Gottes unaussprechliche Gabe (2)
Die Vortrefflichkeit der Gabe

Henry Allen Ironside

© SoundWords, online seit: 25.12.2018, aktualisiert: 28.12.2023

Leitvers: 2. Korinther 9,15

2Kor 9,15: Gott sei Dank für seine unaussprechliche Gabe!

Ich weiß nicht, ob du es jemals bemerkt hast, aber du findest im Neuen Testament viermal dieses Adjektiv „unaussprechlich“[1]. Hier lesen wir: „Gott sei Dank für seine unaussprechliche Gabe!“ Im zwölften Kapitel dieses Buches sagt uns der Apostel, wie er ins Paradies aufgenommen wurde, in den dritten Himmel, und er sagt, dass er „unaussprechliche Worte hörte, die ein Mensch nicht sagen darf“ (2Kor 12,4). Und im Brief von Petrus lesen wir von „unaussprechlicher und verherrlichter Freude“ (1Pet 1,8). [Außerdem spricht Paulus in Römer 8,26 davon, wie der Heilige Geist sich bei unseren Gebeten in „unaussprechlichen Seufzern“ für uns verwendet]. Das Wort ist in jedem Fall in unserer deutschen Übersetzung dasselbe, aber jedes Mal im Griechischen anders. Dort hat der jeweilige Ausdruck eine sehr bestimmte Bedeutung. 

Unaussprechliche Freude

Wenn wir von „unaussprechlicher und verherrlichter Freude“ lesen, bedeutet das Wort im Grundtext buchstäblich „unsagbar“, unsagbare Freude. Wenn du sehr, sehr glücklich bist, kannst du dann Worte finden, um auszudrücken, wie es dir genau geht? Nehmen wir als Beispiel eine junge Braut; sie ist gerade den Mittelgang vom Traualtar her gekommen, und ihr Gesicht strahlt vor Freude. An ihrer Seite geht ihr stolzer junger Bräutigam. Ich frage nicht die Braut, sondern den Bräutigam: „Wie fühlst du dich jetzt?“

Er schaut mich an und sagt: „Formidabel!“
„Was meinst du damit? Das sagt mir überhaupt nichts.“
„Ja“, sagt er, „ich fühle mich großartig.“
„Großartig? Du meinst, dass du denkst, du bist eine wunderbare Persönlichkeit?“
„O nein.“
„Ja, was meinst du dann?“
„Ich fühle mich wunderbar.“
„Ich versteh dich immer noch nicht.“

Er gebraucht viele verschiedene Worte – einige sind gutes Deutsch, und einige sind umgangssprachlich –, um zu versuchen, seine Freude auszudrücken, die er fühlt, wenn er daran denkt, dass sie nicht vor ihm weggelaufen ist, bevor sie „Ja“ gesagt hat. Sein Herz ist von unaussprechbarer Freude erfüllt. Man kann unmöglich seine Gefühle ausdrücken, wenn man von Freude erfüllt ist. Das ist das Wort, das der Apostel gebraucht. Und wenn du Gottes Geschenk bekommen hast, hast du eine Freude, die unaussprechlich ist.

Jemand sagte zu einer alten schottischen Frau:
„Nun, Sie sind jetzt bekehrt.“
„Ja, das bin ich.“
„Wie fühlt es sich an?“
„Oh, es ist leichter zu fühlen als zu sagen.“[2]
Sie war froh, sie war glücklich und freute sich und wusste nicht, welche Worte sie gebrauchen sollte, um ihre Freude auszudrücken.

Unsagbare Worte

In 2. Korinther 12, wo der Apostel sagt, dass er ins Paradies aufgenommen worden war und „unaussprechliche Worte hörte, die ein Mensch nicht sagen darf“, ist dieses Wort eigentlich „unsagbar“. Das heißt, nachdem Paulus die Musik des Himmels und den Wortschatz der Engel und der erlösten Sünder in der Herrlichkeit gehört hatte, konnte er keine Worte in der hebräischen und griechischen Sprache finden, mit denen er vertraut war, die angemessen die Freuden der Heiligen, die um den Thron Gottes und des Lammes standen, ausdrücken würden.[3]

Aber das Wort hier in 2. Korinther 9,15 ist noch mal ein anderes: „Gott sei Dank für seine unaussprechliche Gabe!“ Dieses Wort bedeutet buchstäblich: „noch nicht völlig erklärt“. „Gott sei Dank für seine noch nicht völlig erklärte Gabe!“ Das regt sehr zum Nachdenken an; es sagt mir, dass ich dieses Geschenk eines Tages verstehen werde, obwohl ich jetzt noch nicht dazu in der Lage bin. Es sagt mir, dass Gott noch wunderbare Dinge in Reserve hält, die ich herausfinden werde, wenn ich nach Hause in den Himmel komme, aber solange ich hier unten in der Welt bin, wird es niemals völlig erklärt werden können.

Als die Königin von Scheba zu Salomo kam, um ihn bezüglich des Namens des Herrn zu befragen, beantwortete Salomo alle ihre Fragen, und es gab nichts in ihrem Herzen, was er nicht erklärte. Und als sie seine Herrlichkeit sah und all seine Diener und den Reichtum, den er besaß, sagte sie: „Das Wort ist Wahrheit gewesen, das ich in meinem Land über deine Sachen und über deine Weisheit gehört habe; und ich habe den Worten nicht geglaubt, bis ich gekommen bin und meine Augen es gesehen haben. Und siehe, nicht die Hälfte ist mir berichtet worden; du übertriffst an Weisheit und Gut das Gerücht, das ich gehört habe“ (1Kön 10,6.7). Sie hätte Tag für Tag dableiben müssen und Monat um Monat und Jahr für Jahr, um halbwegs ein Verständnis von Salomos Weisheit und Herrlichkeit zu bekommen. Und so wird die Gabe Gottes niemals völlig erklärt werden, solange du und ich hier unten sind. Es wird die ganze Ewigkeit brauchen, um zu ihren Tiefen vorzudringen.

Wie könnt ich erkennen die Tiefen der Liebe,
eh ich überquerte das schmale Meer?
Wie könnt ich erreichen die Höhen der Freude,
eh ich nicht in Frieden bei Dir dort wär?[4]

Aber ich kann wohl mehr und mehr über dieses Geschenk erfahren, während ich auf dem Weg bin. Es ist Gottes erstaunliche Offenbarung von Christus für den Sünder.

Was ist die Gabe? Es ist niemals völlig erklärt worden, aber was ist es denn bloß? An erster Stelle ist der Herr Jesus selbst die Gabe Gottes: „So hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigartigen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verlorengehe, sondern ewiges Leben habe“ (Joh 3,16). „Hierin ist die Liebe Gottes zu uns offenbart worden, dass Gott seinen eingeborenen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben möchten. Hierin ist die Liebe: nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt und seinen Sohn gesandt hat als Sühnung für unsere Sünden“ (1Joh 4,9.10).

Der Herr Jesus selbst ist die Gabe Gottes, und lass es mich in aller Verehrung sagen: Er in all seiner Schönheit und Herrlichkeit ist niemals völlig erklärt worden. Millionen von Predigten sind über Ihn gehalten worden; Hunderttausende Lieder sind verfasst worden, um seine Seligkeit und Kostbarkeit zu preisen, aber niemand hat bis jetzt die Geschichte ganz erzählt. „Niemand erkennt den Sohn als nur der Vater, noch erkennt jemand den Vater als nur der Sohn und wem irgend der Sohn ihn offenbaren will“ (Mt 11,27). Wir reden über die Fleischwerdung, die Einheit von Gott und Mensch in einer Person, dieses herrliche Ereignis, das vor so langer Zeit in Bethlehem stattfand; aber wie wenig verstehen wir davon. Es ist Gottes unaussprechliche Gabe.

Der Heilige Geist ist Gottes Gabe. Unser gepriesener Herr ist nicht mehr hier auf der Erde, aber der Heilige Geist ist es. Wer kann den Geist Gottes verstehen? Wer kann den Heiligen Geist erklären? Ich selbst, einer der schwächsten und ärmsten von allen Dienern Gottes, habe Hunderte von Predigten über den Heiligen Geist gehalten, aber ich war niemals in der Lage, die Wahrheit in Bezug auf Ihn zu erschöpfen. Der Heilige Geist Gottes ist die unaussprechliche Gabe.

Wir lesen in Römer 6,23: „Der Lohn der Sünde ist der Tod, die Gnadengabe Gottes aber ewiges Leben in Christus Jesus, unserem Herrn.“ Ewiges Leben ist also die Gabe Gottes. Ja, „so hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigartigen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verlorengehe, sondern ewiges Leben habe“ [Joh 3,16], und darum wird uns gesagt: „Wer den Sohn hat, hat das Leben; wer den Sohn Gottes nicht hat, hat das Leben nicht“ (1Joh 5,12). Jesus, der Heilige Geist, ewiges Leben – diese drei stellen die Gabe Gottes dar. Erkläre du ewiges Leben. Ich kann es nicht. Es ist Gottes unaussprechliche Gabe, und ich höre meinen Retter sagen: „Dies aber ist das ewige Leben, dass sie dich, den allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen“ (Joh 17,3).

Die Gabe des Vaters kann größer nicht sein.
Den Sohn gab Er uns, um uns zu befrei’n.
Einst Sünder und arm,
sind wir jetzt ganz rein.[5]


Originaltitel: „II. The Excellency of the Gift“ aus „God’s unspeakable Gift“,  1908
in God’s unspeakable Gift. Twelve Select Addresses on Evangelical Themes, London (Pickering & Inglis)

Übersetzung: Marcel Manderbach

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Anmerkungen

[1] Jedenfalls nach der Elberfelder Übersetzung (Edition Hückeswagen).

[2] Im schottischen Englisch ein Wortspiel: „It is better felt than telt.“

[3] Weil es in der im englischsprachigen Raum am weitesten verbreiteten King-James-Bibel nur drei Stellen im Neuen Testament gibt, in denen das Wort „unaussprechlich“ vorkommt, ist dieser Absatz in Klammern durch den Übersetzer ergänzt worden. [Auch auf dieser Erde gibt es Dinge, die man mit Worten nicht ausdrücken kann. Paulus schreibt in Römer 8,26 davon, dass in unseren Gebeten Augenblicke kommen, in denen wir nicht wissen, wie wir beten sollen. Es gelingt uns nicht, unsere Empfindungen in Worte zu kleiden. Aber der Geist Gottes nimmt sich unserer Schwachheiten hat und verwendet sich für uns, und zwar in unaussprechlichen Seufzern, das heißt eben in nicht mit Worten auszudrückenden Seufzern. Er bringt sozusagen vor Gott angemessen zum Ausdruck, was wir nicht können.]

[4] Übersetzt aus dem Lied „I am Thine, o Lord“ von Fanny Crosby (1820–1915): There are depths of love that I cannot know, | till I cross the narrow sea. | There are heights of joy that I may not reach, | till I rest in peace with Thee.

[5] Aus dem Lied „O what a gift the Father “Albert Midlane (1825–1909): O what a gift the Father gave, | when He bestowed His Son; | to save poor ruined guilty men, | by sin defiled and undone.


Hinweis der Redaktion:

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