Das Evangelium des Paulus (4)
Der Auftrag des Paulus

Roy A. Huebner

© SoundWords, online seit: 07.02.2007, aktualisiert: 08.06.2023

Die Bekehrung des Paulus

Es ist nicht ohne Bedeutung, dass Gott Paulus errettete, als er auf einer Reise weg von Jerusalem war. Nicht nur war er nicht in Jerusalem, als der Herr ihn errettete; er bewegte sich auch von Jerusalem weg. Warum? Ich glaube, der Grund ist folgender:

  1. Paulus wurde nicht in den Segen eingeführt an dem Ort, wo die Zwölf waren, damit es keinen Grund zu der Annahme gab, dass er ihnen etwa untergeordnet wäre.
  2. Seine Mission war verschieden von der ihrigen und es sollte keine Verwechslung zwischen den zwei unterschiedlichen Missionen geben.

Und so finden wir Saulus, wie er sich von Jerusalem wegbewegt, als er Christus in der Herrlichkeit sah. Das letzte Jahr der Geduld mit Israel (Lk 13,6-9) war vorüber. Das letzte Zeugnis an die Nation als solche, repräsentiert durch das Synedrium (Apg 6,15), wurde durch Stephanus gegeben, der den Widerstand des Volkes gegen den Heiligen Geist {in der Vergangenheit} aufspürt und die Nation bezüglich derselben Sünde anklagt (Apg 7,51-53). Er hatte gesagt, dass der „Gott der Herrlichkeit“ dem Abraham erschienen war; und obwohl die in der Synagoge mit den Zähnen gegen ihn knirschten, lesen wir: „Als er aber, voll Heiligen Geistes, unverwandt gen Himmel schaute, sah er die Herrlichkeit Gottes und Jesus zur Rechten Gottes stehen.“ Dort war ein junger Mann, der auf die Kleider jener achtete, die Stephanus ermordeten (Apg 7,58). In der Entfaltung der Ratschlüsse der Zeitalter (Eph 3,11) wurde der Kleiderbewacher jener, die den Mann gesteinigt hatten, der den Herrn Jesus in der Herrlichkeit Gottes sah, niedergeworfen durch ein „Licht, das den Glanz der Sonne übertraf“ (Apg 26,13). In den Wegen Gottes markierte die Steinigung des Stephanus das Ende des Zeugnisses zu der Nation Israel als solche.

Dieses auserwählte Gefäß, Paulus (Apg 9,15), wurde nun hervorgebracht. Er empfing eine neue Mission, unterschieden von der Mission der Zwölf (Apg 9,15; 16; 26,14-19; Gal 1,11-24; Eph 3,1-13; Kol 1,24-29). Er predigte nichts, was dem widersprach, was die Zwölf predigten. 1. Korinther 15,10.11 beweist dies, aber es beweist nicht, dass er eine identische Mission mit den Zwölf hatte. 1. Korinther 15,10.11 bezieht sich auf 1. Korinther 15,3-5. Paulus lehrte dieselbe Wahrheit hinsichtlich des Todes, des Begräbnisses und der Auferstehung Christi, wie die anderen es taten. „Sei ich es nun, seien es jene, also predigen wir, und also habt ihr geglaubt.“ Allerdings zeigen die oben genannten Texte, dass er viel empfangen hatte, was über das hinausging, was sie gemeinsam predigten; und in der Tat war seine Mission anders.

Man kann es nicht überbetonen, wie wichtig es ist, dass wir ganz besonders und betont beeindruckt sind von dem unterschiedlichen Charakter der Mission des Paulus. Es ist wie ein Schock für viele, lernen zu müssen, dass Matthäus 28,19.20 nicht „die Marschrichtung der Kirche“ ist! Wir haben schon den Auftrag von Matthäus 28 betrachtet, aber wir wollen einen Punkt jetzt noch einmal betonen. Ein charakteristisches Merkmal des Auftrags von Matthäus 28 ist, „alle Nationen zu Jüngern zu machen“. Das geschieht dadurch,

  1. dass sie getauft werden,
  2. dass sie belehrt werden.

Wenn dies der Auftrag für die Kirche gewesen wäre, dann wäre es ein Auftrag für Paulus gewesen. Wenn das so wäre, dann wären seine Worte in 1. Korinther 1,17 eine ernste Abweichung von seiner Verantwortlichkeit, die er aus seinem Auftrag empfangen hätte, denn er sagt: „Ich bin nicht gesandt, zu taufen.“ Paulus wusste, was sein Auftrag war, aber wir haben es nötig, unsere Gedanken in Übereinstimmung mit dem Wort Gottes zu bringen und nicht umgekehrt. Aus 1. Korinther wird klar, dass Paulus den Auftrag von Matthäus 28 nicht als seinen Auftrag ansah.

Die Quelle des Auftrags des Paulus

Die Zwölf empfingen ihren Auftrag (Matthias indirekt) von dem Herrn, als Er hier war. Wir stellen fest, dass Paulus nicht die Eigenschaften von Apostelgeschichte 1,21.22 erfüllte, Matthias wohl. Die Wolke hatte den Herrn aufgenommen; das hatten die Zwölf gesehen. Paulus hatte den Herrn anders gesehen: Er sah Ihn auf der anderen Seite der Wolke, nämlich in der Herrlichkeit. Der verherrlichte Christus gab Paulus seinen Auftrag. Das ist ein Startpunkt, der völlig verschieden ist von dem, den die Zwölf hatten. Und der Startpunkt hat seinem ganzen Dienst den Charakter aufgestempelt. Andere, die über diesen Gegenstand geschrieben haben, haben gesagt:

Wir haben gesehen, dass die Errettung durch einen auferstandenen Heiland bekannt war und gekannt sein konnte, dass die Gläubigen ein Herz und eine Seele waren (durch den Heiligen Geist hier auf der Erde) und dass sie an den Tod Christi dachten durch das Brotbrechen (Apg 2,42-46; 4,32), während sie zugleich noch mit der Erde und den Tempelritualen verbunden waren (Apg 2,46; 3,1; 5,12). Ihre Hoffnung war völlig mit der Erde verbunden, wo sie die Wiederkunft ihres Herrn erwarteten (die Reihenfolge der Ereignisse wurde durch Paulus offenbart, z.B. in 1. Thessalonicher 4). Doch jetzt konnte diese (irdische) Hoffnung nicht länger angeboten werden, weil Christus von der Erde verworfen war. Da entfaltet Gott durch Christus die tiefen, vollen Ratschlüsse seines Herzens. Die Szene, wo all dieses entfaltet werden kann, ist die Herrlichkeit, in die Saulus von Tarsus nun eingeführt wird. Dass er nun Jesus in der Herrlichkeit sieht, ist der Ausgangspunkt und das Zentrum des Evangeliums, das ihm jetzt anvertraut wird.[1]

Manchmal versuchen wir die Art und Weise und die Wege seiner Gnade zu verstehen, ohne den einfachen Anfangspunkt des heutigen Evangeliums zu sehen. Christus, Gottes Sohn in Herrlichkeit, ist das Zentrum, in dem die Seele Ruhe finden kann, und wenn wir in dieser Grundlage und diesem Anfangspunkt unsere Ruhe gefunden haben, dann sind wir dafür vorbereitet, die Natur unserer Stellung vor Gott zu verstehen, so wie sie uns in den Briefen des Paulus entfaltet wird. … Deswegen ist es besonders wichtig, dass ich erkenne und der Seele zeige, dass Christus der einfache Gegenstand des Glaubens ist. Und ebenso wie Er in Herrlichkeit der Gegenstand meines Glaubens ist und Er, der sich dort befindet, mein Herz regiert, lerne ich, dass alles, womit ich zu tun habe, in Übereinstimmung mit Ihm sein muss, der die Grundlage aller meiner Segnungen ist.[2]

Jede Entwicklung muss notwendigerweise nicht nur Spuren ihres Ursprungs tragen, sondern die Natur jenes Ursprungs noch tiefer entfalten. Das gibt dieser Entwicklung erst ihren Charakter und Wert. Nun, jeder Punkt der Wahrheit, der von Paulus gezeigt oder gelehrt wird, trägt eindeutig diesen Stempel.[3]

Erlaubt mir, ein weiteres Wort oder auch zwei in Verbindung mit dem Evangelium des Paulus zu sagen. Er ist der Einzige, der sein Evangelium als das herrliche Evangelium charakterisiert. Und es ist nicht uninteressant, zu wissen, dass, wenn der Apostel diesen Ausdruck gebraucht, er dann „herrlich“ nicht nur so meint, wie wir das Wort normalerweise gebrauchen; er meint das Evangelium „der Herrlichkeit“. Und die wirkliche Aussagekraft dieses Ausdruckes ist diese: Es ist das Evangelium des verherrlichten Christus zur Rechten Gottes. Es ist die frohe Botschaft, dass wir einen Heiland haben, der auferstanden und verherrlicht ist. Wir sind berufen zu all den Auswirkungen seiner Herrlichkeit genauso wie zu denen seines Todes am Kreuz. Andere Apostel haben nie über den Gegenstand der Kirche, wie sie mit Christus einsgemacht ist, geschrieben; Paulus allein hat das getan. Wahrscheinlich war Paulus der Einzige, der in der Lage war, zu sagen: „Wenn jemand zu meinem Evangelium irgendetwas hinzufügt, er sei verflucht“ {vgl. Gal 1,9}. Obwohl Paulus etwas zu ihrem Evangelium hinzufügte, konnten sie zu seinem nichts hinzufügen. Die {zwölf} Apostel verkündigten Christus als den Messias und verkündigten Vergebung der Sünden durch seinen Namen; aber sie sprachen nicht von der himmlischen Herrlichkeit Christi, wie Paulus es tat. Er brachte alle diese Wahrheiten hervor und mehr, als sie jemals angesprochen haben. Das ist der Grund, warum er beständig von „meinem Evangelium“ spricht. Natürlich konnte es in Bezug auf die großen Wahrheiten des Evangeliums keinen Unterschied geben zwischen dem, was Paulus, und dem, was die anderen Apostel predigten; trotzdem gab es einen großen Fortschritt in dem, was Paulus darüber hinaus predigte. Es gibt nichts, was sich widerspricht; aber weil Paulus derjenige war, der nach der Himmelfahrt des Herrn berufen worden war, war er derjenige, der am besten geeignet war, etwas hinzuzufügen. Bis Paulus berufen worden war, gab es noch etwas, was zu der Summe der offenbarten Wahrheit hinzugefügt werden musste. In Kolosser 1,25 sagt er, dass er Diener Christi war, um das Wort Gottes zu vervollständigen und um eine bestimmte Lücke auszufüllen, die bisher noch nicht ausgefüllt worden war.[4]


Originaltitel: „Paul’s Commission“ 
aus Paul’s Gospel: The Gospel of the Glory and Grace
Present Truth Publishers, 1972

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Anmerkungen

[1] J.B. Stoney, „‚My Gospel‘“ in The Present Testimony, New Series, Jg. 1, 1867–8, S. 59–79 (hier: S. 69).

[2] J.B. Stoney, ebd., S. 71.

[3] „Paul’s Mission“ in A Voice to the Faithful, Jg. 3, 1869, S. 193–200 (hier: S. 197).

[4] W. Kelly, Lectures on the Epistle to the Galatians, S. 28–29.


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