Der Prophet Habakuk (0)
Einleitung

Henry Allen Ironside

© SoundWords, online seit: 15.09.2018

Einleitung

Obwohl das Buch Habakuk eines der kürzesten Bücher des Alten Testaments ist, enthält die Prophezeiung Habakuks wichtige Wahrheiten, die niemand übersehen darf, der das Wort Gottes ehrfürchtig studiert. Trotz seiner Kürze wird im Neuen Testament direkter Bezug auf dieses Buch genommen oder mehrmals daraus zitiert.

Der große Apostel der Heiden hat eine besondere Vorliebe für dieses Buch und findet darin die inspirierte Autorität sowohl für die grundlegenden Lehren der Rechtfertigung durch Glauben als auch für die Gewissheit des Gerichtes, das über alle kommen wird, die das Zeugnis des Heiligen Geistes über den Herrn Jesus Christus ablehnen (vgl. Apg 13,40.41 (40) Gebt nun acht, dass nicht das [über euch] komme, was in den Propheten gesagt ist: (41) „Seht, ihr Verächter, und verwundert euch und verschwindet; denn ich wirke ein Werk in euren Tagen, ein Werk, das ihr nicht glauben werdet, wenn es euch jemand erzählt.““ mit Hab 1,5 „Seht unter den Nationen und schaut und erstaunt, staunt; denn ich wirke ein Werk in euren Tagen – ihr würdet es nicht glauben, wenn es erzählt würde.“; und Röm 1,17 „Denn Gottes Gerechtigkeit wird darin offenbart aus Glauben zu Glauben, wie geschrieben steht: „Der Gerechte aber wird aus Glauben leben.““; Gal 3,11 „Dass aber durch Gesetz niemand vor Gott gerechtfertigt wird, ist offenbar, denn „der Gerechte wird aus Glauben leben“.“; Heb 10,38 „Der Gerechte aber wird aus Glauben leben“; und: „Wenn jemand sich zurückzieht, so hat meine Seele kein Wohlgefallen an ihm.““ mit Hab 2,4 „Siehe, aufgeblasen, nicht aufrichtig ist in ihm seine Seele. Der Gerechte aber wird durch seinen Glauben leben.“). Offensichtlich besteht auch ein enger Zusammenhang zwischen Habakuk 3,17.18 (17) Denn der Feigenbaum wird nicht blühen, und kein Ertrag wird an den Reben sein; und es trügt die Frucht des Olivenbaumes, und die Getreidefelder tragen keine Speise; aus der Hürde ist verschwunden das Kleinvieh, und kein Rind ist in den Ställen. – (18) Ich aber, ich will in dem HERRN frohlocken, will jubeln in dem Gott meines Heils.“ und Philipper 4. Da wir uns diese Abschnitte im Verlauf unserer Betrachtung noch genauer ansehen werden, überspringen wir sie an dieser Stelle erst einmal.

Von Habakuk selbst ist wenig bekannt. Wie Johannes der Täufer ist auch Habakuk „die Stimme des Einen“, was er selbst jedoch nicht wusste. Allerdings wird seine Gemütsbewegung in seinem lebhaften und herzergreifenden prophetischen Gedicht lebendig geschildert. Die jüdische Tradition behauptet, dass er aus dem Stamm Simeon kam, und gewöhnlich wird angenommen, dass er ein Zeitgenosse von Jeremia gegen Ende des Dienstes dieses „weinenden Propheten“ war. Sein Buch scheint das auch zu beweisen, da es im Blick auf die noch bevorstehende Invasion der Chaldäer geschrieben ist. Es gibt keinen Anhalt für Habakuks Geburt oder Tod. Doch wird behauptet, dass er im Land blieb, als die siegreichen Heere Nebukadnezars die Masse des Volkes gefangen wegführten.

Das Buch ist in der Form eines Dialoges geschrieben, und seine Struktur ist außerordentlich einfach. Bedrückt darüber, dass im Volk Ungerechtigkeit und Missetaten vorherrschen, schüttet Habakuk sein Herz vor dem HERRN aus, der in seiner Gnade auf das Schreien seines Dieners antwortet. Eine Unterteilung ist leicht zu finden. Kapitel 1,1-4 ist die Klage des Propheten; die Verse 5 bis 11 sind die Antwort des Herrn darauf. Von Vers 12 bis 17 lesen wir den Einwand Habakuks. Der erste Vers im zweiten Kapitel steht für sich allein. Es gibt keine sofortige Antwort auf den Schrei, mit dem das vorherige Kapitel schließt. In den Versen 2 bis 4 geht der Herr weit über die Vorstellungen des Propheten hinaus, indem Er den Segen vorhersagt, den der Messias am Ende herbeiführen würde. Währenddessen „wird der Gerechte durch seinen Glauben leben“ (Hab 2,4). Die Antwort auf die Fragen in Kapitel 1 wird eigentlich in den Versen 5 bis 8 gegeben. Der Rest des Kapitels scheint prophetischer Dienst zu sein. Nachdem der Herr ihm das Ende mitgeteilt hat, gibt sein Diener das Wort des Herrn an vier Gruppen von Menschen weiter, die nicht in den Wegen Gottes gehen. Er spricht ein „Wehe“ aus über jede von ihnen: über den Habgierigen (Hab 2,9-11 (9) Wehe dem, der bösen Gewinn macht für sein Haus, um sein Nest hoch zu setzen, um sich zu retten aus der Hand des Unglücks! (10) Du hast Schande für dein Haus geplant, die Vertilgung vieler Völker, und hast dein Leben verwirkt. (11) Denn der Stein wird schreien aus der Mauer, und der Sparren aus dem Holzwerk ihm antworten.“), den Ungerechten (Hab 2,12-14 (12) Wehe dem, der Städte mit Blut baut und Städte mit Ungerechtigkeit gründet! (13) Siehe, ist es nicht von dem HERRN der Heerscharen, dass Völker sich fürs Feuer abmühen und Völkerschaften sich vergebens plagen? (14) Denn die Erde wird voll der Erkenntnis der Herrlichkeit des HERRN sein, so wie die Wasser den Meeresgrund bedecken.“), den Maß- und Schamlosen (Hab 2,15-17 (15) Wehe dem, der seinem Nächsten zu trinken gibt, indem du deinen Zorn beimischst und sie auch betrunken machst, um ihre Blöße anzuschauen! (16) Du hast dich mit Schande gesättigt anstatt mit Ehre: Trinke auch du und zeige dein Unbeschnittensein; der Becher der Rechten des HERRN wird sich zu dir wenden, und schimpfliche Schande wird über deine Herrlichkeit kommen. (17) Denn die Gewalttat am Libanon wird dich bedecken, und die Zerstörung der Tiere, die sie in Schrecken versetzte: wegen des Blutes der Menschen und der Gewalttat an Land und Stadt und an allen ihren Bewohnern.“) und den Götzendiener (Hab 2,18-20 (18) Was nützt ein geschnitztes Bild, dass sein Bildner es geschnitzt hat, ein gegossenes Bild und das Lügen lehrt, dass der Bildner seines Bildes darauf vertraut, um stumme Götzen zu machen? (19) Wehe dem, der zum Holz spricht: „Wache auf!“, zum schweigenden Stein: „Erwache!“ – Er sollte lehren? Siehe, er ist mit Gold und Silber überzogen, und gar kein Odem ist in seinem Innern. (20) Aber der HERR ist in seinem heiligen Palast: Schweige vor ihm, ganze Erde!“). Kapitel 3 beendet das Buch mit dem Gebet des Habakuk und ist einer der kostbarsten und erhabensten Abschnitte in den alttestamentlichen Schriften.

Die hauptsächliche Anwendung gilt natürlich Israel und Babylon in jenen dunklen Tagen, die dem Ende des Königs Josia folgten (der gleiche Zeitabschnitt wird im Hauptteil des Buches Jeremia behandelt). Dennoch enthält dieses Buch ernste und wichtige Prinzipien, die sich auf alle Nachfolger des Herrn zu allen Zeiten anwenden lassen. Da es „zu unserer Belehrung geschrieben“ ist (Röm 15,4 „Denn alles, was zuvor geschrieben worden ist, ist zu unserer Belehrung geschrieben, damit wir durch das Ausharren und durch die Ermunterung der Schriften die Hoffnung haben.“), dürfen wir getrost über seine eindringlichen Kapitel nachsinnen, indem wir, wie der Prophet selbst, zuhören, „um zu sehen, was er mit [uns] reden wird und was [wir] erwidern sollen“ (Hab 2,1).

Dass Gott sich herabneigt, um das sehnsüchtige Schreien des Herzens seines Knechtes zu erhören, ist uns Ermutigung und Freude. Er beachtet das Rufen des Demütigen, aber „den Hochmütigen erkennt er von fern“ (Ps 138,6). „Er leitet die Sanftmütigen im Recht und lehrt die Sanftmütigen seinen Weg“ (Ps 25,9). Es steht außer Frage: Der vorrangige Grund dafür, dass wir im Allgemeinen so wenig Nutzen ziehen aus Gottes Wort, ist der erschreckende und vorherrschende Mangel an Selbstgericht und Zerbruch vor dem Herrn. Stolz, Hochmut und Selbstgenügsamkeit, die zu Überheblichkeit und wortreichem Streit führen, nehmen auf allen Seiten überhand, gepaart mit schwerer moralischer Laxheit und dem Unvermögen, die Dinge zu tun, die eben anders sind. Treue Unterordnung unter Gott und sein Wort kennt und schätzt man sehr wenig.

Im Großen und Ganzen haben wir vergessen, dass ein rechter moralischer Zustand vorhanden sein muss, um in die Dinge, die Gott betreffen, einzudringen, denn „geistliche Dinge werden geistlich beurteilt“ [1Kor 2,14]. Folglich sind fleischliche, selbstgefällige Christen oft solche, die ihren Mangel an echtem, geistgegebenem Dienst wieder wettmachen wollen, indem sie leere Binsenweisheiten und Ausdrücke (die an sich und in sich selbst zwar wahr und kostbar sind) empfangen oder ihnen zuhören. Routinemäßig gelernt, geben sie diese mechanisch und papageienartig weiter, anstatt auf Gott zu warten, bis seine Stimme in der Seele gehört wird und dadurch auf Herz und Gewissen der Hörer und des Redners zugleich wirkt.

In einer Zeit wie der unseren, wo „das viele Büchermachen kein Ende hat“ [Pred 12,12], ist es für jedermann mit durchschnittlicher Intelligenz einfach, eine ausreichende geistige Kenntnis der Wahrheiten der Schrift zu erwerben und diese dann in Gegenwart von weniger unterrichteten Menschen oder ungeistlichen Personen als ein Orakel göttlicher Weisheit vorzubringen. Aber in Wirklichkeit sieht das heilige Auge Gottes in all dem nichts als nur vergebliche Einbildung und Selbstgefälligkeit.

Die Wahrheit, die andere in tiefen geistlichen Übungen in der Schule Gottes gelernt haben, werden so an die bewundernde Menge von weltlichen Christen und Bekennern ohne Christus verkauft, die unfähig sind, das Wahre und Göttliche wahrzunehmen. Sie wird von Menschen verkauft, die selbst sehr wenig oder gar nichts wissen von der Kraft der Wahrheit in ihrer eigenen Seele und von der Unterwerfung unter Gott, die Hand in Hand geht mit den Lehren, die sie darlegen.

Das findet man besonders in Bezug auf die Lehren der Schrift über die Gemeinde. Wie viele reden heute wortgewandt von dem einen Leib und der Einheit des Geistes, haben aber offenbar kein echtes Interesse daran, weil sie diese Wahrheit in der Praxis verleugnen, indem sie sich mit unbiblischen und sektiererischen Systemen identifizieren. In diesen Systemen wird das Haupt der Versammlung praktisch abgelehnt und dem Heiligen Geist sein wahrer Platz verwehrt, während ein menschliches System von Klerus und Laien die göttliche Ordnung ersetzt, die in Gottes Buch niedergelegt ist!

Sicherlich kennen viele Menschen Jesus als ihren Retter und den Heiligen Geist als das Unterpfand ihres Erbes, aber sie haben nie gelernt, Christus als das eine Haupt der Gemeinde und den Heiligen Geist als die leitende Kraft in den Zusammenkünften wahrhaft anzuerkennen. Bei vielen ist das sicherlich das Ergebnis von Unwissenheit, und der große Hirte der Schafe wird den Mangel an Unterweisung und falscher Belehrung am Tag der Offenbarung berücksichtigen. An diesem Tag, der jetzt so nahe ist, „müssen wir alle vor dem Richterstuhl des Christus offenbar werden“ (2Kor 5,10). Aber wie viele von uns können diesen Einwand, dass sie unwissend waren, für sich geltend machen? Man rühmt sich seines Wissens, selbst wenn es kein entsprechendes Interesse an dem gegenwärtigen Zustand im Haus Gottes gibt und Weitherzigkeit und Unabhängigkeit an der Tagesordnung sind. Göttliche Übung fehlt traurigerweise, und das führt zur allgegenwärtigen Gleichgültigkeit gegenüber Christus und der Wahrheit.

In Habakuk sehen wir das ganze Gegenteil von alledem. Er war ein Mann, der tief ergriffen war von beidem: von dem Zustand seines Volkes – ja, seines eigenen Zustandes – und von Gottes Regierungswegen. Auch konnte er nicht ruhen, bis er die Gedanken des HERRN in allem hatte. Sein Buch ist deshalb von besonderem Wert in unserer verdorbenen, laodizeischen Zeit, die durch „hohe Wahrheit und niedrigen Wandel“ gekennzeichnet ist, wie jemand es bezeichnet hat. In eindringlicher Weise zeigt es die Wirkung geistlicher Empfindsamkeit (und die göttliche Antwort darauf) in einem Mann von gleichem Gemüt wie auch wir. Das werden wir in jedem Kapitel feststellen.

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Originaltitel: „Notes on the Prophecy of Habakkuk“
aus Notes on the Minor Prophets, 1909

Übersetzung: Anne Brust


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