Der Prophet Hesekiel (11)
Kapitel 11

Henry Allen Ironside

© SoundWords, online seit: 15.05.2025, aktualisiert: 16.05.2025

Das Ende der Vision

Das elfte Kapitel enthält den letzten Teil der bemerkenswerten Vision, die Hesekiel im sechsten Jahr hatte (Hes 8,1). Der Prophet spricht immer noch von dem, was er sah, als er durch den Geist die Zustände in Jerusalem und die Haltung Gottes ihnen gegenüber erkennen konnte. Der HERR ließ ihn diese Dinge wissen, damit Hesekiel den Weggeführten ins Gewissen reden konnte, wie wichtig es sei, dem Wort des HERRN zu gehorchen, das durch Jeremia, einen Prophetenbruder, geredet worden war: Die Weggeführten sollten sich in den Ländern niederlassen, in die sie von ihren Eroberern gebracht worden waren, und sollten Häuser bauen und Weinberge pflanzen und sich darauf vorbereiten, mindestens siebzig Jahre lang im Land der Fremden zu bleiben; während dieser Zeit konnte das Land „Sabbat halten“.

Viele widersetzten sich diesem Gebot. Sie glaubten, der HERR werde eingreifen und ihnen die Rückkehr nach Palästina ermöglichen. Es waren falsche Propheten aufgestanden, die sie in dieser Erwartung ermutigten. Gegen diese Männer richteten sich viele von Hesekiels Botschaften.

Vers 1

Hes 11,1: Und der Geist hob mich empor und brachte mich zum östlichen Tor des Hauses des HERRN, das nach Osten sieht. Und siehe, am Eingang des Tores waren fünfundzwanzig Männer; und ich sah in ihrer Mitte Jaasanja, den Sohn Asurs, und Pelatja, den Sohn Benajas, die Fürsten des Volkes.

Im Geist wurde Hesekiel noch einmal zum Osttor des Tempelhofs geführt. Dort, an der Tür des Tores, sah er fünfundzwanzig Männer, Fürsten Israels, die die Haltung des Volkes gegenüber Gott darstellten. Zwei von ihnen werden namentlich erwähnt: Jaasanja, der Sohn Asurs, und Pelatja, der Sohn Benajas. Es liegt auf der Hand, dass diese beiden einen besonderen Einfluss auf das Volk gehabt haben müssen und deshalb in dieser Weise hervorgehoben werden.

Vers 2

Hes 11,2: Und er sprach zu mir: Menschensohn, das sind die Männer, die Unheil sinnen und bösen Rat erteilen in dieser Stadt, …

Jerusalem wurde von den Heeren der Chaldäer belagert. Durch den Mund Jeremias hatte Gott ihnen geraten, sich den Forderungen des Feindes zu ergeben. Er hatte verheißen, dass diejenigen, die sich freiwillig ergaben, zwar in die Gefangenschaft gehen, jedoch am Leben bleiben würden. Der Rest – diejenigen, die sich weigerten zu gehorchen – würde völlig vernichtet werden als Folge davon, dass sie jenen Anführern vertrauten, die sich dem Wort des HERRN widersetzten und den Rat Jeremias verspotteten.[1]

Verse 3-4

Hes 11,3: … die sprechen: Es ist nicht an der Zeit, Häuser zu bauen; sie ist der Topf, und wir sind das Fleisch.

Sie bestanden darauf, dass dies nicht die Zeit sei, um Häuser zu bauen – das heißt in den Ländern ihrer Gefangenschaft –, und riefen spöttisch aus: „Sie [die Stadt] ist der Topf, und wir sind das Fleisch“, das heißt, sie erkannten die Tatsache, dass Jerusalem wie ein Topf war mit einem loderndem Feuer darunter und darüber und sie wie das Fleisch darin. Dennoch predigten sie „Friede, Friede“, obwohl es keinen Friede gab, und versicherten dem Volk, dass sich die chaldäischen Heere bald von Jerusalem abwenden würden und dass die heilige Stadt vor dem Gericht bewahrt werden würde.

Hes 11,4: Darum weissage gegen sie; weissage, Menschensohn!

Als Reaktion auf ihre optimistischen Prophezeiungen sprach Gott erneut durch Hesekiel.

Verse 5-12

Hes 11,5-12: 5 Und der Geist des HERRN fiel auf mich und sprach zu mir: Sprich: So spricht der HERR: So sprecht ihr, Haus Israel; und was in eurem Geist aufsteigt, das weiß ich. 6 Ihr habt eure Erschlagenen zahlreich gemacht in dieser Stadt und ihre Straßen mit Erschlagenen gefüllt. 7 Darum, so spricht der Herr, HERR: Eure Erschlagenen, die ihr in ihrer Mitte hingestreckt habt, die sind das Fleisch, und sie ist der Topf; euch aber wird man aus ihrer Mitte hinausführen. 8 Ihr fürchtet das Schwert; und das Schwert werde ich über euch bringen, spricht der Herr, HERR. 9 Und ich werde euch aus ihrer Mitte hinausführen und euch in die Hand der Fremden geben und werde Gerichte an euch üben. 10 Durchs Schwert sollt ihr fallen; an der Grenze Israels werde ich euch richten. Und ihr werdet wissen, dass ich der HERR bin. 11 Sie wird euch nicht der Topf, und ihr werdet in ihrer Mitte nicht das Fleisch sein; an der Grenze Israels werde ich euch richten. 12 Und ihr werdet wissen, dass ich der HERR bin, ich, in dessen Satzungen ihr nicht gewandelt seid und dessen Rechte ihr nicht getan habt; sondern ihr habt nach den Rechten der Nationen getan, die rings um euch her sind.

Er, der alles weiß, hörte nicht nur die Worte jener Führer, sondern kannte auch die Gedanken, die in ihren Herzen waren. So verkündet Er: „So sprecht ihr, Haus Israel; und was in eurem Geist aufsteigt, das weiß ich.“ Es waren immer mehr Erschlagene in der Stadt und die Straßen waren voll von Leichen. Das war in der Tat das „Fleisch“, und die Stadt war wirklich ein „Topf“. Und gemäß dem Wort,  das der HERR durch seine Propheten geredet hatte, würde Jerusalem vom Feind eingenommen werden. Diejenigen, die nicht getötet worden waren, würden aus der Stadt hinausgeführt und in die Hände von Fremden gegeben werden, die Gottes Werkzeuge sein würden, um das Gericht über die Einwohner Jerusalems zu vollstrecken. Eine Flucht wäre unmöglich. So sehr sie sich auch bemühen würden, sie könnten sich nicht von ihren grausamen Feinden befreien. Sie würden im ganzen Land dem Gericht ausgeliefert sein, und sie würden wissen, dass der HERR gesprochen hatte, wenn sich diese Dinge erfüllen. Nicht nur in Jerusalem, sondern auch im ganzen Land Israel würden sie die Rache der Chaldäer zu spüren bekommen, die umso heftiger ausfallen würde, je länger die Belagerung der Stadt andauern würde. Israel hatte keinen Anspruch darauf, Gott um Hilfe zu bitten, denn sie hatten nicht in seinen Satzungen gewandelt und seine Gebote nicht befolgt, sondern hatten sich nach den Wegen der um sie herum lebenden Heiden gerichtet.

Verse 13-16

Hes 11,13: Und es geschah, als ich weissagte, da starb Pelatja, der Sohn Benajas. Und ich fiel nieder auf mein Angesicht und schrie mit lauter Stimme und sprach: Ach, Herr, HERR! Willst du dem Überrest Israels den Garaus machen?

Während diese Worte noch in Hesekiels Mund waren, sah er in der Vision Pelatja tot umfallen. Offensichtlich geschah dies tatsächlich zu dieser Zeit in Jerusalem. Von der beginnenden Erfüllung seiner Worte zutiefst erschüttert, fiel er auf sein Angesicht und beklagte sich vor Gott und sagte: „Ach, Herr, HERR! Willst du dem Überrest Israels den Garaus machen?“

Der HERR antwortete, indem Er die Liebe seines Herzens zu seinem irrenden Volk offenbarte. Er versprach, allen, die sich Ihm zuwandten, in Gnade zu begegnen, sogar im Land ihrer Gefangenschaft. Dagegen sollte das Gericht über diejenigen, die sich weigerten, auf seine Stimme zu hören, seinen Lauf nehmen.

Hes 11,14-16: 14 Und das Wort des HERRN erging an mich, indem er sprach: 15 Menschensohn, deine Brüder, deine Brüder, die Männer deiner Verwandtschaft, sind es und das ganze Haus Israel insgesamt, zu denen die Bewohner von Jerusalem sprechen: Bleibt fern von dem HERRN; uns ist das Land zum Besitztum gegeben! 16 Darum sprich: So spricht der Herr, HERR: Obgleich ich sie unter die Nationen entfernt und obgleich ich sie in die Länder zerstreut habe, so bin ich ihnen doch ein wenig zum Heiligtum geworden in den Ländern, wohin sie gekommen sind.

Die Worte des HERRN richteten sich, wie zuvor, an Hesekiel als „Menschensohn“. Seine eigenen Verwandten gehörten zu denen, die sich gegen den HERRN aufgelehnt hatten, und waren zusammen mit anderen weit weg unter die Nationen verschleppt worden. Aber Gott würde nie diejenigen vergessen, die sich im Land ihrer Gefangenschaft Ihm zuwandten. Er sprach: „So bin ich ihnen doch ein wenig zum Heiligtum geworden in den Ländern, wohin sie gekommen sind.“ Der Tempel mochte zerstört werden. Kein Ort auf Erden würde mehr als derjenige bezeichnet werden, mit dem der HERR seinen Namen verbunden hatte. Und doch würde keine Seele Ihn jemals vergeblich suchen. In welcher Lage sein Volk sich auch befände – wenn es sich von ganzem Herzen Ihm zuwandte, würde Er sich ihnen offenbaren und selbst ein Heiligtum für sie sein. Außerdem wird Er zu gegebener Zeit einen Überrest seines Volkes in ihr Land zurückführen.

Verse 17-20

Man beachte die eindeutige Verheißung:

Hes 11,17-18: 17 Darum sprich: So spricht der Herr, HERR: Ja, ich werde euch aus den Völkern sammeln und euch zusammenbringen aus den Ländern, in die ihr zerstreut worden seid, und werde euch das Land Israel geben. 18 Und sie werden dorthin kommen und alle seine Scheusale und alle seine Gräuel daraus entfernen.

Wenn dieser Tag kommt, wird der Überrest von Gott als Nation angenommen und wiederhergestellt werden. Er sagt:

Hes 11,19-20: 19 Und ich werde ihnen ein Herz geben und werde einen neuen Geist in euer Inneres geben. Und ich werde das steinerne Herz aus ihrem Fleisch wegnehmen und ihnen ein fleischernes Herz geben, 20 damit sie in meinen Satzungen wandeln und meine Rechte bewahren und sie tun; und sie werden mein Volk, und ich werde ihr Gott sein.

Diese Verheißung hat sich noch nicht erfüllt. Die gegenwärtige Rückkehr vieler Juden nach Palästina, während sie noch ungläubig sind, ist in gewissem Sinne eine Teilerfüllung dieser Prophezeiung; sie ist zweifellos eine Vorbereitung auf die eigentliche Erfüllung. Aber wenn die eigentliche Erfüllung eintritt, wird das Volk selbst zum Herrn zurückkehren; es wird seine Sünden verurteilen und sich vor Gott beugen und seine Schuld bekennen, auch die Schuld, die, wie wir heute wissen, in der Verwerfung ihres verheißenen Messias besteht; und wenn sie so im Herzen zu Gott zurückkehren, wird Er sie wieder im Land ansiedeln und ihnen durch eine zweite Geburt eine neue Natur geben, so wie Er es jetzt mit allen Menschen tut, die sich dem Herrn Jesus Christus zuwenden, um erlöst zu werden.

Vers 21

Hes 11,21: Deren Herz aber ihren Scheusalen und ihren Gräueln nachwandelt, denen will ich ihren Weg auf ihren Kopf bringen, spricht der Herr, HERR.

Aber wenn sie kommen, wird es keinen Segen geben für die, die auf dem Weg des Eigenwillens beharren und hartnäckig in ihren Sünden wandeln. Das Wort des Herrn lautet: „Denen will ich ihren Weg auf ihren Kopf bringen.“

Verse 22-23

Hes 11,22-23: 22 Und die Cherubim erhoben ihre Flügel, und die Räder waren neben ihnen; und die Herrlichkeit des Gottes Israels war oben über ihnen. 23 Und die Herrlichkeit des HERRN erhob sich aus der Mitte der Stadt und stellte sich auf den Berg, der im Osten der Stadt ist.

Als die Vision zu ihrem Ende kam und Hesekiel sah, wie die Cherubim ihre Flügel erhoben und die Räder der Regierung neben ihnen standen, sah er die Herrlichkeit des Gottes Israels über ihnen. Es war offensichtlich, dass Gott noch immer in seiner Barmherzigkeit verweilte – auch wenn diese Barmherzigkeit verachtet wurde –, denn die Herrlichkeit des HERRN stieg aus der Mitte empor und stand dann auf dem Berg, der sich an der Ostseite der Stadt befindet. Das ist die Herrlichkeit der Schechina, die zwischen den Cherubim im Allerheiligsten gewohnt hatte. Nun stand sie auf dem Ölberg, dem Ort, an dem der Herr Jesus selbst stehen sollte, bevor Er in den Himmel auffuhr. Das Letzte, was der Prophet in dieser Vision von der Herrlichkeit sah, war, dass die Schechina immer noch auf dem Gipfel des Berges wartete, als ob Gott sein Volk nur widerstrebend verlassen wollte, obwohl es sich als so ungehorsam und hartherzig erwiesen hatte.

Verse 24-25

Hes 11,24-25: 24 Und der Geist hob mich empor und brachte mich im Gesicht durch den Geist Gottes zu den Weggeführten nach Chaldäa; und das Gesicht, das ich gesehen hatte, hob sich von mir weg. 25 Und ich redete zu den Weggeführten alle Worte des HERRN, die er mich hatte sehen lassen.

Als die Vision vorüberging, öffnete Hesekiel seine Augen und fand sich im Land Chaldäa an den Ufern des Kebar wieder, wo eine Gruppe von Gefangenen um ihn versammelt war, denen er alles erzählte, was er gesehen und gehört hatte.


Originaltitel: „Chapter 11: The End of the Vision
in Expository Notes on Ezekiel, 1949. 
Quelle: www.bibletruthpublishers.com

Übersetzung: Samuel Ackermann

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Anmerkungen

[1] Anm. d. Red.: Ironside schreibt: By the mouth of Jeremiah God had counseled capitulation to the demands of the foe, and had promised that those who willingly gave themselves up would go into captivity, but that their lives would be preserved; whereas the rest – those who refused to obey – would be utterly destroyed by these leaders opposing the word of the Lord and ridiculing the counsel given by Jeremiah.


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