Der Prophet Maleachi (2)
Kapitel 2

Henry Allen Ironside

© SoundWords, online seit: 25.03.2021, aktualisiert: 27.03.2021

Die Sünde der Priester

Im zweiten Kapitel werden die Sünden der Priesterschaft ihnen noch deutlicher und ausführlicher ins Gewissen gerufen. Gesalbt für den Tempeldienst, abgesondert für die Heiligkeit und dem heiligsten aller Ämter gewidmet, „für Menschen bestellt in den Sachen mit Gott, damit er sowohl Gaben als auch Schlachtopfer für Sünden darbringe“ (Heb 5,1), hatten sie sich als untreu gegenüber ihrem heiligen Auftrag erwiesen und dachten nur an ihren eigenen Gewinn. In der Annahme, dass „Gottseligkeit ein Mittel zum Gewinn sei“ (1Tim 6,5), ließen sie keine Gelegenheit aus, ihren eigenen Begierden zu dienen, während sie ihre heilige Berufung vernachlässigten.

In der gegenwärtigen Haushaltung gibt es keine derartige offizielle und von Gott anerkannte Priesterordnung, sondern alle Gläubigen sind jetzt zu heiligen und königlichen Priestern gesalbt worden (1Pet 2,5.9) und haben kraft des Blutes Jesu unmittelbaren Zugang zum Allerheiligsten (Heb 10,19). Als Anbeter treten sie in die Gegenwart Gottes, um geistliche Opfer darzubringen. Als königliche Priester, die für Ihn abgesondert sind, gehen sie hinaus, um einer bedürftigen Welt die Tugenden Gottes zu verkünden. Als heilige Priester sind sie dazu berufen, Fürbitte für solche zu tun, die selbst nicht für sich beten. Wie groß ist dann die Scham und Demütigung, wenn unsere Füße stolpern und unsere Wege krumm sind! Alles, was hier über das irdische Priestertum gesagt wird, sollte auch von der himmlischen Gesellschaft bedacht werden. Wir sollten unser Gewissen prüfen, ob wir nicht auch so schwer versagt haben, wie sie es taten.

Verse 1-3

Mal 2,1-3: 1 Und nun, ihr Priester, an euch ergeht dieses Gebot! 2 Wenn ihr nicht hört und wenn ihr es nicht zu Herzen nehmt, meinem Namen Ehre zu geben, spricht der HERR der Heerscharen, so werde ich den Fluch unter euch senden und eure Segnungen verfluchen; ja, ich habe sie schon verflucht, weil ihr es nicht zu Herzen nehmt. 3 Siehe, ich schelte euch die Saat und streue euch Mist in das Angesicht, den Mist eurer Feste, und man wird euch zu ihm hintragen.

In Vers 1 wird die Leiterschaft sehr klar und deutlich angesprochen. Wenn sie sich weigerten, das ernste Wort zu hören und zu beherzigen, würde der Herr einen schmerzlichen Fluch über sie schicken, der ihre Segnungen verfluchen würde, wie Er es bereits begonnen hatte zu tun. Ihre Nachkommenschaft sollte verworfen werden, und somit sollte die Familie Levi von dem ihnen zugedachten Platz des Vorrechtes beiseitegesetzt werden. Dies geschah mit dem Zerreißen des Vorhangs (Mk 15,38), wurde jedoch erst offenkundig mit der Zerstörung Jerusalems durch die Römer unter Titus. Auch ihre feierlichen Feste sollten verunreinigt werden und sie selbst sollten zeremoniell unrein sein, damit auf diese Weise die Unreinheit ihrer Herzen und Hände verdeutlicht würde.

Verse 4-6

Mal 2,4-6: 4 Und ihr werdet wissen, dass ich dieses Gebot an euch gesandt habe, damit mein Bund mit Levi sei, spricht der HERR der Heerscharen. 5 Mein Bund mit ihm war das Leben und der Frieden; und ich gab sie ihm zur Furcht, und er fürchtete mich, und er zitterte vor meinem Namen. 6 Das Gesetz der Wahrheit war in seinem Mund, und Unrecht fand sich nicht auf seinen Lippen; er wandelte mit mir in Frieden und Geradheit, und viele brachte er von ihrer Ungerechtigkeit zurück.

Von alters her war Gottes Bund des Lebens und des Friedens mit Levi gewesen, als er von seinen Brüdern abgesondert wurde, um alles in Gott zu finden. Für die Furcht, mit der er den HERRN fürchtete, als Israel das goldene Kalb in der Wüste machte (2Mo 32,25-29), war ihm ein ewiger Bund bestätigt worden; aber das sollte die Ausgießung des göttlichen Zorns während der Zeit der Zerstreuung Israels wegen ihrer Sünden nicht verhindern. Sie fürchteten sich nicht mehr vor dem Namen Gottes, wie sie es in den Tagen der Wüstenwanderung getan hatten. Damals war das Gesetz der Wahrheit in ihrem Mund, und Ungerechtigkeit wurde auf ihren Lippen nicht gefunden, als sie in Einfalt des Herzens mit Gott in Frieden und Gerechtigkeit wandelten und seine geschätzten Werkzeuge bei der Vollstreckung des Gerichts über das Böse waren (Mal 2,4-6). Es ist eine schöne Beschreibung der wahren Hingabe an den HERRN. Nur wenn der Priester sein Herz auf diese Weise bewahrte und seine Wege einrichtete, würde Gott in seinem Leben verherrlicht werden. Von Absonderung zu sprechen und die Wahrheit festzuhalten, während man das, was hier dargelegt wird, vernachlässigt, ist nur eitler Schein und Heuchelei.

Vers 7

Mal 2,7: Denn die Lippen des Priesters sollen Erkenntnis bewahren, und das Gesetz sucht man aus seinem Mund, denn er ist ein Bote des HERRN der Heerscharen.

Die Lippen der Priester sollten Erkenntnis bewahren, und die Menschen sollten das Gesetz aus seinem Mund suchen, um sich so als Bote des HERRN der Heerscharen zu beweisen. Daher ist es notwendig, das ganze Wort Gottes ernsthaft und unter Gebet zu studieren, um sich diesem Wort auch ganz praktisch in allen Bereichen unterzuordnen. Der Diener Gottes wird im Neuen Testament ermahnt: „Befleißige dich, dich selbst Gott als bewährt darzustellen, als einen Arbeiter, der sich nicht zu schämen hat, der das Wort der Wahrheit recht teilt“ (2Tim 2,15). Es geht nicht darum, einem Lieblingslehrer zu folgen oder sich an eine bestimmte Lehrmeinung zu halten, sondern der Heiligen Schrift in ihrer Gesamtheit den Ehrenplatz einzuräumen, den sie nach Gottes Willen haben sollte als vollständiger Wegweiser für sein Volk und als geeignete Nahrung für die Seele.

Verse 8.9

Mal 2,8.9: 8 Ihr aber seid abgewichen vom Weg, habt viele straucheln gemacht im Gesetz, ihr habt den Bund Levis zerstört, spricht der HERR der Heerscharen. 9 So habe auch ich euch beim ganzen Volk verächtlich und niedrig gemacht, in dem Maß, wie ihr meine Wege nicht bewahrt und die Person anseht beim Gesetz.

Wir werden auch nicht nur zum Bibelstudium eindringlich ermahnt, sondern wir sind aufgerufen, „Täter des Wortes“ (Jak 1,21) zu sein, indem wir keinen Teil des Wortes als toten Buchstaben für uns gelten lassen, sondern ihm sein ganzes Gewicht und seine Autorität über unsere Herzen und Gewissen geben und danach trachten, in allem zu wandeln, was darin geschrieben steht.

Die Priester, die hier von Maleachi angesprochen werden, ignorierten dies völlig. Da sie selbst vom Pfad des Gehorsams abgewichen waren, brachten sie die Einfältigen dazu, über das Gesetz zu stolpern und vom Wort des HERRN abzuweichen. Deshalb war der Bund mit Levi verdorben worden, denn sie hatten sich nicht als der moralische Same Pinehas erwiesen, dessen Speer die Plage aufgehalten hatte und dessen Treue allen Generationen in Erinnerung bleiben sollte (4Mo 25,1-13). Indem sie das Gesetz missachteten, waren diese abtrünnigen Priester selbst verächtlich gemacht worden, und sie sollten von dem Volk, das sie verführt hatten, verachtet werden. Ihre Wege zeugten gegen sie, deshalb verwarf der HERR ihren Dienst.

Vers 10

Mal 2,10: Haben wir nicht alle einen Vater? Hat nicht ein Gott uns geschaffen? Warum handeln wir treulos einer gegen den anderen, indem wir den Bund unserer Väter entweihen?

Der zehnte Vers ist der Beginn des zweiten Teils des Buches Maleachi, der bis zum Ende der Prophezeiung weitergeht. Es ist nun das Volk Juda als Ganzes, das in der letzten Botschaft angesprochen wird. Es ist auch die einzige Botschaft, die sie direkt von Gott erhalten sollten, bis der Gerechte käme, der Amen, der treue und wahrhaftige Zeuge. Ihm ging Johannes in seinem öffentlichen Dienst voraus, der Bote, dessen Kommen in Maleachi 3,1 vorausgesagt wird.

Sie stammten alle von einem gemeinsamen Vater ab, nämlich von Abraham, und wurden geschaffen von einem Gott, dem HERRN der Heerscharen. Warum also sollten Brüder sich gegenseitig verraten, indem sie den Bund ihrer Väter entweihen? Es ist nicht die sogenannte „Vaterschaft Gottes“, die hier erklärt wird. Es gibt nicht den geringsten Hinweis darauf, dass das Wort „Vater“ sich auf die Gottheit bezieht. Es war der Herr Jesus, der den Vater bekannt machte (Joh 1,18; 17,6). Nur in einem nationalen Sinn konnte Israel sagen: „Du bist unser Vater“ (Jes 63,16). Individuell hatten sie jedoch alle einen Vater, in dem sie sich rühmten, nämlich Abraham, dessen Nachkommen sie alle waren. So waren sie ein Volk von Brüdern. Doch wie unbrüderlich hatten sie gehandelt!

Was kann schockierender sein, als mit einem Namen angerufen zu werden, der so sehr auf Liebe und Zärtlichkeit hindeutet (so wie Abraham selbst zu Lot sagte: „Wir sind Brüder“ [1Mo 13,8]), und dennoch einander mit gefühlloser Gleichgültigkeit und kaltem Herzen zu behandeln, was manchmal sogar zu Feindschaft und Hass führte. „Wer sind diese Brüder?“, soll einer gefragt haben, als es um eine bestimmte Gruppe streitsüchtiger Christen ging. „Es sind Leute“, war die Antwort, „die sehr wählerisch sind, wenn es darum geht, das Brot zu brechen, und sehr achtlos, wenn es darum geht, Herzen zu brechen!“ Welch eine schreiende Schande! So ein Zeugnis über Christen sollte nur eine böse Verleumdung sein, die vom Vater der Lüge erfunden wurde! „Die Bruderliebe bleibe“ (Heb 13,1) ist Gottes Ermahnung an uns alle. Und lasst uns nicht vergessen, dass wir, seit unser Haupt in die Herrlichkeit zurückgekehrt ist, unsere Liebe zu Ihm durch die Liebe zu seinen Gliedern hier auf der Erde zum Ausdruck bringen.

Der schwache Überrest, der an den Ort zurückkehrte, wo der HERR seinen Namen wohnen lassen wollte, und von den Nationen getrennt war, brauchte sicherlich die Kraft, die er aus der Einheit des Herzens und der gegenseitigen Liebe und brüderlichen Ermutigung schöpfen konnte. Draußen tobten und fauchten die Wölfe, drinnen waren die Schafe dabei, sich gegenseitig zu „beißen und zu fressen“ (Gal 5,15)! Es ist ein erbärmliches Bild. Leider wurde es von den Schafen Christi seitdem oft wiederholt. Es war nicht die äußere Ablehnung, die das Herz von Nehemia verwundete; aber als er sah, dass die abgesonderten Leute voneinander einen Wucherzins verlangten und ihre Brüder mit Grausamkeit und Strenge behandelten, wurde seine Seele bis in ihre Tiefen bewegt. Maleachi macht deutlich, dass das Übel nie wirklich beseitigt, sondern nur vorübergehend eingedämmt worden war.

Vers 11

Mal 2,11: Juda hat treulos gehandelt, und ein Gräuel ist verübt worden in Israel und in Jerusalem; denn Juda hat das Heiligtum des HERRN entweiht, das er liebte, und ist mit der Tochter eines fremden Gottes vermählt.

Da ein jeder seinen Bruder verriet, war es nur zu erwarten, dass sie sich auch als Verräter gegenüber ihrem Gott erweisen würden. Und das klagt der Prophet direkt über ganz Juda und Israel an. Sie hatten die Heiligkeit des HERRN entweiht, das Heiligtum, „das er liebte“ (wie treffend der Ausdruck!), und hatten sich mit den Töchtern fremder Götter vermählt. Diese Mischehen werden auch in Nehemia und Esra erwähnt, was uns hilft, die Zeit des Wirkens von Maleachi zu bestimmen. Weder einander noch dem Herrn treu, verunreinigten sie sich, indem sie unheilige Bündnisse mit den götzendienerischen Menschen um sie herum schlossen. Wenn die brüderliche Liebe fehlt, wird die wahre göttliche Absonderung bald nur noch ein Name sein. Niemand braucht sich zu wundern, wenn die heranwachsende Generation sich der Welt als Gefährten zuwendet, wenn sie Zank und Uneinigkeit unter denen gesehen hat, die sich angeblich zu dem einzig herrlichen Namen abgesondert haben.

Verse 12.13

Mal 2,12.13: 12 Der HERR wird den Mann, der das tut, aus den Zelten Jakobs ausrotten, den wachenden und den, der einen Laut von sich gibt, und den, der dem HERRN der Heerscharen eine Opfergabe darbringt. 13 Und zweitens tut ihr dieses: Ihr bedeckt den Altar des HERRN mit Tränen, mit Weinen und Seufzen, so dass er sich nicht mehr zu eurer Opfergabe wendet, noch Wohlgefälliges aus eurer Hand annimmt.

Aber Gottes Angesicht ist gegen alle, die so handeln, und Er wird sie ausrotten. Er konnte keine Opfergaben von einem Volk annehmen, das sich so gleichgültig gegenüber seinem heiligen Charakter verhielt, ganz gleich, wie der äußere Anschein von Trauer und Reue aussah.

Verse 14.15

Mal 2,14.15: 14 Und ihr sprecht: „Warum?“ Weil der HERR Zeuge gewesen ist zwischen dir und der Frau deiner Jugend, an der du treulos gehandelt hast, da sie doch deine Gefährtin und die Frau deines Bundes ist. 15 Und hat nicht einer sie gemacht? Und sein war der Überrest des Geistes. Und was wollte der eine? Er suchte einen Samen Gottes. So hütet euch in eurem Geist, und handle nicht treulos gegen die Frau deiner Jugend!

Sich nach solch ernsten und pathetischen Worten nach dem „Warum“ zu erkundigen, offenbarte den tatsächlichen Zustand ihrer Seelen. Maleachi zögert nicht, zu antworten. Er war der Zeuge all ihrer bösen Taten. Es war ihnen verboten, Ehen mit den Heiden zu schließen, und Er hatte aus zweien, die zu seinem eigenen Volk gehörten, ein Fleisch gemacht. Aber sie hatten ihr Eheversprechen gebrochen, indem sie ihren Haushalten fremdländische Frauen hinzufügten, die sie von Gott wegführten. Um eine gottesfürchtige Nachkommenschaft zu suchen, hatte Er die Familienverhältnisse so geregelt, [dass sie keine Ausländerin heiraten durften]. Aber Nachlässigkeit in Bezug auf Ehescheidung und gemischte Ehen verderbten schnell den „Samen Gottes“.

Vers 16

Mal 2,16: Denn ich hasse Entlassung, spricht der HERR, der Gott Israels; und er bedeckt mit Gewalttat sein Gewand, spricht der HERR der Heerscharen. So hütet euch in eurem Geist, dass ihr nicht treulos handelt!

Die Praxis, sich von der Ehefrau zu trennen (was leider in unserer verdorbenen Zeit üblich geworden ist), um eine vorübergehende Laune zu befriedigen, war in den Augen Gottes verabscheuungswürdig. Gott „hasst Entlassung“. Verborgene Gewalttaten würde Er alle aufspüren, sie könnten nicht für immer verborgen bleiben. Alles wird zu gegebener Zeit ans Licht kommen. „So hütet euch in eurem Geist“, war sein Wort, „dass ihr nicht treulos handelt!“

Wir brauchen uns nur Matthäus 19 zuzuwenden, um zu sehen, wie wenig Wirkung diese Ermahnung auf sie hatte. Scheidungen wurden unter den unbedeutendsten und absurdesten Vorwänden gewährt, und in der Zwischenzeit wurde all ihre Gesetzlosigkeit mit einem Mantel äußerster Genauigkeit in der Beachtung der äußerlichen religiösen Vorschriften bedeckt. Wie leicht ist es, viel auf Äußerlichkeiten zu achten, während man gewohnheitsmäßig nachlässig gegenüber der wahren Frömmigkeit und dem aufrichtigen Gehorsam gegenüber den gewichtigeren Dingen des Wortes Gottes ist!

Vers 17

Mal 2,17: Ihr habt den HERRN mit euren Worten ermüdet; und ihr sprecht: „Womit haben wir ihn ermüdet?“ Damit, dass ihr sagt: „Jeder Übeltäter ist gut in den Augen des HERRN, und an ihnen hat er Gefallen“; oder: „Wo ist der Gott des Gerichts?“

Der HERR war ihrer leeren Religiosität überdrüssig – es waren nur bloße Worte von ihren Lippen und keine echten Herzensäußerungen, die in seinen Augen annehmbar gewesen wären. Aber wieder antworten sie Ihm mit einer höhnischen Frage und sagen: „Womit haben wir ihn ermüdet? Er antwortet: Damit, dass ihr sagt: ,Jeder Übeltäter ist gut in den Augen des HERRN, und an ihnen hat er Gefallen‘; oder: ‚Wo ist der Gott des Gerichts?‘“ Damit setzten sie sich über sein offenbartes Wort hinweg und beglückwünschten sich, Abrahams Nachkommenschaft zu sein und damit in der Linie der Verheißung zu stehen. Die Verdienste der Väter wurden dazu missbraucht, alle möglichen Verfehlungen in ihrem eigenen Leben zu bedecken. Es konnte nicht sein, dachten sie, dass Gott diejenigen im Gericht heimsuchen würde, in deren Adern das Blut von Abraham, Isaak und Jakob floss. So lebten sie fahrlässig in einem Narrenparadies, nachdem sie die Lektion der babylonischen Gefangenschaft bereits vergessen hatten.

Auch mit der Kirche ist es nicht anders gewesen. Ruin und Verderben traten schon früh ein, weil man sich vom lebendigen Gott entfernt hatte. Jahrhundertelang hatte das geistliche Babylon die Herrschaft über die Gewissen der Kinder Gottes und hielt sie in Knechtschaft und Unwissenheit.[1] Schließlich kam es durch die Wiedererlangung des Wortes Gottes zur Befreiung und zum Segen, worauf – noch zu Lebzeiten der Reformatoren – eine leblose Orthodoxie folgte, gepaart mit einer Lockerung der Sitten und Gleichgültigkeit gegenüber dem ihnen so gnädig anvertrauten Wort Gottes.

Seitdem gab es verschiedene Erweckungszeiten, in denen das besondere Wirken des Geistes darin bestand, praktische Frömmigkeit und Hingabe an Christus zu betonen. Jede dieser Bewegungen begann mit mehr oder weniger Treue zu Gott und seinem Wort. Aber bald folgten Verfall und Niedergang. Schließlich wurde die Wahrheit des Geheimnisses des Christus und der Kirche ans Licht gebracht, und der Name Jesu wurde zum Sammelpunkt für viele seines Volkes, die den versagenden Systemen der Menschen überdrüssig geworden waren. Aber wieder richteten Stolz und Eigenwille traurige Verwüstung an. Es bleibt nun abzuwarten, inwieweit es ein Gericht über das geben wird, was auf diese Weise das liebliche Zeugnis verdorben hat, das für die Vortrefflichkeit des unvergleichlichen Namens des Herrn aufleuchtete.

Die Stunde ist weit vorgerückt. Der Richter steht vor der Tür. Die Ankunft des Herrn naht. Demut und Selbstgericht stehen uns allen an. Möge uns die Gnade gegeben werden, die Zeichen der Zeit zu erkennen und unsere Herzen vor seinem Wort zu beugen.


Originaltitel: „Notes on the Prophecy of Malachi“
aus Notes on the Minor Prophets, 1909

Übersetzung: Stephan Isenberg

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Anmerkungen

[1] Anm. d. Red.: Hier ist die katholische Kirche des Mittelalters gemeint.

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