Wozu christliche Schulen?

Jochen Klein

© J. Klein, online seit: 14.07.2010, aktualisiert: 23.10.2022

Wozu christliche Schulen?

An über 85 Orten in Deutschland gibt es mittlerweile (evangelikale) christliche Schulen, die von insgesamt ca. 30.000 Schülerinnen und Schülern besucht werden. Vielerorts werden sie stark nachgefragt und wachsen, so dass viel qualifiziertes Personal benötigt wird. Daher suchen christliche Schulen Lehrer und – wie staatliche Schulen auch – Quereinsteiger, also Menschen mit akademischem Abschluss, aber (noch) ohne pädagogische Ausbildung.

Über christliche Schulen existieren auch unter Gläubigen unterschiedliche Meinungen. Die einen begrüßen es, dass Kinder dort mehr mit gläubigen Gleichaltrigen zu tun haben und von Lehrern unterrichtet werden, die die Bibel als Maßstab haben. Andere dagegen meinen, dass auf christlichen Privatschulen eine gewisse „Elitebildung“ stattfinde, dass sich die Schüler geradezu in einem „frommen Ghetto“ befänden oder dass Kinder so durch die Schule müssten wie „Mose durch die Schule Ägyptens“.

Wie man zu christlichen Schulen steht, muss jeder, der damit konfrontiert wird, für sich selbst entscheiden – ob als potentieller Lehrer, Schüler oder als Eltern. In diesem Text sollen einige positive Gedankenanstöße dazu gegeben werden.

Menschenbilder in der Pädagogik

Zunächst muss festgehalten werden, dass jede Pädagogik von einem ihr zugrundeliegenden Menschenbild und einer dementsprechenden Ethik bestimmt ist. Es gibt keinen pädagogischen Ansatz, in dem nicht eine bestimmte Weltanschauung enthalten wäre. Eine wertfreie, neutrale Erziehung kann es also nicht geben. Christliche Erziehung muss immer beinhalten, dass die biblischen Maßstäbe und das biblische Menschenbild die Grundlage der Ausbildung der Kinder bilden. Die Wahrnehmung des biblischen Erziehungsauftrags bedeutet, die Kinder nicht nach einer anderen Weltanschauung wie zum Beispiel dem Humanismus erziehen zu lassen, sondern ihnen besonders in den für ihre Entwicklung entscheidenden Jahren die biblische Ethik zu vermitteln. Es macht einen erheblichen Unterschied, ob man in der Erziehung vom humanistischen Verständnis ausgeht, dass der Mensch im Grunde gut ist und seine positiven Anlagen nur noch entwickelt werden müssen, oder ob man damit rechnet, dass der Mensch ein fehlbarer Sünder ist.

Der heimliche Lehrplan

Kinder werden in der Schule nicht nur vom eigentlichen Lehrplan geprägt, der vorschreibt, welcher Stoff vermittelt werden soll. Mindestens ebenso prägend ist der sogenannte „heimliche“ Lehrplan: der Umgang zwischen Lehrern und Schülern und zwischen den Schülern untereinander. Viele Fragen, die zu diesem Bereich gehören, werden oft nicht theoretisch im Unterricht, sondern praktisch auf dem Schulhof beantwortet: vom Gesetz des Stärkeren. Mit dem zunehmenden Verfall christlicher Werte in unserer Gesellschaft und dem äußerst eingeschränkten Handlungsspielraum der Lehrer an staatlichen Schulen ist es oft nicht mehr möglich, zu einem positiven Miteinander, ja manchmal nicht einmal mehr zu einem geordneten Unterrichtsablauf zu kommen. Zudem haben Lehrer an staatlichen Schulen kaum die Möglichkeit, ihre Schüler ganzheitlich charakterlich zu erziehen und über die Unterrichtsstunden hinaus Einfluss auf den Umgang der Schüler miteinander zu nehmen – ganz abgesehen davon, dass Lehrer selbst die unterschiedlichsten Philosophien vertreten.

Im Gegensatz dazu steht der ganzheitliche Ansatz christlicher Schulen. Sie wollen nicht nur Wissen vermitteln und damit die aufklärerisch-humanistische Trennung von Lehre und Leben übernehmen, sondern bewusst eine ganzheitliche Erziehung anstreben, die das Vorbild der Lehrer mit einbezieht, da für jegliche Erziehung nach der Bibel das Vorbild von großer Bedeutung ist. So müssen auch die christlichen Lehrer sich ständig vom Wort Gottes erziehen lassen.

Ein wichtiger Aspekt dieser Erziehung ist es auch, den Schülern einen Rahmen des Schutzes vor Gewalt, Drogen usw. sowie der Geborgenheit zu bieten und auch ein Schulklima, in dem die Entwicklung einer charakterfesten Persönlichkeit möglich wird.

Christliche Kinder sind mit der Auseinandersetzung an staatlichen Schulen oft überfordert

Jeder Mensch, auch jeder Christ, muss sich mit den Problemen einer nichtchristlichen Umwelt auseinandersetzen, die Meinung anderer kennen und damit leben lernen, dass biblische Positionen oft nur die Meinung einer Minderheit darstellen. Die Frage ist nur, in welchem Alter diese Auseinandersetzung stattfinden soll. Muss oder kann ein Kind überhaupt in der Lage sein, in jungen Jahren diese Auseinandersetzung zu verstehen und durchzustehen? Kann es dann schon als vielleicht einziges Kind in seiner Klasse gegen den Widerstand und vielleicht Spott von 25 anderen Kindern für die christlichen Überzeugungen und Verhaltensweisen eintreten, die es zu Hause gelernt hat? Oder ist es mit der Vielfalt der negativen Einflüsse überfordert?

Sicher kann Gott überall bewahren, und eine gründliche Aufarbeitung des Erfahrenen zu Hause ist sehr hilfreich. Allerdings erwarten manche christlichen Eltern von ihren Kindern mehr Mut zum Bekennen und größere Reife zur Auseinandersetzung, als sie selbst haben. Kinder und Jugendliche brauchen zunächst Geborgenheit, liebevolle Führung, feste Fundamente und das Wissen, dass sie mit ihrer Weltanschauung nicht allein stehen, bevor sie sich mit Themen wie Bibelkritik, Evolutionstheorien, nichtchristlicher Sexualaufklärung oder Marxismus auseinandersetzen können. Der Wertepluralismus moderner Schulen, in denen die Existenzberechtigung einer christlichen Meinung überhaupt erst erstritten werden muss, verunsichert und verwirrt Kinder. Er hat häufig eher zur Folge, sich allem anzupassen, als eine selbständige Position zu beziehen.

Ein wichtiger Aspekt der Ausbildung an christlichen Schulen ist somit die kritische Auseinandersetzung mit Lehrmeinungen, Theorien und gesellschaftlichen Trends auf einem intellektuell anspruchsvollen Niveau (besonders in der gymnasialen Oberstufe). An staatlichen Schulen lässt sich zunehmend das Problem beobachten, dass die Behandlung kontroverser Themen auf die Meinung der Mehrheit eingeengt wird. Wichtige Fakten und Interpretationen, die dem zuwiderlaufen, lernen jugendliche Christen erst gar nicht kennen.

Einige Fakten

Für die Aufnahme an einer christlichen Schule gelten keine höheren Anforderungen als an öffentlichen Schulen. Das Schulgeld ist im Vergleich zu anderen Privatschulen niedrig und sozial gestaffelt. Die positiven Rahmenbedingungen an christlichen Schulen kommen auch vielen Kindern mit besonderen Lernschwierigkeiten zugute. So helfen christliche Schulen vielen, die mit Defiziten verschiedenster Art zu kämpfen haben.

Christliche Schulen vermitteln den Wissensstoff, der auch an staatlichen Schulen gelehrt wird. Wissen muss aber kritisch bewertet werden. Kinder müssen einen Maßstab erhalten, mit dessen Hilfe sie die Dinge nicht nur verstehen, sondern auch beurteilen können. Diese kritische Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Trends findet gerade im Unterricht christlicher Schulen statt. Außerdem ist der missionarische Aspekt bedeutsam: Viele Kinder und Eltern aus den verschiedensten gesellschaftlichen Gruppen lernen hier den christlichen Glauben erstmals wirklich kennen (der Anteil von Kindern ohne christlichen Hintergrund liegt oft bei 50 Prozent und mehr).

Um den Bedarf an Lehrkräften abdecken zu können, finden für Quereinsteiger mit akademischem Abschluss Weiterqualifizierungs-Programme statt (so z.B. an der August-Hermann-Francke-Schule in Gießen [www.ahfs-gi.de]). Hier wie an anderen Schulen stehen auch Plätze für das Freiwillige Soziale Jahr bereit.

Christliche Schulen in Deutschland sind eine gute Chance. Vielleicht lässt sich der eine oder andere Leser bewusst darauf ein, sich weiterqualifizieren zu lassen oder Lehramt zu studieren, um an einer solchen Schule tätig sein zu können. Denn was gibt es Wichtigeres, als der nächsten Generation biblische Inhalte und Maßstäbe zu vermitteln?


Quelle: www.jochenklein.de > Allgemeine Artikel > Aktuelle Themen

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