Die Textgrundlage des Neuen Testaments (14)
Anhang 5: Einige kommentierte Stellen, bei denen die Elberfelder 2003 vom Nestle-Aland-Text abweicht

Martin Arhelger

© M. Arhelger, online seit: 10.10.2006, aktualisiert: 17.11.2022

Hier sollen einige markante Stellen besprochen werden, bei denen die Elberfelder 2003 dem Text von Nestle-Aland nicht gefolgt ist. Auch hierbei wurden bevorzugt Stellen ausgewählt, bei denen eine inhaltliche Begründung gegen die Lesart von Nestle-Aland für Nichtkenner des Grundtextes nachvollziehbar sind.

In Matthäus 11,19 lesen viele Handschriften: „Und die Weisheit ist gerechtfertigt worden von ihren Kindern.“ Nestle-Aland hat hingegen: „Und die Weisheit ist gerechtfertigt worden von ihren Werken.“ Wie der Herr in den folgenden Versen zeigt, ist „dieses Geschlecht“ der Gegenstand seines Gerichtes, während die „Kinder“ der Weisheit diese rechtfertigen. „Dass die Weisheit Gottes durch ihre Werke gerechtfertigt wird, ist eine Binsenweisheit; dass sie durch ihre Kinder gerechtfertigt wird, ist eine bedeutende Wahrheit.“[1] Die Lesart mit „Kindern“ ist wohl kaum durch eine Harmonisierung mit dem Paralleltext in Lukas 7,35 entstanden, denn dann würde auch das Wort „alle“ von dort ergänzt worden sein.

In Matthäus 18,11 fehlt im Nestle-Aland-Text der Satz: „Denn der Sohn des Menschen ist gekommen, das Verlorene zu erretten.“ Dieser Satz ist hier aber inhaltlich sehr passend und ein sehr treffender Übergang in der Gedankenführung. Die Worte sind wohl kaum einfach aus Lukas 19,10 hier eingefügt worden, denn dort liegt ein ganz anderer Zusammenhang vor.

In Matthäus 19,9 lesen viele Handschriften am Versende noch: „Und wer eine Entlassene heiratet, begeht Ehebruch.“ Nestle-Aland lässt diese Worte jedoch mit anderen alten Handschriften weg. Inhaltlich begründet wird dies mit Parallelstellen, aus denen dieser Zusatz geflossen sein soll. Aber keine der denkbaren Parallelstellen (Mt 5,32; Lk 16,18) stimmt im Griechischen genau mit diesen Worten überein. Beachtet man noch, dass der Zusatz von Matthäus 19,9 nicht nur von der Mehrheit der späteren Handschriften, sondern auch von einigen der ältesten Handschriften[2] selbst gelesen wird, so ist es viel näher liegender, dass die Worte echt sind und nur in anderen Handschriften wegen Homoioteleuton ausgefallen sind.

In Matthäus 24,36 spricht Jesus Christus über die Zukunft des Tempels und über künftige Weltgeschichte. Am Schluss sagt Er: „Von jenem Tag aber oder der Stunde weiß niemand, weder die Engel im Himmel noch der Sohn, sondern nur der Vater.“ Es geht um die Worte „noch der Sohn“. Nestle-Aland hat sie bei Matthäus (Mt 24,36) und bei Markus (Mk 13,32). Aber während an der Echtheit der Worte in Markus 13 kein Zweifel besteht, gibt es im Paralleltext von Matthäus viele Handschriften, die den Zusatz weglassen. Wer den Charakter der beiden Evangelisten Matthäus und Markus erforscht, wird erkennen, dass die Worte in Markus sehr passend sind. Denn Markus beschreibt den Herrn auf der Erde als unterwürfigen Diener – und ein Diener braucht keinen Einblick in die Gedanken seines Herrn zu haben. Matthäus beschreibt uns den Herrn jedoch als König Israels. Ist die Bemerkung, dass auch der Herr als König den genauen Zeitpunkt Seines Kommens nicht weiß, wirklich überzeugend? Viel wahrscheinlicher ist, dass Matthäus diese Worte nicht geschrieben hat, sondern dass sie später von einem Schreiber durch einen Vergleich mit Markus 13 eingefügt worden sind, um den Text bei Matthäus zu ergänzen.[3]

In Markus 6,22 wird das Mädchen, das beim Gastmahl vor Herodes tanzte, als „ihre, der Herodias, Tochter“ bezeichnet. Nestle-Aland bevorzugt allerdings die Lesart „seine Tochter Herodias“. Aber zwei Verse später wird deutlich, dass die junge Tänzerin eine Tochter von Herodias war, nicht von Herodes. Aus der profanen Geschichtsschreibung wissen wir, dass sie zwar auch eine Großnichte von Herodes war, aber eben nicht seine Tochter; außerdem hieß sie nicht Herodias. Die Lesart, die Nestle-Aland bevorzugt, ist wahrscheinlich entstanden, weil man den grammatisch nicht ganz leichten Satz etwas vereinfachen wollte.

In Markus 9,49 steht: „Denn jeder wird mit Feuer gesalzen werden, und jedes Schlachtopfer wird mit Salz gesalzen werden.“ Nestle-Aland lässt jedoch den zweiten Satzteil mit mehreren Handschriften weg. Doch ähnlich wie in Matthäus 19,9 könnte der Nachsatz sehr leicht durch Homoioteleuton ausgefallen sein. Da er auch schwierig zu verstehen ist, konnten Abschreiber zusätzlich geneigt sein, ihn wegzulassen. Der Ernst der Warnung wird in der kürzeren Fassung jedenfalls deutlich gemildert. Gemeint ist, dass Gottes moralisches Gericht sich sowohl an jeden Menschen (Versanfang), als auch an jeden Gläubigen (Versende) richtet.

In Markus 10,24 sagt der Herr zu seinen Jüngern: „Kinder, wie schwer ist es, dass die, die auf Vermögen vertrauen, in das Reich Gottes eingehen!“ In vier älteren Handschriften wird der mittlere Versteil jedoch weggelassen, so dass es nur noch heißt: „Kinder, wie schwer ist es, in das Reich Gottes einzugehen!“ Diesen Handschriften folgt auch Nestle-Aland – aber nur mit einer dünnen handschriftlichen Bezeugung. Der Zusammenhang spricht aber von reichen Menschen, die ins Reich Gottes eingehen wollen, nicht von Menschen allgemein. Es ist auch gezwungen, den Vers 24 als eine verallgemeinernde Aussage von Vers 23 zu verstehen, denn in Vers 25 ist wieder von dem Reichen die Rede.

Markus 15,45 redet von dem „Leib“ (griech.: soma). Nestle-Aland liest hingegen vom „Leichnam“ (griech.: ptoma) Jesu. Diese ähnlich klingenden Wörter konnten leicht verwechselt werden. Aber es ist ungeziemend, von dem Leib des Herrn, der die Verwesung nicht gesehen hat (vgl. Apg 2,27.31; 13,35.37), als von einem „Leichnam“ zu reden. An allen anderen Stellen der Bibel wird bei dem Herrn Jesus jedenfalls „Leib“ gesagt.

Markus 16,9-20 ist der letzte Teil des Markusevangeliums, der von der Auferstehung des Herrn berichtet. Diese Verse werden von einigen älteren Handschriften weggelassen und sind daher auch im Nestle-Aland-Text als nicht zum ursprünglichen Textbestand gehörig gekennzeichnet worden. (Siehe unten zu Johannes 7,53–8,11 in einem ähnlichen Fall.) Aber andererseits stehen die Verse auch in einigen älteren und in der Masse der späteren Handschriften. Andere alte Handschriften haben die Verse zwar nicht, zeigen aber durch leere Seiten an dieser Stelle an, dass sie um die Existenz dieses Schlusses wussten. Inhaltlich ist es völlig unglaubhaft, dass das Markusevangelium mit Markus 16,8 („Und sie gingen hinaus und flohen von der Gruft. Denn Zittern und Bestürzung hatte sie ergriffen, und sie sagten niemand etwas, denn sie fürchteten sich.“) geendet haben sollte. Sollte das Ende der „Guten Botschaft“ nach Markus etwa aus Furcht und Zittern bestehen? Für das Fehlen der Verse in vielen Handschriften kann es viele Gründe geben, zum Beispiel könnte der Schluss des Markusevangeliums schon in einer sehr frühen Abschrift verlorengegangen sein – wie man ja das Schlussblatt einer Handschrift leicht verlieren kann –, oder jemand hat die Verse bewusst weggelassen, um der Schwierigkeit von scheinbaren Widersprüchen in den Auferstehungsberichten zu entgehen (z.B. konnte ein oberflächlicher Leser leicht die Verse in Markus 16,12-14 im Widerspruch zu Lukas 24 sehen).

In Lukas 2,14 sagen die Engel zu den Hirten auf dem Feld von Bethlehem: „Friede auf Erden, an den Menschen ein Wohlgefallen.“ Nestle-Aland folgt jedoch einer anderen Lesarttradition: „Friede auf Erden in den Menschen des Wohlgefallens.“ Ein Ausleger bemerkt dazu:

In Lukas 2,14 lesen sehr alte Abschriften ,in den Menschen des Wohlgefallens‘, eine Sorte, die man nur schwerlich in dieser Welt finden wird; und es ist ein seltsames Evangelium, dass Friede auf Erden für die Menschen seines Wohlgefallens da ist, also nur für solche, an denen er keinen Fehler findet. Wo gibt es denn solche? Es ist sicherlich eine ungeheuerliche Lesart, die nur an einem einzigen zusätzlichen Buchstaben liegt.[4]

In Lukas 4,44 steht von dem Herrn Jesus: „Und er predigte in den Synagogen von Galiläa.“ Viele alte Handschriften – und Nestle-Aland folgt ihnen – lesen jedoch „Judäa“ statt „Galiläa“. Aber sowohl der Zusammenhang, als auch die Parallelstellen in den anderen Evangelien beweisen, dass des Herrn Dienst sich hier auf Galiläa erstreckte. Allerdings könnte „Judäa“ tatsächlich die ursprüngliche Lesart sein, dann aber im weiteren Sinn gemeint sein, also das gesamte Gebiet Palästinas umfassend, wie das auch an anderen Stellen beim Schreiber Lukas der Fall sein könnte (z.B. Lk 1,5; 23,5).

In Lukas 6,1 steht die Zeitangabe „am zweit-ersten Sabbat“. Das Wort „zweit-ersten“ fehlt in manchen Handschriften und wird auch von Nestle-Aland deshalb weggelassen. Schon viele alte Kirchenschriftsteller haben zugegeben, dass sie mit dem (sonst nicht nachweisbaren) Wort nichts mehr anfangen konnten. Da lag es natürlich sehr nahe, dass man es beim Abschreiben einfach ausgelassen hat – und es bleibt völlig unerklärlich, warum man es später hier eingefügt haben sollte, wenn es nicht ursprünglich war. Ein Ausleger erklärt das Wort sehr treffend:

Der Sabbat, bevor die Webegarbe geopfert wurde, wurde von den Juden schon immer als „groß“ betrachtet (Joh 19,31). Der Sabbat nach der Webegarbe stand auch in großem Ansehen, aber dem ersten nicht gleich. Er war „zweit-erster“.[5]

In Lukas 9,35 erklärt die Stimme des Vaters aus dem Himmel von dem Herrn Jesus: „Dieser ist mein geliebter Sohn.“ Einige alte Handschriften, denen auch Nestle-Aland folgt, lesen jedoch: „Dieser ist mein auserwählter Sohn.“ Nun kann Jesus Christus zwar in einem gewissen Sinn als von Gott „auserwählt“ bezeichnet werden (vgl. Jes 42,1; Mt 12,18; 1Pet 2,4), aber diese Bezeichnung wird nie in direkter Verbindung mit „Sohn“ genannt, und außerdem stehen dort andere griechische Worte für „(aus)erwählt“ als in Lukas 9,35.

In Lukas 14,5 fragt der Herr: „Wer ist unter euch, dessen Esel oder Ochse in einen Brunnen fallen wird und der ihn nicht sogleich herausziehen wird am Tag des Sabbats?“ Statt „Esel oder Ochse“ liest Nestle-Aland „Sohn oder Ochse“. Doch das Argument des Herrn soll offenbar vom Kleinen auf Großes schließen und daher ist die Lesart mit „Sohn“ nicht überzeugend. Es soll betont werden, dass schon wegen viel geringfügigerer Dinge (Tiere) der Sabbat gebrochen wird.

In Johannes 1,18 bestehen zwei große Gruppen von Textzeugen, die beide zahlreich und teilweise sehr alt sind. Die einen lesen „der eingeborene Sohn“, die anderen haben jedoch statt „Sohn“ das Wort „Gott“. Sowohl für „Sohn“ als auch für „Gott“ werden in frühen Handschriften normalerweise Abkürzungen verwendet und diese unterscheiden sich bei „Sohn“ und „Gott“ nur wenig voneinander ( und ΞΣ) und konnten leicht verwechselt werden. Welche Lesart ist nun die ursprüngliche? Oft wird die von Nestle-Aland gewählte Lesart sehr schnell verworfen, weil die Ausdrucksweise „der eingeborene Gott“ theologisch nicht tragbar sei. Wenn man die Worte so übersetzt, stimmt das sicherlich. Allerdings könnte man auch übersetzen „der Eingeborene, Gott, …“, das heißt der Eingeborene, der zugleich auch Gott ist usw.[6] Aber die Lesart von Nestle-Aland widerspricht jedenfalls der gewöhnlichen Ausdrucksweise der Heiligen Schrift an anderen Stellen (Joh 3,16.18; 1Joh 4,9).

In Johannes 3,13 redet der Herr von Sich Selbst[7] als dem „Sohn des Menschen, der im Himmel ist“. Nestle-Aland lässt jedoch die Worte „der im Himmel ist“ mit einigen alten Handschriften weg. Es ist auch leicht nachvollziehbar, weshalb man diese Worte schon früh als unverständlich weggelassen hat. Wie sollte man es verstehen, dass der auf der Erde lebende Jesus von Sich gleichzeitig als „der Seiende in dem Himmel“ (so wörtlich) sprach? Aber näher betrachtet ist dieser Zusatz ein echtes und tiefgründiges Zeugnis, dass die Menschheit des Sohnes Gottes („Sohn des Menschen“) unmittelbar mit Seiner ewigen Gottheit („der Seiende in dem Himmel“) verbindet. Die Ausdrucksweise ist typisch für Johannes und erinnert auch an Johannes 1,18, wo wörtlich steht: „der Seiende im Schoß des Vaters“.

In Johannes 5,3.4 wird von den Kranken am Teich von Bethesda berichtet und gesagt, dass sie „auf die Bewegung des Wassers warteten. Denn zu gewissen Zeiten stieg ein Engel in den Teich herab und bewegte das Wasser. Wer nun nach der Bewegung des Wassers zuerst hineinstieg, wurde gesund, mit welcher Krankheit irgend er behaftet war.“ Diese Worte fehlen jedoch in vielen alten Handschriften und werden deshalb auch von Nestle-Aland nicht als ursprünglich betrachtet. Aber schon drei Verse später steht: „Der Kranke antwortete ihm {d.h. dem Herrn Jesus}: Herr, ich habe keinen Menschen, dass er mich, wenn das Wasser bewegt worden ist, in den Teich wirft; während ich aber komme, steigt ein anderer vor mir hinab.“ Diese Bemerkung des Kranken – und diese findet sich in allen Handschriften! – muss ohne die Information aus Vers 3b und 4 für den Leser völlig unverständlich bleiben. Wie soll er sich erklären, warum der Kranke in den Teich geworfen zu werden wünscht? Schon daraus ist ersichtlich, dass Vers 3b-4 nicht im ursprünglichen Johannesevangelium gefehlt haben kann. Schwieriger ist die Frage, warum die Verse trotzdem in vielen alten Handschriften fehlen. Am ehesten kann man vermuten, dass Abschreiber an der Tatsache Anstoß nahmen, dass dem Judentum auch noch unmittelbar vor der Zeit des Herrn solche Gnadenerweise Gottes zuteilwurden.

In Johannes 7,53–8,11 steht eine textkritisch schwierige Stelle. Dieser Abschnitt fehlt nämlich im Großteil der alten griechischen Handschriften und solche, die ihn haben, geben oftmals am Rand an, er sei von zweifelhafter Echtheit. Nestle-Aland hat den Abschnitt nicht wegzulassen gewagt, sondern – wie bei Markus 16,9-20 – mit doppelten Klammern in den Text eingefügt und damit angezeigt, dass er, nach ihrer Meinung, „mit Sicherheit nicht zum ursprünglichen Textbestand gehört“, allerdings „in einem sehr frühen Stadium der Überlieferung entstanden“ sei.[8] Für die spätere Zeit gibt es genügend Zeugen für den Abschnitt; über 900 griechische Handschriften enthalten diese Verse. Hinzu kommt, dass sich die Verse in den lateinischen Übersetzungen (auch der altlateinischen Übersetzung) aus zum Teil sehr früher Zeit finden.

Viele sind bereit, die Entstehung der Verse bis ins 2. Jahrhundert zuzulassen. Aber: Könnten die Verse dann nicht auch noch bis ans Ende des ersten Jahrhunderts datiert werden und von Johannes selbst stammen? Bemerkenswert ist das Zeugnis des frühen Kirchenvaters Hieronymus (ca. 340-420 n.Chr.), der schrieb: „Im Evangelium nach Johannes findet sich die Geschichte von der ehebrecherischen Frau, die vor dem Herrn angeklagt wurde, in vielen Handschriften, sowohl griechischen als auch lateinischen.“[9] Also kannte man um 400 viele griechische Handschriften mit diesen Versen, so dass die Frage nahe liegt: Warum fehlen sie in so vielen anderen Handschriften? Ein Zeitgenosse von Hieronymus, der Kirchenvater Augustinus (354–430), scheint eine Antwort zu haben. Er schrieb: „Einige Kleingläubige, oder vielmehr Feinde des wahren Glaubens, die, wie ich vermute, fürchteten, dass ihre Frauen beim Sündigen straffrei bleiben würden, entfernten aus ihren Handschriften das Handeln des Herrn gegenüber der Ehebrecherin, als ob der, der ihr sagte ,Sündige nicht mehr!‘ einen Freibrief zum Sündigen gegeben habe!“[10] Bedenkt man die Strenge, mit der das Neue Testament sonst über Ehebruch urteilt (vgl. 1Kor 6,9; Heb 13,4), so erscheint eine solche Tat durchaus plausibel. Nach alledem ist es gut möglich, dass die Begebenheit von der Ehebrecherin in guter Absicht weggelassen wurde, um keine moralischen Grundsätze zu verschieben.

Inhaltlich gibt es gute Gründe dafür, dass die Verse ursprünglich zum Johannesevangelium gehören und deshalb auch in modernen Ausgaben verbleiben sollte:

  1. Es folgt unmittelbar (Joh 8,12) Jesu Rede vom „Licht der Welt“ – eine offensichtliche Anspielung darauf, dass Sein göttliches Licht soeben die Herzen und Gewissen der Schriftgelehrten und Pharisäer bloßgestellt hatte.

  2. Der unvermittelte Einwurf der Juden „Wir sind nicht durch Hurerei geboren“ (Joh 8,41) scheint eine Anspielung auf die kurz vorher betrachtete Hurerei der Ehebrecherin zu sein.

  3. Die geplante aber vereitelte Steinigung der Ehebrecherin gipfelt noch vor Ende des 8. Kapitels darin, dass die Juden den Herrn Selbst steinigen wollen (Joh 8,59; vgl. auch Joh 10,31 und 11,8).

  4. Die Worte des Herrn „Wer von euch ohne Sünde ist …“ (Joh 8,7) stehen in auffallendem Bezug zu Vers 46, wo Er sagt: „Wer von euch überführt mich der Sünde?“

  5. Der Zusammenhang von Johannes 7–8 spricht oft von dem Richten des Herrn. Er betont: „Richtet nicht nach dem Schein, sondern richtet ein gerechtes Gericht!“ (Joh 7,24), „Ihr richtet nach dem Fleisch, ich richte niemand“ (Joh 8,15), „Vieles habe ich über euch zu reden und zu richten“ (Joh 8,26). Alles das ist wie eine Untermauerung der Begebenheit von der Ehebrecherin, wo der Herr gerechterweise die Ankläger mit verurteilen/richten muss. Auch die Frage von Nikodemus „Richtet denn unser Gesetz den Menschen, ehe es zuvor von ihm selbst gehört und erkannt hat, was er tut?“ passt genau in den Zusammenhang.

  6. Ohne die Begebenheit in Johannes 7,53–8,11 ist kein überzeugender Übergang von Johannes 7,52 nach Johannes 8,12 vorhanden. Vorher war noch vom Rat der Juden die Rede, plötzlich spricht der Herr wieder.

  7. Überhaupt zeigt der Zusammenhang mit Johannes 7, dass die verblendeten Feinde den Herrn, als sie Ihn mit Gewalt nicht zu greifen vermochten (Joh 7), nun mit List fangen wollten (Jo. 8).

Gegen die Ursprünglichkeit von Johannes 7,53–8,11 ist noch vorgebracht worden, dass der Abschnitt manche sonst bei Johannes nicht vorkommende Wörter und Wendungen enthalte. Aber diese Behauptungen sind nicht stichhaltig, denn mit demselben Argument könnte man andere Abschnitte im Johannesevangelium als spätere Einfügungen verdächtig machen[11] und außerdem gibt es in dem Abschnitt zahlreiche sprachliche Hinweise, die gerade auf den Evangelisten Johannes als Verfasser hinweisen.[12]

In Johannes 12,1 wird der Ort genannt, an dem der Herr von Maria gesalbt wurde: „Bethanien, wo Lazarus, der Gestorbene, war, den Jesus aus den Toten auferweckt hatte“. Die Worte „der Gestorbene“ werden jedoch von Nestle-Aland weggelassen. Es gibt handschriftlich aber sehr gute Gründe für die Echtheit dieser beiden Worte. Sie stehen nicht nur in der Masse der Handschriften, sondern sogar im P66, einem Papyrustext, der ungefähr aus dem Jahr 200 n.Chr. stammt und die älteste Handschrift mit dieser Stelle überhaupt ist, die wir heute besitzen! Abschreiber konnten die Worte „der Gestorbene“ leicht weglassen, entweder, weil sie nicht verstanden haben, inwiefern ein Gestorbener zu Tisch liegen konnte, oder weil sie wegen des folgenden Satzteils für überflüssig gehalten wurden.

In Johannes 14,14 sind nicht nur die alten Handschriften, sondern auch die Handschriften des Mehrheitstextes gespalten. Die einen lesen „Wenn ihr um etwas bitten werdet in meinem Namen“, die anderen fügen ein „mich“ hinzu, lesen also: „wenn ihr mich um etwas bitten werdet in meinem Namen“. Der Zusammenhang klärt jedoch, dass hier offenbar vom Gebet der Jünger im Namen Jesu zum Vater gesprochen wird, so dass das „mich“ hier unpassend ist.

Würde man in Apostelgeschichte 9,25 der Lesart von Nestle-Aland folgen, dann stünde dort von Saulus (Paulus): „Seine Jünger nahmen (ihn)“, also die Jünger von Paulus. Aber dass ein Knecht des Herrn seine eigenen „Jünger“ haben könnte, ist ein dem Neuen Testament ganz fremder Gedanke (vgl. auch Mt 23,8-10). „Jünger“ wird in diesem Sinn sonst im Neuen Testament nur von den (unmittelbaren) Jüngern des Herrn Jesus gesagt. Deshalb kann in Apostelgeschichte 9,25 nur die Lesart „die Jünger nahmen ihn“ richtig sein.

In Römer 11,31 lesen die meisten Handschriften: „So haben auch jetzt diese {d.h. die Israeliten} an eure Begnadigung {d.h. an die Begnadigung der Nationen} nicht geglaubt, damit auch sie unter die Begnadigung kommen.“ Vier Handschriften fügen jedoch im zweiten Teil des Verses ebenfalls ein „jetzt“ ein, so dass dort steht: „damit auch sie jetzt unter die Begnadigung kommen“. Da unter diesen vier Handschriften drei alte sind, hat Nestle-Aland das „jetzt“ im Text belassen. Er hat es allerdings in eckige Klammern gesetzt, weil diese Lesart nicht gesichert ist. Das Wort fehlt nämlich nicht nur in der ältesten bekannten Handschrift, die diesen Text enthält – dem Papyrus 46, der um das Jahr 200 geschrieben wurde. Auch die große Mehrheit alter und neuerer Handschriften weist dieses Wort hier nicht auf. Die Entscheidung für oder gegen das „jetzt“ kann wieder nur aus inneren Gründen gefällt werden. Innere Gründe sprechen klar gegen die Ursprünglichkeit des Wortes „jetzt“. Denn die Belehrung des Apostels in Römer 11 ist, dass Israel bis auf Ausnahmen „jetzt“ (d.h. zur Zeit der Nationen) „verstockt“ ist und dem Evangelium nicht glaubt. Erst in der Zukunft, wenn die Vollzahl der Nationen eingegangen ist (Röm 11,25) wird Israel glauben. Das Wort „jetzt“ stört in Römer 11,31b die Belehrung des Apostels also empfindlich und ist sicherlich nicht ursprünglich. Es ist andererseits nicht schwer vorstellbar, wie das „jetzt“ in den Text kommen konnte. Denn im ersten Teil des Verses steht korrekterweise „jetzt“. Und weil der Vers sprachlich parallel aufgebaut ist, konnten Abschreiber das Wort irrtümlicherweise leicht auch im zweiten Teil einsetzen.

In 1. Korinther 2,1 steht: „Und ich, als ich zu euch kam, Brüder, kam nicht, um euch das Zeugnis Gottes nach Vortrefflichkeit der Rede oder Weisheit zu verkündigen. Denn ich hielt nicht dafür, etwas unter euch zu wissen, als nur Jesus Christus, und ihn als gekreuzigt.“ Diese Lesart wird von der großen Mehrheit der Handschriften, darunter auch einigen sehr alten, gelesen. Statt „Zeugnis Gottes“ lesen einige wenige alte Handschriften jedoch „Geheimnis Gottes“ – und dieser Lesart ist Nestle-Aland gefolgt. Aber auch hier ist aus inneren Gründen die Lesart „Geheimnis Gottes“ zu verwerfen. Ein Ausleger schreibt dazu:

Nach meinem Urteil spricht der Zusammenhang mit Sicherheit und Bestimmtheit gegen die Veränderung [der Handschriften, die „Zeugnis“ in „Geheimnis“ ändern]. Der Apostel unterscheidet nämlich zwischen seiner ersten Ankündigung der Frohen Botschaft in Korinth (ohne menschliche Anstrengung, die Botschaft schmackhaft zu machen, indem er nicht dafür hielt, etwas unter ihnen zu wissen, als nur Jesus Christus, und ihn als gekreuzigt) und dem Reden in Worten der Weisheit unter den Vollkommenen (oder Erwachsenen), der Weisheit Gottes in einem Geheimnis [1Kor 2,7]. Diese offensichtliche und bedeutsame Unterscheidung würde dadurch zerstört, so dass man den Fehler annimmt, der von Abschreibern gemacht wurde, die zwei äußerlich ähnliche Ausdrücke verwechselten [Zeugnis heißt im Griechischen marturion und Geheimnis heißt musterion], und leicht etwas vertauschten, weil ihr geistlicher Sinn nicht zur Unterscheidung geschärft war.[13]

In 1. Korinther 13,3 gibt es zwei Lesartvarianten. Die einen Handschriften lesen: „wenn ich meinen Leib hingebe, damit ich verbrannt werde“, die anderen Handschriften schreiben: „wenn ich meinen Leib hingebe, damit ich mich rühme“. Beide Lesarten sind handschriftlich gut bezeugt, also müssen andere Kriterien zur Entscheidung der richtigen Lesart herangezogen werden.[14] Im Zusammenhang des Verses möchte Paulus vorzügliche christliche Einstellungen und vollkommenes christliches Verhalten beschreiben (die jedoch ohne Liebe wertlos sind). Da mutet es doch recht merkwürdig an, dass er von etwas geschrieben haben sollte, das den Zweck gehabt hätte, dass er sich rühmen könnte. Viel inhaltstiefer wird der Vers, wenn Paulus sinngemäß sagt: Sogar wenn ich so etwas Großes wie meine Selbstaufopferung zum Verbrennen vollbringen würde – ohne Liebe wäre das nutzlos.

In 1. Thessalonicher 2,7 schreibt der Apostel Paulus den Thessalonichern im Blick auf seinen früheren Aufenthalt in Thessalonich: „Wir sind in eurer Mitte zart (griech.: äpioi) gewesen.“ Nestle-Aland folgt jedoch der Lesart: „Wir sind in eurer Mitte unmündig (griech.: näpioi) gewesen.“ Aber das Bild einer stillenden Frau, das der Apostel im Zusammenhang der Stelle entfaltet, passt nicht zu „unmündig“, sehr wohl aber zu „zart“. „Unmündig“ würde eher für die Thessalonicher passen, an denen Paulus arbeitete.

Für 2. Thessalonicher 2,13 gibt es zwei verschiedene Lesarten. Nach der einen Lesart dankt Paulus dafür, dass Gott die Thessalonicher „von Anfang [griech.: ap arches] erwählt hat“. Nach der anderen Lesart dankt Paulus, dass Gott die Thessalonicher „als Erstlingsfrucht [griech.: aparchen] erwählt hat“. Beide Lesarten unterscheiden sich nur durch einen Buchstaben[15], konnten also leicht verwechselt werden. Da beide Lesarten gut bezeugt sind, hilft wieder nur eine Unterscheidung nach „inneren“ Gründen weiter. Die inneren Gründe sprechen gegen die Lesart „als Erstlingsfrucht“, denn dieser Ausdruck kann nicht auf die Thessalonicher angewendet werden. Sie waren keine „Erstlingsfrucht“, auch nicht von Mazedonien, denn die Philipper waren vor ihnen an Christus gläubig geworden.

In Hebräer 1,12 heißt es von Himmel und Erde: „Sie werden verwandelt werden.“ Nestle-Aland fügt hinzu: „wie ein Gewand“. Aber bei diesen Worten scheint es sich um eine versehentliche Ergänzung des Gedankens aus Vers 11 und den Anfangsteilen von Vers 12 zu handeln, wo schon einmal vom einem „Gewand“ und einem „Mantel“ die Rede ist. Sachlich passt diese Ergänzung auch gar nicht für den Untergang der Erde, denn ein Gewand kann „veralten“ (Heb 1,11) und ein Mantel „zusammengerollt werden“ (Heb 1,12 a), aber inwiefern soll ein Gewand – verglichen mit der untergehenden Erde – „verwandelt werden“? Die Verwandlung der Erde wird nach der biblischen Belehrung eben nicht langsam und allmählich – wie ein zerfallendes Kleid – erfolgen, sondern plötzlich.

In 2. Petrus 3,10 liest der Mehrheitstext im Blick auf die Zukunft: „Die Erde und die Werke auf ihr werden verbrannt werden.“ Nestle-Aland folgt hingegen einer Lesart, die wörtlich nicht „werden verbrannt werden“, sondern „werden gefunden werden“ liest. Diese Lesart findet sich zwar in vielen älteren Handschriften, ist inhaltlich jedoch kaum verständlich. Inwiefern sollte die Erde dann „gefunden“ werden?[16] Man wird in diesem schwierigen Fall auf die mehrheitliche Lesart der Handschriften zurückgreifen und lesen, dass die Erde und ihre Werke „verbrannt werden“.

In 1. Johannes 2,14 lesen die meisten alten Handschriften: „Ich habe geschrieben“, der Mehrheitstext jedoch: „Ich schreibe.“ Der Unterschied ist bedeutsamer, als es zunächst scheinen mag, denn mit der korrekten Lesart steht und fällt die Gliederung des ganzen zweiten Kapitels. Wenn man die Lesart des Mehrheitstextes wählt, dann ist Vers 12 eine allgemeine Anrede an alle Leser mit „Kinder“, die Verse 1. Johannes 2,13.14a eine erste abgestufte Anrede an (1) Väter, (2) Jünglinge und (3) Kindlein, die immer in der Gegenwartsform („ich schreibe“) erfolgt. In 1. Johannes 14b und 18 erfolgt dann eine erneute Anrede an diese drei Klassen von Christen, wieder in der Reihenfolge Väter, Jünglinge, Kindlein. In Vers 28 werden schließlich alle Christen wieder gemeinsam mit „Kinder“ angeredet. Diese schöne und inhaltlich passende Einteilung geht leider bei der Lesart von Nestle-Aland ganz verloren. Bei ihr würde sich die unsinnige Reihenfolge „Kinder, Väter, Jünglinge“ (1Joh 2,12.13) ergeben und außerdem das Wort „Kinder“ (griech.: teknia), anders als an allen anderen Stellen im ersten Johannesbrief, nicht Anrede für alle Christen, sondern nur für eine Gruppe unter ihnen sein – wiederum im Gegensatz zu Vers 14, wo dieselbe Gruppe mit „Kindlein“ (griech.: paidia) angesprochen wird. Aus diesem Grund ist der Lesart des Mehrheitstextes den Vorrang zu geben. Man kann andererseits leicht erklären, dass Abschreiber den Text so einheitlich machen wollten, so dass auf dreimaliges „ich schreibe euch“ dreimaliges „ich habe euch geschrieben“ folgen sollte. Diese scheinbar sinnvolle mehr formale Parallelität konnte leicht zu bewusster oder unbewusster Textänderung führen.

In 2. Johannes 8 schreibt Johannes der auserwählten Frau und ihren Kindern: „Gebt acht auf euch selbst, damit wir nicht verlieren, was wir erarbeitet haben, sondern vollen Lohn empfangen.“ Andere Handschriften, denen auch Nestle-Aland folgt, lesen jedoch: „Gebt acht auf euch selbst, damit ihr nicht verliert, was wir erarbeitet haben, sondern vollen Lohn empfangt.“ Die zweite Lesart ist auf den ersten Blick näher liegend. Auf die Ermahnung „Gebt acht auf euch selbst“ erwartet man einen Hinweis darauf, dass die Angesprochenen, die ja auf sich achten sollten, etwas verlieren konnten. Es ist also nicht schwer zu erklären, wie die Lesart von Nestle-Aland entstanden ist, während man umgekehrt kaum überzeugend begründen kann, wie sich aus der Nestle-Aland-Lesart die andere entwickelt haben soll. In der Welt von Johannes ist es ein bedeutender Gedanke, dass seine Kinder für ihn zum Ruhm oder auch zum Verlust am Tag der Offenbarung der Gläubigen mit dem Herrn sein könnten (siehe 1Joh 2,28). Deshalb ist es sehr verständlich, wenn Johannes im unvorsichtigen Wandel seiner Kinder auch eine Ursache für seinen eigenen Verlust beim Lohn sieht.

In Offenbarung 21,3 steht von den Menschen im ewigen Zustand: „Sie werden sein Volk sein.“ Nestle Aland liest hingegen: „Sie werden seine Völker sein.“ Aber ein aufmerksamer Bibelkenner wird wissen, dass der ewige Zustand gerade dadurch gekennzeichnet sein wird, dass es keine unterschiedlichen Völker und Nationen mehr geben wird.

In Offenbarung 22,21, dem letzten Vers der Bibel, gibt es eine große Fülle von Lesartvarianten, von denen allerdings keine den Sinn grundlegend beeinflusst. Der Textus Receptus liest: „Die Gnade unseres Herr Jesus Christus sei mit allen Heiligen. Amen.“ Das Wort „unseres“ ist aber äußerst schlecht bezeugt. (Der Fußnotenapparat von Nestle-Aland zählt nur eine einzige griechische Handschrift auf, die dieses Wort hat.) Die von Nestle-Aland gewählte Lesart „Die Gnade des Herrn Jesus sei mit allen“ ist aber ebenfalls nicht viel besser bezeugt, denn die Auslassung des Wortes „Heiligen“ findet sich ebenfalls nur in zwei Handschriften (von denen eine noch dazu etwas abweichend lautet). Die Lesart der großen Mehrzahl der Handschriften „Die Gnade des Herrn Jesus Christus sei mit allen Heiligen!“ verdient sicherlich den Vorrang vor den schlecht bezeugten Lesarten, die der Textus Receptus und Nestle-Aland haben.

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Anmerkungen

[1] W. Kelly: The Bible Treasury, Band 13, Seite 288.

[2] Namentlich vom Codex Vatikanus und dem P25, einem Papyrusfragment aus dem 4. Jahrhundert.

[3] Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass Markus 13,32 offenbar die Sprache des Menschen Jesus Christus ist. Als Gott wusste der Herr selbstverständlich von dem genauen Zeitpunkt, aber hier spricht Er als der abhängige und gehorsame Mensch.

[4] W. Kelly: An Exposition of the Epistles of John the Apostle with a New Version, Seite 171.

[5] W. Kelly in Bible Treasury, Band 13, Seite 303. Vergleiche auch die ausführlichere Erklärung im Vorwort von älteren Ausgaben der Elberfelder Bibel.

[6] Dieser Übersetzung kann auch nicht der oft erhobene Vorwurf gemacht werden, die Lesart mit „Gott“ sei eine Irrlehre. Durch sie wird gerade die Gottheit des Sohnes deutlich betont.

[7] Es besteht aller Grund zur Annahme, dass die wörtliche Rede des Herrn Jesus noch über Vers 12 hinausgeht und nicht vom Evangelisten Johannes stammt. Die Bezeichnung „Sohn des Menschen“ ist nämlich eine Selbstbezeichnung des Herrn, die von anderen in den Evangelien nie verwendet wird.

[8] Vgl. das Vorwort der Textausgabe von Nestle-Aland, Seite 7*.

[9] Hieronymus: Rede gegen die Pelagianer 2,17.

[10] Augustinus: Ehebrecherische Ehen 2,7. Ähnlich drückte sich auch der Kirchenvater Ambrosius (um 400 n.Chr.) aus.

[11] Beispielsweise finden sich in Johannes 2,13-17 viel mehr sonst bei Johannes nicht vorkommende Wörter und Wendungen und viel weniger „Lieblingswörter“ von Johannes – aber niemand würde diese Verse deshalb als späteren Einschub betrachten.

[12] Nur vier Beispiele:
– „Steinigen“ wird in den Evangelien sonst mit der griechischen Form lithoboleo bezeichnet. Nur Johannes verwendet lithazo – und genau diese Form wird auch in Johannes 8,5 gebraucht.
– „(Sie) bringen zu ihm“ (griech.: agousin) kommt sonst im NT nur noch bei Johannes vor (Joh 9,13; 18,28).
– „Dies aber sagten sie, um ihn zu versuchen“ (Joh 8,6) ist eine typische Formulierung von Johannes (siehe Joh 6,6)
– Die Aufforderung „sündige nicht mehr!“ wird so nur bei Johannes verwendet (vgl. Joh 5,14).

[13] Zitiert aus: William Kelly in: Bible Treasury, Band 13, Seite 365; siehe auch seine „Notes on 1 Corinthians“ zum Anfang von 1. Korinther 2.

[14] Es ist die Behauptung aufgestellt worden, dass die Lesart „damit ich verbrannt werde“ nicht ursprünglich sein könne, weil die grammatische Form (Futur, Konjunktiv) erst in späterer Zeit verwendet werde. Aber obwohl es stimmt, dass diese grammatische Form selten ist, kommt sie doch schon im Septuagintatext von Zephanja 3,11 vor – also viele Jahrzehnte, bevor Paulus den ersten Korintherbrief schrieb.

[15] Außerdem unterscheiden sie sich durch verschiedene Wortabtrennungen. Aber Wortabtrennungen sind eine relativ neue Erscheinung; Paulus selbst hat wahrscheinlich die Worte ohne Zwischenraum geschrieben, wie es damals üblich war. Worttrennungen sind spätere Interpretationen. Dasselbe gilt im Übrigen für Satzzeichen und Einteilungen des Textes in Sinnabschnitte.

[16] Die zahlreichen Vorschläge, wie man den Ausdruck „gefunden werden“ hier interpretieren soll, können hier unmöglich alle aufgezählt werden. Am sinnvollsten ist vielleicht noch die Erklärung „werden (vor Gott im Gericht) gefunden werden“. Aber keiner der Vorschläge kann ganz überzeugen.


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