Hesekiel selbst war, wie wir wissen, unter den Gefangenen am Fluss Chebar; aber in Kapitel 8 befindet er sich im Geiste in der Stadt Jerusalem, im Tempel des HERRN:
Verse 1-4
Hes 8,1-4: 1 Und es geschah im sechsten Jahr, im sechsten Monat, am Fünften des Monats: Ich saß in meinem Haus, und die Ältesten von Juda saßen vor mir – da fiel dort die Hand des Herrn, HERRN, auf Mich 2 Und ich sah: Und siehe, eine Gestalt wie das Aussehen von Feuer: von ihren Lenden abwärts Feuer; und von ihren Lenden aufwärts wie das Aussehen eines Lichtglanzes, wie der Anblick von glänzendem Metall. 3 Und er streckte das Gebilde einer Hand aus und nahm mich beim Haarschopf meines Hauptes; und der Geist hob mich zwischen Erde und Himmel empor und brachte mich in Gesichten Gottes nach Jerusalem, an den Eingang des Tores des inneren Vorhofs, das nach Norden sieht, wo der Standort des Bildes der Eifersucht war, das zum Eifer reizt. 4 Und siehe, dort war die Herrlichkeit des Gottes Israels, wie das Gesicht, das ich in der Talebene gesehen hatte.
Während er sich inmitten einer Gruppe von Ältesten aus Juda befand, war dem Propheten offensichtlich nicht bewusst, was um ihn herum geschah. In diesem ekstatischen Zustand sah er eine herrliche Gestalt. Offensichtlich war es ein Engel, der in Menschengestalt, aber in der Gleichheit von Feuer erschien. Dies erinnert uns wieder an die Worte des Psalmisten: „Er macht seine Engel zu Winden und seine Diener zu einer Feuerflamme“ (Ps 104,4; Heb 1,7). Dieses herrliche Wesen formte nun eine Hand und ergriff den Propheten an seinem Haarschopf. Hesekiel fand sich sogleich im Geiste zwischen Erde und Himmel emporgehoben; und in den Visionen Gottes wurde er nach Jerusalem zur Tür des Tores des inneren Vorhofs des Tempels gebracht, der Tür im Norden. Dort sah er ein großes Götzenbild, das als „Bild der Eifersucht“ bezeichnet wurde, weil im Gesetz geschrieben steht: „Ich, der HERR, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott“ (2Mo 20,5; SCHL 2000).
Wenn wir an Eifersucht im Zusammenhang mit Gott denken, dürfen wir sie nicht mit der schändlichen Leidenschaft verwechseln, die so oft in den Herzen der fleischlich gesinnten Menschen Verwüstung anrichtet. Gott ist eifersüchtig, weil Er weiß, dass es uns schadet, wenn wir uns von Ihm abwenden und ein anderes Objekt der Anbetung suchen. Auch der Apostel Paulus schrieb an die Korinther: „Ich eifere um euch mit Gottes Eifer; denn ich habe euch einem Mann verlobt, um euch als eine keusche Jungfrau dem Christus darzustellen“ (2Kor 11,2). Und Jakobus sagt, dass der Geist, der in uns wohnt, mit Neid begehrt [Jak 4,5]. Gott sehnt sich danach, dass wir uns ganz und gar mit dem Herrn beschäftigen.
Gott hatte sich Israel offenbart wie keinem anderen Volk: Er zeigte sich als ein gnädiger und barmherziger Gott, der zu seinem Bund steht. Gleichzeitig verlangte seine Heiligkeit, dass die Sünde im Gericht geahndet wird. Er hatte ihnen deutlich gesagt: „Du sollst keine anderen Götter haben neben mir“ (2Mo 20,3). Und Er hatte ihnen verboten, sich irgendein Bildnis zu machen, vor dem sie niederfallen und es anbeten könnten. Aber sie hatten seine Worte in den Wind geschlagen und sich dem Götzendienst der umliegenden Völker zugewandt und ihre Götzen sogar im Heiligtum des HERRN aufgestellt.
Verse 5.6
Der Prophet sah wieder die Herrlichkeit des Gottes Israels, das heißt die Vision des Wagens der göttlichen Regierung, die er in Hesekiel 1 gesehen hatte. Nichts könnte in größerem Kontrast stehen als „das Bild der Eifersucht“, das hier dargestellt wird, und die Herrlichkeit des HERRN. Der HERR sprach unmittelbar zu dem Propheten und richtete seine Aufmerksamkeit auf das im Tempel aufgestellte Götzenbild:
Hes 8,5.6: 5 Und er sprach zu mir: Menschensohn, erhebe nun deine Augen nach Norden! Und ich erhob meine Augen nach Norden, und siehe, nördlich vom Tor des Altars war dieses Bild der Eifersucht, am Eingang. 6 Und er sprach zu mir: Menschensohn, siehst du, was sie tun, die großen Gräuel, die das Haus Israel hier verübt, damit ich mich von meinem Heiligtum entferne? Und du sollst noch weiter große Gräuel sehen.
Beim Betrachten des Götzenbildes muss Hesekiels Herz bis ins Innerste aufgewühlt gewesen sein. Er hörte die Stimme des HERRN sagen: „Menschensohn, siehst du, was sie tun, die großen Gräueltaten, die das Haus Israel hier verübt, damit ich mich von meinem Heiligtum entferne?“ Man kann das Pathos darin erahnen. Gott war für Israel wie ein Vater gewesen: Er hatte sie aus Ägypten herausgeführt. Seitdem hatte Er sich in all den Jahrhunderten um sie gekümmert. Und das war nun die Antwort, die sie Ihm gaben: Sie verschmähten sein Wort und folgten anderen Göttern und beteten sogar Stöcke, Steine und Metallbilder an, die weder sehen noch hören noch in irgendeiner Weise in der Stunde der Versuchung retten konnten.
Aber das war noch nicht alles. Der Prophet sollte noch andere große Gräuel sehen:
Verse 7-13
Hes 8,7-13: 7 Und er brachte mich an den Eingang des Vorhofs; und ich sah: Und siehe, ein Loch war in der Mauer. 8 Und er sprach zu mir: Menschensohn, durchbrich doch die Mauer. Und ich durchbrach die Mauer; und siehe, da war eine Tür. 9 Und er sprach zu mir: Geh hinein und sieh die bösen Gräuel, die sie hier verüben. 10 Und ich ging hinein und sah: Und siehe, da waren allerlei Gebilde von scheußlichem Gewürm und Vieh und allerlei Götzen des Hauses Israel ringsumher an die Wand gezeichnet. 11 Und siebzig Männer von den Ältesten des Hauses Israel standen davor, und Jaasanja, der Sohn Schaphans, stand in ihrer Mitte – jeder mit seinem Räucherfass in seiner Hand; und der Duft einer Weihrauchwolke stieg empor. 12 Und er sprach zu mir: Hast du gesehen, Menschensohn, was die Ältesten des Hauses Israel im Finstern tun, jeder in seinen Bilderkammern? Denn sie sagen: Der HERR sieht uns nicht, der HERR hat das Land verlassen! 13 Und er sprach zu mir: Du sollst noch weiter große Gräuel sehen, die sie verüben.
Der Engel, der Hesekiel führte, brachte ihn zur Tür des Tempelhofs, und dort sah er ein Loch in der Wand, das zu einer verborgenen Tür führte, die sich in einen geheimen Raum öffnete, der normalerweise von den Vorübergehenden nicht entdeckt werden würde. Hesekiel wurde aufgefordert, durch diese Tür einzutreten. Als er dies tat, sah er an den Wänden ringsum alle Arten von Kriechtieren, abscheulichen Tieren und Götzen, wie man sie noch heute an den Wänden ägyptischer Tempel findet. Vor diesen Zeugnissen des verdorbenen Aberglaubens und der götzendienerischen Bosheit standen siebzig ehrwürdige Älteste des Hauses Israel, angeführt von Jaasanja, dem Sohn Schaphans. Sie waren offensichtlich Priester, denn jeder von ihnen hielt ein Räuchergefäß in der Hand, aus dem Wolken von Weihrauch vor den Abbildern der falschen Götter aufstiegen.
Der Engel sprach zu Hesekiel: „Hast du gesehen, Menschensohn, was die Ältesten des Hauses Israel im Finstern tun, jeder in seinen Bilderkammern?“ Die Menschen lieben die Finsternis mehr als das Licht, wenn sie Böses tun [vgl. Joh 3,19]; und so trieben diese Ältesten in diesem dunklen Raum unheilige Anbetung, während sie die Bilder an den Wänden anbeteten. Sie bildeten sich ein, dass sie so verborgen waren, dass das Auge des HERRN sie nicht sehen konnte; tatsächlich redeten sie sich ein, dass der HERR ihr Land verlassen hatte. In Wirklichkeit waren sie es, die Ihn verlassen hatten. Sie hatten sich diesen gefühllosen Götzen zugewandt, nur um schließlich lernen zu müssen, wie töricht es war, auf etwas anderes als auf den lebendigen Gott zu vertrauen.
Aber das war noch nicht alles. Es gab noch größere Abgründe der Ungerechtigkeit, die noch offenbart werden sollten, und so sagte der Engel der ihn führte: „Du sollst noch weiter große Gräuel sehen, die sie verüben.“
Verse 14.15
Hes 8,14.15: 14 Und er brachte mich an den Eingang des Tores des Hauses des HERRN, das im Norden liegt; und siehe, dort saßen die Frauen, die den Tammus beweinten. 15 Und er sprach zu mir: Hast du gesehen, Menschensohn? Du sollst weiter noch größere Gräuel sehen als diese.
Tammus war ein babylonischer Gott. Er wurde von seinen Anhängern als der Same der Frau angesehen, von dem in 1. Mose 3,15 die Rede ist. In den Sagen, die im Zusammenhang mit den babylonischen Mythologien überliefert wurden, heißt es, er sei im Kampf mit einem riesigen Stier oder – wie andere sagen – mit einem großen Drachen erschlagen worden. Aber nach einiger Zeit soll er von den Toten auferstanden sein und die Macht haben, seine Untertanen von ihren Feinden zu befreien. Wenn im Tammus-Kult die Geschichte seines Todes vorgetragen wurde, setzten sich die Priesterinnen, um ihre Stimmen in seltsamen Klagen zu erheben. Es muss Hesekiel sehr erschüttert haben, dass er dasselbe in der Nähe des Tores vom Haus des HERRN vorfand, wo jüdische Frauen weinend saßen, weil sie wegen dieses heidnisches Gottes Kummer empfanden.
Und wieder kam das Wort: „Du sollst weiter noch größere Gräuel sehen als diese.“
Verse 16.17
Hes 8,16.17: 16 Und er brachte mich in den inneren Vorhof des Hauses des HERRN; und siehe, am Eingang des Tempels des HERRN, zwischen der Halle und dem Altar, waren ungefähr fünfundzwanzig Männer, ihre Rücken gegen den Tempel des HERRN und ihre Angesichter nach Osten gerichtet; und sie bückten sich nach Osten hin vor der Sonne. 17 Und er sprach zu mir: Hast du gesehen, Menschensohn? Ist es dem Haus Juda zu gering, die Gräuel zu verüben, die sie hier verüben, dass sie auch das Land mit Gewalttat füllen und mich immer wieder reizen? Denn siehe, sie halten das Reis an ihre Nase.
Immer noch seinem Führer folgend, wurde Hesekiel in den inneren Vorhof des Hauses des HERRN geführt bis zur Tür des Heiligtums. Dort sah er zwischen der Vorhalle und dem Altar fünfundzwanzig Männer, die dem Tempel des HERRN den Rücken zugekehrt hatten und sich mit dem Gesicht nach Osten auf die Erde niederwarfen, um die aufgehende Sonne anzubeten. So setzten sie das Geschöpf an die Stelle des Schöpfers. Es erscheint undenkbar, dass ein Volk, das die Furcht des HERRN so gelehrt worden war wie Israel und das den wahren Gott kennengelernt hatte – der den Himmel geschaffen hat, in dem die Sonne ihren Platz hat, und die Erde, die von ihrer Herrlichkeit erleuchtet wird –, auch nur einen Augenblick daran denken würde, das Himmelslicht anzubeten und dem Tempel den Rücken zu kehren, in dem die Herrlichkeit der Schechina über dem Gnadenthron zwischen den Cherubim erstrahlte. Und doch waren sie so tief in Ungerechtigkeit gesunken, dass das Land von Gewalt erfüllt war. Es scheint, als ob jede verdorbene Leidenschaft des Herzens offenbar wurde, als das Volk sich weigerte, sich Gott unterzuordnen. Sie hatten den HERRN zum Zorn gereizt. Obwohl Er sich nach ihnen sehnte und sie befreien wollte, konnte Er nicht anders, als mit denen, die sein Wort verschmäht und sein heiliges Gesetz gebrochen hatten, Gericht zu halten.
Spöttisch, so heißt es, hielten sie sich das Reis an die Nase – ein Ausdruck, der bei den Auslegern nicht wenige Fragen aufgeworfen hat. Er scheint jedoch eine Geste der Verachtung zu sein und zeigt ihre Haltung gegenüber dem Heiligen, dem sie ihre ganze Treue schuldeten.
Aufgrund ihrer Verdorbenheit konnte Gott nur in seinem Zorn mit ihnen verfahren. Und so verkündete Er:
Hes 8,18 So will auch ich handeln im Grimm, mein Auge soll nicht verschonen, und ich werde mich nicht erbarmen; und rufen sie auch vor meinen Ohren mit lauter Stimme, so werde ich sie doch nicht hören.
Es ist gut, daran zu denken, dass Menschen, die die Gnade Gottes verachten, die Härte seines Zorns erfahren müssen. Sie bringen dies über sich selbst, wenn sie vom Weg des Gehorsams abkommen und vorsätzlich gegen seinen offenbarten Willen handeln.
All dies ist eine ernste Lektion für Israel wie auch für uns. Gott möchte, dass wir aus ihrem erbärmlichen Versagen lernen, wie böse und bitter es ist, sich von Ihm abzuwenden und den Weg des Eigenwillens zu gehen. Segen findet man im Gehorsam; Ungehorsam bringt ein entsprechendes Urteil mit sich. Das ist eine Lektion, die wir oft nur langsam lernen; aber wenn wir nicht von den Erfahrungen anderer oder von den direkten Aussagen des Wortes Gottes profitieren wollen, werden wir durch bittere Leiden und Enttäuschungen lernen müssen, wie töricht es ist, sich dem Willen Gottes nicht zu unterwerfen.
Originaltitel: „Chapter Eight: Idolatrous Abominations“
in Expository Notes on Ezekiel, 1949
Quelle: https://plymouthbrethren.org
Übersetzung: Samuel Ackermann