Der Prophet Hesekiel (6)
Kapitel 6

Henry Allen Ironside

© SoundWords, online seit: 15.11.2024

Das über Israel verkündete Gericht

Nach langer Geduld und vielen Ermahnungen war Gott schließlich an einen Punkt gelangt, an dem Er Israel nicht mehr rechtmäßig als sein eigenes Volk anerkennen konnte. Hosea erklärt, dass sie von nun an bis zur Zeit ihrer zukünftigen Wiederherstellung „Lo-Ammi“ sein sollen, das heißt „Nicht-mein-Volk“.[1] So war ihr Zustand während der letzten 250 Jahre, und so wird er es sein bis zu jenem großen Tag, an dem sie auf den blicken werden, den sie durchbohrt haben, und an dem sie über Ihn „wehklagen gleich der Wehklage über den einzigen Sohn und bitterlich über ihn Leid tragen, wie man bitterlich über den Erstgeborenen Leid trägt“ (Sach 12,10).

Verse 1-7

In den ersten sieben Versen finden wir die Botschaft des HERRN, dass Er Israel wegen seines Verharrens in der Sünde verstoßen wird:

Hes 6,1-7: 1 Und das Wort des HERRN erging an mich, indem er sprach: 2 Menschensohn, richte dein Angesicht gegen die Berge Israels und weissage über sie 3 und sprich: Berge Israels, hört das Wort des Herrn, HERRN! So spricht der Herr, HERR, zu den Bergen und zu den Hügeln, zu den Tälern und zu den Gründen: Siehe, ich bringe das Schwert über euch und werde eure Höhen zerstören; 4 und eure Altäre sollen verwüstet und eure Sonnensäulen zerbrochen werden. Und ich werde eure Erschlagenen vor eure Götzen hinwerfen; 5 und die Leichname der Kinder Israel werde ich vor ihre Götzen hinlegen und eure Gebeine rings um eure Altäre streuen. 6 In allen euren Wohnsitzen sollen die Städte verödet und die Höhen verwüstet werden, damit eure Altäre verödet und wüst und eure Götzen zerbrochen und vernichtet und eure Sonnensäulen umgehauen und eure Machwerke vertilgt werden; 7 und Erschlagene sollen in eurer Mitte fallen. Und ihr werdet wissen, dass ich der HERR bin.

Als die zwölf Stämme zum ersten Mal das Land Kanaan betraten, versprach Gott ihnen verschiedenste irdische Segnungen, solange sie im Gehorsam gegenüber seinem Wort wandelten. Das Land selbst sollte jeden Beweis für sein Wohlgefallen liefern. Es sollte fruchtbar sein, und zwar in Hülle und Fülle, so dass sich ihre Schafe und Rinder vermehren und sie selbst gesund bleiben würden. Sie würden so stark sein, dass kein Feind gegen sie bestehen könnte. Aber jetzt war alles anders. Sie hatten gesündigt, bis es keine Wiederherstellung mehr gab, und so befahl Gott dem Hesekiel, sein Angesicht auf die Berge Israels zu richten und zu ihnen zu sprechen bzw. gegen sie zu prophezeien. Er wendet sich direkt an die Berge und die Hügel, die Wasserläufe und die Täler. Das Land selbst sollte das Ziel des Missfallens des HERRN sein, und das ist es seither durch die Jahrhunderte hindurch gewesen. Das Volk sollte zerstreut und das Land verödet werden.

Gott erklärte, dass Er selbst das Schwert über sie bringen würde – in diesem Fall das Schwert Nebukadnezars und seines chaldäischen Heeres. Er erklärte, Er würde die Stätten zerstören, an denen sie ihre Götzen verehrten, und ihre Altäre und Bilder umstürzen; und diejenigen, die ihnen gedient hatten, würden niedergeworfen und vor diesen Darstellungen ihrer falschen Götter erschlagen werden. Viele würden nicht einmal begraben werden, sondern ihre Gebeine würden um die Altäre herum verstreut werden, auf denen sie den Dämonen geopfert hatten. Ihre Städte würden in Schutt und Asche gelegt, ihre Heiligtümer der Verwüstung preisgegeben, und die Götzen, auf die sie vertrauten, würden völlig zerstört um deren Machtlosigkeit zu beweisen. Kein Arm würde ausgestreckt werden, um Israel vor seinen grausamen Feinden zu retten, sondern die Erschlagenen sollten überall im Land zu finden sein.

Verse 8-10

Obwohl das Gericht auf diese Weise vollstreckt werden sollte, konnte Gott seinen Bund mit Abraham nicht vergessen, egal, wie böse das Volk geworden war oder wie völlig entartet und undankbar es war. Er hatte verheißen, dass Abrahams Same das Land erben sollte, und sein Wort muss Bestand haben; deshalb spricht Er als Nächstes von einem Überrest, der schließlich dem Schwert entrinnen wird:

Hes 6,8-10: 8 Doch ich will einen Überrest lassen, indem ihr unter den Nationen solche haben werdet, die dem Schwert entronnen sind, wenn ihr in die Länder zerstreut seid. 9 Und eure Entronnenen werden sich an mich erinnern unter den Nationen, wohin sie gefangen weggeführt sind, wenn ich mir ihr hurerisches Herz, das von mir abgewichen ist, und ihre Augen, die ihren Götzen nachhurten, zerschlagen haben werde; und sie werden an sich selbst Ekel empfinden wegen der bösen Taten, die sie begangen haben nach allen ihren Gräueln. 10 Und sie werden wissen, dass ich der HERR bin. Nicht umsonst habe ich geredet, dass ich ihnen dieses Übel tun würde.

Dieser Überrest erscheint an vielen Stellen in den prophetischen Schriften. Sogar in der heutigen Zeit sagt uns Paulus: „So besteht nun auch in der jetzigen Zeit ein Überrest nach Auswahl der Gnade“ (Röm 11,5). Das heißt: Während der ganzen christlichen Haushaltung hat es bereits viele Juden gegeben, die den Herrn Jesus Christus angenommen und ihren Glauben durch ein frommes und hingebungsvolles Leben bezeugt haben. Es ist wahr, dass der großen Masse von Israel teilweise Verstockung widerfahren ist, bis die Vollzahl der Nationen eingegangen sein wird [Röm 11,25]. Aber wenn Gottes gegenwärtiges Gnadenwerk unter den Nationen vollendet ist und die Gemeinde ihr Zeugnis in dieser Welt vollendet hat, wird Gott sich wieder Israel zuwenden und aus ihnen einen Überrest erretten. Dieser wird den Kern des neuen, erneuerten Israels in den Tagen des Königreiches bilden.

Der Überrest, auf den hier Bezug genommen wird, hat jedoch mit denjenigen in Israel zu tun, die sich in den Jahren zwischen der Zerstreuung und der Kreuzigung unseres Herrn Jesus Christus in Buße Gott zuwandten und versuchten, Ihn zu ehren und zu verherrlichen, selbst in der Zeit, als Er sein Gericht an der Nation vollzog. Von ihnen sagte Gott: „Ich will einen Überrest lassen, indem ihr unter den Nationen solche haben werdet, die dem Schwert entronnen sind, wenn ihr in die Länder zerstreut seid.“ Diese Verborgenen – „die Stillen im Land“ (Ps 35,20), wie David sie nennt – würden weiterhin ein Zeugnis für Gott ablegen. Dieser Überrest würde sich unter den Nationen befinden, in die sie in Gefangenschaft verschleppt werden sollten, und sie würden erkennen, dass das Gericht über Israel wegen seiner Abkehr von Gott und wegen seines Götzendienstes gefallen war. Sie würden sich für die begangenen Übel verachten und Reue gegenüber Gott zeigen, sowohl in Bezug auf sich selbst als auch ihr Volk. Von ihnen lesen wir: „Sie werden wissen, dass ich der HERR bin.“ Und sie werden erkennen, dass Er nicht umsonst gesagt hatte, dass Er Unheil über das Volk bringen würde.

Die Zustände waren so, dass niemand, der von Gott belehrt worden war, tatenlos oder mit Gleichgültigkeit zusehen konnte. Hesekiel selbst war aufgerufen, sich aktiv gegen das Übel zu stellen.

Verse 11-14

Hes 6,11-14: 11 So spricht der Herr, HERR: Schlage in deine Hand und stampfe mit deinem Fuß und sprich: Wehe über alle bösen Gräuel des Hauses Israel! Denn sie müssen fallen durch Schwert, durch Hunger und durch Pest! 12 Wer fern ist, wird an der Pest sterben, und wer nahe ist, wird durch das Schwert fallen, und wer übrig geblieben und bewahrt worden ist, wird vor Hunger sterben; und ich werde meinen Grimm an ihnen vollenden. 13 Und ihr werdet wissen, dass ich der HERR bin, wenn ihre Erschlagenen mitten unter ihren Götzen sein werden, um ihre Altäre her, auf jedem hohen Hügel, auf allen Gipfeln der Berge und unter jedem grünen Baum und unter jeder dicht belaubten Terebinthe, an den Orten, wo sie allen ihren Götzen lieblichen Geruch dargebracht haben. 14 Und ich werde meine Hand gegen sie ausstrecken und das Land zur Wüste und Verwüstung machen, mehr als die Wüste Diblat, in allen ihren Wohnsitzen. Und sie werden wissen, dass ich der HERR bin.

Man beachte die auffällige Art und Weise, wie der HERR zu seinem Knecht spricht und ihm befiehlt, in die Hand zu schlagen und mit dem Fuß zu stampfen, während er laut gegen die Gräuel des Hauses Israel schreit. Die Umstände der damaligen Zeit erforderten eine energische Anklage, um schlafende Gewissen zu wecken. Wegen ihrer Sünde und ihrer Weigerung, Buße zu tun, erklärte Gott, dass sie durch das Schwert, den Hunger und die Pest fallen sollten. Ob nah oder fern, es würde kein Entkommen vor der rächenden Hand des Gottes geben, dessen Gebote sie verschmäht und dessen Güte sie mit Füßen getreten hatten. Ganz gleich, was sie taten, sie konnten den von der Vorsehung angeordneten Gerichten nicht entgehen.

Wenn sich all diese schrecklichen Prophezeiungen erfüllten, würden sie erkennen, dass derjenige, dessen Zeugnisse sie sich geweigert hatten zu befolgen, tatsächlich der eine wahre und lebendige Gott war. Sie hatten sich von Ihm abgewandt und sich Götzen zugewandt, die weder sehen noch hören noch sprechen noch ihnen in irgendeiner Weise helfen konnten, als die Verwüstung über das Land kam. Sie, die sich so vieler Beweise der göttlichen Gunst erfreut hatten, sollten sehen, dass ihr Land wie eine Wüste wurde. Sie sollten wissen, dass der, der bei ihnen wohnte, der HERR war, der Ewige, der aus sich selbst heraus existierte.


Originaltitel: „Chapter Six: Judgment Pronounced On Israel“
in Expository Notes on Ezekiel, 1949
Quelle: https://plymouthbrethren.org

Übersetzung: Samuel Ackermann

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Anmerkungen

[1] Anm. d. Red.: Siehe dazu die Anmerkungen von Ironside zu Hosea 1 auf SoundWords.


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