James Butler Stoney (1814–1897)
aus „Gedenket eurer Führer“

Arend Remmers

© CSV, online seit: 12.04.2001, aktualisiert: 12.01.2021

James Butler Stoney wurde am 13. Mai 1814 in Portland in der Grafschaft Tipperary (Irland) geboren. Sein Vater war ein strenger Puritaner. Die Familie führte in einem Landhaus ein beschauliches und sorgenfreies Leben. Alle vier Söhne wurden von Privatlehrern unterrichtet.

Im Alter von fünfzehn Jahren bezog der intelligente und begabte James Butler Stoney das bekannte Trinity College in Dublin, wo er sich auf klassische Sprachen und Rechtswissenschaft spezialisierte. Obwohl er in dieser Zeit einmal auf die Gnade Gottes und die Notwendigkeit einer Umkehr aufmerksam gemacht wurde, fand der ehrgeizige und mit den Vergnügungen der Jugend beschäftigte junge Mann keine Zeit, sich weiter mit dieser Frage auseinanderzusetzen. Seine Gedanken kreisten mehr um seinen zukünftigen Beruf und Erfolg als Jurist.

Im Jahre 1831 brach in Dublin die Cholera aus. Auch James Butler Stoney wurde krank. Sein erster Gedanke war jetzt: „Wie kann ich einem heiligen Gott begegnen?“ Seine seelischen Leiden waren schlimmer als die körperlichen. Er klingelte nach seinem Diener, um nach einem Arzt zu rufen, und sagte: „Thomas, ich fürchte, dass ich sterben muss.“ Als er wieder allein war, warf er sich auf sein Angesicht und rief zu dem Gott, von dem er als Knabe schon gehört hatte und der den größten aller Sünder angenommen hatte, weil der Gekreuzigte zu Seiner Rechten ist. Als der Arzt ankam, war J.B. Stoney erschöpft und schien wirklich dem Tode nahe zu sein, sagte aber ganz ruhig: „Jesus wird mich aufnehmen. Herr Jesus, nimm meinen Geist auf.“ Durch einen langen, heilsamen Schlaf wurde er wiederhergestellt. Schon bald konnte er sein Studium wieder aufnehmen. Aber er war von neuem geboren, für eine neue Welt, für neue Hoffnungen und ein neues Leben. Er entschloss sich, das Studium der Rechtswissenschaft aufzugeben, um von jetzt an ein Zeuge der Gnade Gottes für die verlorenen Sünder zu werden.

Er begann nun, in Dublin Theologie zu studieren, wo in dieser Zeit wirklich gute Lehrer waren. Im Alter von vierundzwanzig Jahren empfing er schließlich die Ordinierung zum Geistlichen. Seine Familie war hierüber recht verärgert. Einer seiner Onkel wollte nichts mehr mit ihm zu tun haben, da er, wie er meinte, seine Talente und hoffnungsvollen Aussichten für ein Pastorengehalt weggeworfen habe.

In den letzten vier Jahren hatte James Butler Stoney die Heilige Schrift mit großem Eifer studiert. Er hatte erkannt, dass alles Sichtbare vergeht und dass nur die unsichtbaren Dinge ewig sind. Als er die Briefe des Apostels Paulus las, entdeckte er, dass der auferstandene und verherrlichte Herr Selbst unmittelbar die Gaben für den Dienst in der Kirche Gottes gibt, so dass der Gläubige aufgrund Seines Auftrages Evangelist, Hirte oder Lehrer wird (Eph 4). Daher wartete J.B. Stoney nicht auf eine Pfarrerstelle, sondern ging als Evangelist hinaus an die Hecken und Zäune, um Sünder auf Gottes großes Heil hinzuweisen.

James Butler Stoney war bereits im Jahre 1833 mit den Brüdern in Berührung gekommen, die sich in Dublin seit mehreren Jahren zunächst in einer Privatwohnung am Fitzwilliam Square 9, seit dem Jahre 1830 jedoch in einem Versteigerungssaal eines Möbelherstellers in der Aungier Street 11 versammelten. In einer interessanten Mitteilung vom 12. Juli 1871 schreibt er selbst über diese Zeit:

Ich lernte die Brüder 1833 kennen. Ich hatte den brennenden Wunsch, dem Herrn zu dienen, und hatte den Gedanken an eine juristische Laufbahn zugunsten einer theologischen Ausbildung aufgegeben. Ich meinte, dass dies das einzig Richtige sei. Anfänglich ging ich sehr widerstrebend mit zur Aungier Street, wohin mich ein Mr. Clarke, ein Studienkollege, mitgenommen hatte, der dort ein ständiger Besucher war. … Schließlich bekam ich jedoch großes Interesse an den dortigen Lehren. Ich erinnere mich besonders an Ausführungen von Mr. Darby über die Worte „begnadigt in dem Geliebten“ und von Mr. Bellett über Markus 7, aber ich dachte noch nicht daran, mich ihnen anzuschließen. … Ich hörte beständig J.N.D. zu, bis er schließlich einmal über Josua 7 sprach: „Warum liegst du denn auf deinem Angesicht? … stehe auf, heilige das Volk …“ Das Böse muss zunächst weggetan werden. Gott kann nicht mit uns sein, wenn wir nicht vom Bösen getrennt sind. Da brach ich zusammen. Mir wurde zum ersten Mal klar, welch ein gewaltiger Schritt es ist, die Staatskirche zugunsten der unscheinbaren kleinen Schar in der Aungier Street zu verlassen. Dies war im Juni 1834. Ich bat Mr. Darby, so lange kommen zu dürfen, bis ich etwas Besseres fände, denn ich war nicht ganz sicher, ob er recht habe, aber ich war überzeugt, dass die englische Staatskirche falsch stand. In dieser Zeit pflegte Mr. Stokes an jedem Sonntag regelmäßig einen Abschnitt aus der Heiligen Schrift vorzulesen, und in Plymouth, wo ich 1838 war, pflegte man vorher festzulegen, wer das Brot brechen und offizielle Handlungen ausführen sollte. Im September nahm ich an der Zusammenkunft bei Lady Powerscourt teil. Mr. John Synge hatte den Vorsitz. Mr. Synge bat jeden der Reihe nach, über ein bestimmtes Thema zu sprechen. Mr. Darby sprach als Letzter, oft stundenlang, und ging auf alles ein, was vorher gesagt worden war. Neben ihm saß Mr. Wigram, und Captain Hall, Mr. G. Curzon, Sir A. Cambell, Mr. Bellett, Mr. T. Maunsell, Mr. Mahon, Mr. E. Synge waren dort. … Die Gebetsstunden morgens um sieben Uhr beeindruckten mich besonders. Jeder betete, dass Gott ihnen Licht schenken möge, aber auch Gnade, um danach zu handeln …

Nachdem James Butler Stoney 1834 bei diesen Brüdern seinen bleibenden Platz eingenommen hatte, blieb er zeitlebens ein guter Freund von John Nelson Darby, mit dem er bis zu dessen Tode im Jahre 1882 eng verbunden war. In den ersten Jahrzehnten arbeitete er mehr in der Stille. Er schrieb Artikel für verschiedene Monatsschriften, unter anderem in den vierziger Jahren für The Prospect (Der Ausblick), dessen Herausgeber William Kelly von 1849 bis 1850 war. Ab 1867 war er selbst Herausgeber der Zeitschrift A Voice to the Faithful (Ein Ruf an die Treuen).

James Butler Stoney reiste sehr viel und sprach fast an jedem Tage an irgendeinem Ort. Er hatte eine lebendige, beeindruckende Art zu sprechen, vermied aber sorgfältig jeden Anschein von Rhetorik. Er war überzeugt, dass in den heiligen Dingen der Heilige Geist die wahre und einzige Kraft sei. Sein auch in deutscher Sprache vorliegendes Buch Die Erziehung in der Schule Gottes ist sehr bekannt geworden.

Im Unterschied zu den übrigen Lehrern der Anfangszeit betonte James Butler Stoney nicht so sehr die objektive Wahrheit Gottes, sondern mehr die subjektive Seite der Wahrheit, bei der die persönlichen Erfahrungen eine große Rolle spielen und manchmal die Gefahr spekulativer Gedanken besteht. Er war insofern fast ein Mystiker.[1] Er wurde dadurch – unbewusst oder bewusst? – der Wegbereiter für die Aufnahme der Irrlehren von F.E. Raven, die dieser um 1890 zu verkündigen begann.[2] Dies musste 1890 zu einer Trennung führen, bei der in England viele Versammlungen (u.a. auch J.B. Stoney) von Raven mitgerissen wurden.

James Butler Stoney ging am 1. Mai 1897, kurz vor seinem dreiundachtzigsten Geburtstage, heim. Schon seit dem Oktober des Jahres 1895 war er durch eine ernste Krankheit an sein Zimmer gefesselt. Bis zum Ende blieb seine Freude in Gott, und er entschlief sanft, während er von Ihm sprach. Gerne pflegte er den folgenden Liedvers zu zitieren:

’Tis the treasure I found in His love
that has made me a pilgrim below.

(Der Schatz, den in seiner Lieb ich gefunden,
machte mich zum Pilger hier unten.)

Anmerkungen

[1] Die Mystik ist eine besondere Form der Religiosität, bei der der Mensch durch Hingabe und Versenkung zu tiefer, innerlicher Gemeinschaft mit Gott zu gelangen sucht.

[2] Anm. d. Red.: Dies war nicht erst um 1890 der Fall, sondern schon ab 1888.

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