Das Ende kommt
Mit diesem Kapitel endet die Botschaft des Propheten, die sich vor allem an das Land Palästina, aber natürlich auch an sein sündiges Volk richtet. Alle Bitten und Ermahnungen Gottes hatten sich als vergeblich erwiesen: Das Volk bestand darauf, seinen eigenen Weg zu gehen. Hesekiel gehörte, wie wir gesehen haben, bereits zu den Gefangenen. Nebukadnezars Heere bedrohten das Land erneut, und die falschen Propheten versicherten Israel, dass Gott eingreifen und das Volk retten würde. Sie spielten die Schuld des Volkes völlig herunter und erklärten, dass der HERR zugunsten seiner Auserwählten eingreifen würde. Doch all diese Prophezeiungen sollten sich bald als völlig falsch erweisen. Wie wir gesehen haben, war Gott mit seiner Geduld am Ende. In seinem Zorn und seiner Verärgerung war Er im Begriff, sie der Macht des Feindes zu überlassen, um sie durch den Tod zu vernichten oder in die Sklaverei zu verkaufen.
Verse 1-4
Hes 7,1-4: 1 Und das Wort des HERRN erging an mich, indem er sprach: 2 Und du, Menschensohn, so spricht der Herr, HERR, zum Land Israel: Es hat ein Ende! Das Ende kommt über die vier Ecken des Landes! 3 Nun kommt das Ende über dich, und ich werde meinen Zorn gegen dich senden und dich nach deinen Wegen richten; und alle deine Gräuel werde ich über dich bringen. 4 Und mein Auge wird dich nicht verschonen, und ich werde mich nicht erbarmen; sondern ich will deine Wege über dich bringen, und deine Gräuel sollen in deiner Mitte sein. Und ihr werdet wissen, dass ich der HERR bin.
Man beachte die Worte: „Das Ende ist gekommen über die vier Ecken des Landes!“ Es gab keine Hoffnung mehr. Ihr Gewissen war völlig verstockt; es gab nicht den geringsten Hinweis auf Buße. Deshalb würde Gott Israel nach dessen Wegen richten und ihnen ihre eigenen Gräuel vergelten, weil sie nicht auf die Worte seiner Propheten gehört und sich nicht von ihrem Götzendienst abgewandt hatten. Sein Auge würde sie nicht verschonen noch würde Er sich ihrer erbarmen. Es war nicht so, dass sein Herz gegen sie verhärtet war; Er liebte sie immer noch, aber seine Heiligkeit verbot Ihm, sie weiterhin in ihrer Gottlosigkeit zu ertragen. Wenn seine Gerichte über sie ausgegossen wurden, sollten sie wissen, dass es tatsächlich der HERR war, mit dem sie es zu tun hatten und der sie in Bedrängnis und Verzweiflung gebracht hatte.
Verse 5.6
Hes 7,5.6: 5 So spricht der Herr, HERR: Unglück, einziges Unglück, siehe, es kommt! 6 Das Ende kommt; es kommt das Ende, es erwacht gegen dich; siehe, es kommt!
Die Menschen hatten vergeblich nach Gutem Ausschau gehalten. Unglück, ein einziges Unglück, würde über sie kommen. Noch einmal wiederholt der Prophet das Wort: „Das Ende kommt; es kommt das Ende!“ Es ist in der Tat eine ernste Sache, wenn Gottes Geduld erschöpft ist und sein Zorn ungebremst über diejenigen hereinbricht, die Er so gern erlöst hätte, wenn sie nur ein Zeichen der Buße gezeigt hätten. Selbst wenn die Umstände in der Vergangenheit sehr schlecht waren, reichte der geringste Beweis der Selbsteinsicht aus, um die angedrohte Strafe abzuwenden; aber jetzt war das Volk völlig der Ungerechtigkeit verfallen. Sie hatten dem Gesetz Gottes den Rücken zugekehrt. Und obwohl es, wie wir wissen, einige Gottesfürchtige unter ihnen gab, war der Zustand der Nation so, dass diejenigen, die sich um ihren Weg sorgten, nun mit dem Rest des Volkes leiden mussten.
Wenn Zerstörung eintritt, sei es durch Naturkatastrophen wie Erdbeben, Wirbelstürme oder Seuchen, leiden die Gerechten mit den Bösen. Das gilt auch, wenn in einem Land blutige Kriege wüten. Und so musste auch der treue Überrest diese Zeit der schrecklichen Drangsal mit dem abtrünnigen Teil der Nation durchmachen. Jedoch sehen wir auch, dass, nachdem Nebukadnezar die Stadt eingenommen hatte, Vorkehrungen für einige getroffen wurden, damit sie im Land bleiben konnten. Und denjenigen, die Gott fürchteten, wurde ermöglicht, ruhig in der verwüsteten Gegend zu wohnen.
Vers 7
Hes 7,7: Es kommt das Verhängnis über dich, Bewohner des Landes; es kommt die Zeit, nahe ist der Tag; Getümmel und nicht Jubel auf den Bergen!
[…] Die Zeit war gekommen, in der der Tag des Unheils, den viele Propheten vorausgesagt hatten, tatsächlich eintreten sollte. Der Sturm nahte, sie hatten den göttlichen Donner gehört und nicht nur ein Echo von den Bergen.
Verse 8.9
Hes 7,8.9: 8 Jetzt, bald werde ich meinen Grimm über dich ausgießen und meinen Zorn an dir vollenden und dich nach deinen Wegen richten; und alle deine Gräuel werde ich über dich bringen. 9 Und mein Auge soll nicht verschonen, und ich werde mich nicht erbarmen; nach deinen Wegen will ich es über dich bringen, und deine Gräuel sollen in deiner Mitte sein. Und ihr werdet wissen, dass ich, der HERR, es bin, der schlägt.
Die Verse 8 und 9 sind äußerst ergreifend. Gott war im Begriff, seinen Zorn über Israel auszugießen und seinen Groll an ihnen zu vollstrecken. Er würde sie nach ihrem Verhalten richten. Es sollte kein Erbarmen geben. Für Barmherzigkeit war es zu spät: Das Gericht musste seinen Lauf nehmen. Und wenn all diese schrecklichen Vorhersagen eintraten, sollte Israel wissen, dass der HERR, der so mit ihnen umging, der HERR ist, der schlägt.
Der letztgenannte Ausdruck könnte als zusammengesetzter Ausdruck betrachtet werden: Jahweh-Mekkadeschemt = „Der HERR, der Peiniger“. Diejenigen, die sich weigern, Gott als Jahweh-Rahi („Der HERR, der Hirte“) oder als Jahweh-Jireh („Der HERR, der Versorger“) anzuerkennen, werden Ihn als „Der HERR, der schlägt“ kennenlernen.
Verse 10-13
Hes 7,10-13: 10 Siehe, der Tag! Siehe, es kommt! Das Verhängnis wächst hervor; es blüht die Rute, es sprosst der Übermut; 11 die Gewalttat erhebt sich zur Rute der Gottlosigkeit. Nichts von ihnen wird bleiben, nichts von ihrer Menge und nichts von ihrem Getümmel und nichts Herrliches an ihnen. 12 Die Zeit kommt, der Tag trifft ein! Der Käufer freue sich nicht, und der Verkäufer betrübe sich nicht; denn Zornglut kommt über seine ganze Menge. 13 Denn der Verkäufer wird nicht wieder zum Verkauften gelangen, und wenn er auch noch am Leben wäre unter den Lebenden; denn das Gesicht gegen seine ganze Menge wird nicht rückgängig gemacht werden, und niemand wird durch seine Ungerechtigkeit sein Leben befestigen.
Es durfte keinen Aufschub mehr geben. Der Tag des Verderbens war bereits gekommen. Israels Becher der Ungerechtigkeit war voll; der Baum seines Stolzes hatte geblüht und geknospt; die Stunde, in der Gott mit ihnen wegen all ihrer mannigfaltigen Missetaten verfahren würde, war gekommen. Die Heere der Chaldäer waren über das Land hergefallen. Jerusalem wurde bereits belagert. Weil sich die Gewalt auf Seiten Israels zu einer Rute der Bosheit entwickelt hatte, sollte mit ihnen mit Gewalt verfahren werden. Die Zeit war gekommen, der Tag war nahe. Es war zu spät für Käufer, um sich zu freuen, oder für Verkäufer, um zu trauern: Der Zorn Gottes war bereits über die Menge ausgegossen worden. Der Handel würde ein Ende haben; Kaufen und Verkaufen würde keinen Platz mehr haben, und das ganze Land sollte der Verwüstung preisgegeben werden.
Verse 14-19
In den folgenden Versen beschreibt der Prophet anschaulich die Belagerung Jerusalems:
Hes 7,14-19: 14 Man stößt ins Horn und macht alles bereit, aber niemand zieht in den Kampf; denn meine Zornglut kommt über seine ganze Menge. 15 Das Schwert ist draußen und die Pest und der Hunger drinnen. Wer auf dem Feld ist, wird durchs Schwert sterben; und wer in der Stadt ist, den werden Hunger und Pest verzehren. 16 Und wenn Entronnene von ihnen entrinnen, so werden sie auf den Bergen sein wie die Tauben der Täler, alle girrend, jeder wegen seiner Ungerechtigkeit. 17 Alle Hände werden erschlaffen, und alle Knie werden zerfließen wie Wasser. 18 Und sie werden sich Sacktuch umgürten, und Schauder wird sie bedecken, und auf allen Angesichtern wird Scham sein und Kahlheit auf allen ihren Häuptern. 19 Ihr Silber werden sie auf die Gassen werfen, und ihr Gold wird als Unflat gelten; ihr Silber und ihr Gold wird sie nicht erretten können am Tag des Grimmes des HERRN; ihren Hunger werden sie damit nicht stillen und ihren Bauch damit nicht füllen. Denn es ist ein Anstoß zu ihrer Ungerechtigkeit gewesen.
Die Trompeten hatten zur Verteidigung der Stadt geblasen. Alle wurden aufgerufen, sich bereitzumachen, aber keiner wagte es, in die Schlacht zu ziehen. Überall außerhalb der Mauern waren die Truppen des Feindes zu sehen. Wegen der Härte der Belagerung herrschten in der Stadt Seuchen und Hungersnot. Diejenigen, die sich auf dem Feld befanden, wurden dem Tod durch das Schwert überlassen; diejenigen, die sich in der Stadt befanden, waren dem Tod durch die dort herrschenden Bedingungen ausgesetzt. Einige wenige konnten zwar entkommen, aber sie sollten wie trauernde Tauben auf die zerstörte Stadt herabblicken. Alle Hände wären kraftlos, alle Knie würden zerfließen wie Wasser. Es gab keine Kraft, die Juda befähigen könnte, gegen seine grausamen Feinde zu bestehen. Obwohl sie trauerten und sich mit Sacktüchern umgürteten und das Grauen ihre Seelen beherrschte, gab es keine Hoffnung. Sie hatten gesündigt, bis Gott ihren Schrei nicht mehr hören wollte. Ihr Silber und ihr Gold, die sie gehortet hatten, konnten sie am Tag des göttlichen Zorns nicht mehr retten. Alles war zu Ende. Jerusalem war dem Untergang geweiht; Palästina sollte in die Hand des Feindes gegeben werden.
Verse 20-27
Hes 7,20-27: 20 Und seinen zierenden Schmuck, zum Stolz hat man ihn gebraucht, und ihre Gräuelbilder, ihre Scheusale, haben sie daraus angefertigt; darum habe ich ihn ihnen zum Unflat gemacht. 21 Und ich will ihn der Hand der Fremden zur Beute geben und den Gottlosen der Erde zum Raub, dass sie ihn entweihen. 22 Und ich werde mein Angesicht von ihnen abwenden, dass sie meine verborgene Stätte entweihen; und Gewalttätige werden in sie eindringen und sie entweihen. 23 Fertige die Kette an! Denn das Land ist voll Blutschuld und die Stadt voll Gewalttat. 24 Und ich werde die bösesten der Nationen kommen lassen, dass sie ihre Häuser in Besitz nehmen; und ich werde dem Stolz der Starken ein Ende machen, dass ihre Heiligtümer entweiht werden. 25 Schrecken kommt; und sie werden Frieden suchen, aber da ist keiner. 26 Verderben auf Verderben wird kommen, und Gerücht auf Gerücht wird entstehen. Und sie werden von Propheten Gesichte suchen; aber das Gesetz wird dem Priester entschwinden und den Ältesten der Rat. 27 Der König wird trauern, und der Fürst wird sich in Entsetzen kleiden, und die Hände des Volkes des Landes werden zittern. Nach ihren Wegen will ich mit ihnen handeln, und mit ihren Rechten will ich sie richten, und sie werden wissen, dass ich der HERR bin.
Beim Lesen dieser Worte können wir die Traurigkeit und die Hoffnungslosigkeit spüren, die sie beschreiben. Wegen des Götzendienstes und der abscheulichen Dinge, die damit verbunden waren, hatte der HERR sein Angesicht gegen sein Volk gerichtet und seine Städte und sein Land in die Hände von Fremden zur Beute gegeben. Diese waren zwar die Bösen der Erde und möglicherweise genauso abscheulich oder noch abscheulicher, als es Juda geworden war, aber der Unterschied bestand darin, dass die Chaldäer ein heidnisches Volk waren, das nie in einer Bundesbeziehung zu Gott gestanden hatte; das Volk Juda war jedoch für Ihn abgesondert. Er hatte ihnen sein Gesetz gegeben, Er hatte ihnen sein Wort gegeben, aber sie hatten sich gegen Ihn aufgelehnt; deshalb würde Er sogar die bösartigsten der Nationen benutzen, um sie zu züchtigen. Er würde sein Angesicht gegen sie richten und den Räubern erlauben, in das Land einzudringen und es zu verunreinigen.
Die Aussage „Fertige die Kette an!“ deutet auf die Gefangenschaft hin, in die Tausende gehen sollten, gebunden mit den Ketten ihrer eigenen Sünden. Sie sollten in realen Ketten in die Hand des Feindes übergeben werden. Schließlich würden die schlimmsten Heiden das Land in Besitz nehmen, und alle heiligen Stätten würden entweiht werden.
Einige sehen in Hesekiel 7,24 eine Prophezeiung über die Eroberung Palästinas durch islamische Mächte, die es etwa zwölf Jahrhunderte lang kontrollierten und beherrschten, bis Edmund Allenby [1861–1936] in Jerusalem einzog und die Türken verdrängte.
Vergeblich sollten sie nach Frieden suchen, denn sie hatten sich von dem Einzigen abgewandt, der Frieden geben kann. Deshalb sollte Unheil über sie kommen; ein verstörendes Gerücht nach dem anderen sollte sie beunruhigen. Sollten sie in ihrer Not eine Vision des Propheten erbitten, würde es keine Antwort geben. Das Gesetz sollte vom Priester und der Rat von den Ältesten verschwinden. König Zedekia, der wankelmütig, betrügerisch und heuchlerisch war, sollte trauern; die Führer sollten in Verwüstung gestürzt werden, und die Hände des Volkes sollten in Bedrängnis geraten. Gott verkündete: „Nach ihren Wegen will ich mit ihnen handeln, und mit ihren Rechten will ich sie richten.“ Sie sollten wissen, dass es der HERR war, der sie bedrängte, als all diese Dinge erfüllt wurden.
Wenn wir über die Tage Nebukadnezars hinausblicken, können wir natürlich auch in diesem Kapitel eine Darstellung der Schrecken der großen Drangsal erkennen. Dennoch ist diese durchaus legitime Anwendung zweitrangig. Denn die eigentliche Erfüllung hatte mit der Belagerung und Einnahme der Stadt durch die chaldäischen Heere zu tun.
Lasst uns, die wir zu den Nationen gehören, nicht mit Verachtung auf die Juden blicken wegen ihrer Gottvergessenheit und der schlimmen Folgen, die daraus folgten. Auch wir haben uns als Volk der uns verliehenen Vorrechte als völlig unwürdig erwiesen. Zu gegebener Zeit wird auch die Christenheit wegen ihres Glaubensabfalls und ihrer Rebellion vom Herrn verworfen werden.
Originaltitel: „Chapter Seven: The End Is Come“
in Expository Notes on Ezekiel, 1949
Quelle: https://plymouthbrethren.org
Übersetzung: Samuel Ackermann